„Es ist vollbracht“, rief Raferel zur Begrüßung, breitete die Arme aus und Jerome sah ihn mit der linken Hand irgendein dreiseitiges Dokument festhalten. „Sie ist unser!“ Er umarmte ihn zur Begrüßung, dann wedelte er aufgeregt mit dem Papier.
„Ah, diese … Mühle?“
„Wassermühle. Ja, genau. Alles unterschrieben, alles fertig. Immer so viel Papierkram …“
„Deswegen kümmerst du dich ja um so was“, sagte Jerome lächelnd. „Ich habe da kein Talent für.“
„Ich eigentlich auch nicht. Und keine Lust. Aber wie auch immer, sie gehört jetzt uns. Wir haben endlich ein gemeinsames Zuhause! Und sie wird dir gefallen. Der Keller ist großartig, dort kann ich mein Laboratorium einrichten. Aber auch für dich ist reichlich Platz vorhanden, wir werden es uns da schön zurecht machen.“
„Ich brauche nicht viel Platz. Im Militärinternat haben sie uns ausführlich gelehrt mit wenig eigenem Besitz zurecht zu kommen. Außerdem bin ich ja nicht du, allein wieviele verschiedene Röcke du hast …“
Gespielt beleidigt verzog Rafer das Gesicht und schüttelte den Kopf: „Du wirst schon sehen. Wenn du erst den Platz hast, dann nutzt du ihn auch.“
„Vielleicht. Aber nicht für Röcke.“
„Dann halt für was anderes.“
Jerome tätschelte seinem Bruder amüsiert die Schulter und nickte: „Ist ja schon gut. Danke, dass du das geregelt hast, ich freue mich drauf.“
Nach beinahe fünf Jahren des regelmäßigen Treffens und Zusammenseins, hatten Rafer und sein Bruder Jerome beschlossen auch zusammen zu leben. Rafers Studium der Medizin und seine Weiterbildung zum Chirurgen war vollständig abgeschlossen, er studierte jedoch weiterhin an einer anderen Universität sein zweites Fach Chemie weiter und hatte eine Art Aushilfsjob in einer kleinen Arztpraxis in der Nähe der neu gekauften Wassermühle angeboten bekommen. Von dort aus war auch der Stützpunkt von Jerome — mittlerweile vom Major zum Oberst aufgestiegen — recht gut zu erreichen, wo er derzeit hauptsächlich mit der Ausbildung von Elitetruppen beschäftigt war. Die beiden führten eine, unter Vampiren nicht unübliche, Liebesbeziehung miteinander, obwohl sie Brüder waren, wenngleich sie sich auch mehr als zwanzig Jahre lang aus den Augen verloren hatten. Brüder, gute Freunde, Liebhaber … sie waren sich gegenseitig alles, nur abgesehen von ihren jeweiligen Berufen.
„Wie lief es mit Vater?“, fragte Jerome und legte die Stirn leicht in Falten. Er beobachtete, wie Rafer mit den Schultern zuckte und die Augen übertrieben verdrehte: „Na, wie immer. Kennst ihn ja. Es war keine große Sache für ihm, genauso gut hätte ich ihn um Einkaufsgeld für zwei Kaugummis fragen können.“
„He, he, ja. Ich kann es mir gut vorstellen.“
„Ich habe ein Haus gefunden.“
So hatte Rafer vor einigen Tagen seinem Vater von der alten Wassermühle, die er sich als zukünftige Unterkunft für ihn selbst und Jerome ausgeguckt hatte. Von einem sehr redseligen Makler empfohlen, er vermittelte es für eine alte Dame und der Kaufpreis war eigentlich zu niedrig, dennoch natürlich für ein Haus dieser Größe nicht gering.
Gabryel Reißer, das Oberhaupt des Reißer-Clans, war fast zwei Meter groß, hatte dieselben tiefblauen Augen wie sein Sohn Jerome und langes, glattes schwarzes Haar. Wie immer war er, während Rafer sprach, an seinem Schreibtisch in einige Unterlagen vertieft und blickte nur gelegentlich hoch. So kannten beide Söhne ihren Vater, er hatte nie besonders viel Interesse an ihnen gezeigt, sehr wohl an ihren Fähigkeiten und ihrer Arbeitskraft, doch so etwas wie eine innige Beziehung bestand zu ihm nicht.
„Wunderbar“, kommentierte Gabryel ohne aufzusehen.
„Eine Wassermühle, nahe Lyansa“, führte Rafer weiter aus, ohne gefragt worden zu sein. „Ermöglicht mir und Jerome von der Lage her sehr gut unseren Tätigkeiten nachzugehen, die Festung ist auch super zu erreichen und groß genug ist es auch. Ich hätte sogar die Möglichkeit mir ein eigenes Labor einzurichten.“
„Sehr gut. Wenn sie euren Erwartungen entspricht, dann kauf sie.“
„… Willst du gar nicht wissen“, hob Rafer nach einer Weile schüchtern an. „wie teuer das Ganze wird?“
Er sah ein flüchtiges Lächeln auf dem Gesicht seines Vaters, das jedoch schnell wieder verschwand.
„Du kannst es mir gerne sagen, wenn du möchtest. Ansonsten kannst du es aber auch direkt an die Buchhaltung weitergeben, um die weiteren Formalitäten zu regeln. Ich verspreche dir, die Summe sofort freizugeben, wenn ich die Unterlagen vorgelegt bekomme.“
Wie immer. Geld spielte für ihn keine Rolle. Zumindest nicht, was seine beiden einzigen Kinder betraf. Vielleicht die beste Eigenschaft an ihrem Vater, irgendwie jedoch auch seltsam.
„Hm, okay. Ich habe alle Unterlagen mitgebracht, dann …“ Er wandte sich schon halb zum Gehen, hielt dabei aber seinen Vater im Blick. „… will ich mal in die Buchhaltung damit.“
„Steht der Termin der Übergabe bereits?“, fragte Gabryel noch.
„Ja. Im Mai. Findest du aber auch in den Unterlagen“, antwortete Rafer, absichtlich schnippisch. „Und mit unseren Jobs in Lyansa und Umgebung passt ja dann auch alles, also … für unsere laufenden Kosten kommen wir selber auf, nur, dass du das weißt …“
Mit einem Mal waren die blauen Augen seines Vaters auf seinem Gesicht und ließen ihn erschaudern. Dann lächelte er geheimnisvoll und stand tatsächlich von seinem Schreibtisch auf.
„Du bist ärgerlich“, stellte er höflich fest und lächelte noch immer. „Fühlt ihr euch … nicht genug wertgeschätzt von mir?“
„Schon gut. Gib dir keine Mühe“, gab Rafer kalt zurück. „Für dich ist ja doch nur von Interesse, ob wir für dich in greifbarer Nähe sind.“
Schon seit ihrer Kindheit hatte sich ihr Vater ihnen gegenüber mehr wie ein Arbeitgeber verhalten, der interessiert daran war sie möglichst gut aus- und weiterzubilden, um sie nach Belieben für sich einzusetzen. Sie waren vollkommen entfremdet und betrachteten ihren Vater daher auch nicht wirklich als Vater und dieser sie auch nicht wirklich als Söhne. Er vernachlässigte alle persönlichen Bindungen.
Muss mit seiner Lebensgeschichte zu tun haben, sagte Jerome dazu immer, er vertraut einfach absolut niemandem. Auch uns nicht.
„Ich bin schlecht im Loben“, gestand Gabryel mit einer Handbewegung ein und machte einen Schritt auf seinen rothaarigen ältesten Sohn zu. „Und so etwas wie Stolz ist mir fremd. Ich schätze wert, was ihr beide tut und was ihr geworden seid. Ich verfolge es und ich bin glücklich, wie ehrgeizig ihr seid. Und daher unterstütze ich euch, ohne es in Frage zu stellen. Habe ich euch jemals das Gefühl gegeben, dass ich es unangenehm finde, wenn ich Kosten für euch übernehme?“
Nur mit Mühe behielt Rafer seinen normalen Gesichtsausdruck bei, ihm war danach das Gesicht zu verziehen, so atmete er lediglich tief ein: „Nein. Hast du nicht. Ich wollte es ja nur erwähnt haben. Wir sind selbstständig.“
„Das seid ihr in der Tat. Und das weiß ich. Ich möchte dich und deinen Bruder unterstützen, nicht einschränken.“
Immer klang das, was Gabryel sagte betont höflich, geradezu förmlich und extrem vernünftig, er war ein ausgezeichneter Redner und Diplomat, obwohl er gleichzeitig auch einer der körperlich stärksten Vampire war. Und seine scheinbar unterwürfige Art war nur teilweise echt, wenn er etwas wirklich wollte, setzte er es durch. Ohne wenn und aber, auch gegenüber seinen eigenen Söhnen. Sie kannten ihn beide zu gut, um noch daran zu zweifeln.
„Ja, ja, ich sagte doch, es ist gut, Vater. …Möchtest du sonst noch irgendetwas von mir?“
Der durchdringende Blick von Gabryel ließ ihn frösteln, er blickte ihn nicht feindselig an, eher freundlich, fast amüsiert. Und doch voller Härte.
„Ich bin sicher, an das Gutachten muss ich dich nicht noch mal erinnern. Ansonsten hätte ich nichts, nein.“
„Ja, es ist bereits in Arbeit. Wenn es dir reicht, dass ich es nach dem Umzug fertig mache, brauche ich nicht mehr lange.“
„Innerhalb dieses Jahres reicht vollkommen. Und eure neue Adresse steht ja dann im Vertrag.“
„Genau.“
Es entstand eine Pause, dann nickte Rafer seinem Vater zu und machte einen Schritt nach hinten: „Dann will ich mal.“
Und sogar nach dem Umdrehen fühlte er die kalten Augen seines Vaters noch im Nacken sitzen.
„Ist schon was dran, wenn die Leute sagen, ‚Gabryels Lachen schockiert einen mehr als sein zornigstes Schreien‘ …“, murmelte Rafer und starrte nach vorne in die Luft.
„Hauptsache es ist alles geklärt. Was ist mit Möbeln?“
„Das Gut ist zum Teil möbliert. Und was wir sonst noch brauchen, ich zum Beispiel für das Laboratorium — du ahnst es schon — sollen wir Vater in Rechnung stellen.“
„Ein paar Fitnessgeräte wären gut. Nicht viel, Gewichte, Hanteln …“
„Mach mir eine Liste, ich kümmere mich um alles. Das wird jetzt alles sehr schnell gehen …“ Rafer pausierte, dann grinste er breit: „Außerdem steht auf meiner Liste ein extrastabiles Bett!“
Jerome lachte und fasste Rafer am Nacken: „Damit ich einen weichen Untergrund habe, während ich dich kniend in einer Ecke hocken lasse?“
„Oh, du … du Teufel!“
„Warte es nur ab. Wenn wir erst eingezogen sind, weihen wir das Haus richtig ein!“
Doch zunächst gab es eine Menge Arbeit zu tun. Erst weit im Juni war die frisch von Jerome und Rafer bezogene Wassermühle soweit eingerichtet, wie sie es haben wollten. Und von der vielen Arbeit am Haus und dem Umzug, zusätzlich zu ihren beiden Jobs, waren beide abends jeweils so erschöpft, dass sie schnell einschliefen.
Anfang Juli begann für Rafer das nächste Trimester seines fortgeschrittenen Chemiestudiengangs, so dass sein Tagesablauf erneut voller wurde, und auch Jerome hatte genug zu tun, es kamen Tage, an denen sie sich fast gar nicht sahen.
Aber dann gab es jenen Dienstagabend …
„Rafer?“, fragte Jerome aus der Küche, als er glaubte die Haustür gehört zu haben.
„Ja“, antwortete es leise aus dem Flur und nach einer kurzen Weile erschien Rafer in der Tür, mit seiner Aktentasche über der Schulter, das Gesicht zur Seite gedreht und mit großer Erschöpfung auf dem Gesicht.
„Da bist du ja, ich mach uns gerade eine Kleinigkeit zu essen.“
„Danke“, sagte Rafer knapp, den Blick zu Boden. „Bin drüben, mich umziehen …“
„Hey, warte mal.“
Mit zwei schnellen Schritten vertrat Jerome seinem Bruder den Weg, legte die Stirn in Falten und blickte ihn forschend an, dann packte er sein Kinn und drehte seinen Kopf zur anderen Seite.
„Was ist das?“
An seiner rechten Wange, oberhalb des Ohrs hatte Rafer eine kleine Blessur, einen Kratzer, der ziemlich frisch aussah. Er schlug die Augen nieder und riss sich aus Jeromes Griff los: „Gar nichts.“
„Woher hast du das?“
Sein Herz klopfte schneller, es war ihm an Rafers mieser Stimmung aufgefallen, dass irgendetwas nicht stimmte. Obwohl Jerome normalerweise nicht außergewöhnlich emphatisch war, doch so derart zurückhaltend verhielt sein Bruder sich sonst nie.
„Nur ein Kratzer.“
„Woher-ist-das?!“
„… Kleine Meinungsverschiedenheit. In der Uni. So, wie wir beide das auch schon mal hatten, als wir uns vor Jahren wiedergetroffen haben …“
„Meinungsverschiedenheit? Was ist passiert?“
Es fiel Rafer sichtlich schwer zu sprechen und in seinem Gesichtsausdruck war zu lesen, wie er eine ganze Weile mit sich kämpfte: „Da sind diese drei Typen, schon seit dem vorigen Trimester. Ab und zu macht es Ihnen Spaß mir aufzulauern und … na ja, manchmal … wird es auch ein bisschen ärger.“
„Soll heißen?“
„Tja. Siehst du ja. Sie sind auf mich losgegangen …“
„Einfach so?“
„Einfach so. Ich passe ihnen nicht, ich bin anders als die anderen Studenten, das weißt du ja …“
„Du musst dich doch wehren“, sagte Jerome zerknirscht und in seinen Augen flackerte bittere Wut auf.
„Hab ich ja!“, rief Rafer trotzig und reckte den Kopf, dann seufzte er tief und ließ ihn wieder sinken: „Aber die sind zu dritt. Ich hab keine Chance, einer hält mich fest und die anderen schlagen zu. Wenn ich Glück habe, schaffe ich es zu flüchten. Aber gegen drei auf einmal kann ich nichts machen.“
„Feige Hunde!“, rief Jerome und schlug sich mit einer Faust in die Handfläche. „Das hört mir auf!!“
„Ich kann nichts machen“, sagte Rafer resigniert und rückte verlegen seine Brille zurecht.
„Du vielleicht nicht. Ich schon. Wie heißen sie? Wo triffst du sie?“
„Hey, nein! Ich bin erwachsen, ich regle das alleine.“
„Das sehe ich, wie du das alleine regelst!“, donnerte Jerome mit tiefer Stimme und schubste Rafer ein kleines Stück nach hinten.
„Für was hältst du mich, einen Schuljungen?! Es ist meine Sache! Halt dich da raus!“
„Ich hab dich was gefragt!“
„Hörst du, was ich sage?!“
Jerome packte Rafer am Kragen und presste ihn mühelos gegen den Türrahmen, dieser ächzte als sein Hinterkopf gegen das Holz prallte.
„Wann siehst du diese Typen das nächste Mal?“, fragte er nochmals, leise und dunkel.
„Ach … ich … morgen bin ich in der Praxis. Vermutlich also am Donnerstag, wenn ich wieder in der Uni bin, nach dem Nachmittagsseminar.“
„Wann?“
„Das endet gegen 15:45 Uhr … sie kommen dann meistens zu meinem Spind im Westgebäude der Fakultät, wenn ich meine Sachen sortieren will.“
„Mehr wollte ich nicht wissen.“
„Hör auf damit! Erstens ist das meine Sache und zweitens sehen wir auch zu zweit gegen drei alt aus!“
„Ha, ha!“ Jerome lachte schallend und ließ Rafer so unerwartet los, dass dieser beinahe hinfiel. Dann ließ er seine Fingerknöchel knacken und grinste böse. „Abgesehen von unserer kleinen Prügelei damals, hast du mich noch nie ,richtig‘ kämpfen gesehen. Als ob mir, einem ausgebildeten Offizier, drei traurige Gestalten irgendwas anhaben könnten.“
„Sie sind zu dritt“, wiederholte Rafer stur.
„Lass sie zu fünft sein. Oder zu sechst. Spielt keine Rolle. Ich verpasse Ihnen eine Lektion, die sich gewaschen hat.“
Rafer sah nicht begeistert aus, seine Wangen röteten sich verlegen. Eigentlich wollte er keine Hilfe, er war zu stolz zuzugeben, wenn er Probleme hatte.
„Das sind … nur irgendwelche Arschlöcher. Nichts Großartiges …“
„Wenn ich mit denen fertig bin, sortieren sie dir bis zum Ende des Studiums den Spind ein. Verlass dich drauf.“ Ebenso unerwartet wie gerade, packte Jerome seinen Bruder am Hals und drückte zu, dieser blickte ihn verwirrt an.
„Hey …“
„Ich bin der einzige, der dich verprügelt. Ich ganz allein. Und das auch nur zu unser beider Lustgewinn. Merk dir das.“
Am folgenden Donnerstag konnte Rafer sich nicht aufs Seminar konzentrieren. Normalerweise war er aktiv im Unterricht, diesmal schwieg er komplett still und behielt nichts von dem durchgenommenen Stoff. Seine Gedanken waren woanders. Seit vorgestern hatte Jerome nichts mehr zu der Problematik mit den drei Kommilitonen von Rafer gesagt. Würde er seine Androhung wahrmachen? Oder hatte er alles längst vergessen? Vielleicht ließen die drei ihn ja auch heute ausnahmsweise in Ruhe? Er seufzte tief und schüttelte den Kopf. Nein, eher nicht. Sie hatten jetzt ihr Opfer gefunden und würden es immer weiter treiben …
Natürlich behielt er Recht.
Adrenalin peitschte durch seinen Körper, als er nach dem Seminar bei seinem Spind stand und mehrere Schritte in dem sonst leeren Gang hallen hörte.
Nicht schon wieder …
Sie waren immer zu dritt. Vampire, wie er selbst. Gero, Taquiné und Nicola. Allesamt eher mittelmäßige Studenten, aber kräftig gebaut und viel trainierter als Raferel. Dieser fiel durch sein Hervortun in den Seminaren, seine guten Noten und sein extravagantes Äußeres — die feuerroten Haare, die dezente Schminke und die grünen Augen — besonders auf. Und wurde zur Zielscheibe.
„Wen haben wir denn da?“, rief Nicola, erkennbar an seiner penetrant hohen Stimme.
Rafer erschauderte und wagte nicht sich umzudrehen.
Kein Jerome. Keine Hilfe.
Er war alleine, wie immer.
Sein Magen krampfte sich zusammen vor Angst. Bitte, nicht schon wieder!
„Was wollt ihr?“, fragte Rafer, als er seinen Spind schloss und sich umdrehte, während sich die drei Vampire absichtlich dicht vor ihm aufbauten. Sie waren nicht größer als er, aber in der Überzahl.
„Freust du dich nicht, deine Freunde zu sehen?“, säuselte Gero und schnipste dicht vor Rafers Nasenspitze in die Luft, dieser wich zurück und spürte das Metall seines Spindes im Rücken. Die anderen beiden kicherten.
„Lasst mich doch in Ruhe …“, hauchte Rafer leise.
„Wir machen doch gar nichts!“ Taquiné verstellte Rafer den Fluchtweg zur linken Seite, sie hatten ihn umzingelt. „Erzähl doch, was du heute noch so Schönes machst!“
„Ja!“, pflichtete Gero bei. „Du bist doch mit deinem Bruder zusammen, oder?“
Verlegen verdrehte Rafer die Augen und presste die Lippen zusammen.
„Fickt er dich in den Arsch, oder ist es umgekehrt?“
„Nein“, sagte Nicola, bevor Rafer die Chance hatte zu antworten. „Ich bin ganz sicher, Rafer ist der Gefickte! So wie immer!“
Alle drei lachten schallend, direkt vor ihm waren sie geradezu ohrenbetäubend laut. Heiße Wut kroch Rafers Wangen hoch und er ballte die Faust. Dann entschloss er sich impulsartig zu einem Fluchtversuch nach rechts, doch Gero hielt ihn fest und schubste ihn grob gegen die Spinde, dass das Metall klapperte.
„Sag schon, Raferel“, flüsterte Gero ihm ins Ohr und hielt sein rechtes Handgelenk fest: „Wirst du gerne in den Arsch gefickt?“
„Neidisch, du untervögelter Bastard?!“, gab Rafer grimmig zurück. Er riss sein Handgelenk hoch und hieb nach Gero, doch dieser blockte seinen vorhersehbaren Schlag und drehte ihm den Arm auf den Rücken. Rafer stöhnte vor Schmerzen.
„Ich glaube, du wirst nicht anständig gefickt von deinem Bruder!“, sagte Nicola, während Gero Rafer im Griff hielt. „Sollen wir das vielleicht machen?“
„Au ja, wir zeigen dir, wie das geht!“
„Lasst mich in Ruhe, ihr Wichser!!“ Panik stieg in Rafer auf, er wand sich in Geros Griff und wollte weglaufen. Doch schon spürte er, wie ihm Rock und Unterhose mit einem ratschenden Geräusch herunter bis zu den Knien gerissen wurden.
Jedes Mal treiben Sie es weiter!
Wie weit gehen sie diesmal?!, dachte Rafer voller Angst.
„Scheiße, Hilfe!!!“, brüllte er, doch Gero presste ihm die andere Hand auf den Mund: „Glaubst du dich hört jemand schreien, wenn wir dich ficken?“
„Da, hol den Besenstiel, Taquiné!“
„Oh ja, der ist schön massiv!“
„Ganz so, wie Raferel es gern hat!“
Wieder lachten die drei laut auf. Rafers Augen weiteten sich vor Schreck, er brüllte und keuchte in die Hand vor seinem Mund und zappelte vergeblich, um freizukommen. Keine Chance. Sie waren zu viele und zu kräftig. Was konnte er tun? Er konnte nicht weg und auch nicht um Hilfe schreien!
Verdammt, verdammt!
Nein! Nein! Nein!!
Fieberhaft überlegte er, was er noch tun konnte. Doch das Gefühl der Ohnmacht breitete sich wie eine bleierne Decke über ihm aus.
Nein … bitte, hört auf!
Ich … ich will das nicht!
„Lasst ihn los!“
Die tiefe Stimme donnerte wie das Geräusch eines Sturms durch den Universitätsgang, nicht besonders laut, aber mit solcher Macht, dass alle sich umdrehten, auch Gero, der Rafer im Griff hielt.
Es war Jerome. Er stand direkt vor ihnen. Schlicht gekleidet. Größer als all die anderen Vampire und mit zornig in Falten gelegter Stirn.
Nicola schüttelte den Kopf und baute sich drohend vor ihm auf: „Du bist sein Bruder? Verzieh dich, Mann!“
„Ja, sonst nehmen wir dich als nächstes durch!“
„Wir machen euch auch gerne zusammen fertig!“
Alle drei waren entschlossen, sich nicht von Jeromes beachtlicher Statur einschüchtern zu lassen. Rafer hielt den Atem an und seine angstvollen Augen suchten Jeromes Blick. Dieser jedoch betrachtete schweigend die drei Studenten, seine Arme baumelten entspannt neben dem Körper. Nur sein Blick war finster und bösartig.
„Ich sag es jetzt zum letzten Mal“, wiederholte er dann betont langsam. „Ihr lasst Rafer los und werdet ihn nie mehr behelligen. Oder, ich reiß euch den Arsch auf, dass euch Hören und Sehen vergeht.“
„Oho!“, rief Taquiné und alle drei lachten wieder ihr herablassendes Lachen im Chor. Nicola schlug sich auf den Schenkel: „Die sind beide gleich dickköpfig!“
Weitere Geschichten zum Thema