Oritinaltitel: can i play with madness
Miriam schlief einen traumlosen Schlaf. Ihr Körper benötigte nach dem Kampf mit ihrem Cerebrat alle Kraftreserven zur Heilung der Wunden. Sie war von Kopf bis Fuß in einem Kokon aus schwarzen, Blättern eingehüllt, der sie wie ein Schlafsack wärmte und die Heilung der Wunden förderte. Nach einer, für sie nicht einschätzbaren Zeit, drang der Klang ihres Handys gedämpft zu ihr durch. Sie glaubte, die Melodie in den letzten Stunden mehrmals gehört zu haben.
Mit Mühe schob sie einen Arm zwischen ihrem Körper und dem Kokon zum Kopf, suchte eine Stelle, an der sich die Blätter überlappten, und öffnete die Naht. Jede Bewegung schmerzte. Draußen war es Tag, sie wusste nur nicht welcher. V’nyx der IV. reichte ihr das Handy, das nun nicht mehr läutete. Träge nahm sie das Gerät und versuchte, den verschwommenen Blick auf das Display zu zentrieren. Es waren mehrere entgangene Anrufe von Sven aufgelistet.
Die Melodie einer ankommenden Textnachricht ließ ihr fast den Schädel explodieren.
„Ich finde Dein zickiges Verhalten albern!“, schrieb Sven vor einer halben Minute. Vor fünf Stunden, das war Sonntagmorgen, hatte er geschrieben: „Hallo Schatz, lass uns den Sonntag nicht auch noch mit Streit verschwenden. Ich vermisse Dich.“
Die älteste ungelesene Nachricht war auch von Sven. Das war die Mitteilung vom Samstagmittag, die ankam, als sie auf dem Hängeschrank saß. Es war also Sonntagmittag. Ziemlich genau 24 Stunden, nachdem sie V’nyx dem IV. den Mittelfinger gezeigt hatte. In der ältesten Nachricht, wollte Sven die ganze Wahrheit über sie wissen, um entscheiden zu können, ob er eine Weiterführung der Beziehung verkraften könnte.
»Oh Gott, Sven macht sich bestimmt Sorgen, wegen des blöden Streits!«, murmelte sie und wählte seine Nummer.
»Na, hat Ihre Majestät gerade mal Zeit?«, fragte Sven pampig.
»Ich bin nicht mehr sauer auf Dich, ich konnte mich nicht früher melden, bitte glaube mir das.«
»Du klingst ja schrecklich. Bist Du krank?«
»Ja, so ähnlich.«
»Was ist denn passiert!«, fragte Sven, seine Wut war der Erleichterung gewichen, als er ihre Stimme hörte.
»Am besten Du kommst vorbei, ich muss Dir einen Freund von mir vorstellen«, sagte Miriam mit bedeckter Stimme. Sven schwieg ins Telefon.
»Hallo, noch da?«, fragte Miriam.
»Ja, ich bin nur baff, dass Du mich zu Dir einlädst.«
»Du willst doch alles über mich wissen — ich glaube, eine bessere Gelegenheit finden wir nicht.«
»Ich freue mich, deine Stimme zu hören, auch wenn sie ganz schrecklich klingt, brauchst Du was?«
»Was zum Essen wäre prima … und wenn Du ein bisschen Blumendünger auftreiben kannst …«
»Blumendünger?«, hakte Sven nach.
»Ja, Blumendünger.«
»Ich schau mal, ob ich was finde … und wie finde ich Deine Wohnung?«
»Fahr zu der Kreuzung, an der du mich immer abholst, und rufe an, den Rest erkläre ich Dir dann am Telefon.«
Miriam zog die Blätter wieder zusammen, sodass nur ihre Nasenspitze und die Augen herausschauten, und sah die beiden orangefarbenen Blüten hoch über ihr unter der Zimmerdecke schweben.
»Wie bist Du eigentlich so groß geworden?«, fragte Miriam.
‚Ich habe schon vor Wochen einen hohlen Baumstamm gefunden, durch den ich mit einem Teil meiner Wurzeln auf einen nährstoffreichen unterirdischen Fluss gestoßen bin. Ich habe vor, den Fluss zu stauen, um die Nährstoffe besser aus dem Wasser filtern zu können.‘
»Der hohle Baumstamm ist wahrscheinlich die Regenrinne und der unterirdische Fluss ist ein Abwasserkanal. Wenn Du den staust, kommen Menschen mit gelben Helmen und graben Dich aus — lass den Fluss fließen und genieße die täglich frischen Nährstoffe«, erklärte Miriam und kuschelte sich, erschöpft vom vielen Reden, in ihr Nest.
»Wo ist eigentlich die Flasche mit dem Chlorreiniger, die stand doch hier irgendwo?«, fragte Miriam trotz ihres Zustands. Sie wollte nicht, dass V’nyx dem IV. dadurch ein Schaden entstand.
‚Ich habe die Substanz in mich aufgenommen, um sie zu neutralisieren.‘
»Du hast das Zeug getrunken?«, fragte Miriam erstaunt.
‚Ja, aber anfangs nur in sehr kleinen Mengen, um mich an das Gift zu gewöhnen.‘
»Und jetzt kann es dir nichts mehr anhaben?«
‚Bis zu einer gewissen Dosis kann es mir nicht mehr schaden, aber süchtig werde ich nicht danach.‘
Eine Armlänge von ihrem Kopf entfernt, lag die Natter zusammengerollt zwischen anderen Ranken. Das Ende, von dem Miriam die Spitze gekappt hatte, sah ausgefranst aus und glänzte matt vom geronnenen Pflanzensaft.
»Wächst der Stachel wieder nach?«, fragte Miriam, teils aus Neugier, teils aus einer latenten Furcht vor dieser Waffe, durch die Christina, eine ihrer liebsten Drohnen, gestorben war.
‚Ja‘, sagte V’nyx der IV.
*
Sven meldete sich einige Zeit später per Handy, und Miriam erklärte ihm den Weg zu ihrem Unterschlupf. Kurz darauf blickte Sven in den Flur eines ehemaligen Bürotraktes, in dem nun schwarze Wurzeln über den Boden wucherten. Unsicher stand er in der Eingangstür, mit einer großen Tüte von McDonald`s in der einen Hand und einem Sack Blumendünger in der anderen.
»Komm rein, ich bin im vorletzten Raum am Ende des Gangs«, rief Miriam mit dünner Stimme. Sven lief mit bedächtigen Schritten, um nicht auf eine der Wurzeln zu treten, spähte in den Raum, und sah lediglich Miriams Haarschopf aus einem bizarren Dickicht herausschauen. In dieses Knäuel aus Ranken kam ungeahnte Dynamik. Sven glaubte, der Raum würde sich drehen, dabei waren die Wände, das Einzige, das sich nicht bewegte. Das Nest öffnete sich und gab Miriam preis, deren Körperkonturen sich unter einem eng anliegenden Kokon aus gummiartigen Blättern abzeichneten. Sven beobachtete diesen unglaublichen Vorgang mit Fassung. Erst als ihm ein Tentakel den Sack Blumendünger entriss, zuckte er erschrocken und wich zurück.
»Das ist V’nyx der IV., mein Cerebrat, du musst keine Angst haben«, sagte Miriam und öffnete den Kokon mit schmatzenden Geräuschen. Die Innenseite war mit einem farblosen Gel überzogen, das ihre Latexhaut feucht glänzen ließ.
»Bist Du verprügelt worden?«, fragte Sven betroffen. Er betrachtete sich das Loch in der Trockenbauwand, das Miriam gestern geschlagen hatte, um von der Küche in den Nebenraum zu kommen.
»Ja«, gab Miriam zu und betrachtete ihren Körper im Liegen. Die Schürfwunden waren großteils verheilt, lediglich einige tiefe Kratzer auf ihrem Torso trübten den Anblick. Bis die Schmerzen in ihren gezerrten und überdehnten Gelenken und Muskeln nachließen, würde noch einige Zeit vergehen. Ebenso war die ebenmäßige Symmetrie ihres Gesichts noch durch diverse Schwellungen entstellt.
»Was ist denn passiert, bist Du … überfallen worden?«
»Nein, es gab nur eine Meinungsverschiedenheit zwischen diesem Dickkopf und mir.«
Miriam klatschte mit der Hand gegen den Hauptstamm von V’nyx dem IV.
»Aha«, sagte Sven und trat im Türrahmen auf der Stelle.
»Das riecht nach Big Mac’s«, sagte Miriam und blickte mit ausgestreckten Armen auf die braune Papiertüte.
»Ja«, sagte Sven und versuchte, sich Miriam zu nähern, ohne auf eine Wurzel zu treten, was ihm in diesem Raum unmöglich schien.
»Ziehe Dich aus und komm zu mir, nach dem Essen erkläre ich alles.«
Sven riss die Augen weit auf und starrte in den Raum. Miriam lag in einem Wust aus Tentakeln, alles war schwarz in schwarz, und je länger Sven in den Raum starrte, desto bizarrer kam es ihm vor.
»Du musst keine Angst haben, dir wird nichts geschehen — das verspreche ich dir«, sagte Miriam und richtete sich langsam auf. Sie kam auf wackligen Beinen zu ihm. Die Tentakel wichen den Schritten der Königin aus und bahnten ihr einen Weg zu Sven. Sie streichelte über seine Wange.
»Es ist bestimmt nicht das, was man sich unter einem romantischen Sonntagmittag vorstellt, aber ich verspreche dir, du wirst es nicht bereuen.«
*
Sven saß nackt in dem Nest neben Miriam, kaute ein paar Pommes und beobachtete das spurlose Verschwinden von zwei Big Mac’s, eines Royal TS und einem Liter Cola. Die Szene brannte sich tief in sein Gedächtnis und in sein Herz: Dieses unglaublich bizarr-erotische Wesen, das er mehr liebte als je einen … Mensch zuvor, in einem mindestens ebenso bizarren Umfeld, beim heißhungrigen Verputzen von Fast Food zu beobachten, weckte in ihm eine Melange aus Gefühlen: von erheiternd, über glücklich, zu närrischer Verliebtheit, bis hin zu purer Sexgier.
Er schob ihr eine blonde Strähne aus dem Gesicht und strich sorgsam über die aufgeplatzte Haut an ihrer Stirn. Einem tiefen Verlangen folgend, küsste er seine Geliebte, die mit vollen Backen von diesem zärtlichen Ausbruch überrascht wurde und die Zuneigung dankend erwiderte, nachdem sie das Essen geschluckt hatte.
»Komm, schlüpf unter meine Decke, wir kuscheln«, sagte Miriam und zog eines der großen Blätter über Svens Rücken, bis es den Rand eines anderen Blatts berührte und sich mit ihm verband. Die dünne Latexschicht schmiegte sich stramm um das Pärchen. Als der Kokon so weit geschlossen war, dass nur noch ihre Schultern und Köpfe herausschauten, fühlte Sven einen sanften Druck, der seinen Bauch gegen ihren drückte.
»Fühlst Du Dich wohl?«, fragte Miriam
»Es ist sehr eng und ich kann mich kaum bewegen«, sagte Sven vorsichtig, denn er wollte die ungewohnte Gastfreundschaft nicht ausschlagen.
»Stell dir vor, dass du dich gar nicht bewegen willst. Versuche zu fühlen, ohne zu wollen.«
Sven nickte zaghaft und atmete langsam aus. Er versuchte, sich zu entspannen, es gelang ihm, wenn er die Augen schloss.
»Wie ist es jetzt?«
»Besser … viel besser — ich fühle mich geborgen«, sagte Sven, »und ich bin froh, dass wir uns nicht mehr streiten.«
»Wenn dir das gefällt, können wir es uns an den Wochenenden immer so gemütlich machen«, sagte Miriam und schmiegte sich an Svens Brust.
»Das klingt gut«, hörte sich Sven sagen, und es erschreckte ihn, wie vorbehaltlos er sich eine Zukunft mit Miriam — mit der Blauen Königin — ausmalte, ohne auch nur einen Bruchteil dessen zu kennen, was noch auf ihn zukommen würde.
»Ich freue mich darauf, dir meine Welt zu zeigen«, sagte Miriam. Sie gab ihm einen zärtlichen Kuss auf die Wange und erklärte mit verliebter Stimme: »Du bist der einzige Mensch in meinem Herzen. Du bist der einzige Bewohner in meinem kleinen Königreich.«
Miriam ließ ihren Unterleib in dem Kokon kreisen. Durch die intensiven Berührungen wurde Sven das Ausmaß seiner Erektion bewusst. Mit windenden Bewegungen, gelang es ihr seinen prallen Schwanz zwischen ihre Beine zu bewegen. Ihre Brüste waren genau vor Svens Gesicht. Dann fühlte er, wie seine Spitze zwischen ihre feuchten Schamlippen rutschte. Miriam schlängelte sich innerhalb des Kokons abwärts, bis sie mit Sven auf Augenhöhe war. Und natürlich spürte sie seinen Pfahl tief in ihrem Leib. Sven stöhnte leise, als Miriam wieder zur Ruhe kam.
Ihre Lippen berührten seine Wange, er drehte den Kopf und presste seinen Mund gegen ihren. Sie zuckte zurück: »Langsam bitte, und nicht so fest heute.«
Er berührte ihre Lippen, die noch nicht ganz verheilt waren und ließ seine Zungenspitze in ihren geöffneten Mund tauchen. Miriams Körper bewegte sich kaum, dennoch spürte Sven die Bewegungen ihres Unterleibs. Er stieß mit dem Becken sachte zu, und fühlte die Enge in ihr mit ungeahnter Intensität. Miriam stöhnte bei der kleinsten Bewegung und blickte ihn verlangend an. Sven kam sich vor, wie sein eigener Schwanz. Er steckte in einem engen, feuchtwarmen Schlauch, dicht an seine Geliebte gepresst, und jede Bewegung war eine unvermeidliche Berührung des anderen.
»Gaaanz langsam«, hauchte Miriam in seinen Mund. Sven hörte auf, sein Becken kreisen zu lassen, verharrte in der Enge, die seinen Körper umgab, und fühlte die Enge um seinen Schwanz, der fest von Miriams Lustkanal umschlossen war. Er verlor sich in ihren großen blauen Augen, die ihn wach und verliebt anschauten, stöhnte leise bei jedem bewussten Atemzug und erschauerte innerlich bei der kleinsten Bewegung, die Miriams Unterleib vollführte. Sven spannte seinen Beckenbodenmuskel an und erreichte eine kleine Bewegung tief in Miriam. Sie reagierte mit einem gestöhnten Lächeln und schloss die Augen.
Auch Sven schloss die Augen, um sich auf seine Gefühle zu konzentrieren. Er fühlte sich schwerelos, wusste, dass es Miriam ähnlich ging, denn sie war ganz nah bei ihm in einem Meer aus Licht: warm und weich, verbunden durch seinen harten Schwarz.
*
Als Sven die Augen öffnete, wusste er nicht, wie viel Zeit vergangen war, ihm kam es wie ein Moment vor, aber es dämmerte bereits, der Raum war in sanfte Schatten gehüllt. Eine kleine Bewegung seines Oberkörpers löste eine zärtliche Berührung an seinem Kinn aus. Er sah Miriams herrliche Brüste. Einer der harten Nippel rieb sich bei jedem Atemzug an seinem Kinn.
»Deine Bartstoppel machen mich fast verrückt«, gestand Miriam.
»Bist du die ganze Zeit wach gewesen?«
»Ich habe dich beim Schlafen beobachtet und konnte davon nicht genug bekommen.«
Er fühlte sich erholt, wie nach einem Mittagschlaf und war dennoch träge vor Lust. Sein Schwanz steckte tief in ihrem Körper und er spürte jeden Tropfen, der aus seiner Eichel kam und in Miriam überging.
Kein schneller Höhepunkt, bei dem der Eröffnungstusch schon das Ende einleitete, überkam ihn. Stattdessen verharrte er reglos auf einem Plateau der langsam tröpfelnden Lust, bei der jede Bewegung ein Abgleiten in den Abgrund der Ekstase bedeuten konnte. Miriam schaute ihm in die Augen, in ihrem Blick lagen so viel Dankbarkeit und Liebe, dass sein Becken kurz zuckte. Miriam öffnete ihren Mund in einer Geste des Mitgefühls und gab ihm Halt auf diesem kleinen Plateau der tröpfelnden Lust.
»Ich werde immer für dich da sein, ganz gleich was passiert«, hauchte Miriam.
»Ich erkenne erst langsam, welches unglaubliche Glück ich mit dir habe, aber du gibst mir so viel und ich kann dir nichts bieten«, flüsterte Sven.
»Was ich dir gebe, kommt um ein Vielfaches verstärkt zu mir zurück, Sven. Ich bin eine Königin, es macht mich glücklich für dich da zu sein.«
»Das zwischen uns könnte noch intensiver sein, wenn …«
Miriam küsste ihn, um ihn zum Schweigen zu bringen, denn sie wollte diese Diskussion nicht schon wieder führen. Sven ahnte nicht im Ansatz, was es bedeutete, eine Drohne zu sein.
Die Nacht brach herein und Miriam summte eine Melodie. Eine Variation dessen, was Sven bereits bei der Autofahrt verzaubert hatte. Diesmal durfte er sich dem Gesang hingeben, in ihm versinken und eins werden mit den sanften Emotionen ihrer Stimme. Ein weiterer Tropfen seiner köchelnden Lust ging in Miriam über und löste in ihm ein tiefes Gefühl der Wärme und Geborgenheit aus. Zu Beginn des reglosen Rauschzustands fragte er sich, was mit ihm geschah — diese Frage war ihm nun so fern, wie alles Weltliche außerhalb dieses Kokons. Würde er morgen aufwachen und so sein wie Miriam — er wäre dankbar für dieses Geschenk. Aber er wusste, dass sie ihn nicht veränderte, er war nur verzaubert von einer unbändig sanften Lust.
***
Es musste ein Traum sein: Sven sah eine Welt voll bizarrer Schönheit hinter einem zarten Schleier. Wesen, die Miriams Erscheinung ähnelten, wohnten darin, und seltsame Pflanzen reckten ihre bunten Blüten in den Himmel. Miriam, die Blaue Königin, stand in ihrer vollen Pracht mit erhabenem Stolz neben ihm, hielt ihn fest an der Hand und lächelte ihn an.
»Komm, ich zeige Dir eine Erinnerung aus der Anderswelt«, sagte sie und ging in kleinen Schritten voran. Ihren Fersen entsprangen zierliche, aber sehr lange Absätze, die ihrem graziösen Körper eine noch elegantere Haltung abverlangten. Außer den Absätze berührten lediglich ihre Zehen den Boden. Sie bewegte sich mit der Anmut einer Ballerina über die Lichtung und führte ihn zu einem großen Baum mit orangefarbenen Blüten.
Erst langsam erkannte Sven in der Vielzahl der Eindrücke einzelne Wesen, die am Fuße des gewaltigen Baums ineinander verschlungen miteinander rangen, sich streichelten, küssten, liebten. Andere sammelten Früchte von den Sträuchern und fütterten sich gegenseitig mit den Köstlichkeiten, horchten jedoch auf, als ein lüsterner Laut erklang. Im Gegensatz zu Miriam waren die Wesen allesamt von durchgängigem Schwarz, edel glänzend, aber ohne königliche Zierde.
Mit Lust nahm eine schwarze Latexpuppe auf dem emporragenden Pfahl eines männlichen Latexwesens Platz und presste ihre unnatürlich großen Brüste in sein Gesicht. Sie schrie vor Leidenschaft, lockte weitere Männer an und saugte an deren hart aufgerichteten Schwänzen. Einer nach dem anderen schenkte ihr seinen Samen, und sie verrieb den wertvollen Saft auf dekadent verschwenderische Art auf ihrem Körper.
In das anfängliche Chaos kam Ordnung. Die Wesen gruppierten sich um diese eine Drohne, zollten ihr Respekt und Anerkennung, indem die männlichen Drohnen ihren Samen auf sie spritzten. Die weiblichen Drohnen rieben ihre feuchten Körper an ihr, leckten sie zwischen den Beinen, saugten an ihren Brüsten, oder küssten ihren offenen Mund und ließen das von ihnen gesammelte Sperma in den gierigen Schlund laufen. Benommen vor Lust bebte der Körper der Auserwählten, sie glitt ab in einen orgiastischen Rausch. Ein trompetenartiger Laut schreckte die anderen Wesen auf und ließ sie davonrennen.
Die Auserwählte kniete alleine auf der Lichtung und erwartete gebannt das kommende Ereignis. In einer vollkommenen Choreografie reckten sich die Tentakel eines Cerebraten zu ihr, hoben sie auf und ließen sie zur größten und höchsten Blüte schweben. Breitbeinig wurde sie in den Blütenkelch abgesetzt.
Sven sah nicht genau, was darin geschah, er glaubte, einen unterarmgroßen Zapfen im Zentrum der Blüte zu sehen, der mühelos in die Latexpuppe eindrang. Er hörte Geräusche, die von einer Euphorie zeugten, wie er sie noch nie gehört hatte, und wollte näher zum Geschehen, oder zumindest den weißen Schleier zwischen ihm und der Szene hinfort streichen.
Miriam hielt ihn fest an der Hand und schüttelte den Kopf mit verständigem Lächeln.
»Es ist nur eine Vision, du kannst nicht näher heran«, erklärte sie. Sven schaute wieder zur großen Blüte, die sich langsam schloss und das Wesen gänzlich umhüllte. Die ekstatischen Geräusche verebbten zu einem lüsternen Wimmern. Er konnte sich nicht vorstellen, dass ein Geschöpf nach dieser Erfahrung noch so war wie zuvor. »Was geschieht mit ihr?«
»Wenn sich die Blüte von V’nyx dem III. öffnet, wird sie die neue Königin sein«, sagte Miriam, »Aber das ist lange her, es ist die Erinnerung meines Cerebraten aus unserer Heimatwelt.«
Miriam schaute noch einmal wohlwollend auf die ausgelassen tobende Gruppe von Drohnen, die sich um den Baumstamm versammelt hatte und murmelte: »Ich beneide die junge Königin nicht darum, Ordnung in diese Horde zu bringen.«
Sven schluckte schwer und erkannte die Ähnlichkeit dieses gewaltigen Baums, mit der Pflanze, die in Miriams Unterschlupf wuchs.
»Und du hast das auch erlebt, als du zur Königin wurdest?«
»Ja«, sagte Miriam und blickte auf den Boden, »aber bei mir war es nicht so feierlich, wir waren nur wenige und es musste schnell gehen.«
Sie hob den Kopf und rang um ein Lächeln, denn sie wollte über ihr Schicksal keine Trübsal blasen.
»Komm, wir gehen noch ein Stück den Hügel hinauf, ich zeige Dir die heutige Anderswelt«, sage sie zu Sven und zog an seiner Hand.
Sie erreichten den Gipfel der Anhöhe und schauten in das Tal, in dem eine große Palme mit blauem Blätterdach wuchs. Svens nahm Miriams einzige Schöpfung nur am Rande wahr, denn sein Blick reichte über das Tal hinaus.
»Was ist das für ein gruseliger Wald dort drüben?«, fragte Sven.
»Das frage ich mich auch. Dieser Wald und die Wesen, die darin wohnen, gehören nicht in meine Welt.«
»Willst Du da jetzt hingehen?«, fragte Sven und ließ sich einige Schritte zurückfallen. Die Blaue Königin schritt aufrecht und mit natürlicher Erhabenheit auf den Waldrand zu. Sven erkannte Miriam in diesem majestätischen Wesen und konnte dennoch nicht fassen, dass sie es war. Trotz der üppigen Kurven wirkte ihr Körper schlank und edel, der schwarz glänzende Grundton verlieh ihr klar konturierte Umrisse, die durch die blauen Linien vorteilhaft untermalt wurden. Ihre menschliche Gestalt stand diesen Proportionen nicht sonderlich nach, aber in der mutierten Erscheinung war ihr Äußeres auf eine bizarr-erregende Art übertrieben — fantastisch, aufreizend überzeichnet, und mit einer makellosen Schicht Latex überzogen.