===
Vorwort _ Es ist an der Zeit, meinen Nachlaß zu ordnen. Aus den verschiedensten Gründen standen meine Geschichten auf unterschiedlichen Seiten mit wechselnden Pseudonymen. Nun möchte ich die Arbeit von Jahren bündeln. Eine Nachbearbeitung findet nur rudimentär statt.
Alle Personen in dieser Geschichte sind über 18 Jahre alt.
© 2008
Zum ersten Mal vollständig.
===
Kapitel 3: Obladen / Deutschland
*
Der Stadtteil Obladen ist eine Eremitage des Geldes. Umgeben von einer unüberwindbaren Sicherheitsanlage, führt nur der Weg am bewachten Checkpoint hinein in die durch breite Straßen durchzogene Siedlung. Autos sieht man kaum, und wenn, sind es Wagen des privaten Sicherheitsdienstes, der rund um die Uhr Streife fährt. Die prächtigen Villen verstecken sich hinter meterhohen Mauern und altem Baumbestand. Allgegenwärtige Kameras, die ihre Bilder zur Sicherheitszentrale übermitteln, ergänzen ein fein gesponnenes Netz aus Bewegungsmeldern und Infrarotsensoren. Bewaffnete Fußstreifen folgen ihren festen Routen.
Karl hat es sich nicht nehmen lassen, sein Topteam vom Flughafen abzuholen. Zusammen mit der einundzwanzigjährigen Vivian und dem fünfunddreißigjährigen Wolfgang sitzt er im hinteren Teil der geräumigen Limousine. Der Agent am Steuer hält sich penibel an die in der Siedlung vorgeschriebene Geschwindigkeitsbeschränkung.
„Ich würde euch ja gerne ausführlich euer neues Zuhause zeigen“, sagt Karl fast traurig, „aber ich bin sowieso schon zu spät dran. Diese ständigen Meetings machen mich langsam aber sicher fertig.“
Während der ganzen Fahrt hält er Vivians Hand. Wie Daddy Cool, ist er stolz auf sein Gewächs, seine Schöpfung, ja, fast schon seine Tochter.
„Es war jedenfalls schön, dich einmal wieder zu sehen, Karl. Die Monate mit Vivian alleine waren, äh, anstrengend.“ Wolfgangs Blick fällt auf seine Partnerin, deren Mundwinkel sofort einen spöttischen Zug annehmen.
„Hör nicht auf ihn“, schmeichelt Vivian Karl. „In Wahrheit hat er jede Minute genossen.“
„Davon bin ich überzeugt“, nickt Karl und zwinkert der jungen Frau verschwörerisch zu. „Ja, er ist schon ein Glückspilz.“
„Aber einer, der es nicht wahrhaben will“, setzt Vivian nach.
Der Wagen stoppt vor einem massiven Tor. Langsam, ja fast in Zeitlupe rollt es zur Seite. Nach einhundert Metern ist die Fahrt dann zu Ende. Der Agent öffnet die hinteren Türen, seine Passagiere steigen aus. Karl greift in die Tasche, bietet Vivian und Wolfgang eine Zigarette an. Wolfgang reibt das Rädchen seines Zippos, gibt der Runde Feuer.
„Knapp achthundert Quadratmeter Wohnfläche“, schwärmt Karl ein wenig neidisch. „Nicht eingerechnet der überdachte Pool und der Fitneßbereich.“ Er hat sich bei Vivian eingehakt, atmet ihren verführerischen Duft. „Wie ihr aus dem Unterlagen wißt, sind eure Zielpersonen Fanatiker. Fitneßfanatiker, Freiluftfanatiker, Gesundheitsfanatiker. Letzteres wohl aber eher nur nach außen. Überhaupt klaffen in unserem Wissen über die beiden erhebliche Lücken. Sie sind äußerst diskret in dem was sie tun. Speziell über das, äh, äh, Zwischenmenschliche ist kaum etwas Konkretes bekannt. Wir haben da allerdings ein paar Vermutungen.“ Karl hüstelt. „Deshalb auch das breit gefächerte Trainingspensum. Äh, ja.“
Vivian und Wolfgang schauen sich an. Grinsen wissend.
„Hinter dem Haus habt ihr noch einen Garten und das Wäldchen dahinter gehört ebenfalls zum Grundstück. Aber das wißt ihr ja schon alles aus den Unterlagen.“
Der Chauffeur tippt demonstrativ mit dem Finger auf das Glas seiner Armbanduhr.
„Ja, ja. Ich weiß“, sagt Karl unwillig. „Ihr seht ja selbst“, zuckt er entschuldigend mit den Schultern. „Eines noch: Gärtner, Putzkolonne und noch ein paar andere dienstbare Geister, das sind natürlich Leute von uns. Einfach ignorieren.“
Von Wolfgang verabschiedet sich Karl mit einem festen Händedruck. Vivian stellt sich auf die Zehenspitzen und gibt Karl einen Kuß auf die Wange. Beide winken ihrem Chef nach, bis der Wagen außer Sichtweite ist.
„Eigentlich ist er ganz in Ordnung“, meint Wolfgang und dreht sich zum Haus um.
„Er ist mehr als nur in Ordnung“, beansprucht Vivian das Recht des letzten Wortes. Grinsend hakt sie sich bei ihrem Partner und Ehemann ein.
Das Haus ist modern eingerichtet und natürlich hat Vivian die Baupläne im Kopf. Beim ersten Rundgang entscheiden sie sich, wer welches Zimmer als Büro nimmt. Die Wahl fällt allerdings nicht schwer, beide sind identisch eingerichtet, liegen nebeneinander und haben Fenster zur Gartenseite hinaus. Nachdem der erste Stock inspiziert ist, gehen sie wieder hinunter. In der Küche, Vivian reklamiert sie sofort als ihr alleiniges Heiligtum, zeigt das Display am Kühlschrank zwei abgelaufene Milchtüten.
Wolfgang reißt sich eine Bierdose auf, verzieht nach dem ersten Schluck das Gesicht. „Wir müssen die Biermarke ändern. Die Plörre kann doch keiner trinken.“ Ein zweiter Schluck bekräftigt seine Meinung.
„Du hast doch an allem etwas auszusetzen“, nörgelt Vivian. „Ist doch gar nicht so übel.“
„Ich will aber meine Hausmarke.“
„Mach doch was du willst.“
„Sowieso.“
Beide lachen. Setzen ihren Erkundungsgang Hand in Hand fort.
Der Pool entpuppt sich als mittlere Wettkampfstätte. Wolfgang juckt es in den Fingern, sich die Klamotten vom Leib zu reißen und in das wohltemperierte Wasser zu springen. Vivian ist derweil im Fitneßraum angekommen, der mit allen erdenklichen Geräten voll gestopft ist. Sie kneift Wolfgang in den Po, als er neben sie tritt. Sie lacht, als sie seinen Blick sieht.
„Weißt du eigentlich“, doziert Wolfgang mit todernster Mine, „das du dich zu einer echten Nymphomanin entwickelt hast?“
„Das verlangt meine Rolle von mir“, behauptet Vivian mit der gleichen Ernsthaftigkeit.
„Du beherrscht so ziemlich alles, Liebste, aber lügen kannst du immer noch nicht.“ Und sofort darauf: „Aua! Nein! Laß das bleiben!“
Vivian hat eine Hebeltechnik gegen seinen Arm angewandt, zwingt ihren einen Kopf größeren Mann auf den Boden. „Endschuldige dich“, lacht sie aus vollem Hals. „Na los!“
„Niemals! Aua … „
„Ich gebe dir noch eine letzte Chance“, lächelt sie und rafft mit der freien Hand ihren Rock. Langsam tritt sie näher an den auf dem Boden Knienden heran. Wolfgang heult wie ein getretener Hund. Gleichzeitig steigt ihm ihr Duft in die Nase. Vivian trägt einen unspektakulären Slip. Der schmale Zwickel ist ein wenig zur Seite gerutscht, gibt den Blick frei auf eine leicht gerötete Schamlippe. Der süßliche Geruch von frischem Schweiß erregt Wolfgang, trotz der mißlichen Lage, in der er sich befindet. Oder vielleicht auch gerade deswegen. Längst wissen beide, daß Wolfgang gelegentliche Ausflüge ins devote Lager sehr zu schätzen weiß. Wie auch Vivian gerne einmal die Seiten wechselt. Sie hat sich inzwischen umgeschaut und mit Bedauern festgestellt, das der ganze Raum mit Teppichboden ausgelegt ist. Wenn nicht, dann wüßte sie was sie tun würde. So aber gewährt sie Wolfgang noch eine Schonfrist. Als er vor der Wahl steht, tagelang mit verdrehtem Schultergelenk herumzulaufen, oder ihr zu Willen zu sein, küßt er zärtlich ihre Lippen.
„Na also. Geht doch“, lächelt Vivian süffisant, als Wolfgang wieder vor ihr steht.
„Na warte, du Biest.“ Mit Armkreisen lockert er sein strapaziertes Schultergelenke.
Das Wohnzimmer ist riesig. Zwei Sitzgruppen aus festem Leder verströmen einen maskulinen Geruch. Große Pflanzkübel mit halbhohen Palmen lockern das Ensemble aus Leder, hellem Holz und Edelstahl angenehm auf. Vivian befühlt die Erde. ‚Vor kurzem erst gegossen‘, denkt sie und wendet den Blick dem Garten zu. Wolfgang hat inzwischen eine der bis zur Decke reichenden Türen beiseite geschoben. Steht auf der Veranda und streckt einladend die Hand nach Vivian aus.
„Schön hier“, sagt Vivian und hakt sich bei Wolfgang ein.
Sie betreten den Rasen, der jedem Golfplatz gut stehen würde. Links und rechts türmen sich hohe Mauern auf. Mit Natursteinen verblendet, teilweise von wildem Wein berankt, wirken sie mehr natürlich als bedrohlich. Gut fünfzig Meter geradeaus beginnt ein Waldstück mit altem Baumbestand.
Wolfgang klopft mit der flachen Hand gegen einen der mächtigen Stämme. Sein Blick fällt auf den nächsten Baum, gerade mal ein paar Meter entfernt. „Die richtige Entfernung, um einen waagerechten Stamm anzubringen. Was meinst du?“
Vivian sieht in Wolfgangs feixendes Gesicht. „Das wäre dein Todesurteil!“
Das diese Drohung Wolfgang nicht abhalten wird ist Vivian sehr wohl bewußt. Sie dreht sich um und geht ins Haus zurück. Lächelnd.
Im Keller eine Abstellkammer, eine gut ausgerüstete Heimwerkerwerkstatt, der schallisolierte Heizungsraum und die Waschküche. Wolfgang lacht, als er an der hinteren Wand einen Schrank erblickt, der dem im sicheren Haus bis auf die Maserung gleicht. Der Raum dahinter die perfekte Kopie eines schon bekannten Spielzeugparadieses. An der Innenseite der Tür klebt ein Zettel: – Diskrete Nachbestellungen bitte nur über folgende Nummer: PO 555 513 959 –
*
Drei Woche sind vergangen. Vivian und Wolfgang haben das Haus endgültig in Besitz genommen, ihm an vielen Stellen ihre persönliche Note aufgedrückt. Kontakte zur Außenwelt haben sie keine geknüpft. Dies sieht ihr Auftrag auch nicht vor. In den Fallunterlagen ist von einer langfristig angelegten Operation die Rede. Und die kann mehrere Monate, ja Jahre dauern. Vivian und Wolfgang sind dazu auserkoren, in die Organisation der Zielperson einzudringen, sie zu unterwandern, um dann als Informanten wertvolles Insiderwissen zu sammeln und weiterzugeben.
*
Wolfgang schlägt die Augen auf, als Vivian mit etlichen Designertüten bewaffnet das Schlafzimmer betritt.
„Schläfst du etwa immer noch?“
„Nein, du hast mich gerade geweckt“, murmelt Wolfgang schlaftrunken und streckt sich mit einem wohligen Stöhnen. „Warst du einkaufen?“
„Soll ich etwa nackt herumlaufen?“, stichelt Vivian. Sie streift sich die Schuhe von den Füßen, öffnet die Tür ihres Ankleidezimmers, beginnt ihre Einkäufe auszupacken. Inzwischen weiß sie, was die Frauen in ihrer Umgebung tragen. Sie versucht sich diesem Stil anzupassen. Die Edelboutiquen im Zentrum Obladens kennt sie inzwischen in und auswendig. Vivian ist eine gerngesehene Kundin mit schier unerschöpflicher Kreditkarte.
„Ich glaube, ich muß langsam anbauen“, murmelt Vivian leise vor sich hin. Sie verteilt sündhaft teure Dessous über unzähligen Schubladen. Als ihr Blick auf Wolfgang fällt, droht sie ihm mit dem ausgestreckten Finger: „Kein Wort! Sonst spielst du mit deinem Leben.“
Wolfgang geht in Deckung, denkt sich mit einem breiten Grinsen sein Teil. Wieder greift Vivian in eine der Tüten, wirft ihrem Pseudoehemann ein Päckchen in den Schoß.
„Warst du in der Buchhandlung?“
„Nach was sieht es denn aus?“, schüttelt Vivian nachsichtig den Kopf.
Wolfgang betrachtet das Buch von allen Seiten. „Ich finde, ich sehe gut auf dem Bild aus. Findest du nicht auch?“
Vivian hat sich sein Bild auf dem Klappentext natürlich schon längst angesehen. Wolfgang sieht sogar sehr gut darauf aus. Attraktiv, seriös, trotzdem frisch und unverbraucht. „Geht so.“
Natürlich hat Wolfgang nicht einen Satz selbst geschrieben. Aber dies ist seine Legende. Wolfgang ist Schriftsteller. Er zieht die Decke zur Seite, will aufstehen.
„Hui!“
Wolfgang schaut an sich herunter. Grinst über ihr Erstaunen. „Hart ist der Zahn der Bisamratte, noch härter ist die Morgenlatte!“
„Manchmal bist du so schrecklich ordinär.“ In Windeseile streift sie sich den Slip über die Schenkel, drückt Wolfgang auf die Matratze zurück und schwingt ein Bein über ihn. „Ich liebe das!“
„Aua.“ Wolfgang versucht dem Druck auszuweichen, der plötzlich auf seiner Blase lastet.
Vivians Möse stülpt sich wie ein Handschuh über seinen wild zuckenden Schwanz.
„Hilfe! Polizei! Vergewaltigung!“, ruft er laut.
„Wir sind die Polizei, du Doofmann“, lacht Vivian und stützt sich mit den Händen auf seiner breiten Brust ab. Wolfgang sieht seiner jungen Frau verliebt in die Augen, während sie ihn kompromißlos zum Orgasmus treibt. Ihre Brüste schwingen schwer vor seinen Augen. Ihre Spitzen glänzen naß von seinem Speichel.
„Manchmal wünsche ich mir, ich könnte davon trinken“, stöhnt er.
„Muh!“
Mit aller Kraft spritzt er in sie hinein. Füllt sie aus mit seiner Lust. Ihre Stöße gehen über in langsames Kreisen. Als er schlaff aus ihrer Möse heraus gleitet, rutscht sie ein Stückweit nach vorne, kommt auf seiner Blase zu sitzen. Hin und her gerissen zwischen Schmerz und Ekstase sieht Wolfgang, wie sein Sperma zwischen ihren Lippen hervorquillt. Seinen Nabel füllt. Ein schmales Rinnsal läuft quer über den Bauch, versickert im Laken.
„Ich muß pissen!“ Undamenhaft zwar, aber es verfehlt seine Wirkung nicht.
„Ich auch“, stöhnt Wolfgang. „Laß uns schnell unter die Dusche gehen.“
*
Unter der Woche scheint der Stadtteil wie ausgestorben. Zumindest in den Randbezirken, in denen keine Geschäfte geduldet werden. Vivian und Wolfgang öffnen die schmale Tür neben dem Rolltor in dem Moment, als zwei Wachleute vorbeigehen. Ein kurzes Nicken, dann gehen die Uniformierten weiter. Inzwischen sind Vivian und Wolfgang im Stadtteil bekannt.
Hand in Hand schlendert das Ehepaar die Straße hinauf. Schaut sich interessiert um. Registriert jede noch so scheinbar unbedeutende Kleinigkeit. Später werden sie dann darüber einen Tagesbericht anfertigen.
Im Park setzen sie sich auf eine Bank, strecken die Beine weit von sich, genießen die Sonne auf ihrer Haut. In einiger Entfernung laufen ein paar Jungen im Vorschulalter einem bunt gefleckten Ball hinterher. Lachen und jauchzen unter den aufmerksamen Blicken ihrer Mütter, die auf Decken sitzen und sich unterhalten. Neben ihnen kleine Mädchen, die mit ihren Puppen spielen.
Ein kindliches Lachen zieht die Aufmerksamkeit der beiden auf sich. Ein Mädchen, höchstens zehn, läuft vorbei. An ihren Handgelenken sind bunte Bänder befestigt, deren anderes Ende ein zweites Mädchen in den Händen hält.
„Hüh mein Pferdchen! Hüh!“
Vivian und Wolfgang schauen sich an, greifen nach ihren Händen, stehen auf. Sie haben es auf einmal sehr eilig nach Hause zu kommen.
*
Wie so oft übernimmt auch diesmal der Zufall die Regie.
Vivian schlendert auf der Suche nach ausgefallenen Zutaten für ihr neuestes Rezept durch die Gänge des Supermarktes. Natürlich könnte sie ihre Besorgungen auch über das Internet erledigen. Aber mit kindlich anmutender Freude nimmt sie jedes Produkt aus dem Regal, dreht und wendet es, liest die aufgedruckten Informationen. Manchmal tippt sie mit ihrem personalisierten Datenstift auf eine ganz bestimmt Stelle des Etikettes. Der Bringdienst wird ihren Einkauf innerhalb kürzester Zeit im Haus abliefern.
„Gar nicht so einfach. Bei der Auswahl. Nicht wahr?“
Vivian schaut von der Vielzahl verschiedener Pfeffersorten auf. Als sie die Person neben sich erkennt, läuft Vivian ein Schauer über den Rücken. Der weibliche Part ihrer Zielperson.
Venezuela Akkermann. Fleischgewordene Männerfantasie. Mittelgroß, mandelförmige Augen, blonde Haare bis zum Poansatz. Weit ausladende Kurven, schmale Taille. Feminin. Ein Blick, der verzaubert. Vivian spürte Venezuelas Blick über ihre Oberweite wandern. Im Schoß angekommen, fließen Vivians Säfte.
„Entschuldigung. Ich wollte Sie nicht stören.“
„Macht doch nichts. Ich war nur in Gedanken.“
„Venezuela Akkermann.“
Vivian drückt die ihr entgegen gestreckte Hand. Warm und weich ist Venezuelas Händedruck. Von Hunderten Fotos kennt Vivian Frau Akkermann, aber ihr in Natura gegenüberzustehen bringt sie leicht aus dem Gleichgewicht. Noch nie hat Vivian so auf eine andere Frau reagiert.
„Vivian Sawatzky.“
„Ich weiß.“
„Wie?“
„Wir hatten noch keine Gelegenheit uns bekannt zu machen“, entschuldigt sich Venezuela. „Sie und ihr Mann sind vor kurzem neben uns eingezogen.“
„Dann wohnen Sie in dem Haus neben uns? Das mit den verspielten Erkern?“
„Ja. Richtig.“
„Das ist aber ein netter Zufall.“ Vivian beschließt die Gelegenheit zu nutzen. „Wollen wir vielleicht einen Kaffee zusammen trinken?“
„Sehr gerne sogar. Auf der anderen Straßenseite gibt es ein vorzügliches Cafe. Mit einer wirklich göttlichen Moccatorte.“ Venezuela verdreht genießerisch die Augen. Vivian lacht.
Venezuela und Vivian schwingen auf der gleichen Wellenlänge. Bei Moccatorte — sie ist in der Tat ein Gedicht — und einem Kännchen Kaffee kommen sie sich schnell näher.
„Was macht eigentlich Ihr Mann? Wenn ich das überhaupt fragen darf.“
„Wolfgang? Mein Mann hat gerade sein erstes Buch veröffentlicht.“
„Ach deshalb … „
„Ja?“
„Aber Sie halten mich jetzt nicht für neugierig?“
„Nein. Bestimmt nicht.“
„Ich habe mich nur gewundert, daß bei Ihnen oft die ganze Nacht das Licht brennt.“ Venezuela beugt sich leicht vor, schlägt einen verschwörerischen Ton an.
„Vom Dachgeschoß aus kann ich den Lichtschein in der Nacht sehen.“
Vivian läßt sich für einen Moment von Venezuelas Brüsten ablenken, die in ihrem Dekollete weich jede ihrer Bewegungen begleiten.
„Oh!“, legt Vivian verschämt die Hand vor den Mund. „Ich hoffe, Sie sehen nicht noch mehr?“
Lachen. „Nein, nein. Nur das schwache Licht durch die Bäume hindurch. Versprochen!“ Ihr Busen bebt. „Ich bin doch keine Spannerin!“
Aber wie sie das sagt!
„Wo wir gerade dabei sind. Was macht denn Ihr Mann?“
„Marius? Marius leitet eine kleine Privatbank.“
‚Jetzt stapelt sie aber ganz schön tief‘, denkt Vivian. Immerhin ist seine Bank die einflußreichste im Land.
„Interessant. Wolfgangs Buch spielt in der Finanzwelt. Das ist aber jetzt ein lustiger Zufall.“
„Ich muß das Buch unbedingt lesen.“
„Ich kann Ihnen den Link geben. Sie können es sich herunterladen.“
„Ach lieber nicht. Ich mag es gerne auf die Altmodische. Das Knistern der umgeschlagenen Seiten, den Geruch von Papier.“ Venezuela schüttelt energisch den Kopf. „Ich mag diese digitalen Lesegeräte überhaupt nicht.“
„Für die morgendliche Zeitung finde ich sie nicht schlecht.“
„Ja. In Ordnung. Aber wenn überhaupt, dann nur dafür.“
Venezuela läßt sich nicht davon abbringen die Rechnung zu begleichen. Vivian gibt sich lachend geschlagen, schlägt vor, den Weg nach Hause gemeinsam zu gehen.
Im Park finden sie eine Bank, die gerade frei wird. Vivian sucht in ihrer Handtasche, zieht ein verknautschtes Zigarettenpäckchen heraus.
„Möchten Sie auch eine?“
„Wollen wir nicht mit dem Siezen Schluß machen? Ich darf das vorschlagen. Immerhin bin ich die Ältere“, lächelt Venezuela kokett.
Vivian lacht. „Wie alt bist du denn?“
„Fünfundzwanzig.“
Wieder lacht Vivian, drückt Venezuelas Arm. „Ich auch.“
Erstaunen. „Das hätte ich nicht gedacht. Verzeih, aber ich habe dich auf Zwanzig geschätzt. Wenn nicht jünger.“
„Das passiert mir öfters.“ Geflissentlich unterschlägt Vivian ihr wahres Alter, hält sich an ihre Legende. „Hoffentlich hält sich das noch lange.“
„Wie wahr.“ Venezuela lacht, ihr Busen hüpft leicht auf und ab. Für einen kurzen Moment legt sie ihre Hand auf Vivians Schenkel.
Ein Mann geht an ihnen vorbei. Für einen kurzen Moment verdüstert sich Venezuelas Blick. „Für die sind wir nur Titten und Ärsche.“ Ihre Stimme klingt hart, abweisend.
„Gott sei Dank haben wir mit unseren Männern da ein besseres Los gezogen. Nicht wahr?“
Venezuela zuckt mit den Schultern. Stumm. Sie steht auf, schaut Vivian aufmunternd an. „Wollen wir?“
Vivian ist schlau genug das Thema nicht zu vertiefen. Obwohl Venezuelas Reaktion sie dazu reizt.
Vor Vivians Haus bleiben die beiden Frauen stehen.
„Hast du morgen Zeit? Ich würde mich gerne für die Einladung revanchieren. Und ich könnte dir Wolfgangs Buch geben.“
Es scheint so, als ob Venezuela nur auf diesen Vorschlag gewartet hat. „Aber stören wir deinen Mann nicht bei seiner Arbeit“
„Vorlesungsreihe. Zwei Tage.“
Weitere Geschichten zum Thema