Die Behandlung wirkt perfekt, aber leider anders als gedacht.
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Schlechte Karten: Franks Ehegattin hat keinen Bock mehr auf Sex, und sie sitzt am längeren Hebel, finanziell gesehen. Er sinnt auf Änderung und stößt auf eine neue Form der Pheromon-Therapie. Sie schlägt fantastisch an. Alles bestens — denkt er zunächst…
Die Pheromon-Therapie:
1: Applikation — Die Gattin lässt Frank nicht mehr ran. Zeit für Maßnahmen!
2: Wirkung — Frank staunt, wie gut es mit Ella läuft. Vielleicht zu gut…
3: Risiken — Die Behandlung wirkt perfekt, aber leider anders als gedacht.
4: Nebenwirkung — Alles wieder unter Kontrolle? Da irrt sich Frank gewaltig.
Diese Geschichte schlägt ein paar Haken — möglicherweise ist nicht alles so, wie es zunächst aussieht. Die Lektüre in der richtigen Reihenfolge ist empfehlenswert, wenn man nicht nur die Erotik genießen will, sondern auch die kunstvoll konstruierte Logik des Plots (hust).
Dingo666
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VIII: Samstag 03.09.2022
„Du bist nicht Ella, oder?“, fragte ich die Gestalt neben mir. „Du bist nicht meine Frau.“
Der heftige Atem neben mir stockte.
„Doch! Natürlich… bin ich das. Äh — wer denn sonst?“
Die jämmerlichste, offensichtlichste Lüge, die mir je untergekommen war. Ich wälzte mich auf die Seite, ihr zu. Sie lag auf dem Rücken, alle viere von sich gestreckt. Doch sie sah mich an. Ich konnte den Schimmer ihrer Augen im Halbdunkel des Schlafzimmers erkennen.
„Sag schon“, forderte ich. „Wer bist du wirklich?“
Die Frau neben mir dachte nach.
„Willst du wirklich diese außergewöhnliche Nacht so ruinieren?“, hörte ich ihr Wispern.
„Tut mir leid“, gab ich zurück. „Geht nicht anders.“
„Ach, verdammt!“ Ein abgrundtiefer Seufzer. „Ich dachte, ich könnte dich täuschen.“
„Also?“
Mit einem Stöhnen kam sie auch hoch, auf die Seite, mir gegenüber. Sie zog eine schmerzerfüllte Grimasse und massierte sich den Bauch.
„Das war ganz schön heftig“, meinte sie leichthin.
„Lenk nicht ab.“
„Schon gut, schon gut.“
„Wer bist du?“
„Ich hatte viele Namen. Nenn mich Shamkat, der gefiel mir immer am besten.“
„Shamkat? Was ist das für ein Name? Woher kommst du?“
„Weiß nicht genau.“ Sie gähnte wie ein Nilpferd. „Sumerisch, glaube ich. Ich bin nicht so gut in Geschichte. Schlechtes Gedächtnis.“
„Sumerisch?“, schnaubte ich und ignorierte die Eiskristalle, die sich in meinem Unterleib ausbreiteten. „Und warum willst du — ach, lass das. Sag mir einfach, wer du wirklich bist.“
Sie sah mich an. Lange. Die arktische Kälte füllte mich nun beinahe vollständig aus. In was für eine Scheiße war ich da nur hineingeraten?
„Du stellst die falsche Frage, Süßer“, sagte sie da still.
„Ach? Und wie lautet die richtige Frage?“
Sie lächelte.
„Du solltest fragen: Was bist du?“
Auf diesen Schluss war ich gerade auch gekommen.
„Na gut. Was bist du?“
„Eine Dämonin.“
„Eine…?“
„Dämonin. Du weißt schon. Diese Wesen, die in einen Menschen fahren und ihn in Besitz nehmen können. Kommt dir das irgendwie bekannt vor?“
„Ack!“, brachte ich heraus. „Die — die Pheromon-Therapie? Die Ampulle?“
„Was?“ Sie runzelte die Stirn. Die Überraschung wirkte echt.
„Du warst in der Ampulle.“ Ich schrie beinahe. „Ich habe sie Ella unter die Nase gehalten, und so konntest du in sie, äh, eindringen.“
„Genau wie du gerade, was?“ Sie kicherte. „Da haben wir wohl was gemeinsam.“
„Schnauze!“, raste ich, getrieben von namenloser Angst und von meinem schlechten Gewissen. Ich hatte uns das alles eingebrockt, niemand anderes!
„Ach, reg dich ab, Süßer.“ Sie gähnte und ließ sich zurücksinken. „War doch gut, oder? Hast du zumindest gesagt.“
Mühsam bezähmte ich meinen Zorn. Ich musste mehr wissen. Über Shamkat. Über Dämonen. Über… was auch immer.
„Erkläre es mir. Bitte!“, sagte ich eindringlich. „Die ganzen letzten Nächte — das warst immer du, richtig? Ella hat gar nichts davon mitbekommen.“
„Stimmt. Dafür sorge ich schon. Sie denkt, sie hat ziemlich seltsame Träume. Es ist überraschend einfach — sie will das alles ohnehin nicht wahrhaben. Einige meiner früheren Gastgeberinnen waren da viel schwieriger.“
„Das heißt — du fährst immer wieder in andere Menschen?“, hakte ich nach. „Nur Frauen?“
„Ja. Ich kann nur Frauen.“ Sie schnaubte. „Das ist blöd. Manchmal wären Männer die bessere Wahl. Aber die meisten von uns bevorzugen ein Geschlecht. Und manche können gar nicht anders. So wie ich.“
„Aber — Dämonen! Das ist doch… Daran glaubt doch heutzutage niemand mehr.“
„Stimmt.“ Sie richtete sich auf und brachte ihr Gesicht dicht vor meines. Ich musste meine ganze Beherrschung aufbieten, um nicht zurückzuzucken.
„Heute ist nicht mehr viel von uns übrig“, erklärte sie ernst. „Nicht mehr viele, und die sind schwach. Ich auch. Früher — da zitterten die Menschen vor unserer Macht. Ich habe die Gerüchte gehört. Unsere Oberen fürchten, dass wir bald aussterben.“
„Aus…“
Ich verstummte. Und dachte nach. Schwierig, unter diesen Umständen. Aber nicht unmöglich. Schließlich war ich Kaufmann von Beruf. Ein Händler also. Es war wohl Zeit für einen Handel mit einem Dämon.
„Hör zu, Shamkat“, sagte ich. „Zunächst: Ich bin dir wirklich dankbar für die letzten Nächte. Das habe ich gebraucht, ehrlich. Und es tut mir leid, dass es euch, ah, Dämonen so schlecht geht. Wenn ich dir irgendwie helfen kann, dann gerne. Aber bitte versteh: Du musst dir jemand anderen suchen. Du kannst nicht in Ella bleiben.“
„Ja?“ Sie zog eine Augenbraue hoch. „Warum denn nicht?“
„Weil — nun…“
„Das wäre doch für alle das Beste, oder?“, vernünftelte sie. „Ella ist zufrieden und glücklich, weil ihr liebender Ehemann sie immer nett behandelt, aber sonst nichts von ihr will. Du bekommst den heißesten Sex dieser Welt, jede Nacht. Wir Dämonen sind nämlich ziemlich gut, was Sex betrifft. Und ich bleibe, wo ich bin. Ein Wechsel ist sehr anstrengend, musst du wissen. Auch gefährlich, manchmal. Wir können nur eine begrenzte Zeit außerhalb von Menschen überleben, wenn wir keine sorgfältig vorbereitete Behausung haben.“
„Das tut mir leid“, nickte ich, obwohl ich diese Information schon drehte und wendete und von allen Seiten in Augenschein nahm. Konnte ich sie überlisten und rauslocken?
„Aber ich weiß nicht, ob ich damit zurechtkomme. Ich habe Ella das angetan. Und ich glaube, dass sie darunter leidet. Sie war immer müde, und sie vernachlässigt sich.“
„Das kriege ich schon hin. Keine Angst“, winkte Shamkat ab, doch ich traute ihr nicht. Warum hatte sie es dann nicht längst getan?
„Ist das eigentlich immer so?“, schlug ich eine andere Richtung ein. „Dass Dämonen nur nachts rauskommen? Im Schlaf?“
„Nein. Aber es ist die einfachste Variante“, seufzte sie und fasste sich an den Bauch, wieder den schmerzlichen Zug um den Mund. „Ich — habe sehr lange geschlafen. Ich war weit weg, und muss erst langsam wieder zu Kräften kommen.“
„Wie lange hast du denn geschlafen? Und warum?“
„Seit 1734.“ Sie zwinkerte. „Ich hatte ein schönes Leben mit der Frau eines Bäckers, in Blatna. Das liegt in Böhmen. Oder lag es damals, zumindest. Ihr Mann hatte auch einen hübschen, dicken Rüssel, so wie du.“
„Aha.“ Ich verzichtete darauf, diese Information zu verarbeiten. Speichern war vorerst genug, ansonsten würde ich den Verstand verlieren. „Und was passierte dann?“
„Ich…“ Sie stockte und sah mich an. „Ich bin nicht sicher, ob ich das erzählen darf.“
„Wenn es etwas mit deinem plötzlichen Erscheinen hier zu tun hat, dann habe ich ein Recht darauf“, behauptete ich. Mit Dämonen hatte ich keine Erfahrung. Mit Geschäftspartnern schon. Shamkat machte nicht den Eindruck einer knallharten Persönlichkeit. Man konnte sie überzeugen. Vielleicht auch überreden. Das spürte ich.
Da zuckte sie auch schon die Schulter und fuhr fort: „Einer unserer Oberen hat mich aufgesucht, es war… egal! Jedenfalls hat er mir gesagt, dass alle Dämonen schwächer werden und bald sterben, wenn nichts dagegen getan wird. Er hatte einen Plan. Einen guten Plan — über den ich dir nichts sagen werde. Der Plan sah vor, dass ich mich schlafen legte. Bis zu einem bestimmten Tag in der Zukunft.“
Sie sah mich herausfordernd an. Ich starrte zurück. Obwohl ich jeden Quadratmillimeter von Ellas Haut in- und auswendig kannte, lag mir da jetzt eine völlig Fremde gegenüber.
„Sag mal, wie sah denn dieses Schlafen aus?“ lenkte ich ab. „Bist du da eine Art Tropfen in einem Behältnis?“
„Kann schon sein.“ Sie strich sich die Haare aus der Stirn. „Ehrlich gesagt habe ich nie einen anderen Dämon im Schlaf gesehen. Nur davon gehört. Wir brauchen dazu einen abgeschlossenen Raum.“
„Wie ein Djinn“, nickte ich.
„Wie ich schon sagte: Die Menschen gaben uns viele Bezeichnungen.“
„Aber — woher kommt ihr denn?“
„Keine Ahnung.“ Sie gähnte wieder, laut und herzhaft. „Interessiert mich nicht so. Ich bin gerne im Hier und Jetzt, nicht in der fernen Vergangenheit. Ich habe aber gehört, dass wir schon bei den Menschen waren, als diese noch in Höhlen lebten.“
„Aha. Dann seid ihr so was wie ein Symbiont?“
„Ein Symbiont? Was ist das denn?“
„Symbiose ist, wenn sich zwei unterschiedliche Arten zusammentun, um sich gegenseitig zu helfen. Wie diese Vögel, die im Maul eines Krokodils herumspazieren und dort die Fleischreste rauspicken. Der Vogel hat Nahrung, das Krokodil gesunde Zähne.“
„Ja, vielleicht.“ Sie grinste träge. „Ich weiß nur nicht, ob wir die Vögel oder die Krokodile sind. Aber jetzt bin ich müde. Ella auch. Wir schlafen jetzt. Wir können ja morgen Nacht weiterreden, okay?“
Sie drehte mir den Rücken zu und kuschelte sich in ihre Decke. Ich starrte noch eine Weile den nackten Rücken an. Dann legte ich mich auch zurück, sehr langsam.
Irgendwann fiel mir auch ein, den Mund wieder zuzumachen.
***
IX: Sonntag, 04.09.2022
Schlaf fand ich keinen in dieser Nacht. Daher riss mich Ellas schmerzlicher Laut am Sonntagmorgen nur aus einem unruhigen Dösen zurück in die Realität. Sie setzte sich gerade auf und hielt sich den Leib.
„Was ist los?“, fragte ich harmlos und kam mir vor wie der letzte Dreckskerl.
„Ich — ich weiß nicht. Leibschmerzen, irgendwie. Uh, ich fühle mich, als sei eine Herde Elefanten über mich drüber getrampelt.“ Sie blinzelte mich aus verquollenen Augen an, das Haar hing ihr wirr in die Stirn.
„Oh! Hm — soll ich gleich einen Kaffee machen? Vielleicht hilft das ein wenig?“
Sie nickte matt, und ich nutzte den Vorwand, um in die Küche zu flüchten.
Ella schien wirklich angegriffen. Sie wirkte noch teilnahmsloser als gestern, und nach dem Kaffee legte sie sich gleich wieder hin und schlummerte weiter. Einerseits versetze mir das in heftige Gewissensbisse, schließlich war ich für das alles verantwortlich. Andererseits machte es das für mich einfacher. Schließlich hatte ich viel zu tun.
Den ganzen Tag recherchierte ich wie wild. Alles, was es zu Dämonen, der sumerischen Kultur, Besessenheit, Exorzismus und Ähnlichem im Netz gab. Von wissenschaftlichen Fachartikeln über Reiseberichte, angeblich echten Augenzeugenberichten, bis hin zu lupenreinem Trash und den Niederungen der Verschwörungsmystik.
Viel Nützliches erfuhr ich nicht. Doch zumindest auffällig war, dass Shamkats Aussagen recht gut zu dem passte, was Menschen sich so über Dämonen erzählten. Sie fuhren in Menschen. Sie verfolgten eigene Ziele, manchmal gute, oft auch böse. Sie kamen in verschiedensten Arten und Formen vor, und zwar in praktisch allen Kulturen. Eine christliche Erfindung waren sie damit also nicht, auch wenn sie in den letzten zweitausend Jahren häufig als Gehilfen des Satans betrachtet wurden.
Ein wissenschaftliches Buch schien mir recht gut zu passen: „Dämonen als Ausdrucksphänomen der Kultur: Spurensuche und Interpretation“, von C.S. Hempster, einem Professor aus den USA. Das Buch war recht aktuell, noch kein Jahr alt. Amazon hatte sogar schon eine deutsche Übersetzung im Angebot. Ich bestellte es, per Express-Lieferung.
Dann machte ich den Computer aus, lehnte mich zurück, und dachte nach.
Glaubte ich an Dämonen?
Eigentlich nicht. Aber welche Erklärung gab es sonst?
Dass Ella mir das vorspielte? Unmöglich.
Eine Art Persönlichkeitsspaltung? Theoretisch denkbar, aber meine Recherchen hatten auch dazu einige Treffer geliefert: Die typischen Anzeichen und Verhaltensweisen fehlten.
Wurde ich selbst verrückt? Bildete ich mir das alles nur ein? Vielleicht als Folge einer jahrelangen, mental-lethalen Enthaltsamkeit?
Darüber grübelte ich länger nach, aber schließlich zuckte ich die Achseln. Falls es wirklich so war, dann hatte ich ohnehin keine Möglichkeit, zwischen Wirklichkeit und Illusion zu unterscheiden. Wahrscheinlich saß ich dann ohnehin schon in einer Gummizelle und bildete mir alles nur ein. Dann musste ich mich auch um nichts mehr sorgen oder kümmern. Es war also einfacher und sinnvoller, bis auf weiteres alles als real zu nehmen.
Gut. Ich hatte also unwissentlich einen Dämon gekauft und meiner Frau eingeflößt. Was nun?
Alles so belassen? Hm, damit hätte ich sozusagen eine Zweitfrau in Shamkat. Durchaus verlockend, rein sexuell betrachtet. Aber so ein egoistisches Riesenarschloch war ich hoffentlich dann doch nicht. So etwas würde ich meiner Ella niemals bewusst anzutun.
Oder?
Nein!
Na schön. Dann musste sie irgendwie wieder raus aus Ella. Ich stieß ein hilfloses Kichern aus. Frank Metzinger, der Exorzist! Wie zur Hölle sollte ich das anstellen? Konnte ich sie zwingen? Sie überreden?
Wie ich es auch drehte und wendete, ich brauchte einfach mehr Informationen. Und die bekam ich wohl nur von Shamkat. Sie schien sogar nicht einmal abgeneigt, mir alles Mögliche zu erzählen. Kein Wunder, nach Jahrhunderten in einsamem Schlaf.
Es lief anscheinend wirklich auf einen Handel hinaus. Ich musste rausfinden, was sie wollte, auf welches Argument sie reagierte, und sie dann irgendwie zum Weiterziehen zwingen. Oder töten? War das möglich? Früher hatte es mehr Dämonen gegeben, hatte sie gesagt. Ihre Existenz war also endlich.
Hm.
Mit Mühe brache ich den Rest des Tages hinter mich. Ella ging schon früh ins Bett, kurz nach neun Uhr. Das war mir nur recht. Gegen zehn schlich ich mich nackt ins Schlafzimmer und schlüpfte vorsichtig neben sie.
Nicht vorsichtig genug. Sie öffnete die Augen und lächelte breit. Das war nicht Ellas Lächeln.
„Hallo Shamkat“, meinte ich leichthin und knipste die Nachttischlampe an, um sie besser zu erkennen.
„Hallo Frank.“ Sie streckte und räkelte sich. Ich hielt meine Augen fest auf ihr Gesicht gerichtet.
„Ich möchte dich gerne näher kennen lernen“, begann ich ernsthaft. „Wenn du wirklich noch einige Zeit bei mir bist, ist das doch eine gute Idee, oder?“
„Noch näher als gestern Nacht, meinst du?“ Wieder dieses geheimnisvolle Lächeln. „Gerne — komm her!“
„Nicht nur erotisch“, wehrte ich schnell ab. „Mich interessiert auch, wer du wirklich bist. Als Mensch — äh, als Dämonin, meine ich.“
„Ach, das ist doch langweilig. Lass uns lieber ficken.“ Sie rollte sich herum und dehnte sich wie eine Katze nach dem Schlummer. Dabei präsentierte sie mir voll ihr verlockendes Hinterteil und gab ganz die Rolle der verruchten Verführerin. Doch ich hatte das Gefühl, dass sie sich trotzdem über mein Interesse freute.
„Sind alle Dämonen so wild auf Sex wie du?“, begann ich meine Befragung.
„Hmja, die meisten schon, denke ich.“ Sie streckte einen Arm in die Luft und betrachtete die Schattenbilder der Finger an der Wand. „Wir brauchen das auch. Oder zumindest tut es uns gut. Mir haben die letzten Nächte jedenfalls sehr geholfen, aus dem Tiefschlaf zurückzukommen. Ohne Sex geht es auch, aber es dauert viel länger. Und es macht viel weniger Spaß.“ Sie zwinkerte mir zu.
„Okay, das verstehe ich. Du möchtest also Sex mit mir, weil diese Energie gut für dich ist. Würde das auch mit anderen Liebhabern funktionieren?“
„Willst du etwa, dass jemand anderes deine Frau fickt?“ Sie ließ den Arm sinken und starrte mich überrascht an.
„Nein“, beschwichtigte ich. „Ich versuche nur, das Prinzip zu verstehen. Ob es nur ums Rein-Raus geht, oder auch um mich.“
„Es geht um dich.“ Sie sah mir in die Augen. „Es ist — kompliziert, und ich kann es nicht gut erklären. Für mich ist es sehr viel einfacher, wenn die Menschen schon eine gute Liebesbeziehung haben. Du liebst deine Frau, das spüre ich. Damit liebst du auch mich, auf eine bestimmte Art und Weise, und das ist gut so.“
„Hrm.“ Ich blinzelte die verdächtige Wärme in den Augen weg. Ich liebte Ella? Der Meinung war ich ja auch immer gewesen, aber andererseits kam ich mir gerade so unfassbar schuftig vor.
„War das bei der Bäckerin auch so?“, fragte ich weiter.
„Ja. Sehr!“ Ihr Blick ging nach innen, und sie lächelte traurig. „Sie und ihr Mann waren schon zwei Jahre zusammen, als ich sie fand. Sie war so neugierig, so offen, sie wollte alles ausprobieren. Es war sehr einfach für mich, mit ihr zurecht zu kommen. Nach einigen Jahren waren wir wie zwei Schwestern, die alles gemeinsam unternahmen.“
„Das heißt — sie wusste von dir?“
„Natürlich“, nickte sie. „Wenn es geht, dann geben wir uns unseren Gastgebern zu erkennen. Die sind natürlich erst überrascht, oder schockiert. Aber wenn sie es dann richtig verstehen, und uns näher kennenlernen, dann sind viele glücklich darüber.“
„Ah.“ Meine Gedanken rotierten. „Wäre das bei Ella möglich?“
„Ich… weiß nicht.“ Sie biss sich auf die Lippen. „Ella ist anders. Sie ist so — so gerade, so klar. Sie will es immer genau wissen, und es gibt für sie nur Schwarz oder Weiß. Solche Menschen haben große Probleme mit der Vorstellung, ihren Körper mit einem Dämon zu teilen.“
„Und — was passiert dann?“
„Wir, hm, suchen uns jemand, der besser zu uns passt“, wich sie aus.
„Und vorher? Mit den unpassenden Gastgebern?“
„Es sind schon Menschen gestorben“, bekannte sie leise und schlug den Blick nieder. „Oder haben den Verstand verloren. Deshalb sind wir anfangs immer sehr vorsichtig und leben nur auf dieser verdeckten Ebene. Wir offenbaren uns erst dann, wenn wir sicher sind, dass es funktioniert. Aber üblicherweise haben wir in der Zeit keinen Kontakt mit anderen Menschen, wie wir gerade. Zumindest passiert mir das jetzt zum ersten Mal.“
„Aber warum hast du dich denn gezeigt?“, wollte ich wissen. „Du hättest ja auch so tun können, als seist du Ella. Vielleicht wäre ich darauf reingefallen.“
„Das kam vom Schlaf.“ Sie schüttelte den Kopf. „Gestern, nach dieser superheftigen Nummer mit deiner Faust, da war ich einerseits ganz aufgeladen und fröhlich, aber andererseits immer noch nicht wieder ganz da, nach der langen Zeit. Ich habe einfach reagiert, anstatt nachzudenken.“
„Verstehe. Dann war es reiner Zufall, dass ich genau zum richtigen Zeitpunkt gefragt habe.“
„Ja, so ungefähr.“
Interessant. Vielleicht war ich als Exorzist doch brauchbar?
„Und sag mal: Wie machst du es denn, wenn du zu einer anderen Frau weiterspringen willst? Wie geht das mit dem Übergang?“
„Das ist…“ Sie stockte und biss sich auf die Lippen. „Darüber möchte ich jetzt nicht sprechen. Aber du musst wissen, dass es immer ein schwieriges Unterfangen ist. Es kostet Kraft, und es ist nicht ungefährlich. Wir machen es nur dann, wenn es sein muss.“
„In Ordnung.“ Ich lächelte beruhigend. „Ich will dir ja helfen. Vielleicht finden wir ja eine bessere Gastgeberin als Ella.“
„Das wird vielleicht notwendig sein. Mit Ella fühle ich mich nicht besonders wohl, wenn sie wach ist.“
Ich tätschelte ihren Arm. Anteilnahme und Verständnis. Das konnte ich gut vortäuschen, da hatte ich lange Übung. Doch tatsächlich stellte ich fest, dass mir Shamkat ein wenig ans Herz wuchs. Mir kam sie eher wie ein junges Ding vor, das sich irgendwie durchwurstelt. Nicht wie ein kalt berechnendes, bösartiges Wesen aus einer anderen Dimension.
„Also, ich habe folgendes verstanden:“, fasste ich zusammen. „Du möchtest Sex mit mir, weil dich das belebt. In Ordnung, das können wir gerne tun. Nachts, wenn Ella schläft. Aber nur solange es Ella nicht schadet. Vielleicht also nicht jede Nacht, da fehlt ihr einfach zu viel Schlaf. Und vielleicht auch nicht mehr ganz so extrem.“
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