„Hi, alles fit bei dir? Könnten wir uns demnächst eventuell sehen?“ Diese Nachricht von Jannis konnte nichts Gutes bedeuten. Kennengelernt hatten wir uns, als wir beide noch in Mainz studierten. Nun waren wir mit dem Studium fertig, ich wohnte in Frankfurt und Jannis war mit seiner Freundin nach Marburg gezogen. Seitdem sahen wir uns deutlich weniger oft als früher, schrieben und telefonierten uns aber regelmäßig. Ich schrieb Jannis zurück, dass ich am Wochenende Zeit hätte — und so machten wir aus, dass er am Samstag gegen Mittag nach Frankfurt kommen und abends wieder zurückfahren würde. Was den Grund für das plötzliche Treffen betraf, so meinte er nur, dass er meinen Rat brauche. Näheres wollte er mir erst bei unserem Treffen sagen.
An besagtem Samstag holte ich Jannis vom Bahnhof ab und merkte schon als ich ihn aus der Ferne vom Gleis kommen sah, dass es ihm ziemlich beschissen ging. Nach der Begrüßung beschlossen wir, erst einmal eine Runde spazieren zu gehen und anschließend eine Kleinigkeit zu essen. Jannis wollte offensichtlich noch nicht über den Grund für seinen Besuch sprechen und bemühte sich, so zu tun als ob nichts wäre. Vielleicht brauchte er das gerade. Die Gespräche waren allerdings zäh. Als wir uns später in ein Café setzten, holte Jannis eine Zigarettenschachtel aus seiner Hosentasche heraus und steckte sich eine Kippe an.
– „Seit wann rauchst du?!“, fragte ich ihn völlig überrascht.
– „Seit ’ner Weile schon.“
Ich hielt es für besser, erstmal zu schweigen. Nach einem Moment der Stille sagte Jannis plötzlich:
– „Es geht um Katja…“
– „Was ist passiert?“
– „Das ist eine lange Geschichte!“
Daraufhin erklärte er mir, dass es schon seit Langem immer wieder Stress zwischen seiner Freundin und ihm gegeben habe, dass es jetzt aber deutlich eskaliert sei. Im Grunde ging es darum, dass er sich völlig eingeengt fühlte. Es war schon immer so gewesen, dass seine Freundin in der Freizeit fast alles zusammen mit ihm machen wollte, aber zu Studienzeiten hatte er mehr Zeit als sie, sodass er immer noch die Möglichkeit hatte, seine eigenen Sachen zu machen. Nun hatten aber beide einen Job, der ihnen relativ wenig Freizeit ließ. Die wollte seine Freundin komplett mit ihm verbringen, während er neben den gemeinsamen Unternehmungen auch Zeit für sich brauchte.
Es fiel mir schwer, Jannis einen Rat zu geben. In einer Beziehung, die diesen Namen verdient, war ich ja trotz meiner 28 Jahre nie gewesen und da ich selbst auch ein Mensch bin, der Freiräume braucht, hatte ich vollstes Verständnis mit ihm. Und, nun ja, auch wenn sich Katja mir gegenüber immer toll verhalten hat und sie mir eigentlich echt sympathisch war, hatte ich mich ihretwegen schon öfter aufgeregt, weil sie der Grund dafür war, dass Jannis mir unzählige Male abgesagt hatte. Ich war also nicht gerade unvoreingenommen. Trotzdem bemühte ich mich um Ausgewogenheit. Nach einer langen Diskussion meinte Jannis irgendwann:
– „Weißt du, was mir jetzt gut tun würde? Einfach irgendwo weit weg zu gehen, um mich abzulenken und Abstand zu gewinnen.“
– „Super Idee! Mach‘ das doch einfach! Und am besten ganz allein!“
– „Hmm… Oder… Du hast ja bald auch Urlaub. Was hältst du davon, zusammen wegzufahren?“
Und so kam es, dass Jannis und ich unseren ersten gemeinsamen Urlaub planten, nachdem in den letzten Jahren immer wieder etwas anderes dazwischengekommen war. Wir waren uns schnell einig, was wir wollten: Sonne, Wärme und Meer! Wo kann man das im Mai am besten bekommen? Natürlich im Süden! Letztlich einigten wir uns auf Lissabon. Zu sagen, dass Katja alles andere als begeistert war, wäre noch untertrieben. Jannis war aber fest entschlossen, es durchzuziehen und sie musste schließlich doch einsehen, dass es gut für die Beziehung sein könnte, wenn ihr Freund ein bisschen Zeit für sich haben und herunterkommen würde. Es war allerdings nicht einfach, auf die Schnelle nicht allzu teure Flüge und Hotels zu finden, da es schon drei Wochen nach Jannis‘ besagtem Besuch in Frankfurt losgehen sollte. Wir hatten aber Glück und fanden ein relativ günstiges Hostel, das sich sogar in Top-Lage (nur 2 Minuten zu Fuß von der Praça do Comércio) befand. Ich freute mich riesig auf den Urlaub, umso mehr als ich fast schon die Hoffnung aufgegeben hatte, dass ich jemals mit Jannis verreisen würde!
Eine Sache trübte dann aber doch meine Vorfreude: eine gewisse Nervosität, die phasenweise in Angst umschlug. Obwohl Jannis einer meiner besten Freunde war, wusste er noch nichts von meiner Gayness. Ich hatte sehr lange gebraucht, um sie mir einzugestehen, und als ich endlich soweit war, hatte ich nie den richtigen Zeitpunkt gefunden, um mich Jannis gegenüber zu outen. Schriftlich oder am Telefon wollte ich es nicht machen, und bei den nicht ganz so häufigen Treffen hatte es sich nie wirklich ergeben … oder ich hatte die wenigen Gelegenheiten verpasst. Mir war klar, dass der Urlaub nicht nur die perfekte Gelegenheit war, Jannis endlich reinen Wein einzuschenken — ich wusste, dass ich es jetzt auch machen musste. Aber was, wenn er gar nicht so locker reagieren würde? Vielleicht gehörte er ja zu den Leuten, die nur solange kein Problem mit Homosexualität haben, solange sie nicht in ihrem engsten Umfeld auftritt. Es könnte aber auch sein, dass Jannis es mir übelnimmt, ihm das so lange verschwiegen zu haben. Diese Gedanken wurden häufiger, je näher der Urlaub rückte.
An einem Mittwoch Morgen Mitte Mai sollte es losgehen. Wir hatten vereinbart, dass Jannis schon am Vorabend nach Frankfurt kommen und bei mir übernachten würde.
Als ich ihm die Tür öffnete, fiel mir gleich auf, dass es ihm kaum besser ging als drei Wochen vorher. Als wir kurz darauf im Wohnzimmer auf meiner Couch saßen, sprach ich ihn darauf an.
– „Frag‘ lieber nicht… Die letzten Wochen waren echt ätzend!“
– „Warum hast du dich denn nicht gemeldet? Du weißt doch, dass du…“
– „Ja ich weiß, das ist lieb von dir. Aber was hätt‘ es denn gebracht?, unterbrach mich Jannis. Wir wissen beide, also Katja und ich, dass wir reden müssen. Aber sie meinte, dass es jetzt nix bringt. Eigentlich hat sie auch recht. Aber wenn man zusammen wohnt ist es halt beschissen.“
– „Das kann ich mir gut vorstellen!“
– „Können wir auf den Balkon? Dann kann ich eine rauchen.“
– „Klar!“
Nach einer Weile fragte ich ihn:
– „Wie seid ihr eigentlich verblieben?“
– „Naja, am Freitag ist sie zu ’ner Freundin gefahren, und jetzt ist sie bei der family. Wir wollen nach dem Urlaub über uns reden.“
– „Es ist vielleicht ganz gut, wenn ihr beide jetzt erstmal auf andere Gedanken kommt und ein bisschen Abstand zu dem ganzen Thema bekommt.“
– „Ja schon, aber wie soll es denn weitergehen?“
– „Ich weiß, sowas ist immer leichter gesagt, wenn man nicht betroffen ist, aber jetzt darüber nachzudenken bringt glaub‘ ich wenig…“
– „Ich erinner‘ dich bei Gelegenheit dran“, meinte er mit einem Lächeln.
– „Ja, ich weiß dass ich da nicht besser bin als du.“
Jannis musste auflachen: „Nicht besser? Tausend mal schlimmer!“
– „Siehst du, jetzt lachst du wenigstens!“
Da wir am nächsten Morgen früh raus mussten, machten wir uns schon kurz nach halb 11 bettfertig. Als ich aus dem Bad zurückkam, lag Jannis nur in seiner engen grauen Boxershorts auf dem Bett und tippte auf seinem Handy herum. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich ihn das letzte Mal so gesehen hatte. Es musste Jahre her sein! „Ein Jammer, dass er hetero ist!“, dachte ich mir, als ich ihn so sah. Jannis war etwa 1,75 groß, hatte dunkelblonde verwuschelte Haare, ein haarloses Gesicht und grüngraue Augen. Von der Statur her war er schlank, an seinen Armen und Beinen sowie an seinem relativ breiten Kreuz sah man, dass er viel schwimmen und joggen ging. Ich konnte nicht widerstehen, einen kurzen Blick auf seinen Schritt wagen und stellte überrascht fest, dass er viel in der Hose hatte. Ich zwang mich schnell, woanders hinzuschauen und sagte ihm, dass das Bad nun frei sei. Während er sich die Zähne putzte, dachte ich über die Anziehung nach, die Jannis auf mich ausübte. Sie irritierte mich. Klar, ich fand ihn schon seit Längerem gutaussehend; dass er mich sexuell dermaßen anzog, war mir aber neu. Auf einmal spürte ich schlechtes Gewissen aufkommen. „Durfte“ ich mich überhaupt an einem meiner besten Freunde aufgeilen, dazu noch an einem der von meiner sexuellen Umorientierung gar nichts wusste? Erstmals spürte ich in diesem Moment, was für eine Distanz diese Tatsache zwischen uns schaffte.
– „Warum siehst du so plötzlich so ernst aus?“, unterbrach Jannis meine Gedanken. Er stand vor dem Bett.
– „Äh… Musste gerade über was nachdenken, nichts Wichtiges.“
– „Das will ich mal hoffen! Es reicht ja, wenn einer von uns mies drauf ist“
– „Och, komm schon! Lissabon wird dir gut tun! Wir werden viel Spaß haben!“
– „Sollen wir wetten, wie lange es dauert, bis du ein geiles Mädel aufreißen gehst, statt dich mit so ’nem Miesepeter wie mir herumzuärgern?“
Das sagte Jannis als Spaß und im Lachen, der Satz traf mich aber wie ein Schlag ins Gesicht und verstärkte noch einmal mein schlechtes Gewissen.
– „Schauen wir mal“, antwortete ich ihm nur kurz.
Am nächsten Morgen klingelte der Wecker gefühlt viel zu früh. Noch völlig verschlafen und sehr wortkarg machten wir uns auf den Weg zum Flughafen. Das Warten auf das Flugzeug, das wir unter anderem mit Kaffeetrinken verbrachten, ließ die Vorfreude steigen. Wir begannen, im Reiseführer zu blättern und uns die Highlights aufzuschreiben, die wir uns auf keinen Fall entgehen lassen wollten. Das tat uns beiden gut. Der Flug hatte zwar ein bisschen Verspätung, unseren Anschlussflug in Madrid schafften wir dennoch. Und so kamen wir Anfang Nachmittag gut gelaunt in Lissabon an. Auf dem Fußweg vom Flughafenbus zum Hostel bekamen wir die ersten Eindrücke der Stadt.
– „Ist das nicht super hier? Das wird ein richtig toller Urlaub!“, sagte ich voller Euphorie zu Jannis, der nun viel fröhlicher aussah.
– „Weißt du, worauf ich jetzt Lust hätte?, fragte er mich. Auf ein kühles Bier am Fluss!“
So beeilten wir uns, zum Hostel zu gehen, um unser Gepäck abzustellen und uns umziehen zu können (es war doch bedeutend wärmer als in Frankfurt am frühen Morgen!). Das Hostel machte einen guten Eindruck. Besonders positiv fiel mir der große Gemeinschaftsraum neben dem Eingang auf, der sehr gemütlich eingerichtet war. Wir hatten uns für ein 5-Bett-Zimmer entschieden. Es war echt nicht groß, aber wie Jannis zurecht meinte, würden wir ja eh nicht viel Zeit dort verbringen. Nachdem wir uns umgezogen und ein bisschen frisch gemacht hatten, machten wir uns auf zu unserer ersten Stadttour. Der Urlaub konnte beginnen!
Jannis und ich waren sofort begeistert! Obwohl es schon deutlich mehr Touristen gab, als wir es zu dieser Jahreszeit vermutet hätten, waren wir von der Stadt und ihrer Atmosphäre sehr angetan. Es war einfach herrlich, in den zahlreichen kleinen und verwinkelten Gassen, die teilweise nur aus Treppen bestanden, herumschlendern. Überall gab es schöne und ganz kleine Restaurants, Bars und Geschäfte. Zugegeben, manchmal war es nicht nur herrlich, sondern auch nervenaufreibend, weil man sich sehr schnell verlaufen kann und viele „Straßen“ auf keinem Stadtplan — und auch nicht wirklich auf Google Maps — eingezeichnet sind. Einen Augenblick lang dachte ich schon, Jannis würde mich gleich umbringen. Ich war es gewesen, der vorgeschlagen hatte, nicht direkt zum Tejo, sondern erst noch einen kleinen Abstecher über den Stadtteil Bairro Alto zu machen. Nun ja, ich hatte nicht nur die Entfernungen unterschätzt, sondern auch die Steigung und die Verwinkelung der Gassen. Zum Glück landeten wir irgendwann — beschämenderweise eher zufällig — wieder an besagtem Fluss und Jannis bekam sein Bier. Seine Stimmung hellte sich immer mehr auf, der Urlaub schien ihm jetzt schon gut zu tun.
Unseren ersten Abend ließen wir gemütlich angehen: Wir chillten ewig am Ufer des Tejos herum, später aßen wir in einem kleinen Lokal und gingen danach in einer ebenso kleinen Bar etwas trinken. Als wir ins Hostel zurückkamen, sahen wir im Gemeinschaftsraum ein paar andere Hostel-Gäste, die allesamt sympathisch wirkten. Da wir aber ziemlich fertig waren, gingen wir direkt auf unser Zimmer, das völlig leer war. Kein Wunder, es war ja erst kurz nach 11. Jannis und ich machten uns bettfertig, gingen in unser Bett (ich das untere, er das obere des Etagenbetts) und schliefen sehr schnell ein. Wir wurden nur einmal wach, als mitten in der Nacht unsere Zimmergenossen vom Feiern zurückkamen. Als ich am nächsten Tag aufwachte, war Jannis gerade dabei zu duschen. Nachdem wir beide fertig waren, entschieden wir uns spontan dafür, den Tag in Belém zu verbringen, wo sich neben einem Kloster und einem schönen alten Turm auch die bekannteste Konditorei für die berühmten pasteis de belem befand.
– „Ich glaube, es wird noch schwerer als sonst im Urlaub, nicht zuzunehmen“, meinte Jannis lachend zu mir.
– „Och, das kannst du dir ja erlauben! Hast du im Hostel eigentlich schon mit anderen Leuten gesprochen?“, fragte ich Jannis auf der Zugfahrt.
– „Jep! Als du geduscht hast. Aber nur kurz. Da waren gerade drei Jungs. Richtig cool!“
– „Cool! Bin gespannt wer sonst noch mit uns im Hostel ist.“
– „Lass mich raten… Lange braune Haare, dunkles Teint, tiefer Ausschnitt, Minirock,…“
– „Haha, sehr lustig!“, unterbrach ich ihn, bevor es allzu ungemütlich für mich wurde.
Es war höchste Zeit, dass ich mich ihm gegenüber endlich oute. Ich musste nur noch den richtigen Moment finden — oder besser gesagt: den am wenigsten falschen. Aber jetzt wollte ich erst einmal den Tag in Belém genießen! Und der war einfach nur super … auch wenn die Konditorei so voll war, dass wir immer noch keine pasteis de belem verkosten konnten.
Als wir spätabends zurück ins Hostel gingen, war es im Gemeinschaftsraum gerade sehr laut. Eine Gruppe von Jungs und Mädels, alle Anfang bis Mitte 20, waren gerade beim Vorglühen. Als sie uns sahen, machten sie uns ein Zeichen, dass wir uns zu ihnen setzen sollten. Während ich mich gerade mit zwei Mädels unterhielt, fiel mir ein junger Kerl auf, der ein paar Meter weiter auf der Couch saß. Es kam mir so vor, als würde er mich beobachten, aber jedes Mal, wenn ich in seine Richtung schaute, drehte er schnell die Augen weg. Erst dadurch achtete ich überhaupt auf ihn. Er wirkte sympathisch und, ja, sah ziemlich gut aus: Er war unterdurchschnittlich groß, schlank, hatte ein dunkleres Hautteint, kurze schwarze Haare, sehr markante Gesichtszüge und braune Augen hinter seiner modischen Brille. Was mir ebenfalls auffiel, waren seine verschiedenen Armbänder und seine Halskette. Eigentlich hätte ich Lust darauf gehabt, mit ihm ins Gespräch zu kommen, aber ich wollte unbedingt verhindern, dass irgendetwas passiert (ein Blick, eine Berührung…) was Jannis hätte Verdacht schöpfen lassen können. Ich wollte es ihm schon selbst sagen. Leider schien sich der Typ gerade in diesem Moment dazu überwunden zu haben, mich anzusprechen und stand nun vor mir, mit ausgestreckter Hand.
– „Hi, I’m Loïc!“
– „Hi, I’m Leon.“
– „Nice to meet you! Where do you from?“
– „Germany. And you?“
– „Cool! I’m French! And where do you live in Germany?“
– „In Frankfurt, in Western Germany.“
– „Yeah I know it because of the Airport.“
– „Ok, of course. And where do you come from in France?“
– „From Avignon, if you know it.“
– „Sure. I was there with my family in summer for about 10 years.“
– „Because of the Festival, of course?“
Das Gespräch ging eine Weile so weiter. Ich fühlte mich nicht ganz wohl. Klar, auch wenn Jannis nicht daneben gesessen hätte, wäre ich nicht gleich über den Kerl hergefallen. Dafür bin ich einfach nicht der Typ. Außerdem war ich mir ja gar nicht mal sicher, dass er überhaupt Interesse an Männern hatte. Ich hätte also auch ohne Jannis nicht plump mit ihm geflirtet. Aber Jannis‘ Anwesenheit machte mich nervös. Und das Gespräch ging allmählich auch noch in eine heikle Richtung, als Loïc fragte, mit wem ich unterwegs sei, ob wir unsere Freundin zu Hause gelassen hätten, ob wir überhaupt eine Freundin hätten, ob… Er schien nicht nur zu spüren, dass ich nervös wurde, sondern auch dass er mich möglicherweise nicht kalt ließ. So wagte er sich etwas näher an mich heran und legte seine Hand auf mein rechtes Knie.
Das war der Moment, in dem ich mich dazu entschied, mich unter dem Vorwand der Müdigkeit zu verabschieden und in mein Zimmer zu flüchten. Ich wusste zumindest, dass ich dort sicher sein würde, weil Loïc und seine Freunde ein Zimmer für sich hatten. Kaum lag ich im Bett, musste ich daran denken, dass meine Reaktion völlig übertrieben war. Eigentlich hätte ich ja ganz locker bleiben können, schließlich war noch gar nichts passiert. Die Angst, Jannis könnte zufällig erfahren, dass ich auf Männer stehe und sich dann derart verarscht vorkommen, dass es unsere Freundschaft beschädigt, überlagerte alles andere. So schwer es mir fiel, es zuzugeben: Ich schob mein Outing immer noch vor mir her. Dass ich den Tag in Belém genießen wollte: Ok. Aber danach hätte ich noch genug Gelegenheiten gehabt. Wenn es so weiterging, würde Jannis auch nach der Landung in Frankfurt immer noch nichts wissen.
Diese Nacht schlief ich nicht gut, ständig wachte ich auf. Irgendwann konnte ich gar nicht mehr einschlafen. Als ich merkte, dass es nichts mehr werden würde, kramte ich eine frische Boxer aus meinem Koffer, nahm Handtuch und Duschgel und ging zum Bad. Das bestand aus zwei offenen Duschen, die durch eine Wand getrennt waren und die man mit einem Vorhang „schließen“ konnte. Gegenüber den Duschen befanden sich die Waschbecken und ein großer Wandspiegel. Wenn jemand also den Vorhang nicht zuzog, konnte man was Nettes für die Augen bekommen. Als ich ins Bad reinkam, hörte ich, dass eine der Duschen tatsächlich besetzt war. Ich zog mir mein T-Shirt und meine Boxershorts aus und ging in die freie Dusche. Der Vorhang der anderen Dusche war leider zu, sodass ich nicht sehen konnte, wer drin war. War es ein Kerl oder doch ein Mädel? Wie sah diese Person wohl aus? Dass jemand neben mir duschte machte mich gerade ziemlich an. Zumal ich seit zwei Tagen nicht gewichst hatte. Mein Schwanz schwoll zusehends an. Wollte ich den Tag überstehen, musste ich jetzt Druck ablassen. Ich vergewisserte mich, dass der Vorhang richtig zu war und begann, mir einen runterzuholen. Es dauerte nicht lange, bis ich in mehreren Schüben gegen die Wand spritzte.
Das Wasser lief in der anderen Dusche auch dann noch, als ich selbst fertig war und mich abtrocknete. Auf dem Weg zurück zum Zimmer — ich hatte nur meine engen Shorts an und mein Handtuch um den Hals gewickelt — kam mir Loïc entgegen.
– „Oh ‚morning! How are you? Are you fit again?“, fragte er mich, ohne dass ich wusste wie ich das interpretieren sollte.
– „Yeah, everything’s OK“, antwortete ich knapp und trocken.
Offensichtlich hatte ich dermaßen seltsam geschaut, dass er nur meinte:
– „If you don’t want to talk I won’t bother you anymore.“
– „You’re not bothering me, meinte ich mit einem Hauch schlechten Gewissen. It’s just…“
– „I think I know what’s your problem. The way you looked at me yesterday…“
Nun wurde ich rot.
– „If I can give you some advice, fuhr er fort. It’s not a good idea to deny yourself.“
Er ließ mich verdutzt zurück und ging zu seinen Freunden zurück, die schon auf ihn warteten. Als ich ins Zimmer kam, machte sich Jannis gerade auf den Weg zur Dusche. Ich suchte mir ein neues T-Shirt und eine kurze Hose aus und sah, während ich mich anzog, auf dem Nachbarbett einen Kerl, der mit nur einer weiten Boxershorts bekleidet schlafend auf dem Bauch lag. Während ich ihn kurz musterte, fiel mir ein, dass ich meine gebrauchten Klamotten im Bad liegen gelassen hatte. Ich drehte also um und sah noch schnell Jannis, wie er nackt in die hintere Dusche eintrat. Er stand mit dem Rücken zu mir, zum ersten Mal sah ich seinen nackten Arsch. Er hatte pralle, knackige, sehr weiße Arschbacken, die so wirkten als würde sie Jannis zusammenkneifen. Was für einen geilen Anblick! Vielleicht würde ich ja auch noch einen Blick auf seinen Schwanz werfen können? Ich sammelte jedoch lieber schnell meine Klamotten ein und ging zurück aufs Zimmer.
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