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Vorwort
Der Mond Mystère ist zu meiner eigenen Überraschung eine harschere Welt geworden, als ich es bei meinen ersten Ideen hierzu gedacht habe. Für empfindliche Leser ist das Weiterlesen nicht zu empfehlen.
Für diejenigen, die weiterlesen wollen, ist es zu empfehlen, die beiden vorhergehenden Geschichten zu lesen, um die handelnden Personen besser zu verstehen.
Prolog
Es gilt für alle Neuankömmlinge die Überraschungen zu verdauen, die sich ihnen auf Mystère präsentieren.
Pierre lernt Neues
Lee betrachtete ihn abschätzend. Pierre fühlte sich unbehaglich unter dem prüfenden Blick. Er hatte das Waffentraining ohne Probleme absolviert. Bogenschießen war sein Hobby auf der Erde gewesen. Mao hatte sich viel schwerer damit getan und war zum weiteren Training abkommandiert. Lee hatte seine Entscheidung nun getroffen:
„Pierre, du kannst heute Abend mit Emma und Tsun zum Sammeln gehen. Mit dem Bogen kannst du so gut umgehen, dass wir dir in der Handhabung nichts beibringen können. Tsun ist mit acht Jahren Aufenthalt hier sehr erfahren und kann dir hingegen gute Tips geben, was die Abwehr von wilden Tieren betrifft. Emma ist erst ein Jahr hier und braucht noch mehr Erfahrung.“
Pierre musste wohl so fragend dreingeschaut haben, dass Lee ihm die unausgesprochene Frage sofort beantwortete.
„Am Abend ist es weniger gefährlich und gut für einen Anfänger wie dich. Es ist beinahe Vollmasa, und damit hell genug für euch zum Sammeln. Wir hängen alle von der gemeinsamen Nahrungsbeschaffung ab, so kannst du den Ratschlägen von Tsun Vertrauen schenken. Er ist auch insgesamt sehr kooperativ, was man nicht von allen sagen kann. Der Wettbewerb mit anderen um das Verlassen dieser Welt ist hoch, so dass nicht jedem zu trauen ist. Wir brauchen den Wettbewerb aber, denn nur so können wir die Drogen in ausreichendem Masse liefern — und das ist meine Aufgabe. Ohne Drogen würde die Raumstation nicht von Raumschiffen angeflogen werden. Aber das wirst du alles noch lernen. Gehe beim Untergang von Marad zur Krankenstation, dort ist Treffpunkt. Vorher kannst du noch im Markt Früchte holen und dich stärken. Kein voller Magen!“
Pierre bekam allmählich einen Eindruck von dem Mann. Anscheinend tat Lee skrupellos alles, um eine zureichende Drogenbeschaffung zu garantieren, ausdrücklich mit der Akzeptanz eines anscheinend gnadenlosen Wettbewerbs. Andererseits war er behilflich mit Ratschlägen und wachte auch auf die Einhaltung von Grundsätzen, die für das Überleben aller nötig waren.
Die Früchte waren im Aussehen mehr als eigenartig, aber besonders die blauen mit den orangeroten Punkten waren aromatischer als die süßesten Feigen seiner Heimat. Er fand es eigenartig, nicht mehr auf einem Raumschiff sondern auf einer Welt zu sein und in einem Markt nichts bezahlen zu müssen. Es war auch niemand anwesend, der überwachte wie viel er von den Früchten nahm. Als er ausreichend gesättigt war, genehmigte er sich eine kleine Siesta. Am Abend nahm er Kurs auf die Krankenstation.
Er kam an und sah dort zwei Frauen vor dem Haus stehen. Es waren ein junges, zierliches Mädchen mit weizenblondem Haar und eine sehr hochgewachsene dralle, vollbusige Frau mit brünettem Haar, die er so um die dreißig Jahre schätzte. Sie waren in eine Unterhaltung vertieft, und er hörte nur Fetzen der Unterhaltung über einen aktuellen Unfall in den Höhlen, weil er höflich auf Distanz blieb. Dann er konnte nicht mehr an sich halten und sprach die jüngere von beiden an:
„Sind Sie vielleicht Emma Schnyder? Lee hat mir gesagt, dass ich zusammen mit einem erfahrenen Bogenschützen, einem gewissen Tsun, zum Sammeln mit Emma eingeteilt wäre. Ich heiße Pierre und bin neu hier, wie wohl bekannt ist.“
Die angesprochene nickte und bestätigte es: „Ja, ich bin Emma und neben mir steht Tsun. Wir duzen uns hier alle. Schön dich kennen zu lernen, Pierre. Wir können also gleich los.“
Pierre hätte sich beinahe die Augen gerieben und das Erstaunen musste ihm wohl anzusehen gewesen sein, denn jetzt reagierte auch Tsun.
„Pierre, offensichtlich hat Lee sich nicht sehr klar ausgedrückt. Ja, ich bin ein erfahrener Bogenschütze und ja, ich bin einer der wenigen überlebenden Hermaphroditen. Offensichtlich hast du mit mir deinen ersten Vertreter meiner Art gesprochen. Ich war bei meiner Ankunft noch ein Mann und habe es sogar geschafft, zwei ‚Vogeleier‘ zu stehlen. Ich war nahe dran, die Ausreise per Dreijahresschnitt zu erreichen. Dann habe ich zu viel an meine Möglichkeiten gedacht und zu wenig an den Schutz anderer. Seitdem bin ich das hier.“ Tsun deutete auf sich selbst mit einem ironischen Lächeln.
Pierre war geschockt, denn bei Lee hatte sich das mit Tsun doch eher positiv angehört. „Es tut mir leid.“
„Pierre, das braucht dir nicht leid zu tun. Von den Herms bin ich einer der glücklichen, die bisher alles überlebt haben. Meine Chancen sind groß, in zwei bis sechs Jahren das größte angesammelte Punktkapital aller erreicht zu haben, und dann kann ich ‚hoch‘ auf die Raumstation. Ich habe nur noch vier Frauen mit einem größeren Kapital vor mir und kann vielleicht noch eine oder zwei davon überholen. Es gibt bestenfalls zwei, die mich überholen können, wenn ich meine Punkte weiter so auf diesem Niveau sammele. Ich bin inzwischen erfahren genug, um die Risiken zu kennen, sie gut einschätzen zu können und sie auszunutzen. Ich bin auch gut genug mit dem Bogen, um mir und anderen die normalen Vogelwesen sicher vom Leibe zu halten. Die beiden anderen Herms sind wesentlich kleiner als ich, sie haben weniger Chancen und müssen auch beschützt werden.“
Pierre verstand das nicht so ganz: „Wieso? Die haben doch auch vorher als Männer keinen Schutz gebraucht?“
Tsun lachte auf und antwortete mit einer dunklen Altstimme leicht amüsiert, aber auch leicht entschuldigend: „Ich habe nicht daran gedacht, dass du neu hier bist und das alles noch gar nicht wissen kannst. Die Vogelwesen, die hier vorbei kommen, sind männlich und sie greifen keine männlichen Wesen an. Ihre Intelligenz ist auch nicht die größte, aber sie schaffen es koordiniert zu zweit anzugreifen. Ihr Ziel ist die Entführung von den weiblichen Mitgliedern unserer Gemeinschaft. Zu zweit können sie eine Person von nicht mehr als 50 bis 60 kg krallen und entführen. Es reicht also aus, einen von den beiden Vogelmenschen zu verletzen, dann ist es aus mit der möglichen Entführung. Wenn sie aber von hinten lautlos im Gleitflug ankommen, hat man als einzelnes weibliches Wesen keine Chance. Es sei denn, man wiegt wie ich mehr als 75 kg, dann kommen sie nicht hoch. Regel Nummer eins ist also, beim Schutz den Rücken der Sammlerin zu decken. Ist das klar?“
Pierre nickte und war verblüfft. „Wieso machen die das mit der Entführung?“
Tsun drückte sich zurückhaltend aus: „Das ist eine spezielle Art der Brautwerbung, wenn man das so nennen darf. Deren Weibchen haben nur Rumpfflügel, mit denen sie bestenfalls gleiten können. Also nehmen wir an, dass sie schlicht einer Verwechselung unterliegen, allerdings einer fatalen. Der Weg zu ihren Horsten ist von hier aus sehr weit, aber für eine derartige Planung reichen die Spatzenhirne der meisten Vogelwesen wohl nicht immer aus, obwohl sie in einer Art Sprache miteinander kommunizieren können. Es hat schon leider mit dem tödlichen Absturz der Frau aus großer Höhe oder tödlichen Verwundungen durch die Krallen geendet. Bei den intelligenteren Exemplaren gibt es Zwangspausen unterwegs und keine wesentliche Verwundung durch die Krallen. Das ist aber für die Frau kein viel besseres Schicksal, denn sie werden schon auf dem Wege brutal genommen als ob eines ihrer Weibchen wären und nach mehreren Pausen in den eigenen Horst einer der zahlreichen Vogelwesen-Kolonien auf der Ruinenhalbinsel verbracht. In Sehweite des Horstes kann das erst recht passieren, da dann keine Pause nötig ist und es viele Angreifer geben kann, nicht nur zwei. Jedes weiblich aussehende Wesen ist gefährdet– auch Hermaphroditen – und von all den im Horst angekommenen ist noch keine wieder jemals lebend zurückgekehrt. Von daher ist es für weiblich aussehende von uns Selbstmord, sich allein oder auch begleitet in diese Gegend zu begeben. Denn in diesem Fall wird auch die männliche Begleitung angegriffen, obwohl sonst einzelne männliche Wesen nicht angegriffen werden. Eine Befreiungsaktion ist daher unmöglich. Wir wissen auch nichts über das Schicksal der Entführten im Horst. „
Pierre begriff langsam die harsche Realität und den Bedarf an Schutz.
„In der fernen Vergangenheit sind durch schieres Glück zwei Frauen auf dem Weg dorthin befreit worden während der ersten Pause, aber es war schon zu spät. Sie waren trotz Gegenwehr schon begattet worden und haben nach einer Schwangerschaft ähnliche Eier ‚geboren‘, die auch unsere Männer in den Horsten suchen und stehlen. Es enthält genau wie diese die Substanzen, die zur Lebensverlängerung wichtig sind und wir haben diese genutzt. Das Ei ist ungefähr so groß wie ein Straußenei. Nur eine von beiden hat die ‚Geburt‘ des jeweiligen Eies überlebt. Sie hat dann auch die Punkte bekommen.“
Pierre war geschockt: „Aber das ist doch nicht möglich – Menschen sind doch Säugetiere und legen doch keine Eier! Und die Wesen sind doch keine Menschen, die sie….ich meine…. „
„Vielleicht hängt das mit dem dreifachen Chromosomensatz zusammen? Ich weiß es nicht. Nach Lee nimmt man an, dass die normalen Vogelwesen, wir nennen sie Maafs nach Masanier-Adler-Affe, die degenerierten Nachfahren der fremden Rasse der Masanier sind, die wohl eine ausreichend enge Verwandtschaft mit Homo Sapiens haben müssen. Biologische Beweise für die Artenähnlichkeit haben wir nicht, außer der erfolgreichen ‚Schwängerung‘. Wir wissen aber auch, dass es keine Schwängerung im eigentlichen Sinne ist, vielleicht ist es auch nur eine Reaktion des weiblichen Körpers auf das fremde Eiweiß. Die Eier aus dieser ‚Kreuzung‘ sind ohne Ausnahme nicht bebrütbar – jedenfalls nach den überlieferten Erzählungen von ehemaligen Jägern, die solche Horste beobachtet haben. Das trifft allerdings auch auf viele von den Maaf-Eiern zu, nur aus ganz wenigen schlüpfen Junge. Das ist vielleicht der Grund, weshalb sie die Entführungen machen.“
Pierre war fassungslos: „Aber das darf doch nicht wahr sein — so etwas muss man doch wissen!“
Tsun starrte ihn streng an: „Genaue Untersuchungen wollen wir als Gilde bestimmt nicht anstoßen und Wissenschaftler holen, die zu viel fragen. Die Erkundung einer Welt mit einer halbintelligenten Spezies ist eigentlich strikt verboten und daher zumindest die Nutzung dieser beiden Eier erst recht. Aber wo kein Kläger, da kein Richter. Die Macht unserer Gilde hängt davon ab, dass wir die lebensverlängernde Essenz und andere Drogen liefern können. Wenn nötig, auch durch Ausnutzen dieser beiden Unfälle weit in der Vergangenheit. Solange ich hier bin, hat es keine Entführung durch Maafs gegeben, weil alle Schützer ihre Pflicht erfüllt haben. Ich würde mir wünschen, ich könnte dies auch für Angriffe durch Skreber und Skais sagen.“
Pierre war bei diesen abgebrühten Worten mehr als unwohl zumute. Es klang skrupellos, aber es klang auch schlüssig im Rahmen der Interessen, die die Machthaber an der Lebensverlängerung hatten und die Gilde an der Macht, diese zu gewähren. Ihm wurde klar, dass die Lebensverlängerung auch letzten Endes auf der Opferung von Leben hier auf Mystère beruhte, zumindest auf dem der entführten und befreiten Frau, die trotz der Befreiung bei der ‚Geburt‘ des Eies gestorben war. Er selber war gleichzeitig potentielles Opfer, und wenn er es überlebte, auch Nutznießer dieses Konzeptes.
Tsun blickte entschlossen drein und reichte jedem einen großen Korb: „Heute Abend werden wir dafür sorgen, dass Emma nichts geschieht. Also lasst uns losgehen. Wir sammeln Pilze in Wald und Wiese.“
Inzwischen war Marad gerade eben unter dem Horizont verschwunden und der Himmel sah an dieser Stelle dunkelrot glühend aus. An der entgegengesetzten Seite des Himmels ging Masa auf und hüllte den Himmel dort in ein fahleres, türkisgrünes Licht. Es war ein grandioser Anblick!
Das Dorf war durch eine dichte Hecke von einem stacheligen Gehölz geschützt, das Pierre nicht identifizieren konnte. Das wunderte ihn aber nicht. Er kam aus Nordafrika und war die für ihn üppige Vegetation nicht gewöhnt. Sie gingen durch ein Tor, das von Tsun geöffnet und sorgfältig wieder geschlossen wurde.
Auf dem von Bäumen gerodeten Gelände befanden sich ‚Gräser‘ in einer unglaublichen Vielfalt von Formen und Farbtönen. Tsun deutete auf einen gelblichweißen, runden Fleck in der bunten Vielfalt. Emma ging hin und schnupperte an dem handtellergroßen Pilz und nickte. Pierre drehte ihn aus dem Boden heraus und legte ihn in seinen Korb.
Maria lernt Respekt
Maria stand vor Lee in der großen Halle, die als Gemeinschaftsraum diente. Sie war nervös, denn die Mienen seiner drei Begleiter, eines knapp dreißigjährigen Mannes, eines zierlichen, jungen Mädchens und einer vollschlanken Frau Mitte zwanzig waren ernst, sehr ernst. Sie standen neben und hinter ihm, als er sich machtbewusst in eine Art Sessel setzte. In ihren Augen sah der schon bald wie eine Art Thron aus. Weit hinter ihr saßen Mao und Joan sowie eine Reihe von Alteingesessenen.
„Maria, wir haben hier nur wenige Regeln in unserer kleinen Gemeinschaft, aber die werden ausnahmslos durchgesetzt. Regel Nummer EINS ist die wichtigste. Vielleicht, weil sie die Basis unseres Lebens hier sichert. Nahrungsbeschaffung ist so wichtig, dass jede Gefährdung der Sammlerinnen durch nachlässige Beschützer oder der Gemeinschaft durch leichtsinnig urteilende Sammlerinnen gnadenlos mit drakonischen Strafen geahndet wird. Es zählt nicht die Absicht, sondern das Ergebnis. Dagegen hast du nicht verstoßen, weil weder Duk noch Joan auf Nahrungssuche waren.
Regel Nummer zwei ist die pflichtgemäße Teilnahme an Gemeinschaftsaktivitäten, wie unter anderem Nahrungsbeschaffung. Sie wird jährlich von dem Rat, der hier in Form von Diane, Timothy und Hans bei mir steht, sorgfältig überprüft. Wer keinen ausreichenden Nachweis hat, verliert die in diesem Jahr erworbenen Punkte und bekommt eine Verwarnung. Trifft auf dich auch nicht zu.“
Regel Nummer drei betrifft die Sicherheit in unserem Dorf und in dem gerodeten Umkreis von 500 Metern darum herum. Waffen im Dorf dürfen nur durch den Wachdienst getragen werden. Jeder Streit oder sonstige Konflikt wird unbedingt durch sie geschlichtet und durch sonst niemanden. Im Umkehrschluss werden nicht-tödliche Vorfälle außerhalb dieses Perimeters nicht untersucht und auch nicht geahndet, selbst wenn der Kläger oder die Klägerin Indizienbeweise für das Stoßen in eine Falle oder sogar zum Beispiel Zeugen für eine Vergewaltigung hat. Der Unfall mit Duk Rie Rhee würde unter diese Kategorie fallen, da sie nicht gestorben ist. Wäre sie gestorben, dann wird bei aufgefundenen Körper und oder Zeugen eine Untersuchung durchgeführt. Wir wissen, was der harte Wettbewerb auslösen kann. Verstoß gegen diese Regel trifft hier nicht zu.“
Maria war sich nicht bewusst gewesen, wie hart der Wettbewerb wohl war. Sie hatte immer nur mit den Überlebenden gesprochen, die natürlich über gewisse Maßnahmen nie gesprochen hatten. Ihr wurde schlagartig bewusst, dass ihre Kenntnisse aus den Gesprächen wohl doch nicht so viel wert waren, wie sie gedacht hatte. Ihr kam sein gestriger Ausspruch in den Sinn über das Ausschalten von Konkurrenz durch Schwangerschaft, das Männer ausübten. Ihr wurde erschreckend klar, dass selbst Vergewaltigung durch einen Mann keine negativen Konsequenzen für den Täter hatte, soweit es außerhalb des Dorfes geschah.
Sie war empört: „So ist doch kein Vertrauen möglich, und vor allen Dingen nicht zu den Männern!“
Er zuckte mit den Schultern: „Für das Vertrauen bei der Nahrungssuche und der Sicherheit im Dorf gibt es mich. Wer nur im Dorf bleibt, kann auf die relative Sicherheit bauen, wird allerdings auch nie von dieser Welt weggehen können. Und da draußen geht es nicht um Vertrauen zwischen den Personen, sondern um Wettbewerb. An deiner Stelle würde ich auch anderen Frauen nicht blind vertrauen – du wärest nicht die erste, die eine unangenehme Überraschung erlebt. Die Asiatin hat dir auch vertraut….“
Maria zuckte zusammen, als sie die Wahrheit in dieser Aussage erkannte.
„Regel Nummer vier betrifft den Schutz der Mystère-Schwangerschaft. Jede Gefährdung derselben durch andere wird ausnahmslos untersucht, darunter fallen auch jedwede Versuche einer ‚Abtreibung‘ durch dritte oder die Schwangere selber. Ein Kaiserschnitt ist auch nicht akzeptierbar, da viele wertvolle Substanzen im Ei erst durch die Geburt aktiviert werden. Duk Rie wird voraussichtlich in der Zukunft unter den Schutz dieser Regel fallen und sie darf sich dann nicht mehr außerhalb des Dorfes bewegen, es sei denn zur Nahrungssuche. Ebenso ist jegliche aktive Verhinderung einer Schwangerschaft ein Verstoß, ausgenommen sind hier nur die Entführung durch Vogelwesen und die erlaubte Gegenwehr des weiblichen Wesens. Hier handelt es sich um die Grundlage dessen, weshalb die Gilde uns unter immensen Kosten hierher bringt. Der Schutz betrifft alle Schwangeren, auch eine normale Schwangerschaft wird geschützt, weil eine Differenzierung nicht sicher möglich ist. Verstoß gegen diese Regel trifft hier nicht zu, da Frau Rhee zum Zeitpunkt des Vorfalles weder schwanger war noch meiner Kenntnis nach Versuche Verhinderung der Schwangerschaft stattfanden.“
Auch das war Maria nicht in der Bestimmtheit bewusst gewesen. Die lebensverlängernde Droge war die absolute Priorität auf dieser Welt, egal auf welche Art und Weise diese gewonnen wurde. Eigentlich war es kein Schutz der ‚Schwangeren‘, sondern eher einer der ‚Leibesfrucht‘, wie man wohl Jahrhunderte vorher gesagt hätte. Selbst der Tod der Schwangeren wurde billigend in Kauf genommen, da ein eventuell lebensrettender Kaiserschnitt ausdrücklich verboten war, nur um sicher an die wertvollen Drogensubstanzen zu kommen.
„Regel Nummer fünf betrifft den Schutz des Lebens von Neuankömmlingen für den ersten Monat. Jedwede Gefährdung derselben durch andere wird ausnahmslos untersucht, ein Anfangsverdacht reicht aus. In dieser Hinsicht ist es ähnlich wie bei Regel Nummer eins. Jede und Jeder, der Neuankömmlinge mitnimmt, hat im ersten Monat automatisch den Status eines Beschützers für Sammler mit allen darunter fallenden Pflichten und Strafen. Für den zweiten und dritten Monat gilt das nur noch eingeschränkt und die Strafen wären dann demgemäß vom Rat festzusetzen in Anlehnung an Regel Nummer sechs. Duk Rie und Joan sind Newcomer im Sinne dieser Regel, die du mitgenommen hast. Sie fallen eindeutig unter den Schutz derselben. Durch die Mitnahme hast du alle in die Notsituation des möglichen Ertrinkens gebracht. Das kann passieren, aber dann hast du es ohne jedwede eigene Initiative zugelassen, dass wertvolle Zeit mit Warten vergeudet wurde. Damit hast du die sich opfernde Duk Rie der Gefahr des Ertrinkens ausgesetzt, obwohl sie zweifelsfrei ein Neuankömmling ist. Ob du selber als solche zu betrachten bist angesichts deiner zahllosen Unterhaltungen mit den Rückkehrern auf der Station, ist zu diskutieren. Im Status einer Beschützerin hättest du dich selber opfern müssen und die Zeit hätte ausgereicht, um für dich die Gefahr des Ertrinkens bei schnellem Handeln zu vermeiden.“
Er sah Maria streng an. Sie wurde abwechselnd blass und rot, als sie begriff, was er meinte. Nach seiner Ansicht hätte sie das Schicksal der Asiatin erleiden sollen. Dabei war sie schon heilfroh gewesen, dass sie nicht gezwungen gewesen war, das ganze Drama mit ansehen zu müssen. Sie schauderte, als sie an den monströsen Penis dachte, der sich in die zierliche Person gebohrt haben musste. Sie wurde ganz klein, als sie sich mit einer Anklage konfrontiert sah, die sogar die drakonischen Maßnahmen nach Regel eins nicht mehr ausschlossen und damit auch dasselbe Schicksal. Sie war deswegen sehr erleichtert, als er versöhnlicher fortfuhr: