Ich war wohl nie ein typischer Chauffeur, so die Sorte Fünfundfünzig Jahre alt, graumeliertes Haar, freundlicher, jedoch strenger Blick. Ich war rein vom Optischen her, immer zu jung, zu antiautoritär, zu lustig. obwohl ich selten lachte.
Das war wahrscheinlich der Grund, warum ich seltsame Kundschaft und seltsame Aufträge anzog, wie das Licht die Gelsen. Doch ich kam damit zurecht.
Ich musste mich im Foyer des Hotels Astron am Wiener Flughafen mit einer Frau treffen, Frau Koczek. „Du nimmst die Frau Koczek und fährst mit ihr nach Linz!“, wurde mir über Funk mitgeteilt. Sie würde im Foyer des Flughafenhotels warten. Also bitte Linz, warum nicht?
Ich ging ins coole, nüchterne, niedrigvolt-beleuchtete Astor Foyer und hielt Ausschau. Die Suche war unerwartet leicht, denn das Foyer war komplett leer, bis auf einen thailändischen Pagen, der aus den sandgefüllten Aschenbechern einzeln die Zigarettenstummel herauspickte.
Der Rezeptionist kannte keine Frau Koczek, sie hatte kein Zimmer hier, vielleicht hatte sie einen anderen Namen? Das herauszufinden war unmöglich und warum sollte jemand so etwas tun? Wahrscheinlich war das wieder ein typisches Missverständnis.
Nach mehreren Telefonaten und der Schilderung der Lage, ging ich vor das Hotel, stierte auf die Parkgarage vis a vis, und mein Auto. Sowas kommt vor.
Frau Koczek war Stewardess, blond, 23 und ziemlich grantig. Ihre blonden halblangen, glatten Haare waren zurückgesteckt und da ging sie eilig auf das Hotel zu, wollte gerade in das spiegelverglaste Foyer einbiegen. Ich wusste, dass sie es ist, sie wusste noch nichts.
„Frau Koczek!?“
„Ah sind sie?…Der?“
„Ja der bin ich! Linz! Da ist unser Auto.“
Unser Auto! Wie konnte ich so etwas sagen? Wer ist sie, meine Frau? Das hatte ich bisher noch nie zu einem Fahrgast gesagt. Unser, das war vertraulich, ich hoffte sie würde das überhört haben. Andererseits für den Moment war das nicht so falsch, es würde bald unser Auto sein für die nächsten zwei Stunden, auch wenn es meinem Chef gehörte.
Sie sah mich und den schwarzen Mercedes an, und sagte nur „Oh!“, um sich gleich wieder in ihre Missstimmung zu verziehen. Sie hatte eine Handtasche um die Schulter hängen und ein Papier-Sackerl vom Anker in der Rechten und ein Joghurt in der linken Hand. Die Begrüßung per Handschlag entfiel, außerdem läutete ihr Handy. Sie tauschte das Joghurt mit dem Handy aus.
„Ja….jaahah, ja ich bin hier und er ist auch da. Ja, Ja!“ Sie legte mit einem Seufzer auf und fragte mich: „Müssen wir gleich fahren?“
„Nein.“
„Ich würd noch gerne Frühstücken und eine rauchen, gehen wir nach drinnen?“
„Ja sicher.“
Wieder eine Premiere: Das erste mal, dass ich mit einem Passagier vor der Fahrt gemeinsam eine Zigarette rauchte. Ich war froh – sie war grantig- , und sie sprach mit mir, wie mit einem alten Freund, einem Bruder. Was hätte ich tun sollen? Sie drängen, mich aufregen? Mir war so, als würde ich das alles schon kennen.
Sie ließ sich in einen Ledersessel fallen und machte den Glastisch zu ihrem Frühstücksbuffet.
„Ich versteh das einfach nicht, warum muss ich nach Linz? …gestern hab ich noch gefeiert, na ja wir waren so eine Runde, ich hab fast nix geschlafen…und dann rufen die an und sagen sie brauchen mich in Linz…ich bin fix und fertig…wie soll ich denn arbeiten?“
Während sie drauflos sprach sah ich ihr auf die Knie und ihren Rock, es war eine nüchterne dunkelblaue Uniform, sie sah überhaupt nicht müde aus, nur an dem wie sie sprach merkte ich, dass sie müde war, nicht zum Arbeiten aufgelegt. Sie hatte Bereitschafts-Dienst und wurde gestört. Sie wohnt im dritten Bezirk, sagte sie. Was sie dann hier draußen macht, fragte ich sie und verstand die Erklärung nicht, vor allem verstand ich dann nicht, wenn sie ohnehin schon am Flughafen war, warum dann die Überraschung? Und wo zur Hölle kann man hier feiern?
Wir sprachen über die Arbeit unsere Freizeit, Small-talk. Mir wurde bewusst, dass wir immer noch das förmliche Sie verwendeten, es war seltsam, mit ihr seltsam. Es war als wäre Martina erwachsen geworden, Martina über die mein Bruder und ich immer gelacht haben, weil sie das R nicht aussprechen konnte. Wir waren alle so zwischen 7 und 11 Jahre alt und die Nachbarn hatten ein schöneres, größeres Haus, ihr Vater war Fleischer und die Mutter sehr nett. Sommer, versunkener Zeiten in Neulengbach, Niederösterreich. Sommer bei Oma und Opa. Kekse und „Ja nicht mit dem Fahrrad nach draußen fahren!“, die immer besorgte Stimme meiner Oma. Ich war trotzdem gerne draußen. Kickte mit meinem Bruder und wir schossen in die Blumen und Sträucher. Mit Martina und ihrer Schwester konnte man super Verstecken spielen, aber in deren Garten, unserer war dazu zu klein. Martinas Vater war nie zu sehen, selten, na gut er war Fleischer. Martina fehlte das letzte Glied am linken kleinen Finger.
Ich gab Frau Koczek Feuer, sie rauchte mit der rechten Hand, und wir genossen beide die letzte Zigarette ohne viele Worte: Linz Hörsching, Aero Lloyd, ein Airbus voller Urlauber Flugnummer YP 162 nach Gran Canaria in 4 Stunden. Ich wollte mir ihre linke Hand genauer ansehen, aber sie hatte sie zu einer Faust geschlossen. Nach dem Ausdämpfen gingen wir in stillem Übereinkommen zum Wagen.
„Sie können im Auto schlafen, wenn sie die Mittellehne…“, ich klappte sie ihr hoch, sie stellte ihre Tasche ab und hängte ihr Uniform- Jacket auf einen Haken.
Ich fuhr die Kurven aus dem Flughafengelände auf die Autobahn. Bis zur Ortsgrenze von Wien sprachen wir noch ganz wenig, dann hörte ich zu sprechen auf. Sie schlief auf der Rückbank.
Sie lag nicht ausgestreckt, so wie ich das gemacht hätte, sondern drückte sich halb sitzend, halb liegend in die Ecke, kuschelte ihren Kopf an die Jacke. Was war mit dem Finger?
Ich konnte ihre Hände nicht sehen, und ich konnte Sie nicht aufwecken. Außerdem das „R“ , sie sprach es ganz normal aus. „Warum muss ich nach Linz?!“, hat sie gefragt, ganz klar und deutlich.
Ich wollte so fahren, dass sie möglichst ruhig schlafen konnte und ich sah auf der Südosttangente, dass ihr Kopf mit den Bodenwellen auf und ab nickte.
Auf der Westautobahn 15 km außerhalb von Wien, drehte ich mich nach ihr um, weil ich im Rückspiegel fast nichts sehen konnte von ihr.
Lange hatte ich überlegt, ob ich das überhaupt tun soll.
Das Umdrehen jagte mir ein Herzklopfen durch meine Brust. Es war nur ein Sekundenbruchteil, so als würde ich etwas verbotenes tun und mir einreden ich würde mich nur nach ihr umdrehen, um zu sehen, wie es ihr ging. Da lag sie wunderschön und schlief den Schlaf der Gerechten, atmete sanft und ruhig. Den Rock hatte sie etwas hochgeschoben, um etwas mehr Freiheit für ihre Beine zu haben. Ihre Strumpfhose konnte ich sehr deutlich sehen. Es war schon scharf der Anblick, aber Sie sah auch richtig brav aus, so völlig eins mit sich und ihrem Beruf. Und zu meinem Herzklopfen breitete sich eine Wärme über meinen ganzen Körper aus. Martina, was ist aus Dir geworden? Was wäre jetzt gewesen, wenn du die Augen aufgemacht hättest? Was, wenn Du Gedanken hätte lesen können?
Ich atmete tief durch, heilfroh dass sie nicht sah, dass ich sie eine Sekunde lang anschaute und beruhigt, dass kein Verkehr war. Für eine Weile dachte ich, während ich auf die grauen, langgezogenen Kurven schaute, an ihr Haar, ihren Atem, und wie sich der rote Rock der Uniform um die Beine spannte. Ich dachte an das alte Gerücht, dass reiche Frauen immer ein Verhältnis mit ihrem Chauffeur hätten. Woher das wohl kam? Ob es stimmt?
Die beiden alten Chauffeure am Schalter hatten mich oft genug gewarnt, Walter und der Herr Wula. Sie drückten sich ganz anders aus, als ich, aber ich verstand.
„Pass auf! Du bist Jung! Die machen…alle möglichen Sachen mit dir“. War ich denn jung? Solche Sprüche hatte ich schon von meiner Großtante gehört, aber ein bisschen Wahrheit steckte doch immer darin, das wusste ich, also aufpassen! Aber wer war denn hier jung? Ich?
Ich dachte daran einfach rechts ranzufahren und wir würden uns wortlos die Kleider vom Leib reißen, die Krawatte, ihre Bluse, Zipp, Gürtel in einem hemmungslosen Verlangen nach Nähe.
Ich würde sie küssen, …ich würde ihr zwischen die Beine greifen, sanft, nur um zu sehen, ob sie heiß war. Würde ihr die Strumpfhose gemeinsam mit dem slip runterziehen. Die Schuhe würde ich ihr ausziehen und in irgendein Eck im auf die Rückbank werfen. Wenn sie heiß und geil war, so wie damals, würde sie sich mir hingeben, ohne großes Herumgetue. Und ich würde sie einfach nur rasch ficken, so wie sie es sich damals gewunschen hatte. Es war Martina, sie musste es sein. Sie war eine richtige Dame geworden. Die Augen saßen noch immer etwas schräg, ihre hübschen blauen Augen. Sie war süß, sie war damals schon süß und in ihrer Art kokett und lustig. Wir würden stöhnen und bumsen, uns in die Augen schauen, …..etwas, was wir nie machten, weil ich damals ihre Annäherungsversuche abblockte. Weil ich den Altersunterschied damals zu groß fand, sie 13 ich 17.
Sowas gibt es nicht, sie würde mir wahrscheinlich eine knallen, nein sie würde mich nur mit einem stechenden Blick anschauen, nach dem Versuch sie zu küssen, und ich würde herumschwanken, nach eine Ausrede für die Fahrtunterbrechung, samt plumpestem Annäherungsversuch suchen. Und ich bin nicht gerade der Typ, dem man Ausreden abkauft. Würden wir dann draufkommen, dass wir uns kennen? Das wäre noch die beste Lösung, aber was wenn nicht???! Ich könnte ja sagen, mir sei gerade übel geworden, und ich brauchte nur eine kurze Pause am Parkplatz und ich hätte sie mit jemandem verwechselt. So etwas soll´s ja geben.
Wüste Tagträume tobten noch immer durch meinen Kopf. Ich war einfach geil auf dieses Mädchen in meinem Wagen Fonds, die Martina so unfassbar ähnlich sah.
Eine Melange aus Verbotenem und wildem, puren Sex tanzte durch meinen Kopf. Das Verlangen, sie von hinten zu ficken, zu sehen, wie der Schwanz zwischen ihren Pobacken verschwindet, zu sehen, wie ihre Stewardessen-Uniform durcheinander gerät. Wie ihre Haare hin und her fliegen bei den Fickbewegungen. Das war geil, aber ich musste mich zusammenreissen! „Vergiss den Scheiß jetzt, sie ist es nicht, und hör auf dich aufzugeilen, denk an deinen Job!“, sagte ich zu mir selber.
Es war ein seltenes Gefühl nicht nur mit der Stewardess auf meinem Rücksitz, sondern auch, dass die Westautobahn nahezu leer war, bis auf ein paar LKWS auf der ersten Spur, die ich überholte. Es war sonderbar auf der ersten Spur 130 zu fahren, die Spur war anders, öliger, schwärzer, abgenutzt von den hunderten LKWs, die normalerweise hier entlangzuckeln. Klar, die hatten heute Wochenend-Fahrverbot. Dann vergaß ich sie und genoss den sonnigen Tag und die grüne Landschaft, das Brummen des Motors. Jetzt hätte ich am liebsten wieder geplaudert mit ihr, es ist oft langweilig, wenn die Kilometer nicht weniger werden, wenn das Radio nicht läuft und man keine Zigarette rauchen kann.
Plötzlich hörte ich etwas, es klang so, wie ein Geräusch am Auto, ein Zischen. Aber das kam nicht von draußen, es kam auch nicht vom Wagen, ich kannte doch Autogeräusche. Das Zischen hörte auf und ging in ein Säuseln über, so wie „sst, sst sp sp sst..tasst“.
Ich verdrehte den Rückspiegel. Nur noch 5 km bis Linz-Hörsching.
Sie bewegte ihre Lippen, hatte die Augen geschlossen, ihre Wangen zuckten und aus ihrem Mund kamen die geflüsterten Worte. Die Hände hatte sie in den Schoß gelegt, ihre Schulter war ruhig, mehr konnte ich nicht sehen. Sicher hat sie einen schlechten Traum. Für mich war es immer wieder ein Wunder, wie man in einem Auto schlafen könnte.
Was sagte Sie bloß? Ich konnte nichts verstehen, „tasst anda….ssanda..lexander“.
Alexander?
Sie träumt von einem Alexander?
Die Autobahnabfahrt kam näher, jetzt musste ich aufpassen 300 Meter, da war der weiße Pfeil auf blauem Hintergrund. Alexander. Du meine Güte!
Vor mir leuchteten große rote Rückleuchten auf. Ein Sattelschlepper bremste abrupt. Ich stieg in die Bremsen. Frau Koczek rutschte wohl von der Sitzbank, aber genau bekam ich das nicht mit. Hauptsache ich fuhr nicht geradeaus in die roten Lichter, die aufblitzten, wieder schwächer wurden und wieder grell strahlten. Es ging sich aus. Autobahnabfahrten waren immer unangenehm, ich mochte sie nicht.
Die Stewardess hatte sich aufgesetzt, rieb sich die Knie.
„War etwas?“, fragte sie leicht verschlafen.
„Nein nur eine Vollbremsung!“
Der Sattelschlepper und ich, wir schlängelten uns an einem liegengebliebenen VW-Golf vorbei, der mit Warnblinker ausrollte und aus dessen Motorhaube weißer Qualm drang.
„Haben Sie sich was getan?“
„Nein..nein, ich muss wohl geträumt haben!“
„Ja!“
Auf ihren Traum wollte ich nicht eingehen, obwohl es mich wahnsinnig interessiert hätte.
„Wir sind gleich da!“
„Was schon?!“, hörte ich da eine leichte Enttäuschung in ihrer Stimme? Sonst waren immer alle froh, wenn sie ans Ziel kamen. Ah ja, sie hatte ja noch einen langen Tag und Gran Canaria vor sich. Wir bogen in die Zufahrtsstraße des Flughafens ein. Wie ein Mäander schlängelten sich die Kurven. Keine Parkhäuser wie in Wien, nur ein riesiger Parkplatz und mehrere Bushaltestellen.
Da standen wir nun am Linzer Flughafen, ich stellte den Motor ab. Sie packte ihre Tasche, nahm ihr Jacket, wir stiegen aus. Den Wagenschlag musste ich ihr nicht öffnen, sie stand bereits vor mir, sah mich seltsam an. Sie sah aus wie ein Schulkind, das jetzt eine Schularbeit schreiben muss, und sich nicht sicher war, ob das Gelernte reichen würde.
Ihre Haare wehten im Wind, der von der Startbahn herüberkam. Ein nüchternes, langgezogenes, tiefes Gebäude lag links von uns und mir fiel die saubere Busstation auf. Linz, Provinz. Bald würde sie in dem Stahl-Beton-Bau verschwinden. Sie ist sicher eine gute Stewardess, dachte ich in dem Moment. Ich wollte ihr noch etwas aufmunterndes sagen:
„Jetzt können Sie noch einen Kaffee trinken und…es wird ….“
Sie hob den Kopf und sprach mit meiner Nase:
„Es war schön bei Euch! Du bist doch der Peter von den Müller Brüdern, nicht?“
Dann ging sie noch einen kleinen Schritt auf mich zu und gab mir die Hand.
Ich hatte keine Zeit zum reagieren, gab ihr automatisch meine Hand und hätte sie am liebsten umarmt. Ich spürte wie warm ihre Hand war. Ich stammelte nur, „Ja Martina…und der Flug wird sicher…gut..verlaufen.“
Sie zog die Augenbrauen zusammen schaute hinüber, ganz weit weg, ich schaute auf den Strich, der aus ihren gekämmten Haaren schimmerte. Dann sah sie mich wieder an und ich versank in ihren blauen Augen, die ausdrückten „Ja! Jetzt geht’s an die Arbeit!“.
„Die warten bestimmt schon auf dich!“
„Glaub ich nicht!“, sagte sie und lächelte dabei, dann verzog sie das Gesicht halb verächtlich.
„Also dann…“
„Auf Wiedersehen! Und lass dich wieder mal ansehen bei uns am Land! Ich wohne nicht weit entfernt von meinem Elternhaus, hab jetzt ein Kind bin verheiratet.“
Wir hielten immer noch die Abschiedshand jeder in seiner Hand und mussten beide darüber lachen.
„Ja mach ich!“ konnte ich noch sagen.
In dem Moment läutete ihr Handy. Sie machte mit Links die Tasche auf du da sah ich ihren kleinen Finger, ganz deutlich. Besser gesagt ich sah was ihm nicht fehlte. Sie wandte sich ab und ging mit demselben bösen Schritt wie in Wien in die Linzer Abflugshalle. Ich sah ihr noch eine Weile nach, dann dreht auch sie sich für einen Sekundenbruchteil lächelnd um und verschwand.