10. Die erste Nacht
Lieber Leser, die erste Nacht in Porchow, von deren Schilderung du dir vielleicht so Einiges versprichst, ist leider nur ein Vorgeschmack auf das, was noch kommen wird, ein fast schon gewöhnlicher Abend, an dem nicht viel passiert ist, an dem mir aber zum ersten Mal bewusst wurde, was noch passierten würde. Denke bitte daran, dass es schon sehr spät war — ich vermute weit nach Mitternacht — dass ich einen Flug und eine lange Busfahrt hinter mir hatte und mir vor lauter Müdigkeit fast meine Augen zufielen. Hätte mich in dieser Nacht nicht das schonungslose Gefühl überkommen, allein gelassen zu sein, ich hätte im Stehen einschlafen können. Doch ich fühlte mich wie ein Kind, das seine Eltern verloren hat.
Ich und die anderen Frauen meiner Gruppe wurden von Madame Domingo durch uns noch unbekannten Flure geführt und in einen Korridor gebracht, auf dem die einzelnen Zimmer unserer Gruppe lagen.
Doch wir waren nicht alleine unterwegs, sondern wurden von einem Teil der alten Schülerinnen begleitet, die bereits in Madame Domingos Gruppe waren. Sie folgten uns nackt und schweigend durch die Korridore und schienen unsere neugierigen Blicke kaum zu bemerken. Doch schon bald waren wir mehr mit uns selbst, als mit den alten Schülerinnen beschäftigt. Denn wie uns Madame Domingo mitteilte, gab es einen Grund dafür, dass die anderen Frauen uns unbekleidet begleiteten.
„Hier in Porchow haben wir eine sehr einfache Kleiderordnung“, erklärte uns Madame Domingo.
„Genau genommen handelt es sich dabei um ein Verbot. Ohne die ausdrückliche Erlaubnis einer Herrin ist es euch von jetzt an nicht mehr gestattet während eures Aufenthalts Kleidung zu tragen. Kleinere Accessoires wie Armbänder, Ringe, Schuhe, Halsbänder, Halstücher oder ähnliches sind gestattet, sofern ihr vorher die Erlaubnis eurer Gruppenleiterin, also meine Erlaubnis, erhalten habt. Allerdings gewähre ich diese Privilegien nur ausgesuchten Schülerinnen, die sich durch vorbildliches Verhalten ausgezeichnet haben. Auf kleine Eitelkeiten werdet ihr also vorerst verzichten müssen.“
Wir mussten uns ausziehen, ohne Ausnahme, und unsere Kleidungsstücke zusammen mit unserem Gepäck in einem kleinen Raum verstauen, der von Madame Domingo verschlossen wurde. Kosmetik- und Pflegeartikel, wie Lippenstifte, Wimperntusche, Rouge, Parfüm, Lockenwickler, Glätteeisen, Hautcremes, Abdeckstifte usw., durften wir im Gemeinschaftswaschraum des Korridors verstauen, der uns allen offen stand. Außerdem durfte jede von uns aus ihrem Gepäck einen persönlichen Gegenstand auswählen, der nicht mit eingeschlossen wurde. Zuerst dachte ich daran die roten Schuhe zu nehmen, die mir Emilia geschenkt hatte. Doch da ich sie in der nächsten Zeit nicht würde anziehen dürfen, entschied ich mich stattdessen für ein Buch aus Emilias Bibliothek, das ich kurz vor meiner Abfahrt begonnen hatte und nun zu Ende lesen wollte. Der Gedanke Wörter und Sätze zu lesen, über die auch Emilia schon nachgedacht hatte, besaß etwas Tröstendes. Doch kaum hatte ich das Buch ausgesucht, brachte meine Entscheidung mich auch schon in Schwierigkeiten.
Natascha, die junge Frau, die ich während unserer Rastpause kurz beobachtet hatte und deren Äußeres mich an Emilia erinnerte, stand plötzlich vor mir.
„Wasn das“, fragte sie in einem patzigen Tonfall und grapschte nach meinem Buch.
Ich war nicht schnell genug, um zu verhindern, dass Natascha es mir wegnahm. Sie schaute kurz auf den Titel, schlug es auf und blätterte gelangweilt durch ein paar Seiten, ohne sie zu lesen.
„Das ist ein Roman von Juan Carlos…“, begann ich, von Nataschas forscher Art eingeschüchtert, doch Natascha unterbrach mich.
„Was heißt das“, fragte sie ungeduldig und tippte mit ihrem schlanken Zeigefinger auf den Buchtitel.
„Cuando ya no importe“, las ich schüchtern den Titel vor.
„Das ist spanisch und heißt: ‚Wenn es nicht mehr wichtig ist‘.“
Natascha sah mich mit ihren dunkelbraunen Augen leicht angewidert an, so als wenn ich in diesem Moment etwas Ekliges gemacht hätte.
„Willst hier wohl zeigen wie schlau du bist“, sagte sie voller Verachtung.
Ich war wütend und hätte ihr das Buch am liebsten sofort wieder aus ihren Händen gerissen, mich umgedreht und mich, wie damals auf dem Schulhof, in eine entlegene Ecke verkrochen. Doch in Porchow konnte ich den Frauen nicht aus dem Weg gehen und diese unangenehme Wahrheit wurde mir schlagartig bewusst, als ich eingeschüchtert vor Natascha stand und nicht mutig genug war mein Buch zurückzufordern. Ich spürte nur Nataschas Verachtung dafür, dass ich gebildet war. Und dieses Gefühl machte mich hilflos, da es mir eine Gefahr bewusst machte, gegen die ich mich mit vernünftigen Mitteln nicht wehren konnte.
Zu meiner großen Überraschung gab mir Natascha das Buch mit einer plötzlichen Bewegung zurück. Doch schon im nächsten Moment wusste ich warum.
Madame Domingo stand ganz in unserer Nähe und drehte sich gerade in unsere Richtung. Natascha war schlau genug gewesen, Madame Domingo keinen Vorwand zu liefern. Ich vermutete damals schon, dass Natascha nicht dumm war. Sie war nur ungebildet und an allem desinteressiert, das sie intellektuell zu sehr forderte. Trotzdem war sie klug, verschlagen und hinterlistig. Diese Eigenschaften sollte ich noch früh genug an ihr entdecken können, doch im Moment war ich einer Konfrontation mit ihr noch um Haaresbreite entgangen.
Trotzdem: Die kleine Szene mit ihr hatte mich tief bestürzt. Ich war wieder diejenige, die ich noch nie sein wollte: Die Außenseiterin. Und gerade an diesem Ort wollte ich von den anderen Frauen nicht ausgeschlossen und nicht verachtet werden. Hier war ich schutzlos, nackt, fremd und ohne Emilia.
Nachdem jede von uns einen Gegenstand ausgesucht hatte, wurden wir zu je acht Frauen auf die unterschiedlichen Zimmer verteilt. Neue und alte Schülerinnen wurden dabei gemischt, weswegen auf meinem Zimmer, außer mir, noch fünf neue und zwei alte Schülerinnen schliefen. Und leider schlief auch Natascha in meinem Zimmer. Doch am besten verschiebe ich die Vorstellung meiner Zimmergenossinnen auf den nächsten Abend, als wir alle etwas ausgeschlafener zusammensaßen und uns besser kennenlernten. Nur von einer Begegnung muss ich noch berichten, damit du, lieber Leser, wirklich verstehst, wie ich mich in dieser Nacht fühlte.
Der Raum, in dem wir von diesem Tag an schlafen sollten, war eine kahle weißgestrichene Zelle, mit einem großen vergitterten Fenster, durch welches man zumindest eine Aussicht hatte. Doch in der Nacht wurde der unwohnliche Raum lediglich vom sterilen Licht einer länglichen Deckenlampe beleuchtet. Es standen weder Tische, Schränke oder Stühle in der Zelle; vier schmale Hochbetten waren das einzige Mobiliar. Doch das schlimmste an unserer Unterkunft, auf das mein erschrockener Blick nach dem Eintreten als erstes viel, war eine freie Toilette, die zwischen zwei Hochbetten an der rechten Längsseite des Zimmers angebracht war, sodass man sie von allen Winkeln gut einsehen konnten.
„Das kann doch nicht…“, begann ich, stockte dann aber vor Fassungslosigkeit.
Eine der beiden älteren Schülerinnen hatte mich gehört und meinen erschrockenen Blick eingefangen.
„Die Toilette ist immer das erste was einem auffällt“, sagte sie beiläufig und zuckte resigniert mit den Achseln, so wie man über etwas enttäuscht, aber gefasst den Kopf schüttelt, das sich nicht ändern lässt.
„Am besten du gewöhnst dich schnell dran. Denn früher oder später wirst du ja auf Toilette müssen und ne andere dürfen wir nicht benutzen.“
„Egal wie groß das Geschäft ist“, sagte die Zweite der älteren Schülerinnen, gab der anderen einen zärtlichen Klapps auf den Hintern und schenkte ihr ein belustigt sarkastisches Schnaufen.
Ich ärgerte mich darüber, dass ich während der letzten Stunden im Bus nicht auf Toilette gegangen war. Hätte meine Blase nicht zu sehr gedrückt, hätte ich vermutlich versucht es zurückzuhalten, bis die anderen Frauen eingeschlafen waren. Doch nun blieb mir nichts anderes übrig, als vor allen anderen auf die Toilette zu gehen, was ich furchtbar demütigenden fand, noch demütigender als die Tatsache, dass mich alle in diesem Raum nackt sehen konnten. Doch ich war nicht die Einzige, die sich vor dem Schlafengehen noch einmal erleichtern musste.
Ohne sich auch nur im Geringsten zu zieren, verrichteten die beiden älteren Schülerinnen nacheinander ihr Geschäft. Es schien ihnen nichts auszumachen, dass wir sie beobachteten und dass jede von uns ihren Urinstrahl hören konnte, der in die Keramik prasselte. Danach trauten auch wir anderen uns auf die Toilette, wobei ich auch bei den anderen Frauen schamvolle Reaktionen beobachten konnte. Eine von ihnen schloss sogar verschämt die Augen, während sie sich erleichterte.
Als ich selbst an der Reihe war, schaute ich konzentriert zu Boden und stand erleichtert auf als ich fertig war. Zumindest diese Prüfung hatte ich bestanden, ohne viel Aufmerksamkeit zu erregen. Doch ich war auch nicht das Highlight des Abends. Denn auch Valerie, das Mädchen mit der lilafarbenen Frisur, das bereits während unserer Fahrt von Herrin Lorena mit zehn Stockschlägen bestraft worden war, war eine meiner Zimmergenossinnen. Als sie sich auf die Toilette setzte, konnte ich sie zum ersten Mal vollständig nackt sehen. Valerie hatte einen schlanken Körper, der mit zahlreichen Tätowierungen übersät war, die ihre Arme, Teile ihres Rückens, ihrer Brüste und ihrer Beine bedeckten. Ihre Nippel waren mit Ringen gepierct und in ihrem Intimbereich hatte ich sogar mehrere Ringe aufblitzen sehen, von denen einer durch ihre Klitoris gestochen war und jeweils drei an ihren äußeren Schamlippen baumelten.
Valeria war eine aufregend schöne Erscheinung, deren einziger Schönheitsfehler ihre großen, aber hängenden Brüste waren, die in ihrem jungen Alter eigentlich fester hätten sein müssen. Doch auch dieser Makel passte zu ihrem ungewöhnlichen Aussehen und verlieh ihrer Attraktivität, wie ich fand, eine individuelle Note.
Valerie sah sich etwas ängstlich um. Zunächst dachten wir, dass sie vermutlich, wie wir alle, nur aufgeregt war. Doch als längere Zeit nichts passierte, machten wir uns Gedanken. An ihren peinlich berührten Blicken hätten wir erkennen können, was der Grund dafür war, dass sie sich so lange genierte. Doch erst als passierte, was wir alle hätten ahnen können, begriffen wir was mit ihr los war.
Ich sah, wie Valerie, ohne etwas zu sagen, ihr Gesicht für ein paar Sekunden leicht verzerrte und statt des erwarteten Tröpfeln hörte ich, wie alle anderen auch, ein helles Plumpsen. Wir starrten etwas ungläubig, während Valerie ihr Gesicht in ihren Händen vergrub.
„Bäh“, sagte Natascha und kicherte kurz.
Ein paar andere Frauen stimmten etwas verhaltener mit ein. Ich gab keinen Mucks von mir, sah absichtlich in eine andere Richtung und fing Lenes Blick ein, die ebenfalls auf meinem Zimmer schlief. Auch sie sagte nichts und sah mich überrascht an. Nur die beiden älteren Schülerinnen schien die Szene nicht großartig zu beeindrucken. Als ich sah, wie die beiden teilnahmslos in ihrem Doppelbett lagen, wurde mir plötzlich klar, dass diese unangenehme und demütigende Erfahrung uns allen, also auch mir, bevorstand. Doch während Valerie ihre Demütigung vollendete, indem sie sich vor unseren Augen mit stummen Schluchzern ihren Hintern abwischte, fühlte ich wieder das aufgeregte Kribbeln in meinem Schoß, dass ich schon im Bus empfunden hatte.
Ich muss gestehen, dass mich Valeries Demütigung trotz meines scheinbar grenzenlosen Heimwehs erregte. Nur auf den intensiven Gestank hätte ich gerne verzichtet, der sich allmählich ausbreitete und in dem ungelüfteten Zimmer eine lange Zeit nicht verschwand.
„Ich weiß nicht wie’s euch geht, aber Nesrin und ich wollen schlafen“, sagte eine der älteren Schülerinnen.
Da wir anderen vermutlich noch müder waren als die beiden, erhoben wir keinen Einspruch, als sie das Licht ausschaltete und legten uns in unsere Betten.
Ich zog die Bettdecke über mich, versuchte mich einzukuscheln und mir vorzustellen, dass ich nicht hier, sondern in Emilias Haus schlief und dass sie sich, wenn auch nicht neben mir, in einem der anderen Zimmer aufhielt oder einfach nur für ein paar Tage verreist war. Doch die fremd wirkenden, dunklen Schemen der Wände zeigten mir, dass ich nicht bei Emilia war, sondern an einem weit entfernten Ort und mir mit sieben fremden Frauen ein unwohnliches Quartier teilte, das an eine Gefängniszelle erinnerte. Ich konnte nicht einschlafen, obwohl ich müde war, und zitterte vor stummer Verzweiflung.
Ich wollte es nicht zulassen, doch als ich das Gefühl hatten, dass alle anderen tief und fest schliefen, konnte ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten und wimmerte so leise ich konnte. Auch wenn ich mich nach der tröstenden Nähe einer vertrauten Person sehnte, wollte ich nicht, dass die anderen etwas bemerkten.
Doch plötzlich hörte ich ein Knarzen und bemerkte, wie jemand von meinem Hochbett herunterstieg. Ich lag unten, hatte aber nicht darauf geachtet, wer über mir schlief. Ich unterdrückte mein Schluchzen und kauerte mich zusammen. Doch es nutzte nichts mehr; eine der Frauen hatte mich gehört. Ich konnte sie in der Dunkelheit zuerst nicht erkennen, doch als sie sich zu mir ins Bett kuschelte, protestierte ich nicht, sondern rutschte etwas zurück, um ihr Platz zu machen. Es war Lene.
Sie krabbelte unter meine Decke und nahm mich in den Arm. Im Bus hatte mich ihre Gegenwart gestört, doch jetzt suchte ich dankbar ihre Nähe und ließ meine Tränen laufen, die sich zwischen ihren großen Brüsten sammelten. Sie streichelte mir zärtlich den Kopf und ich, aus einer Mischung aus Dankbarkeit und zärtlicher Erregung, schob meine Hand unter der Bettdecke zwischen Lenes Schenkel, tastete nach ihrem warmen Schoß und drang mit einem Finger in ihre feuchte Scheide ein. Lene stöhnte leise…
11. Meine Zimmergenossinnen
Aufgrund der späten Schlafenszeit fiel das Frühstück am nächsten Morgen aus, weswegen wir beim Mittagessen in unser Essen vertieft waren und nicht viel miteinander sprachen. Nach dem Mittagessen erhielten wir unsere Stundenpläne und erkundeten im Anschluss daran zusammen mit den älteren Schülerinnen das Schloss. Sie führten uns durch alle Bereiche des Gebäudes, in denen wir uns frei bewegen durften; zeigten uns die einzelnen Klassenzimmer, die Küche, die Sporthalle, die Kerker, Außenanlagen und ein Medienzimmer, zu dem wir jeden Sonntag Zugang hatten, um Emails zu verschicken, zu chatten oder zu telefonieren. Ich atmete freier, als mir klar wurde, dass ich einmal in der Woche mit Emilia in Kontakt treten konnte.
Ansonsten war es immer noch ungewohnt, sich völlig nackt in den Gängen zu bewegen. Doch nach und nach vergaßen wir unsere Hemmungen.
Vermutlich war es dasselbe, wie bei einem FKK Urlaub, auch wenn ich nie einen gemacht hatte. Außerdem war das Schloss sehr gut geheizt, weswegen wir trotz unserer fehlenden Kleidung nicht froren. Nackt sein wurde schon nach kurzer Zeit fast zur Gewohnheit. Doch zumindest bei mir wurde dieses gewohnte Gefühl ab und an durch unanständige Gedanken unterbrochen, die sich unter den anderen nackten Frauen immer wieder in mein Bewusstsein schlichen.
Das Abendessen verlief bereits etwas gesprächiger, doch erst als am späten Abend alle wieder in ihre Zimmer zurückkehrten, lernte ich meine neuen Mitbewohnerinnen besser kennen. Zuvor hatte Madame Domingo uns auf dem Flur einen schlecht gelaunten Vortrag gehalten und uns ermahnt ihr in dieser Nacht „keine Scherereien zu machen“, wie sie sich ausdrückte. Den ganzen Tag hatten wir sie, außer beim Mittag- und Abendessen, nicht zu Gesicht bekommen. Und auch ihr Vortrag war trotz betonter Schärfe äußerst knapp gewesen.
„In den ersten Tagen sind die Gruppenleiterinnen immer ziemlich gestresst“, erklärte uns Nesrin.
Sie und Judith waren die beiden älteren Schülerinnen in unserem Zimmer, die schon ein halbes Jahr dabei waren. Es fiel uns sofort auf, dass sie ineinander verliebt waren. Sie waren Räubermädchen, wild, schön und unzertrennlich. Judith war mit 32 Jahren die ältere der beiden, was nicht auffiel, da sie ein jugendlicher Typ Frau war. Ihrer sportlichen Statur sah man an, dass sie schon als Kind ihre Zeit lieber auf dem Fußballplatz verbracht hatte, anstatt mit Puppen zu spielen. Doch durch ihre mittelgroßen, weichen Brüste und ihren runden, festen Hintern besaß ihr Körper weiblich geschwungene Formen, die ihr androgynes Erscheinungsbild etwas kaschierten.
Ihre sonst vermutlich sonnengebräunte Haut war in den kalten Wintermonaten wieder etwas blasser geworden und ihre dunkelblonden, mittellangen Haare an den Spitzen etwas ausgefranst. Doch immer, wenn sie mit ihren blaugrünen Augen Nesrin anfunkelte, strahlte sie eine zufriedene Ruhe aus, die mir die Furcht vor diesem Ort nahm.
Nesrin war temperamentvoller als Judith, tiefsinniger, weniger fürsorglich und mit ihren 28 Jahren ein bisschen jünger. Obwohl sie durch ihre türkische Herkunft ein exotischer Typ war, hätte über Judith und Nesrin jeder sofort gesagt, dass sie gut zueinander passten. Beide besaßen dieses wilde, ungezähmte Aussehen von Frauen, die im Sommer barfuß über heißen Asphalt spazieren.
Nesrin war eine sehr natürliche, weibliche Schönheit. Sie hatte einen naturgebräunten Teint, einen rundlich schlanken Körper, mittelgroße Brüste und einen runden Hinteren. Sie hatte sinnlichere Gesichtszüge als Judith, geschwungenere Lippen und dunkelbraune Augen, in welchen sich Judiths Funkeln zu spiegeln schien. Auffällig an ihr waren ihre langen, blond gefärbten Haare und eine große Tätowierung, die an ihrer Hüfte begann und sich bis knapp unter ihre Achseln streckte. Es war eine rote Rose, um die sich die Worte „Gülü seven dikenine katlanir“ schlängelten.
„Wie ist die Domingo denn insgesamt so“, fragte Lene die beiden.
Es war eine Frage, die uns allen unter den Nägeln brannte. Wir saßen zu zweit oder alleine auf unseren Betten, unterhielten uns und lernten uns besser kennen. Lene und ich saßen zusammen auf meinem Bett und beobachteten unsere neuen Mitbewohnerinnen. Von Nesrin, Judith und meiner neuen Freundin Lene; von Valerie, die von uns allen am auffälligsten war; und von Natascha, die mir auf dem Flur mein Buch weggenommen hatte, hatte ich mir schon einen ersten Eindruck machen können. An diesem Abend lernte ich auch Svenja und Helena besser kennen, die ebenfalls in unserem Zimmer schliefen.
Die schöne Helena, wie wir sie manchmal nannten, war mit ihren 42 Jahren die Älteste unter meinen neuen Mitbewohnerinnen und erinnerte auch in ihrem Aussehen an eine antike Schönheit. Trotz ihrer üppigen Figur, ihres runden Arschs, den etwas ausladenden Hüften und ihren mächtigen Brüsten, passte an ihrem Körper, durch seine gleichmäßig prallen Proportionen, alles zusammen.
Helenas blasse Haut hatte trotz ihrer Körperfülle die Festigkeit einer jungen Frau. Ihre Brüste waren fest, ihr Hintern prall und ihre runden Oberschenkel frei von Zellulitis. Ihr freundliches Gesicht wurde von seidig schwarzem Haar umrahmt, das leicht wellig über ihre Schultern fiel.
Helenas Erscheinung besaß etwas mütterliches, was durch ihr ruhiges, fürsorgliches Verhalten noch hervorgehoben wurde. Sie war die Person, bei der man sich ausweinte, wenn die beste Freundin nicht in der Nähe war. Und vielleicht hätte sie in unserer kleinen Gemeinschaft auch eine führend Rolle einnehmen können, wenn sie nicht, mehr als wir anderen, einen durch und durch devoten Charakter besessen hätte. Helena spendete nicht nur Trost, sondern war auch diejenige, an der man sich abreagieren, die man beleidigen, demütigen oder der man physischen Schmerz zufügen konnte, ohne ein Wort der Klage zu hören oder fürchten zu müssen es von ihr heimgezahlt zu bekommen.
Die letzte meiner Mitbewohnerinnen war Svenja. Mit ihren 39 Jahren war sie die zweitälteste Frau auf unserem Zimmer, gab sich, im Gegensatz zu Helena, aber die größte Mühe diese Tatsache zu kaschieren. Sie war immer stark geschminkt, ihre ersten Falten hatte sie sich offensichtlich wegliften lassen, ihre Lippen waren aufgespritzt und ihre großen Brüste waren so unecht wie die Farbe ihrer langen, wasserstoffblonden Haare.
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