Dies ist das sechste und letzte Kapitel dieser Geschichte, die sich bisher vorrangig im Bereich Mind Control bewegte. Zum besten Verständnis der Charaktäre und Ereignisse empfehle ich natürlich, die vorangegangenen Kapitel zu lesen, aber für alle, die dies nicht tun wollen, hier eine kleine Zusammenfassung: Ein seltsames Medaillon bestimmt das Schicksal der kleinen Stadt Leskow und besonders das von Laura seit mehreren Jahren. Erst selbst durch das Medaillon unterworfen, kann sie es schließlich an sich reißen und mit seiner Hilfe die Menschen von Leskow kontrollieren. Laura krönt sich selbst zur Königin und ist auf dem Höhepunkt ihrer Macht, als sie unerwarteten Besuch bekommt…

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Alles ist still auf der kleinen Lichtung nahe den Ufern des Leskower Sees. Auch die Stadt Leskow, gelegen am anderen Ufer des Sees, liegt still und ruhig. Die Menschen sind eingeschlafen, auf der großen Festwiese am Ufer, erschöpft von dem Sommerfest, das ihre Königin ihnen gestiftet hat. Sie ahnen nicht, dass diese Nacht über ihr Schicksal entscheidet.

Den See kümmert all dies nicht, er plätschert gelassen gegen die Ufer und spiegelt den Mond; er existierte schon vor der neuen Zeit, auch vor der alten Zeit gab es ihn schon, er weiß, dass er auch weiterhin gegen die Ufer plätschern wird, für viele hundert Jahre.

Auch der Wald scheint sich keine Sorgen zu machen. Er läßt die Wipfel seiner Bäume im Wind rauschen, rings um die Lichtung. Der Schauplatz für die Schlacht des Jahrhunderts, die Schlacht, die über die Zukunft der Welt entscheiden sollte, war bereit — doch der Wald fragt nicht nach Vergangenheit oder Zukunft. Er wächst weiter, solange ihm dies möglich ist.

***

„Schön, dich wieder zu sehen.“ Daniel lächelte. „Wie ich sehe, hat sich hier vieles verändert.“

Laura starrte Daniel an.

„Freust du dich nicht, mich zu sehen?“ fragte er.

„Was willst du hier?“

„Was für eine Begrüßung ist das? Aber gut,“ Daniel holte Luft. „Ich bin hier, um dir zu sagen, dass du jetzt genug Königin gespielt hast. Es ist an der Zeit, dass du der Stadt ihre Freiheit zurück gibst. Und dass du dich wieder daran erinnerst, wer du bist: Laura.“

Laura spürte die Wut in sich heraufsteigen, nur mit Mühe bewahrte sie ihre Fassung. Da verschwand er aus ihrem Leben, einfach so, und jetzt wollte er ihr sagen, wer sie sei und was sie zu tun habe? Ihr! Der Königin!

„Laura war einmal“, ihre Stimme war lauter als geplant. „Laura war schwach, mit Laura konnte man alles tun, deshalb musste sie verschwinden. Laura wird nicht wiederkommen, du kannst sie nicht wieder bringen.“

Daniel sah traurig aus.

„Du willst es nicht anders“, sagte er. „Ich wünschte, du würdest von selbst zur Vernunft kommen. Aber du willst es nicht anders.“

Noch bevor Laura ihn fragen konnte, was er damit meinte, drehte sich Daniel um und ging. Für einen kurzen Moment erwägte sie, einige ihrer Untertanen hinter ihm her zu schicken. Doch sie entschied sich dagegen. Sie musste erst einmal nachdenken.

***

Die Stimmung in Leskow war trübe, der Himmel bewölkt. Die Menschen gingen ihren alltäglichen Beschäftigungen nach, doch sie taten es ohne Lächeln. Die Festwiese war innerhalb weniger Stunden wieder aufgeräumt, nur der zerstörte Rasen, der unter dem starken Regen zu einem Schlammfeld geworden war, erinnerte noch an das große Fest. Leskow war hübsch wie eh und je — und doch war alles ganz anders.

Ein paarmal hatte Laura versucht, die dunklen Wolken vom Himmel zu schieben, die Sonne wieder sichtbar werden zu lassen, doch es gelang ihr nicht. Sie war sich nicht sicher, ob das an Daniels Widerstand lag — sie wusste ja nicht einmal wie er ihrer Macht Widerstand bot — oder an ihrer eigenen trüben Stimmung.

Sie hatte so lange nicht an ihn gedacht, hatte seine Existenz fast vergessen. Und doch, irgendwie, war er immer da gewesen. Wie ein Hintergedanke, eine vage Erinnerung an Zeiten, in denen sie zwar nur die kleine Laura aus der zwölften Klasse war, nett aber ruhig und unauffällig, aber irgendwie doch glücklicher. Glücklicher? Nein, wie konnte sie jemals glücklicher gewesen sein als jetzt, da sie diejenige war, die wahrhaft goldene Zeiten nach Leskow brachte?

Daniel war eine Gefahr, er musste zerstört werden — das wusste die Königin. Doch um dies zu tun, musste sie mächtiger werden, musste die Macht des Medaillons noch besser beherrschen lernen, damit er ihr keinen Wiederstand mehr leisten konnte.

Irgendwo tief in Laura protestierte das Mädchen, das sie einst gewesen war, das Mädchen, das Daniel noch immer vermisste. Das Mädchen, das ahnte, dass er Recht habe. Doch die Königin verbot sich diese Gedanken. Wenn sie Daniel besiegte, so hoffte sie, würde sie den letzten Rest von Laura in ihr, diesen letzten Rest Schwäche, austilgen.

***

„Majestät, einer Ihrer Untertanen möchte Euch sprechen.“

Erstaunt sah die Königin auf. Gerade noch hatte sie am Fenster gestanden, auf den dunklen Himmel und die aufgewühlten Wasser des Leskower Sees gestarrt, und versucht, die trüben Gedanken aus ihrem Gehirn zu bannen. Daher brauchte sie einen Moment, bevor sie realisierte, wie widersinnig diese Anfrage war.

Sie sprechen? Einer ihrer Untertanen? Ihre Untertanen konnten nichts wollen oder denken, von dem sie nicht befahl, dass sie es wollten oder dachten. Warum also sollte einer von ihnen sie sprechen wollen?

Mit einer Mischung aus Wut und Neugier nickte sie dem Mädchen zu, das seit einiger Zeit ihre engste war, bei Tag und in der Nacht. Das Mädchen war eine exotische, dunkle Schönheit, und die Königin hatte sich gewundert, dass sie ihr nicht schon früher aufgefallen war. Doch nun, nach einigen Wochen, fing sie eigentlich schon an, sich mit ihr zu langweilen. Nun, darüber würde sie später nachdenken, zunächst musste sie wissen, wer sie da sprechen wollte.

„Er soll hereinkommen“, befahl sie.

Kurz darauf führte das Mädchen einen jungen Mann in den Saal, der Laura tatsächlich sehr bekannt vorkam. Vage erinnerte sie sich an eine Nacht vor vielen Monaten, eine besonders schöne Nacht war es gewesen. Doch danach hatte es neue Nächte gegeben, und sie hatte diesen Mann wieder vergessen.

Einen Moment stand der Mann nur schweigend vor ihr, sah sie an. Sein Ausdruck hatte sich geändert, er sah weniger teilnahmslos aus, als die anderen Menschen Leskows — auch wenn Laura erkennen konnte, dass er dennoch nicht bei ganzem Bewusstsein war. Es war mehr, als kontrolliere ihn eine andere Macht.

„Was willst du?“ fragte Laura barsch.

„Mein Herr schickt mich…“

„Dein Herr?“ unterbrach ihn Laura — doch sie wusste schon, wer sein Herr war.

„Mein Herr schickt mich“, wiederholte der Mann mit fester Stimme, „um ihrer Majestät mitzuteilen, dass er sie heute um Mitternacht auf der Lichtung vor der Hütte sprechen möchte. Allein.“

Damit drehte er sich um, und noch bevor Laura ihn zurückhalten lassen konnte, verließ er ihr Schloss mit festen Schritten und erhobenem Haupt. Die Königin versuchte, einen Kontakt zu seinem Kopf herzustellen, ihn unter ihre Kontrolle zu bringen und zum Stehenbleiben zu zwingen. Doch es schien, als gehöre er nicht in ihre Welt. Sie hatte nicht mehr den geringsten Einfluss auf ihn.

***

Nervös sah Laura sich um. Die Lichtung war einsam, die Hütte dunkel. Kein Mensch zu sehen im nächtlichen Leskower Wald. Sie atmete auf. Ihre Untertanen hatten sich gut versteckt, die Polizisten und ihre persönliche Leibgarde. Daniel würde sie nicht sehen, bis es zu spät für ihn war. Aber ein wenig unheimlich war es doch — nicht einmal ein Tier regte sich, und selbst der Wind schien den Atem anzuhalten.

Doch dann verkroch der Mond sich hinter einer Wolke, und die Nacht tauchte Wald und Lichtung in noch tiefere Dunkelheit. Erst als die Wolke weiterzog, und silbriges Licht erneut herabfiel, entdeckte Laura Daniel: Er stand neben einem Baum am Rande der Lichtung, in der Dunkelheit war er mit ihm zu einem einzigen Schatten verschwommen. Sie hatte ihn nicht kommen gesehen oder gehört.

„Du bist gekommen.“

Seine Stimme war leise, und doch deutlich über die ganze Lichtung zu hören.

„Was ist so wichtig, dass ich dafür mitten in der Nacht in den Wald kommen muss?“ fragte die Königin mit herrischer Stimme.

„Die Vergangenheit“, sagte Daniel ruhig. „Deine Vergangenheit, Laura. Erinnere dich daran, wer du warst. Sei wieder du selbst.“

Die Königin fühlte Wut und auch eine gewisse Angst in sich hochkochen, doch sie unterdrückte diese Gefühle. Trotzig erhob sie ihr Kinn in die Luft und betrachtete Daniel herablassend. Er trug ein alte Jeans und ein zerschlissenes Hemd, selbst in der Dunkelheit war dies zu erkennen. Wie konnte so jemand es wagen, einer Königin Befehle zu geben?

„Ich bin ich selbst“, erwiderte sie mit kalter Stimme. „Ich bin die, die ich immer sein wollte. Ich weiß nicht, von welcher Vergangenheit du sprichst. Ich habe keine Vergangenheit, die der Erinnerung wert wäre.“

Daniel trat ihr einen Schritt entgegen, auch sein Gesicht war nun vom Licht des Mondes erleuchtet. Er war älter geworden, erwachsener, ernster. In seinem Blick ruhte eine tiefe Traurigkeit, die Laura seltsam berührte.

„Laura“, seine Stimme war flehend. „Erinnerst du dich nicht mehr an mich? An uns?“

Die Wut der Königin ließ sich nicht länger unterdrücken. Sie wandte sich zu dem Wald hinter ihr um, in dem sie ihre Leute versteckt wusste.

„Ergreift ihn!“ schrie sie.

Sofort stürmten ihre Wachen auf die Lichtung, an der Königin vorbei, auf Daniel zu. Das Rascheln des Grases unter ihren Stiefeln und ihr schwerer Atem zerriss die Stille. Doch dann, als sie genau zwischen den beiden standen, blieben sie plötzlich stehen.

„Was ist los? Weiter! Ergreift ihn!“ brüllte die Königin ihre Wachen an — obwohl sie wusste, dass es nicht ihre Stimme war, der sie gehorchten.

Die Männer bewegten sich zunächst nicht. Dann, ganz langsam, begannen sie einen Schritt rückwärts zu gehen, dann noch einen, schneller, von Daniel weg, auf Laura zu. Das Herz der Königin schlug schneller, voller Angst. Sie sah die Konzentration auf dem Gesicht ihres Feindes. Er kontrollierte sie! Er machte sie ihr abspenstig! Womöglich würde er ihre eigenen Untertanen auf sie loshetzen.

Auch Laura konzentrierte sich nun stärker. Zum ersten Mal seit Monaten wandte sie ihre Macht richtig bewusst an, nicht als eine Fähigkeit im Hintergrund, etwas, dass sie so unbewusst ausführte wie Atmen oder Sehen. Sie wandte all ihre Kraft auf, und schließlich hörten die Männer auf, rückwärts zu laufen, und dann, durch unendlich viel Mühe von Laura, traten sie ganz langsam wieder ein Schritte vorwärts, auf Daniel zu.

Sein Gesicht verfinsterte sich, auch er schien sich nun mehr Mühe zu geben. Die Männer blieben wieder stehen, einige taten einige zögernde Schritte rückwärts, doch die meisten standen nun wie festgefroren auf ihrem Platz, zwischen Laura und Daniel, nur ihr leichtes Zittern zeigte noch, dass es sich um Menschen handelte, die einer unnachgiebigen Macht ausgesetzt waren. Laura fürchtete fast, dass sie zerquetscht werden könnten von der Gewalt, die inzwischen von ihrer eigenen und Daniels Kontrolle ausging. Wie viel konnte ein menschliches Hirn ertragen?

Daniel schien sich die gleiche Frage zu stellen. Die beiden sahen sich an, und hörten dann gleichzeitig auf, die Männer gegen den anderen schicken zu wollen. Die Wachen standen noch einen Moment wie unschlüssig auf ihren Plätzen und begannen dann zu schwanken und schließlich ohnmächtig zu Boden zu sinken, während Laura und Daniel sich gleichzeitig umdrehten, und die Lichtung jeder in eine andere Richtung verließen.

***

Leskows Straßen waren einsam geworden. Die Königin wusste nicht genau, wie das geschehen konnte, aber einer nach dem anderen verschwanden ihre Untertanen. Nicht alle, natürlich. Gerade diejenigen, die ihr am nächsten standen, blieben, auch wenn sie hin und wieder am Ufer des Sees innehielten, und hinüber zum Wald blickten, als lauschten sie einem Ruf, der sie dorthin locken wollte. Doch genügend Einwohner Leskows waren diesem Ruf bereits gefolgt. Laura konnte sie manchmal sehen, wie sie im See badeten, geschäftig am Ufer entlanggingen, um dann wieder zwischen den Bäumen zu verschwinden. So ging es nicht weiter.

Schließlich nahm sie all ihren Mut zusammen — wovor sollte sie sich auch fürchten? Sie war die Königin — und ging allein, ohne Wachen, in den Wald. Sie wusste nicht wirklich, wo sie nach ihm suchen sollte, aber irgendwo musste er sich ja verstecken. Und wenn man bedachte, wie viele seiner Untertanen er inzwischen zu sich geholt hatte, dürfte er nicht zu schwer zu finden sein.

Der Wald wirkte fremd, als ob er sie nicht da haben wollte, feindselig. Laura kam sich verloren vor, nicht wie eine Königin, sondern eher wie ein Eindringling. Hinter jedem Busch vermutete sie Augen, die sie beobachteten. Jedes Geräusch ließ sie zusammenzucken. Doch kein Mensch oder Tier lief ihr über den Weg.

Daniel schien auf sie zu warten. Er saß einfach plötzlich auf einem Baumstamm auf ihrem Weg, und sah ihr entgegen, lächelnd. Sein Lächeln machte die Königin wütend — was wagte er, sie so anzulächeln, als seien sie sich nahe, als könnte er sich freuen, sie zu sehen. Verbeugen sollte er sich.

„Endlich bist du gekommen“, sagte er, als habe sie ihn schon lange besuchen wollen, und es erst jetzt tatsächlich geschafft.

„Ich komme, um dir einen Vorschlag zu machen“, sagte die Königin mit resoluter Stimme, obwohl ihr die Knie plötzlich ohne ersichtlichen Grund zitterten.

Daniel schaute müde, und ein wenig enttäuscht. „Was für einen Vorschlag?“

„Wir sollten uns zusammentun“, sagte die Königin, jetzt bekam sie sogar die zitternden Knie in Griff, und trat näher an ihn heran, stand hoch über ihm. Daniel selbst war auf seinem Baumstamm sitzen geblieben. „Zusammen könnten wir bald die ganze Welt beherrschen. Deine Macht scheint genauso stark zu sein wie die meine.“

Daniel seufzte.

„Du hast es noch nicht verstanden“, sagte er traurig.

„Was soll ich verstehen?“ fragte Laura.

„Du musst das Medaillon loswerden. Du musst dich daran erinnern, wer du wirklich bist. Erinnere dich an mich, an uns. Oder wenn du das nicht willst, erinnere dich an deine Eltern, deine Freunde. Erinnere dich an dich selbst.“

Die Königin wurde wütend.

„An mich selbst? An dieses Nichts, das ich einst war? Warum würde ich jemand sein wollen, den alle ausnutzen, der nur tut, was die anderen sagen? Ich bin dazu geboren, Königin zu sein. Ich bin dazu geboren, diese Stadt für immer zu verändern. Warum sollte ich wieder einfach nur Laura sein wollen?“

„Weil ich Laura so liebe, wie ich niemand anderes lieben könnte“, sagte Daniel leise. „So, wie ich die mächtigste Königin der Welt nie lieben könnte.“

Laura spürte einen Stich in ihrem Herz, sie spürte den unbändigen Wunsch, in seine Arme zu fallen, sich einfach nur von ihm halten zu lassen. Sie kämpfte dagegen an — solche Gefühle waren einer Königin nicht würdig. Sie konnte jeden Mann und jede Frau haben. Was war schon so besonderes an diesem. Und doch zitterte ihre Stimme leicht.

„Wenn du mich wirklich geliebt hast, als ich noch Laura war, müsstest du auch jetzt dasselbe für mich empfinden. Dann müsstest du mich lieben, und dürftest mir nicht mein Medaillon nehmen wollen. Du müsstest froh für mich sein.“

„Ich liebe dich auch jetzt, Laura, aber gerade weil ich dich liebe, muss ich das Medaillon zerstören. Sonst wird es dich zerstören.“

Dieses Mal war es Wut, welche die Stimme der Königin erzittern ließ. Sie richtete sich so gerade auf, wie sie konnte.

„Wie kannst du es wagen… Du wirst das Medaillon niemals bekommen. Dafür würdest mich bekämpfen und besiegen müssen.“

Daniel stand auf, und unwillkürlich trat Laura einen Schritt zurück. Er überragte sie um einen Kopf. Doch seine Stimme klang noch trauriger als bisher.

„Ich hatte gehofft, dass es nicht soweit kommen würde, Laura.“

Er hob seine Hand, Laura sah den Ring an ihr glänzen. Den Ring, den er ihr damals, in einem anderen Leben, hatte schenken wollen, und der ihren Streit hervorgerufen hatte. Von dem Ring strahlte eine Kraft aus, die ihr Angst machte. Er war wunderschön, dieser Ring, daran war kein Zweifel, doch irgend etwas sagte Laura, dass der Ring der Feind ihres Medaillons sei, so wie er, Daniel, ihr Feind war. Die Königin wandte den Blick von dem Ring ab und sah hoch, in die Augen ihres Feindes. Daniels Gesicht war nun dunkel und hart.

„Gib mir das Medaillon“, sagte er langsam und deutlich.

Unwillkürlich griff Laura nach der Kette, an der es um ihren Hals hing, um es abzustreifen. Im letzten Moment stoppte die Königin sich. Was tat sie da? Was für ein Trick war das?

„Niemals.“ Sie stampfte wütend mit dem Fuß auf. „Gib du mir lieber deinen Ring.“ Sie ließ all ihre Willenskraft durch das Medaillon gegen ihn fließen.

Daniels Hand erzitterte, aber anscheinend war er auf den Angriff vorbereitet gewesen. Innerhalb von Sekunden schaffte er es, nicht nur die Kraft der Königin abzuwehren, sondern sie in seine eigene Kraft, gegen sie gewandt, umzuwandeln. Doch auch die Königin war dieses Mal besser vorbereitet — sonst hätte sie dem neuen Angriff nicht standhalten können. Im nächstem Moment jedoch musste sie zur Seite springen: Genau unter ihr tat sich in der Erde eine weite Spalte auf, wollte sie verschlingen.

Er wollte also einen wirklichen Kampf. Wütend ließ die Königin die Wolken am Nachthimmel zusammenbrauen. Blitze zuckten, fuhren zur Erde. Doch Daniel schien sie aufzuhalten, nie trafen sie ihn. Sie erleuchteten nur sein Gesicht, dass so fremd und so vertraut zugleich aussah, und schlugen manchmal in die Bäume am Rande der Lichtung ein, ließen einige von ihnen in Flammen aufgehen, während sie andere genau in der Mitte durchschnitten, so dass die beiden Hälften voneinander weg auf den Boden fielen.

Ein starker Wind kam auf und wirbelte Erde und Grasbüschel durch die Luft, die eine Wand zwischen ihm und der Königin schufen. Er trug auch Flammen und Rauch weiter, der Qualm ließ Laura husten, den Wald konnte sie kaum noch erkennen. Nur mit Mühe konnte sie sich auf den Füßen halten, doch endlich schaffte sie es, den Wind zur Stille zu zwingen.

Am Horizont erschien das erste Morgenlicht und tauchte das Bild der Zerstörung, welches die beiden umgab, in ein rötliches Licht. Rot wie die Glut des inzwischen verlöschten Feuers. Anscheinend hatte der Kampf schon Stunden gedauert, die Königin war erschöpft, konnte sich aber kaum noch an die Details der Schlacht erinnern. Der Kampf musste endlich zu einem Ende kommen, beschloss die Königin. Sie wusste, dass sie Daniel nicht kontrollieren konnte. Wenn sie ihn unter die Macht ihres Medaillons bringen wollte, machte sie ihn nur stärker. Irgendwie musste sie ihn überlisten. Die Königin sah sich um. Hinter ihrem Feind entdeckte sie einige Bäume, denen weder Sturm noch Waldbrand etwas hatte anhaben können. Ihre Wurzeln waren noch immer fest in der Erde, ihre Zweige und Äste unversehrt. Damit könnte es gehen… Zwar stand Daniel weit von ihnen entfernt, doch wenn sie ihn irgendwie ablenkte…

„Warum sollte ich dir mein Medaillon geben? Weißt du eigentlich, wie sehr du mich damals verletzt hast, als du mich einfach hast fallenlassen? An meinem Geburtstag ausgerechnet?“

Daniels Gesichtsausdruck veränderte sich. Fast sah er erfreut aus. Anscheinend war das ein Thema, das er gerne diskutieren würde. Während er sprach, konzentrierte sich Laura auf die Bäume am Ende der Lichtung. Seine Worte erreichten sie kaum, erst viel später, als es schon zu spät war, hatte ihr Hirn sie verarbeitet.

„Du hast mit mir Schluss gemacht, weißt du das nicht mehr?“ fragte er. „Es war der Ring, das heißt, eigentlich war es wohl das Medaillon. Ich habe den Ring gefunden, und wollte ihn dir schenken. Doch du wolltest ihn nicht. Du wolltest, dass ich ihn wegwerfe. Ich glaube, dass…“

Krach! Auf Befehl der Königin hin hatte sich einer der Bäume weit über die Lichtung gebeugt, und mit einem seiner Äste Daniel einen kräftigen Schlag versetzt. Seltsam langsam sank er zu Boden und blieb bewegungslos liegen. Plötzlich war es still im Wald, so still, wie es wohl noch nie gewesen war. Die Erinnerung an Daniels Stimme schien noch zwischen den umgerissenen Bäumen und ausgerissenen Grasbüscheln zu schweben und die Stille nur zu verstärken. Einige Momente blickte die Königin zufrieden auf ihren Feind herab. Sie hatte es geschafft, sie hatte ihn besiegt. Doch je länger Daniel reglos am Boden lag, desto weniger fühlte sie sich als Siegerin.

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