Als Jonas die kleine Hütte der Lady betrat, war es draußen schon dunkel.
Kalt war die Nacht, Minusgrade. Kleine Eiskristalle hatten sich auf den Fensterscheiben gebildet. Diffuses Licht, wie von Kerzenschein, drang von innen nach draußen, in die Dunkelheit.
Er hatte geklopft, unschuldig und nichtsahnend.
Und sie hatte ihn hineingelassen.
Ihn wie eine Spinne in ihr Netz gelockt.
Er war einer von denen, die mehr wollten, das war ihr von Anfang an klar gewesen. Ebenso, wie ihr klar war, dass er sie unterschätzte.
Massiv unterschätzte.
Aber er würde schon noch merken, was für eine Art von Mensch sie war.
Die Lady war feminin gekleidet und trotzdem nicht billig oder gar nuttig.
Ihr Lederrock passte hervorragend zu ihrer taillierten Bluse. Dass sie halterlose Strümpfe trug, konnte man allenfalls erahnen. Auch ihre Stiefel wirkten wohl elegant, aber niemals zu gewagt.
Sie hatte ihre Haare zusammengebunden. Fast wirkte sie ein wenig streng, was sich aber in jenen Momenten legte, in denen sie lächelte. Und nun, als sie Jonas die Tür öffnete, tat sie dies.
Sie bat ihn hinein, bat ihn, sich in die Küche zu setzen.
Zufrieden registrierte sie, wie ihn etwas irritierte, als er die Küchenzeile passierte.
Das Messer, dort lag ein Messer. Und es war blutrot.
Aber er sagte nichts und ging weiter. Setzte sich.
„Möchtest du etwas trinken?“, fragte ihn die Lady.
Jonas verneinte.
Sie goss sich selbst ein Glas Wasser ein, trank daraus.
Dann musterte sie Jonas eingehend.
Mit festem, strengen Blick sah sie ihm in die Augen. Verlegen blickte Jonas auf den Boden der Hütte.
„Ich möchte, dass du dich jetzt ausziehst, Jonas. Komplett. Ich möchte dich in Ruhe begutachten.“
„Hier?“, entgegnete Jonas. Seine Stimme wirkte unsicher und brüchig.
„Hier!“
Langsam begann Jonas sich zu entkleiden.
Als er bemerkte, wie die Finger der Lady unruhig auf den Tisch klopften und ihre Miene sich verfinsterte, begann er, sich zu beeilen. Und tatsächlich lag schon wieder das unschuldige Lächeln auf ihren Lippen, als er endlich nackt vor ihr stand.
Sie betrachtete seinen Körper ausgiebig, Zentimeter um Zentimeter. Ihr Blick blieb kurz an seinem Schwanz hängen.
Sie lachte abfällig, wie über einen schlechten Scherz.
„Umdrehen!“, befahl sie. Sie betrachtete ihn auch von hinten ausgiebig. Dann schlug sie ihm mit der Hand auf den Po und befahl ihm, sich wieder zu setzen. Sie fixierte seine Fußgelenke mit Bondage-Tape an den Stuhlbeinen, zog dann seine Arme hinter der Stuhllehne zusammen und fixierte sie dort ebenfalls.
Dann nahm sie Jonas Kleidung und verschwand mit ihr ohne jede weitere Erklärung.
Jonas war kurz davor etwas zu sagen, schwieg dann aber doch.
Mit leeren Händen kam die Lady zurück. Sie setzte sich Jonas gegenüber, blickte ihn fest an.
„Liest du gerne, Jonas?“
Jonas zuckte die Schultern.
„Ja, ab und an…wenn es die Zeit erlaubt…“
„Gut, das ist gut. Lesen bildet, Jonas. Ungemein. Ich lese auch gern. Ich schreibe sogar.“
Fragend sah Jonas sie an.
„Ich schreibe Geschichten. Erotische Geschichten. Meist mit BDSM-Bezug. Ich bin gerade an so einer Entführungsgeschichte… Das Opfer, weiblich, wird entführt und tagelang gefesselt, gequält, erniedrigt und vergewaltigt. Aber weißt du, was das lustigste ist?“
Jonas schüttelte den Kopf.
„Dass die Leute mich für vollkommen masochistisch halten. Ist das nicht witzig, Jonas?“
Gedankenverloren starrte Jonas auf den linken Handrücken von der Lady, auf der ein blutroter Fleck prangte. Wie beifällig, versuchte die Herrin den Fleck wegzureiben.
„Ich habe mal aus Spaß bei so einem Psychotest mitgemacht. Ich bin eigentlich gar nicht richtig devot oder dominant. Nur sadistisch.
Hochgradig. Sadistisch.“
Sie lachte hell auf.
Dann stand sie auf, ging zur Küchenzeile, wo das Fleischermesser neben der Spüle lag. Sie nahm es in die Hand, begutachtete es. Betätigte dann den Hebel des Wasserhahns, um es mit klarem Wasser zu reinigen.
„Sag mal, Jonas… Hast du schon mal ein Tier gequält? Eine Katze vielleicht oder einen Hund? So lange gequält, bis es still war? Bis es vollkommen still war?“
Mit großen Augen starrte Jonas sie an. Paralysiert.
Schüttelte dann entsetzt den Kopf.
Die Lady lachte kurz auf. Blickte dann wieder nachdenklich zum Messer.
„Nein, ich auch nicht. Natürlich nicht. Das wäre ja…“
Sie stockte kurz.
„Das wäre ja verrückt. Vollkommen verrückt.“
Sie ließ das Messer in der linken Hand und wand sich zur Tür.
„Hab‘ ich doch glatt vergessen die Tür abzuschließen.“
Langsam drehte sie den Schlüssel der Haustür um.
Dann zog sie ihn ab und steckte ihn ein.
Sie ließ den jungen Mann dabei nicht aus den Augen.
Jonas starrte.
„Weißt du, wen ich total faszinierend finde?“
Ohne Jonas‘ Reaktion abzuwarten, beantwortete sie ihre Frage selbst: „Jeffrey Dahmer. Sagt dir der Name was?“
Jonas schüttelte vage den Kopf.
„Jeffrey Dahmer war einer der großartigsten Serienmörder seiner Zeit. Ich finde es absolut faszinierend, wie jemand 17 Menschen töten kann, ohne gefasst zu werden.“
Sie warf einen Blick in Jonas‘ Richtung.
„Er versuchte in die Schädel seiner Opfer Löcher zu bohren, damit er sie als willenlose Sexsklaven benutzen konnte. Naja, der Schuss ging wohl nach hinten los.“
Die Lady lachte erneut.
„Er bewahrte die Leichenteile im Kühlschrank auf, wo er sich an ihnen verging, wann immer er Lust dazu hatte. Das wäre mir persönlich zu heikel. Ich würde sehen, wie ich sie schnell genug loswerde.“
Die Lady hatte sich mittlerweile zum Kühlschrank gewandt und war nun im Begriff etwas hinauszuholen.
Es war eine Spritze mit einer recht großen Kanüle, dessen Inhalt mit einer blutroten Flüssigkeit gefüllt war. Nun kam die Lady auf Jonas zu, das Messer in der einen, die Spritze in der anderen Hand. Fast unmerklich schüttelte Jonas den Kopf.
Dann setzte die Herrin sich rittlings auf ihren Sklaven.
„Mir sind ein paar Dinge an deinem Verhalten aufgefallen, Jonas. Ein paar Dinge, die ich einfach nicht billigen kann. Zum Beispiel dein aufdringliches Verhalten beim Versenden der Kurznachrichten, die du mir schreibst. Es geziemt sich auch für einen Sklaven nicht, Forderungen und Ansprüche zu stellen. Und vor allem: Du hast mich angelogen im Bezug auf dein Alter. Und wenn ich eines nicht leiden kann, dann sind es Lügner!“
Um die Bedeutung ihrer Worte zu unterstreichen, ließ sie das Filetiermesser seitlich über Jonas nackte Haut gleiten. Der kalte Stahl hinterließ eine Gänsehaut, die sich rasch über den gesamten Körper ausbreitete.
„Ich möchte dich testen, Jonas. Ich möchte sehen, ob du meiner würdig bist. Du wirst den Inhalt dieser Spritze hier trinken, hörst du? Alles auf einmal und ich dulde keinen Widerspruch. Es ist ja nicht so, als hättest du die Wahl.“
Die Lady stand auf und füllte den Inhalt der Spritze in das vor Jonas stehende Glas.
„Ich werde nun die Fesseln von deinen Händen lösen. Ich möchte, dass du dein Glas nimmst und alles runter schluckst, in einem Zug.“
Mit einem schnellen Schnitt zerteilte die Lady die Fesseln mit dem Messer.
Jonas wirkte blass und unsicher. Betrachtete abwechselnd die Herrin und das Glas.
„Dahmer hat im Übrigen seine Opfer mit Schlafmitteln außer Gefecht gesetzt. Nur so als kleine Info.“
Die Lady lächelte.
Jonas wankte. Doch war ihm die Ausweglosigkeit seiner Situation bewusst. Er konnte nicht fliehen, er war ihr Gefangener. Sie würde ihn nicht gehen lassen, wenn sie es nicht wollte. Und so ergab er sich seinem Schicksal und fügte sich der Lady.
Entschlossen nahm er das Glas, schluckte den Inhalt in einem Zug hinunter. Verzog dann den Mund.
„Was war das?“
„Bloody Mary“ antwortete die Lady mit einem süffisanten Grinsen. Schnell befreite sie Jonas von den Fußfesseln und gab ihm einen Kuss auf die Stirn.
„Ich würde sagen, du hast dich als würdig erwiesen.“
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