Diese Geschichte basiert auf echten Ereignissen aus dem Umkreis meiner eigenen Familie. Natürlich hieß die inzwischen längst verstorbene ‚Cousine‘ weder Cäcilie Jansen noch ihr Kemal Jansen. Aber sie hatte mir damals vieles so lebendig erzählt, dass ich diese Geschichte als ihre eigenen Erzählung gestaltet habe, auch wenn ich mir natürlich Ausschmückungen erlaubt habe, die sie mir nicht so im Detail erzählt hatte.

‚Kemal‘ hat mir, als ich erwachsen war, nie etwas direkt über den Anfang seines Verhältnisses mit ‚Cäcilie‘ erzählt — das war tabu. Aber indirekt habe ich mir auch von seinem Anteil an der Geschichte ein gutes Bild machen können –und natürlich habe ich die Fotos von beiden aus der Zeit gesehen, überwiegend in schwarzweiß, aber auch eine Reihe farbiger Dias.

Die ersten Fotos, davon einige mit Notizen, aus dem gut versteckten Schuhkarton von der Mitte der sechziger Jahre zeigten eine etwas altjüngferliche und steif wirkende Cäcilie mit einer wohl schon damals altmodischen Brille, während der junge Kemal kleiner, aber agil und munter wirkte. Natürlich waren es auch Fotos, die sie zunächst jeweils nur allein zeigten — und demgemäß bei ihr auch eher in den Bereich der Präsentation bei den Vereinen oder im beruflichen Umfeld zu sehen waren. Das erste Foto mit ihnen beiden zusammen war allein auf einer Seite zu sehen — es war wohl eine Darstellung einer Überreichung eines Vereinspreises, den sie ihm offiziell überreichte. Sie war in einem damals üblichen Kostüm gekleidet mit Pumps und er in Sportkleidung mit Turnschuhen — sie war wohl knapp einen Kopf grösser und eher vollschlank zu nennen, während sein sportlicher Aufzug noch seinen schlanken, schlaksigen Körper unterstrich. Spätere Fotos zeigten sie Hand in Hand zusammen, wo Kemal etwas gesetzter und grösser wirkte und sie wohl flache Schuhe trug, denn sie war noch nicht einmal mehr einen halben Kopf grösser als er. Wie soll ich sie sonst beschreiben?

Cäcilie Jansen selber war eine selbständige Steuerberaterin geworden, während sie jahrelang auf ihren Fernverlobten wartete, der aber endgültig in 1961 als durch Heirat eingebürgerter Russe die Staatsbürgerschaft wechselte, nachdem in den Jahren davor immer wieder Hinweise auf den Verbleib des Offiziers in Russland auftauchten. Sie stand als Verlobte bis dahin zu ihrem Versprechen — und war nach 1961 dann schon über dreißig — und das bei dem Frauenüberschuss dieser Zeit….

Jede Woche kam damals in der Mitte der sechziger Jahre, als die Geschichte spielte, ihr Cousin zu Besuch — das war allerdings auch halb berufsmäßig, da er die Unterlagen von der Firma seines Stiefvaters mitbrachte zur Verarbeitung. Ihre zeitweilige Assistentin Patricia machte die Buchhaltung dafür und sie selber die steuerliche Optimierung — Gewinn machte sie mit diesem Geschäft weiß Gott nicht, aber es hielt den Kontakt zu ihrem Cousin.

Ihr bedeutend älterer Onkel hatte nach dem Tod ihrer Eltern im Krieg als Vormund die Erziehung übernommen. Deshalb war sie auch so überrascht, als er 1948 nach einer Auslandstätigkeit in der Türkei eine sehr junge Frau aus Anatolien geheiratet hatte, die bei ihrer Hochzeit knapp 16 Jahre alt war. Die junge Frau war damit rund drei Jahre jünger als sie und trotzdem ihre . Was ihren Onkel dazu getrieben hatte, sich so eine junge Frau zu nehmen, die praktisch halb so alt wie er selber war, verstand sie damals überhaupt nicht.

Vielleicht war es ja eine ‚Mussheirat‘, denn die junge Türkin war wohl schon schwanger gewesen. Kemal, ihr Cousin, war jedenfalls ein ‚Sechsmonatsbaby‘, das aber voll entwickelt war. Diese Ehe bestand nur kurz — ihr Onkel war bei einem Unfall verstorben, als sein Sohn noch keine drei Jahre alt war. Aida, die ihres Onkels, hatte dann drei Jahre später einen etwas jüngeren türkischen Mann aus der Heimat ihrer Eltern geheiratet. Es war ihr Cousin, der aus Anatolien nach Deutschland nachgezogen war und seine verwitwete mitbrachte. Cem hatte Kemal dann auch adoptiert und behandelte ihn wie seinen eigenen Sohn — er machte keine Unterschiede zwischen seinen eigenen, jüngeren Söhnen und seinem volljährigen Adoptivsohn. Er war stolz, dass er nur Söhne hatte.

Irgendwie gehörte Cousine Cilchen dort zur Familie und irgendwie auch nicht. Sie konnte nur wenig und gebrochen Türkisch — und das verhinderte einen engeren Kontakt, denn Cem und die beiden jüngeren Stiefgeschwister von Kemal konnten nur ein Brocken Deutsch. Die Familie hatte ihren Gemüsestand anfangs auf einem Markt in Berlin. Erst viel später hatten sie in der Nähe einen Laden in einer Straße, in der es nur Läden von türkisch- oder kurdischstämmigen Geschäftsinhabern gab.

Der Laden vergrößerte den Umsatz beträchtlich. Seitdem arbeiteten auch zwei ältere Cousinen von Kemal, die von Anatolien nachgezogen waren, in der Firma und lebten mit in der relativ kleinen Wohnung der Familie. Sie sprachen fast nur türkisch, weil die Mutter von Cem die beiden jüngeren Enkel ihres Sohnes privat in einer Koranschule unterrichten ließ. Weder die Cousinen noch seine jüngeren Geschwister kamen üblicherweise aus dem Viertel heraus.

Ihre Tante war die einzige, die richtig Deutsch konnte und auch gerne einsetzte, außer Kemal natürlich, bei dem Cäcilie eine rein deutsche Schulkarriere durchgesetzt hatte, als Aida noch nicht wieder verheiratet war. Das mit dem Argument, dass dies auch dem Wunsch ihres verstorbenen Onkels entsprach. Kemal, wie er genannt wurde, bediente zusammen mit Aida die deutschsprachigen Kunden im Geschäft, sobald er vom Gymnasium kam, während die Mehrzahl der türkischsprachigen Kunden von den Cousinen – und auch von Cem – bedient wurden.

Im Schatten – Teil 1

Wie alles begann

Ich war nicht unglücklich damals, jedenfalls redete ich mir das so ein. Es tat trotzdem weh, die einzige Unverheiratete im Kreis meiner Busenfreundinnen zu sein. Letztes Wochenende hatte meine Cousine Karen mit 32 Jahren geheiratet — und galt damit schon als alte Jungfer. Nun war ich die letzte im Kreis meiner Schulkameradinnen ohne Ehemann und ohne eigene Familie. Ich hatte in den letzten vier Jahren nicht den Richtigen gefunden — und es war mir inzwischen immer peinlicher, in meinem Alter mit sechsunddreißig auf die Suche nach einem Ehemann zu gehen. Es war wohl sehr naiv gewesen, darauf zu hoffen, dass der schmucke Luftwaffenoffizier jemals zurückkehren würde, wenn ich nach 1945 nie mehr ein direktes Lebenszeichen von ihm erhalten hatte, und die Nachricht von seiner Heirat in 1961 mit einer Russin machte mir das Ausmaß meiner Verblendung noch deutlicher.

Vielleicht würde ich jetzt noch mehr auf andere soziale Kontakte im Rahmen meiner privaten Aktivitäten in Vereinen angewiesen sein, da meine anderen Freundinnen inzwischen mehr im Kreis von Verheirateten aktiv waren. Ich war im Schützenverein und in einem Wassersportverein jeweils als Schriftwart tätig, wo ich auch dem jeweiligen Kassenwart half. Sehr aktiv war ich in den Vereinen nicht, bis auf kleine Touren per Boot mit Karen, die bis dato auch meine beste Freundin gewesen war.

Viele andere menschliche Kontakte hatte ich nicht. Ich hatte das schlichte, alte Haus geerbt, aber war sonst in der wohlhabenden Gemeinde eher eine Art Außenseiterin, die nur im kleinen Literaturkreis der katholischen Gemeinde Kontakt mit ‚Einheimischen‘ hatte. Und es gab nur relativ wenige Katholiken in Westberlin und noch weniger im Bereich des Havelsees. Einerseits war ich sehr zufrieden Hausbesitzerin zu sein — mein Vater als ehemaliger Arbeiter wäre stolz gewesen –andererseits war das Haus unpraktisch und unmodern mit vielen kleinen Zimmern, gemessen am Standard der meisten Villen in der Nachbarschaft. Das zeigte schon die Tatsache, dass es nur ein Plumpsklo draußen gab. Das Grundstück war aber relativ groß. Eines Tages würde dieses einen großen Wert haben, das war mir klar. Aber zu diesem Zeitpunkt war es auch eine Last, denn jedwede Modernisierung war teuer und nicht einfach von mir zu leisten. Eine weibliche Steuerberaterin wurde nicht von den zahlungskräftigen Kunden akzeptiert, sondern eher von denen, die auch knapp mit Geld waren. Aber auch diese erwarteten eine konservativ und dabei gut gekleidete Geschäftsfrau.

Freitag- und Samstagnachmittage waren die meisten Termine zur Besprechung. Im Rest der Woche war es eher Bürotätigkeit, die anfiel. Samstagabend hatte ich bisher im Sommerhalbjahr häufig eine Verabredung mit Karen gehabt zum Wassersport oder zum Kino, mitunter auch für ein nettes, gemeinsames Abendessen. Allein zu fahren oder ins Kino zu gehen, war genauso doof wie alleine ein Wochenendmenü zu machen.

Als Kemal an diesem Samstagnachmittag mit den Unterlagen kam – wie üblich nach den Öffnungszeiten meiner Steuerberatungspraxis – da hatte ich mich schon umgezogen und trug ein Sommerkleid. Halb spontan lud ich ihn zum Abendessen ein, was ich seit Jahren nicht mehr gemacht hatte, weil ich ihn sonst nur bei seiner Familie besuchte.

Halb deswegen, weil ich wohl unbewusst Hackfleisch gekauft hatte, das er in Form von Spaghetti Bolognese für sein Leben gern mochte, wie ich von den Besuchen einmal im Moment in seinem Elternhaus wusste. Und als achtzehnjähriger haute er so richtig rein, dass es eine wahre Freude war, ihm zuzuschauen. Er war so dankbar für diesen unerwarteten Genuss, dass er mir beim Abschied einen Kuss auf die Wange und eine halbe Umarmung gab, was sonst so gar nicht seine Art war und sich auch noch nett bedankte:

„Cousine Cilchen, das war voll das Supergericht! So etwas Gutes habe ich diese Woche noch nicht gehabt.“

Natürlich freuten mich sein Kompliment und auch seine Begeisterung, aber die halbe Umarmung hatte mich auch überrascht. Wie gesagt, das war ich von ihm nicht gewohnt und brachte mich leicht aus dem Gleichgewicht. Im Nachhinein betrachtet, war dieser Abend vielleicht der Auslöser.

Am folgenden Samstag kam er früher, weil er beim Wassersportverein einen Preis für Wasserwanderkilometer abholen wollte, den ich ihm in meiner Funktion als Schriftwart überreichen durfte mit dem Wanderwart als Zeugen. Das war ein offizieller Anlass und so trug ich natürlich das hellgraue Kostüm und eine weiße Bluse sowie Nahtstrümpfe und schwarze Pumps. So bekam er mich gewöhnlich nicht zu sehen — und er musterte mich von Kopf bis Fuß eindringlich.

Jedenfalls lud ich ihn zur Feier des Preises bei mir ein — das hätte ich auch ohne seine mich bewundernden Blicke gemacht. Es gab Berliner Buletten aus Rinderhack mit scharfem Senf und schlesischen Kartoffelsalat ohne Speck, den er auch gerne mochte. Und zur Feier des Tages gab es zuerst ein Glas Sekt — ich hatte zwei Piccolo-Flaschen gekauft — und zum Essen hatte ich ihm eine Flasche Berliner Pils gegönnt, während ich mir den zweiten Piccolo zugedacht hatte.

„Mensch, Cousine Cilchen, du weißt doch, dass ich Muslim bin. Und mit Alkohol ist das so eine Sache…“

„Kemal, Dein anatolischer Vater hat doch auch Rotwein aus der Türkei gekauft — und trinkt schon mal ein Glas, wenn Deine Mutter nicht da ist. Es ist doch ein echter Anlass mit Deinem gewonnenen Preis! Du bist jetzt volljährig und hast das auch verdient.“

Das Zögern dauerte keine Sekunde — und er nahm das Glas Sekt in die Hand, um mit mir anzustoßen. Der Preis hatte ihn gefreut, das sah man ihm an. Er nahm einen Schluck, lächelte und dann haute er in die Buletten und den Kartoffelsalat hinein, als ob er den ganzen Tag noch nichts gegessen hätte. Es machte einfach Spaß, ihm dabei zuzuschauen. Natürlich hatte ich auch das Gefühl, dass meine Kochkunst hier einen guten Teil dazu beitrug. Ich füllte sein Pilsglas mit dem schaumigen Bier und sah sofort, wie ihn das reizte. Natürlich hatte er sicherlich von seinem deutschen Freunden schon häufiger gehört, wie diese Bier konsumierten und genauso von seinen kurdischen Kemaladen, von denen ich das auch wusste. Aida war in dieser Hinsicht so etwas wie eine übereifrige . Weil sie ursprünglich MEINEN Onkel geheiratet hatte, der ein Christ war, so übertrieb sie es nun in der Einhaltung der muslimischen Vorschriften mehr als ihr eigener, zweiter Ehemann, der doch eigentlich mehr Jahre in einem muslimischen Umfeld verbracht hatte als sie selber. Ein guter Teil davon war vielleicht auch dem Einfluss von Özil geschuldet, der Schwiegermutter von Aida.

Kemal jedenfalls genoss das Bier in vollen Zügen. Vielleicht war es nicht richtig, dass ich ihn quasi dazu verführte, es genauso wie seine deutschen und kurdischen Kemaladen zu machen, wenn seine Mutter das missbilligte. Andererseits war er der Sohn von meinem Onkel, der genau dieses Pils als junger Vater mit einem Behagen genossen hatte, an das ich mich immer noch lebhaft erinnerte. Das war zwar schon bald zwei Jahrzehnte zurück, aber ich hatte es natürlich noch in der Erinnerung, obwohl ich damals gerade mal ein Teenager gewesen war. Diffus fühlte ich, dass ich das meinem so früh gestorbenen Onkel irgendwie schuldig war. Kemal hatte jedenfalls eine nicht zu übersehende Ähnlichkeit mit meinem Onkel, als der so alt gewesen war. Ich muss wohl in Gedanken verloren gewesen sein, als er mich ansprach:

„Cousinchen, Du musst aber auch ein Glas Bier trinken, sonst fühl‘ ich mich so allein dabei und kann auch nicht anstoßen…“

Na gut, herbes Bier war nicht mein Fall und dann wirkte es bei mir auch recht harntreibend. Ich wollte ihm aber nicht die Freude an diesem Tag nehmen. Also ließ ich mir von ihm auch ein Glas einschenken. Das goldgelbe, erfrischende Getränk war eine klassische Kombination zu den gut gewürzten Buletten, die deswegen auch Durst machten. Vielleicht deshalb floss es flüssiger durch meine Kehle, als es sonst bei dem bitteren Hopfen darinnen der Fall gewesen wäre. Und wie sagt man so schön, in Gesellschaft schmeckt es sich halt besser. Kemal hatte es inzwischen nicht mehr ganz so eilig mit dem Essen. Er war ganz aufgekratzt und erzählte viel von dem sportlichen Training, dass er machte. Darauf konnte er stolz sein. Er war zwar schlank und zierlich, aber er hatte auch Muskeln.

Spätestens bei dem Nachttisch fühlte ich mich plump satt. Ich hatte yalanci tavuk gögüsü (falsche Hühnerbrust) zubereitet. Eines der wenigen Rezepte, die ich im Laufe der Jahre von Aida mitbekommen hatte und von dem ich wusste, dass es Kemal gefiel. Kemal machte nicht den Eindruck, als ob er schon beim Essen aufgeben müsste. Er schlug auch bei dem Nachttisch noch ordentlich zu. Ich machte uns noch einen richtig schönen Mokka — auch das hatte ich von Aida gelernt.

Inzwischen dämmerte es schon draus, sodass ich einige Kerzen auf den Esszimmertisch stellte. Jetzt machte Kemal einen hochzufriedenen und schon leicht trägen Eindruck, als er genüsslich den Mokka schlürfte. Ich tat es ihm nach und freute mich daran, wie er das ganze offensichtlich genossen hatte. Dann merkte ich allerdings, dass weder das Bier trinken noch den Mokka schlürfen eine gute Idee gewesen waren — jedenfalls nicht was meine Blase betraf. Lieber wäre es mir gewesen, wenn ich das noch hätte aufschieben können, bis er gegangen war, aber das war einfach nicht möglich.

„Kemal, es tut mir leid, aber ich muss Dich für einige Momente alleine lassen, denn ich muss mal für kleine Mädchen.“

„Cousinchen, es ist doch schon bald dunkel draußen. Da kannst Du doch nicht ohne Lampe und dazu ganz alleine aus dem Haus durch den Garten gehen? Ich habe eine Taschenlampe in meiner Sporttasche — ich lasse Dich doch nicht im Dunkeln ohne Begleitung außerhalb des Hauses gehen!“

Diese Fürsorglichkeit rührte mich zwar, aber andererseits nervte mich das auch. Wer braucht schon eine Begleitung zum Plumpsklo? Es heißt ja nicht umsonst, dass das der Ort ist, wo auch der Kaiser zu Fuß hingeht. Gleichzeitig wusste ich natürlich, dass Aida nach Einbruch der Dämmerung keinen Fuß mehr vor die Tür setzte, ohne von einem der Männer in ihrer Familie begleitet sein. Das war auch Kemal schon in Fleisch und Blut übergegangen. Es würde eine lange Diskussion geben, wenn ich das ablehnte — das war mir schon klar. Für eine lange Diskussion hatte meine Blase aber gar keine Zeit, das signalisierte sie mir überdeutlich. Also räumte ich schnell den Tisch ab, während er seine Taschenlampe holte.

Draußen im Garten dämmerte es deutlich, aber der Einsatz einer Taschenlampe — und schon gar nicht dieser langen und schweren Stabtaschenlampe, die wohl über 100 Meter leuchten konnte — war noch nicht wirklich erforderlich. Er machte sie trotzdem demonstrativ an und ich ließ ihm seinen Spaß daran. Er war stolz, meine männliche Begleitung zu sein. Es war nur ein Dutzend Meter bis zu dem kleinen Holzhäuschen, aber er erleuchtete jeden einzelnen davon. Ich musste mich anstrengen, um mir ein Lächeln zu verkneifen, ich wollte seine Ernsthaftigkeit dabei nicht in eine herabsetzende Lächerlichkeit umwandeln. Am Ende des Weges streckte ich einfach meine Hand aus:

„Kemal, bist Du bitte so nett und gibst mir Deine Taschenlampe, während Du zum Haus zurückgehst? Du bekommst sie dann auch gleich wieder zurück.“

„Cousinchen, das ist meine Taschenlampe. Die brauche ich, um etwaige Angreifer abwehren zu können, während ich Dich hier beschütze!“

Das war so absurd, dass ich einen Moment brauchte, um zu begreifen, dass er es tatsächlich ernst meinte. Wenn ich es nicht so eilig gehabt hätte, dann hätte ich ihm schon meine Meinung gesagt. Aber wie hatte ich annehmen sollen, dass er hier als persönliche Schutzwache vor dem Plumpsklo stehen bleiben wollte? Ich ließ mich also auf keine Diskussion ein und verschwand in dem kleinen Häuschen. Innen drin war es ziemlich dunkel, sobald ich die Tür ganz abgeschlossen hatte. Nun ärgerte ich mich, dass ich keine eigene Lampe mitgenommen hatte — wie ich es sonst immer machte — sondern mich darauf verlassen hatte, dass er mir schon die Taschenlampe geben würde. Das würde mir nie wieder passieren, schwor ich mir!

Gezwungenermaßen ließ ich die Holztür einen dreifingerbreiten Spalt offen, indem ich den Haken an der Tür nicht in die erste, sondern in die zweite vorhandene Öse steckte. Damit kam gerade genügend Licht herein, um sicher zu gehen, dass sich keine gruseligen Spinnen in der Dunkelheit an mich heran pirschen konnten. Genau wegen der Spinnen hatte ich die zweite Öse für meine Freundin Karen anbringen lassen, die sich darüber beschwert hatte und die einer Taschenlampe nicht traute. Erst in diesem Moment wurde mir klar, dass der offene Türspalt natürlich alle Geräusche herauslassen würde, weil die Tür nicht hermetisch abgeschlossen war. Das war mir schon peinlich, aber es war inzwischen so dringend, dass ich die Beine kreuzen musste, ergo hatte ich keine Wahl. Dann kam der zweite Gedanke hinterher, dass mein Cousin durch den Spalt etwas sehen könnte. Der Gedanke war mehr als peinlich, das war schon eine ausgesprochen heikle Situation, wenn er sehen konnte, wie ich mich auszog! Aber was sollte ich machen? Ich war zum Bersten voll – jeden Moment konnte ich die Kontrolle über meine Blase verlieren, das wäre auch voll beschämend.

Was eine tägliche Routine ist, wird einem nicht mehr bewusst. Hier war es jedoch alles andere als ein gewohnter Ablauf. Ich hatte das Gefühl, dass er jeden Moment durch die Ritze hindurchgucken könnte und das machte mir beinahe jede einzelne Bewegung bewusst, die sonst automatisch und ohne Überlegung ablief. Alleine schon den Reißverschluss zu öffnen und engen Rock hochzuziehen, kostete schon ein beträchtliches Maß an Überwindung. Als nächstes verfluchte ich den langen Hüfthalter, der zwar im Bleistiftrock eine gute Figur bewirkte, aber in diesem Fall erst das Öffnen aller Strumpfhalter erforderte, bevor ich es ausreichend hochziehen konnte, um auch den Schlüpfer herunterziehen zu können. Und natürlich hatte ich genau in dem flüchtigen Moment den Eindruck, sein Gesicht durch den Spalt aufblitzen zu sehen. Schnell setzte ich mich auf die hölzerne Abdeckung mit der zweiten kreisrunden Öffnung hin. Dieser zweite Platz war nicht so ganz im direkten Sichtwinkel der Ritze, jedenfalls hoffte ich das. Ich setzte mich mit soweit geschlossenen Beinen, wie es zum Pipi machen erfahrungsgemäß gerade noch möglich war. Ich saß noch nicht ganz, da schoss es schon geräuschvoll aus mir heraus und landete laut plätschernd in der Grube. Ich hatte das Gefühl, dass es noch zehn Meter weiter hörbar sein müsste. Gott — war das alles peinlich!

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