Schutzsuchend kämpfte sich die junge Frau durch den unbarmherzig wütenden Aschesturm. Die Sicht betrug nicht einmal fünf Meter, die aufgewirbelte Asche legte sich wie Schnee auf ihre lederne Kleidung und es war nur ihrer Gasmaske zu verdanken, dass sie inmitten dieses Aufbäumens der geschändeten Natur nicht einfach nach Atem ringend zu Boden stürzte und wie ein Fisch auf dem Trockenen nach Luft schnappend von der Asche begraben wurde.

„Heute nicht.“, sagte sie immer wieder laut und hörte sich bei dem lauten Pfeiffen des Windes selbst nicht. „Heute nicht.“ Das sagte sie immer, wenn der Tod seine knochigen Finger nach ihr ausstreckte.

Heute nicht.

Es war nicht nur die Asche, die den Sturm so tödlich machte, sondern auch die Winde, die zuweilen eine Geschwindigkeit erreichten, dass sie einen Menschen wortwörtlich fortwehen konnten. Sie musste einen Unterschlupf finden, irgendetwas. Die eiserne Regel besagte im Falle eines Aschesturmes, etwas mit einem stabilen Fundament aufzusuchen. Einen Keller oder eine Höhle vielleicht, doch sie würde sich in diesem Moment sogar in einer Mülltonne verkriechen, wenn sie denn eine finden würde.

Es war zunehmend schwerer, vorwärts zu kommen. Die Asche zu ihren Füßen wurde immer höher, bis zu den Knöcheln versank sie in der grauen, weichen Masse, die überall um sie herumwirbelte. Ein Leben im Ödland lehrte sie eines: Immer einen kühlen Kopf bewahren, immer rational denken. Sie kämpfte das schleichende und ekelhafte Gefühl der Angst nieder, welches wie eine Schnecke ihren Rücken hinauf kroch, sie kämpfte es nieder, biss die Zähne zusammen und ging weiter.

Die Augen offenhaltend, watete sie durch die Aschewüste, blickte nach links und nach rechts, nach irgendetwas, einem Autowrack, einem Müllcontainer, einer Ruine, hauptsache es würde ihr Schutz gewähren. Es mochte der Wink des Schicksals sein, dass sie erst über ihre Rettung stolpern musste, um sie zu bemerken. Vor ihr im Boden war ein Kanalschacht, zumindest hielt sie es für einen. Es war eine von Beton ummantelte, kleine Einstiegsluke.

Was es war oder wohin es führte, war der Frau egal, sofort und ohne zu überlegen drehte sie in ihrer Not ächzent an dem eingerosteten Gewinde, öffnete die Luke und blickte in die gähnende Finsternis hinab, in die eine schmale, braune Leiter führte, deren Lack bereits abblätterte. Nur ein kleiner Moment des Zögerns, dann ergriff sie ihre Taschenlampe und die Chance, die ihr das Schicksal gegeben hatte.

*

Gespenstisch halte das Heulen des Sturms an der Oberfläche durch den schmalen Tunnel, der nun vor ihr lag. Laut ihrem Geigerzähler war die Radioaktivität in diesen Tunneln sehr gering, also nahm sie ihre Gasmaske ab und klopfte die dichte Ascheschicht von dem schwarzen Gummi, ehe sie die Maske an dem Karabinerhaken ihres Gürtels befestigte. Es war die Neugier, die sie tiefer in den Tunnel trieb, den schmalen Lichtkegel ihrer Lampe voran, dicht gefolgt von dem Lauf ihres Sturmgewehrs.

Man konnte nie wissen, was einen in den Eingeweiden der Erde erwartete, vorallendingen nicht, wenn an ihrer Oberfläche ein lebensfeindlicher Sturm tobte und sich alles Leben in den Schoss der Tiefe verkroch. Obwohl ihre Schritte leicht und agil waren, so hallte doch jeder von ihnen leise in dem Tunnel nach. Plötzlich ein poltern, ein Klicken in den Wänden. Es klang, als ob sich ein Mechanismus in Bewegung gesetzt hätte, uralt und von ihr unbegreiflichen Maschinen in gang gesetzt. Über ihr flackerten plötzlich die Lampen an der Decke auf, vergilbte, antike Leuchten, von denen mehr als die Hälfte nicht mehr funktionierte. Dennoch erfüllten sie den Gang mit einem blassen Licht und wiesen den Weg in einen Vorraum, kaum zwanzig Meter von ihr entfernt, in dem ein gewaltiger Durchgang lag. Es handelte sich dabei nicht um eine Höhle oder ein Gebäude, wie sie es bisher gesehen hatte, sondern um eine große, stählerne Pforte in Form eines Zahnrades. Das Tor zu diesem Eingang lag abgesprengt an der Seite und sofort musste sie sich fragen, welche Macht es wohl gebrochen haben mochte.

Sie ging näher auf dieses fantastische, unterirdische Bauwerk zu, bei welchem es sich um eines der unzähligen Relikte aus den vergangenen Tagen zu handeln schien, als die Menschheit noch Größe besaß und nicht wie Kakerlaken zwischen Trümmern und Abfall hauste.

Beinahe schon ehrfürchtig betrat sie den Vorraum und stand nur wenige Meter von dem Durchgang entfernt, als ihre Sinne plötzlich wie Sirenen in ihrem Inneren aufheulten. Sie hatte gelernt, auf ihren Instinkt zu hören und hätte sie genau hingehört, statt über ihren Fund zu staunen, hätte sie die Gefahr vielleicht rechtzeitig erkennen können.

Ein bulliger Mann trat aus dem zerschossenen Eingang heraus. Trotz des dämmrigen Lichtes erkannte sie sofort die Schrotflinte in seiner Hand, die er demonstrativ über die Schulter gelegt hatte.

„Na, wenn haben wir denn da? Eine Ödlandratte, die sich verlaufen hat?“

Ehe sie antworten konnte hörte sie das dreckige Gelächter seiner Komplizen hinter ihrem Rücken. Zwei Männer, die sich zwischen den Trümmern versteckt hatten, traten hervor und postierten sich links und rechts hinter ihr. Ein Blick über die Schulter sagte ihr, dass der eine mit einem böse aussehenden Speer und der andere mit einem Revolver bewaffnet war und ihre rohen, schmutzigen Gesichter zeugten davon, dass sie sie Waffen schon oft eingesetzt hatten.

Alle beide trugen sie zerrissene Kleidung, zusammengestohlene Rüstungsstücke und waren mit Messern und Munition behangen „Waffe runner…“, sagte der eine von ihnen und stubste sie mit dem Speer an. Augenblicklich gehorchte die Ödländerin, senkte ihr Sturmgewehr und legte es zu Boden, ohne dabei den Hünen, der breitbeinig vor der Pforte stand, aus den Augen zu lassen.

„Brav, sehr brav.“, sagte er schließlich und schlenderte auf sie zu. Seine Stimme war kräftig und polternd und passte zu seiner gesamten Erscheinung. Der Mann war bestimmt 1,90 m groß, mit einem breiten Kreuz und muskulösen Armen. Er trug eine mehrmals gestopfte Tarnhose, die in schweren Armeestiefeln steckte. Sein Körper, der frei lag und dessen Brust zwei Taschengurte kreuzten, war von schlecht gestochenen und chaotisch plazierten Tätowierungen übersäat, von denen die auffälligste ein Haifisch mit weit aufgerissenem Maul auf seinem Bauch war.

Sein kahlgeschorener, vernarbter Kopf mit den böse funkelnden, grünen Augen, war kantig und sehr maskulin, jedoch von herausragender Hässlichkeit. Er er baute sich vor ihr auf und sah sie von oben bis unten abschätzend an. „Was glaubst du Schlampe eigentlich, wer du bist?“, fragte er und zerrte dabei wie selbstverständlich an dem Reissverschluss ihrer Lederjacke. Sie ließ es geschehen, gab ihm keine Antwort und sah ihm fest in die Augen.

Angewidert rümpfte sie die Nase, als er ihre Lederjacke öffnete und mit freudigem Gesicht ausstieß: „Was hat die Süße große Titten! Ha!“ Sofort packten seine groben Hände ihren Busen und walkten ihn durch ihr braunes, bauchfreies Top brutal durch. Er war völlig mit ihren Brüsten beschäftigt und auch ihre beiden Bewacher, die verzweifelt versuchten, über ihre Schulter hinweg auch einen Blick auf die angepriesene Pracht zu erhaschen, wurden unaufmersam. Sie bemerkten nicht das Springmesser, dass sie heimlich aus der Tasche zog und als das so bekannte „SCHIK“ ertönte, war es schon zu spät. Sie schnellte nach hinten und rammte dem Kerl mit dem Speer das Messer ins Auge. Brüllend stürzte dieser zu Boden und sie nutzte die Gelegenheit der Verwirrung, griff sich seine Pistole und schoss ihrem Nebenmann kaltblütig in den Kopf. Seine Hirnmasse spritzte quer durch die Vorhalle und sein dümmlicher Blick sagte aus, dass er nicht einmal begriffen hatte, was ihn da gerade getötet hatte.

Gerade, als sie sich dem Großen zuwenden wollte, machte ein brutaler Faustschlag ihrer Gegenwehr ein plötzliches und schnelles Ende.

*

„Dämliche Fotze. Mieses, dreckiges, verdammtes Luder. WACH AUF!“

Eine Ohrfeige riss sie aus der Ohnmacht. Orientierungslos und von Kopfschmerzen geplagt blickte sie sich um. Sie befand sich in einer dunkeln, Zelle mit rostigen, leeren Metallwänden, einem Bett, das zu geräumig für eine gewöhnliche Zelle war, einem Waschbecken und einer Toilette. Man hatte sie völlig nackt an in den Wänden befestigten Ketten angekettet. Niemals fühlte sie sich hilfloser, als in diesem Moment. Vor ihr stampfte der Große mit dem Haifischtattoo wütend auf und ab und beschimpfte sie dabei auf heftige Art und Weise, ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen.

Als er jedoch feststellte, dass sie wach war und ihn mit ihren blauen Augen anfunkelte, da gab er ihr gleich noch eine Ohrfeige, dass ihre Ohren klingelten und sagte, plötzlich mit ruhigem, doch durch und durch gehässigen Ton: „Guten Morgen, meine Schöne.“ Lange sah er sie mit seinem hässlichen Gesicht und einem dümmlichen, ironischen Grinsen an, ehe es sich in einem plötzlichen Anfall zu einer hässlichen Fratze verformte und er ihr im Wechsel links und rechts schallende Ohrfeigen gab. „Wer.Glaubst.Du.Wer.Du.Bist?“, bellte er, jedes Wort von einer Ohrfeige begleitet und schlug ihr zum Abschluss mit seiner wuchtige Faust so fest in den Bauch, dass sie dachte, sie müsse sich übergeben.

Die Ödländerin nahm die Prügel schweigend hin. Sie wollte diesem Schwein nicht die Genugtuung geben, zu schreien, ihm auch nur einen Augenblick mehr Aufmerksamkeit zu geben, als er verdiente. Ihr Stolz brachte ihn noch mehr in Rage, doch schien er es leid zu sein, seine Gefangene zu schlagen. Stattdessen zog er einen Stuhl heran und ließ sich müde darauf niedersinken. Er runzelte die Stirn und sah sein nachdenklich an. „Stell dir vor“, begann er schließlich, „du empfängst nichtsahnend einen Gast, bist bereit ihm Obdach und Schutz zu gewähren, trotz seines dreisten Einbruchs und trotz der Waffe in seiner Hand.“

Sie ließ ihn nicht aus den Augen. „Und da wird mein Vertrauen aufs schändlichste ausgenutzt. Ein Schwerverletzter und ein Toter sind der Preis für meine Gastfreundschaft. Das Volk schreit: ‚Rache! Rache!‘ und gibt mir die Schuld, doch ich sage: Wer sind wir, wenn wir uns von solch niederen Gefühlen leiten lassen?“ Die geschwollene Art dieses Banditen wollte nicht so recht zu seiner Gesamterscheinung passen, doch repräsentierte er den gefährlichsten Typus Mensch in dieser wie in jeder anderen Zeit: Intelligent und rücksichtslos. Das wurde ihr augenblicklich klar, als sie in seine kühl kalkulierenden, doch vom Jähzorn geplagten Augen sah.

„Es ist in deinem eigenen Interesse, dich unter meinen Schutz zu stellen. Wenn du diese Zelle verlässt, kann ich derzeit für nichts garantieren. Ich lade dich ein, mein Gast zu sein, bis sich die Wogen geglättet haben.“ Weiterhin fixierte sie ihn mit ihren blauen Augen und gab keinen Ton von sich. „Nun“, er räuspert sich und erhob sich von seinem Stuhl. „Um dir zu zeigen, dass ich es ernst meine und doch ein aufrichtiger Kerl bin, werde ich dich jetzt von diesen so unbequem aussehenden Fesseln befreien.“

Irritiert beobachtete sie, wie er hinter sie trat und ihre Handschellen aufschloss. Sie sah seine Flinte, die an der Wand lehnte und stürzte augenblick darauf zu als sie plötzlich ein mörderischer Schmerz im Kopf überfällt. Es war wie ein Stromschlag, beissend und penetrant, ein Schmerz, der vn ihren Zehen bis in die Haarspitzen reichte und überall die gleiche, schreckliche Intensität besaß. Schreiend stürzte die junge Frau zu Boden, als der Schmerz plötzlich eben so schnell wieder verschwunden war, wie er kam. Sie sah den Hünen an, der vor ihr stand und grinsend eine kleine Fernbedinung in der Hand hält. Dann tippte er auf seinen Hals.

Ihr Herz beginnt vor Entsetzen zu rasen, als sie mit den Händen das metallene Halsband fühlte, welches sie weitaus mehr ihrer Freiheit beraubte als jede Kette dieser Welt. Es war ein Sklavenhalsband.

Er musste lachen und es wurde deutlich, wie sehr er sich an ihrem Entsetzen weidete. „Ich musste auf Nummer sicher gehen, Süße.“ Er verschränkte die Arme und sah sie mit einem überlegenen Lächeln an. „Die meisten Frauen hier draußen ausserhalb der Wehrstädte haben nicht mehr alle Zähne im Mund, sind mutiert, krank, einfach nur verbraucht. Für eine gute muss man schon einen Haufen Geld bezahlen. Und da kommst du hier rein, wie auf dem Präsentierteller. Dicke Titten, blonde Haare, blaue Augen, ein draller Arsch und schöne, weiße Zähne. Du siehst aus wie die Schlampen in den alten Wichsmagazinen, weißt du das? Ich weiß nicht, wie du das machst, ob die Natur dich diese ganze Scheisse da oben einfach unbeschadet überstehen lässt, aber eins weiß ich: Deine hübsche Visage hat ihr für ziemlichen Wirbel gesorgt.“

Seine Blicke fuhren hungrig über ihren nackten Körper und sie sieht die sich immer mehr hervorhebenden Konturen seiner Männlichkeit, die gegen die Tarnhose drückte. „Ich werde dafür sorgen, dass die Disziplin in meinem Domizil wieder hergestellt wird.“, schnaufte er und nestelte bereits an seiner Hose. „Aber dafür kannst du dich jetzt bei mir erkenntlich zeigen.“ Sie versuchte zu fliehen, doch sein massiger Körper, der sich von hinten auf sie stürzt, begrub sie unter sich wie ein Fels. Sie versuchte sich mit Schlägen und Tritten zu befreien, doch alles, was er für ihre Gegenwehr übrig hat, war ein vergnügtes Lachen. Er griff grob ihre Haare und presste ihr Gesicht auf den kühlen Boden, dann drückte er mit seinen Knieen ihre Schenkel auseinander.

Die Ödländerin gab kein Geräusch von sich, keinen Ton, als er sich in ihren Eingeweiden versenkte und seine brutalen, donnernden Stöße ihr schier das Kreuz brachen. Sie schloss die Augen. Die Handflächen links und rechts von ihrem Gesicht auf dem kühlen Boden gelegt, fragte sie sich, wer hier wohl gehaust haben mochte, wessen Füße über diesen kalten und einstmals sicher sauberen und sterilen Boden gewandelt waren, bevor der Haifisch und seine Bande dieses Relikt übernommen hatten. In diesem Moment, in dem sie auf dem schmutzigen Boden, tief unter der Erde vergewaltigt wurde, da erschienen ihr die Erbauer dieser Einrichtung gar übermenschlich.

„Nnnnngghh!“ Er flutete ihre Gebärmutter mit seinem Samen, stieß noch ein mal zu, bevor er sich dreckig lachend aus ihr entfernte. Die Ödländerin blieb einfach liegen, sie fühlte die Nässe zwischen ihren Beinen und hoffte in dem Moment, dass es Blut war. Sie schämte sich und war zornig, doch kein Wort verließ ihre Lippen, kein Weinen, kein Wimmern, nicht einmal eine Beschimpfung, diesen Triumph würde sie ihm nicht geben. „Ganz gut. Liegst da zwar wie ein Brett, aber das war schon mal ganz gut.“ Sie wagte nicht, sich umzudrehen. „Ich komme später wieder, Schlampe.“, lachte er und ging auf die Schleusentür zu, die sich nach einigen Tastendrücken auf der Konsole in der Wand öffnete. „Ach ja“, sagte er. „Ich habe da noch was für dich.“ Wieder drückte er auf die Fernbedienung und wieder dieser irrsinnige Schmerz in ihrem Kopf, der sie diesmal laut aufschreien ließ.

*

Alleine und nackt saß die Ödländerin auf dem Bett ihrer Zelle und leckte ihre Wunden. Ihre Verletzungen hielten sich in Grenzen, wichtiger als ihr Körper war jedoch ihr Geist. Sie würde sich von diesem Banditen nicht brechen lassen, weder mit noch ohne diesem Sklavenhalsband, dieses Versprechen gab sie sich in dem gedämpften Licht ihrer dreckigen Zelle.

Plötzlich öffnete sich die Tür und sie machte sich auf weitere Gewalt gefasst, doch zu ihrer Überraschung stand nicht ihr Peiniger, sondern eine junge, zierliche Frau in der Tür. „Hallo, mein Name ist Melissa.“, sagte sie freundlich und trat ein. Unter dem Arm trug sie ein Bündel, welches sie auf das Bett legte und sah sich die Platzwunde an dem Kopf der Ödländerin an, die sie wie eine Katze bereit zum Sprung fixierte. „Keine Sorge, ich tue dir nichts. Geralt hat mich geschickt, ich soll dich etwas frisch machen und nach dir sehen.“ Geralt. Sicher war das der Name des Haifischs. Melissa griff in das Bündel und holte eine kleine Erste Hilfe Tasche heraus. Während sie in dem Täschchen kramte, sah die Ödländerin sich die Frau genauer an. Sie mochte nicht älter als sie selbst sein, vielleicht 19 oder 20 Jahre. Ihr Gesicht war einerseits von einer jugendlichen Frische, andererseits von einer schlimmen Traurigkeit erfüllt, die durch ihre dunklen, großen Augen noch verstärkt wurde. Ihr zierlicher, doch weiblicher Körper steckte in der freizügigen Kleidung, wie sie Huren oder Lustsklavinnen zu tragen pflegten.

„Darf ich?“, fragte sie, mit einem in Alkohol getränkten Wattepad in der Hand. Die geschundene Frau nickte und sogleich machte sich Melissa daran, die Wunde an ihrem Kopf zu reinigen und zu desinfizieren. „Ist halb so wild. Es wird sicher eine Narbe geben, aber ich glaube das fällt bei deinem hübschen Gesicht kaum auf.“ Ihr Schweigen schien sie kommentarlos hinzunehmen, denn sogleich fuhr sie fort: „Geralt hat eine Menge Ärger wegen dir. Die Männer sind ausser sich, dass du Rob erschossen hast. Sie wollen Blut sehen, vornehmlich dein Blut. Wenn du ihnen in die Hände fällst…“ Sie tupfte vorsichtig die Wunde ab und der Alkohol brannte wie Feuer in der Verletzung. „Sie werden mich vergewaltigen, genauso wie dieser Geralt.“, sagte die Ödländerin und Melissa sah sie verblüfft an. „Oh, du kannst ja sprechen. Geralt sprach von der mysteriösen ’stummen Nutte‘, es hat ihn wirklich geärgert, dass du nicht geschrieen hast.“ Melissa lachte ein gequältes, bitteres Lachen.

„Gehörst du zu ihm?“, fragte sie mit Blick auf Melissas fehlendes Sklavenhalsband. Sie schien den Blick zu bemerken und entgegnete: „Ich gehöre ihm. Bin sozusagen Teil seines Inventars. Geralt besitzt mich schon seit zwei Jahren, das ist eine lange Zeit für eine seiner Lustsklavinnen.“ – „Warum hast du kein Halsband?“ Sie seufzte und legte das blutige Wattepad zur Seite. „Ich habe bewiesen, dass ich gehorsam bin. Ausserdem habe ich mir einen gewissen Status bei ihm erarbeitet. Man könnte sagen, dass mir Geralt vertraut, zumindest soweit man einer vertrauen kann.“

Sie lächelte vielsagend und klebte ihrer Patientin ein Pflaster auf die Wunde. „Zwischen deinen Beinen ist…?“ – „Es ist alles in Ordnung. Es war für mich nicht das erste Mal…“ Melissa lächelte traurig. „Für die wenigsten von uns. Gerade das Ödland ist ein gefährlicher Platz für uns Frauen.“ Als sich die junge Frau wegdrehte, wurde sie von der Ödländerin genaustens gemustert. Sie sah nicht aus wie eine typische Lustsklavin. Zwar war sie schön, mit einem hübschen, zierlichen Gesicht, schönen Lippen und einer zierlichen, doch weiblichen Figur mit kleinen Brüsten und schön geschwungenen Hüften, die in langen Beinen endeten, doch war ihre Haltung zu naiv, zu optimistisch, als das sie wie eine Sklavin erschien, sie wirkte beinahe schon mädchenhaft.

„Was hast du für ihn getan, um dir sein Vertrauen zu erwerben?“, fragte die Ödländerin und Melissa, als hätte sie auf diese Frage gewartet, setzte sich lächelnd neben sie auf das Bett. „Ich habe ihm im Bett Freude bereitet und ihm gezeigt, wie sehr ich ihn genieße.“ Das Funkeln in ihren Augen, dieses durchtriebene, wolllüstige Glitzern in ihren so unschuldig wirkenden Rehaugen verriet sogleich die Seite, die man ihr auf den ersten Blick so schwer anmerken mochte. „Am Anfang war es für mich auch nicht leicht“, fuhr sie ohne Umschweife fort. „Er nahm mich mit solcher Brutalität, dass ich Tagelang nicht laufen konnte. Ich wehrte mich und versuchte gegen ihn zu kämpfen, doch er bekam doch immer, was er wollte. Also“, sie begann zu strahlen, „lernte ich, es zu genießen.“

Die Ödländerin bemühte sich, nicht vor Abscheu das Gesicht zu verziehen. „Ich lernte, mich auf seine Besuche zu freuen. Vergessen war der Schmerz und vergessen war die Pein. Ich habe mich einfach mit meinem Schicksal abgefunden. Er liebt genau das an mir. Die Hingabe.“ Sie zwinkert der Blonden zu. „Das verrate ich aber nur dir, ja? Ist mein Geheimnis.“ Unmerklich nickte die Ödländerin. Diese Frau hatte sich selbst versklavt, ein Halsband war für sie nicht mehr nötig. Geralt, der Haifisch, hatte Melissa gebrochen, sie in seinen Schosshund verwandelt. Ein Schicksal, so abscheulich wie bemitleidenswert und schlimmer als der Tod. Am Schlimmsten war jedoch die Tatsache, dass sie das selbst nicht merkte.

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