Kapitel 8: Die Vereinbarung

Eine Bewegung, ein Rascheln erregte Helens Aufmerksamkeit. Sie lag in ihrem Bett und begann schlaftrunken, die Wirklichkeit des neuen Tages in sich aufzunehmen. Jemand zog sich an. Jemand? Cathy! Sie zog sich gerade ihren Rock hoch und knöpfte ihn zu.

„Hi, guten Morgen.“ sagte Helen. Cathy drehte sich kurz zu ihr um, dann fuhr sie wortlos mit ihrer Tätigkeit fort indem sie sich die Bluse in den Rock stopfte. Helen wurde klar, dass da etwas nicht stimmte „Was tust du? Nein!“

Helen eilte nackt wie sie war zur Tür und baute sich zwischen Tür und Cathy mit ausgestreckten Armen auf. Cathy hatte mittlerweile ihre Costümjacke angezogen und Autoschlüssel und Handy aufgenommen. Etwas resigniert blickte sie erst zum Boden und dann zur nackten Helen. „Ich will gehen, das siehst Du doch.“ „Aber warum?“ Helen klang verzweifelt. Cathy antwortete „Was stört dich daran? Ist es nicht immer so, der zahlt, der konsumiert, der Kunde geht?“

„Der Kunde? Du warst kein Kunde für mich.“

Cathy verzog das Gesicht zu einem bitteren Lächeln „Und was ist mit den 1000 Dollar?“

„Das Geld kannst Du wiederhaben. Das war nur ein Spiel. Für 1000 Dollar dreht sich ein High End Callgirl noch nicht mal nach dir um.“

„Na dann geh ich halt nach einem One Night Stand, du weißt doch was das ist?“ Hellen war so empört von dem Gehörten, das sie erstmal nach Luft schnappen musste. Sie lies kopfschüttelnd die Arme fallen und trat zur Seite.

Cathy war schon bei der Tür, als Helen sie ansprach „Für eine Lügnerin hätte ich dich nicht gehalten.“ Cathys Hand lag auf dem Türknauf, doch jetzt zögerte sie.

„Das sagt die Richtige.“

„Oh ja, ich bin eine Lügnerin. Mir macht es nichts mehr aus. Ich werd sogar fürs Lügen bezahlt. Dafür, das ich mit strahlendem Lächeln die richtigen Lügen erzähle. Welche Ausrede hast du?“

„Ich brauch keine Ausrede, denn ich lüge nicht“ Cathy hatte die Hand vom Knauf genommen und stand Hellen mit verschränkten Armen gegenüber.

„Du hast gesagt…“ Helen suchte verzweifelt in ihrem Gedächtnis nach dem genauen Wortlaut „…also du hast ungefähr gesagt, dass du erst gehen willt wenn du alle Antworten hättest. Die hast Du nicht und wenn du jetzt gehst, ohne sie zu kennen, bist Du eine Lügnerin.“

„Ich meinte damit nur die Antworten auf die Fragen die ich hatte, diese Antworten habe ich. Wars das? Dann kann ich ja gehen.“

„Dann bist Du nicht nur eine Lügnerin, sondern auch noch dumm.“

„Was soll das jetzt? Was willst Du noch?“

„Ich will eine Lösung finden, vielleicht hab ich ja eine, sag nichts, gib mir nur eine Minute.“ Cathy verdehte die Augen und schnaufte kurz „Eine Minute.“

„Ich bin in Jon verliebt, ich meine Jason. Das ist wahr. Aber dich mag ich auch. Ich würde alles dafür tun, dass ihr zusammenbleibt.“

„Auch dich aus dem Staub machen und nie wieder blicken lassen?“

„Wenn das die Lösung wäre, ja.“

„Aber das ist nicht die Lösung?“ Cathys Stimme troff vor Zynismus.

„Ach komm schon, wenn deine Lösung darin bestehen soll, das du jetzt zur Tür raus marschierst, dann geh doch, los hau ab.“ Hellen wies mit dem Arm zur Tür. Cathy zuckte kurz, blieb aber stehen. Es enstand eine kleine Pause, dann fragte Helen „Warum gehst du nicht?“

„Villeicht will ich mir die Befriedigung nicht entgehen lassen, dich auch als Dummkopf beschimpfen zu können, nachdem ich mir deine Idee angehört habe.“

„Komm, setz dich erstmal“ Hellen ergriff Cathy Hand und führte sie zum Bett. Sich selber setzte sie im Schneidersitz davor auf den Boden. „Erstmal möchte ich feststellen, nur weil wir beide den selben Mann lieben, macht uns das nicht zu Feindinnen.“ Cathy legte den Kopf schief, Helen fuhr fort „Nicht in meiner Welt. Ich will ihn dir nicht wegnehmen. Oh mein Gott schau nicht so skeptisch! Wenn ich Dir eins versprechen kann, dann das: egal was passiert und wie du dich entscheiden wirst, das Ergebnis dieser Affäre wird niemals so aussehen, das ich und Jason ein sind und Du im Abseits stehen wirst.“

„Leere Worte. Er ist Millionär, wusstest Du das?“

Hellen ballte die Hände zu Fäusten. „Du bist… erst war ich eine Schlampe, dann eine Künstlerin, dann eine und jetzt bin ich wieder die Schlampe? Ist es das?“

„Nein jetzt bist du eine Konkurrentin und wahrscheinlich auch Lügnerin.“

Hellen war aufgesprungen und ging ziellos im Zimmer umher. Dann blieb sie Cathy zugewandt stehen „Ich mag Dich Cathy, du bist klug und mutig und schön. Du bist bestimmt kein häßliches Entlein. Ich finde dich schön so wie du bist. Alles an dir ist rund und weich. Ich finde Frauen sollten nicht so harte Körper haben wie ich einen habe. Den brauch ich nur als Werkzeug zum Tanzen. Ich brauche auch keine Männer zum glücklich sein. Das mit Jason ist… Zufall, vollkommen ungeplant, eine Verirrung der Gefühle. Als Callgirl hatte ich immer den Grundsatz nie was privates mit einem Kunden anzufangen. Wie es sich ergabe, hatte ich privat sogar gar nichts mit Männern. Ich hatte eine ganze zeitlang eine feste Beziehung zu einer Frau. Ich dachte, ich hätte das verinnerlicht. Nun aber… Jesus ist das peinlich. Kannst Du dir das vorstellen, du, Jason und ich?“ Helen sah Cathy flehentlich an.

Cathy schüttelte leicht mit dem Kopf. Ihre Mine hatte sich entspannt. „Ich hab mir schon gedacht, dass du so was vorschlägst. Aber ich fürchte es würde nicht funktionieren. Ich weiß nicht ob ich es ertragen könnte, wenn er dich verliebt ansähe und schon gar nicht wenn… wenn ihr Sex miteinander hättet. Aber es gibt noch einen weiteren Grund. Das Gestern war eine unglaubliche Erfahrung für mich. Ich hätte nie gedacht, das ich das mal täte und dann war es toll. Doch heute kann ich mir nicht mehr vorstellen, dich anzufassen oder von Dir angefasst zu werden. Ich schäme mich. Auch vor dir, weil du davon weißt, natürlich du warst ja dabei.“

„Fuck“ Hellen war sprachlos. Ein peinliche Stille lastete wie ein schweres Tuch auf ihnen. Dann war es wieder Hellen, die zu reden anfing. „Ich verstehe das du verwirrt bist. Du hast keine Erfahrung mit Frauen. Aber ich habe Erfahrungen. Nach allem was ich weiß hast Du es genossen. Ich hatte schon Mädchen die aus reiner Neugier mal Sex mit ner Frau ausprobieren wollten und die es dann wieder sein liessen. Aber mit denen war es anders. Ich konnte es immer fühlen, es war jede Minute, jede Sekunde, jeden Augenblick anders. Bei Dir hingegen, bei dir hat es Klick gemacht. Ich würde meine Tänzerbeine darauf verwetten das es so war.“ Helen sah Cathy erwartungsvoll an.

„Es hat mir ja auch gefallen. Vielleicht würde mir auch gefallen, Alkohol zu trinken. Aber man darf doch nicht alles tun was einem gefällt, wo führt so was hin? Du musst wissen, meine Eltern stammen aus Indonesien, aus dem muslimischen Teil Indonesiens. Es gehört sich einfach nicht.“

Helen war wieder aufgestanden. Sie war zu schockiert, um die andere anzusehen. Sie lief durchs Zimmer, dann zu ihrem Schreibtisch, stützte sich mit dem Blick zur Wand auf die Schreibtischplatte. Dann fand sie wieder Worte „Meine stammt aus Polen, sie ist Katholikin. Ich weiß nicht was du über den polnischen Katholizismuss weißt, aber er ist sehr konservativ. Was meinst du…“ sie drehte sich zu Cathy um „Was meinst Du, wie meine Mutter über meine Homosexualität denkt?“ Cathy schwieg und schüttele hilflos mit dem Kopf.

„Aber sie ist nicht mehr in Polen. Meine Großeltern sind mit meiner Mutter aus Polen geflohen. Dafür gab es Gründe. Sie wollten frei sein. Sie wollten in ein freieres Land, in ein besseres Land, nach Amerika. Nun bin ich Amerikanerin und deshalb nehme ich mir die Freiheit zu lieben wen ich will. Wenn meine Mutter mit ihrem Herz in Polen bleiben will, ist das ihre Sache. Ich lebe in Amerika. Wo lebst Du?“

„Ich verstehe langsam, was Jason an dir findet.“ Cathy sprach langsam und leise, es war fast geflüstert. „Ich weiß auch, was Du mir damit sagen willst. Es ist ja eher eine Anklage als eine Frage. Trotzdem will ich sie beantworten. Ich versuche in Amerika zu leben. Zusammen mit Jason lebe ich in Amerika. Zusammen mit meinem Eltern bin ich wieder auf Java. Aber es sind meine Eltern.“

Helen hatte sich wieder zu Cathy gesetzt und ihre Hände genommen. Mit auf die Hände gerichteten Blick antwortete sie Cathy. „Es geht doch nicht darum, deine Eltern vor den Kopf zu stoßen. Aber du kannst auch nicht zulassen, das sie bestimmen welche Freiheiten Amerikas für dich gelten und welche nicht. Es ist deine Entscheidung. Deine, nicht ihre, nicht meine, nicht Jasons, deine Entscheidung. Alles was du tun kannst, ist ihnen zu sagen, das du sie liebst und in einer für dich wichtigen Sache eben anderer Meinung bist als sie. Wenn sie dir daraus eine Strick drehen wollen, dann haben sie eine schlechte, eine falsche Entscheidung getroffen. Aber wenn sie dich wirklich lieben und mit offenen Augen und offenem Verstand durchs Leben gehen, dann werden sie es verstehen.“

„Hat Deine Mutter es je verstanden?“ Hellen zuckte mit der Schulter „Kann ich nicht sagen, wir haben schon seit Jahren keinen Kontakt mehr.“

„Das macht es für mich nicht einfacher.“

„Die wichtigen Entscheidung im Leben treffen sich nie einfach.“

Nach einer kleinen Pause fragte Cathy „Hast du es je bereut?“

„Du meinst bereut, meine Homosexualität auszuleben? Nein niemals! Ich kenne niemanden der diesen Schritt bereut hätte. Dafür kenn ich viele die fast daran zerbrochen wären sie nicht zu leben.“

„Ich hab Angst, das es zu dritt nicht klappen wird. Das das für mich nur weitere Schmerzen und weitere Leiden bedeutet. Ich suche in einer Partnerschaft nach Sicherheit und Geborgenheit. Ich will Kinder haben. Villeicht nicht gleich, aber ich mach mir Sorgen ob Kinder durch so eine Konstellation nicht überfordert würden. Wessen Kinder wären das dann, wer hätte bei Erziehungsfragen das Sagen?“

„Cathy, Cathy, du denkst zu viel. Wir können über alles reden, aber bitte komm her…“ Helen gab Cathy zu verstehen das sie sie umarmen wollte. Etwas zögerlich gab Cathy nach und wurde in Helens Armen dann doch weich und entspannte sich. In enger Umarmung, den Kopf an Cathys Schulter, redete Helen weiter.

„Mach dir keine Sorgen wegen der Kinder. Ich will keine haben und ich werd auch nicht lange genug bleiben, um dir dabei im Weg zu stehen.“

„Wie, du planst bereits den Ausstieg, bevor die Beziehung überhaupt zustande kommt?“

„Ich werde bestimmt nicht ewig bei euch bleiben. Das heißt aber nicht, dass ich euch dann nicht mehr lieben werde. Es wird unsere Beziehung verändern. Alles verändert sich, immer. Niemand kann das aufhalten. Ich hab keine Lust darauf, das wir einander überdrüssig werden. Außerdem hab ich noch was vor. Ich hab noch Rechnungen offen, unerledigte Dinge die ich tun muss. Was hältst Du davon?“ Helen löste sich aus der Umarmung, packte Cathy an den Schultern und sah ihr intensiv in die Augen. „Ich bleibe ein Jahr bei euch. Wir sind jung. In dem Jahr lassen wir die Fetzen fliegen! Danach könnt ihr in Ruhe alt werden, Kinder kriegen, Bäume pflanzen, was immer ihr tun wollt, aber in dem Jahr gehören wir zusammen.“

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