©Helios53 VII/2012

Morgens, gegen halb neun, ich trete gemäßigt in die Pedale und bewege mein gutbürgerliches Fahrrad durch die sommerlich entvölkerte Stadt. Von hinten kommt ein leises Zischen näher, ein Rennrad schiebt sich fast lautlos an mir vorbei.

Wow!

Das Rennrad wird von einer jungen Frau gefahren, nicht mehr ganz Mädchen, sondern voll erblüht. Ihre langen, schön gebräunten, schlanken Beine stecken in weißen Söckchen und schmalen Laufschuhen. Am anderen Ende prangen knackige Apfelbacken, die dreist aus einer superkurzen, helltürkisen Sporthose lugen. Allein dieser Anblick beschleunigt meinen Tritt. Irgendwie muss ich versuchen, meine davoneilenden Augäpfel einzuholen, die eigenverantwortlich die Verfolgung aufgenommen haben. Mit einer gewaltigen Anstrengung gelingt es, den Abstand wenigstens zu halten.

Vom Rest der schnellen Maid sehe ich wenig, sie hat den Sattel so hoch gestellt, dass ihr Oberkörper flach nach vorne ragt. Es ist nur ihr runder, irritierender Po zu sehen und die sportlichen Beine, die das Rad ohne sichtbare Anstrengung in rasender Fahrt halten. Ich beginne zu keuchen — das muss das Alter sein! — aber noch gebe ich nicht auf. Ihr Po macht mich ganz …! Das federleichte Schaukeln der Backen, der fast transparente Stoff der Hose … Trägt sie womöglich drunter nicht einmal einen Tangaslip? Auf die Entfernung bin ich mir nicht sicher, kann ja gar nicht sicher sein, obwohl … Jedenfalls zeichnet sich nichts ab, kein Schatten, keine Erhebung, nichts.

Der schmale Steg, der auf dem Rennsattel wetzt, kann der überhaupt einen Slip verdecken? Ich muss näher ran. Sei ein Mann! Gib alles! Ich trete noch schneller, strample um mein Leben, schalte noch einen Gang hinauf, aber irgendwie wird sie auch schneller! Aber nicht so schnell wie mein Puls! Verdammt! Sie ist ein Mädchen!

Die Kreuzung an der Kramerstraße kommt mir zu Hilfe. Dort ist rot! Sie rollt aus, hält an, steigt aus dem Sattel, steht locker neben dem Rennrad. Prustend wie eine alte Dampflok bremse ich mich quietschend neben ihr ein. Einen Blick riskieren! Oh, mein Gott! Das führt nicht zur Senkung des apokalyptischen Blutdrucks! Oben trägt sie ein ärmelloses Shirt, das genau so eng ist, dass keine Fragen offen bleiben. Perfekte Brüste, perfekte Nippel, ein schöner schlanker Hals und ein ovales Gesicht mit Herzmund. Sicher noch keine fünfundzwanzig, aber wer kann das heute bei diesen Sporty Girls schon genau abschätzen!

Sie jedenfalls schätzt mich ab. Dazu braucht sie nicht lange, dann lächelte sie, leicht spöttisch, wie mir scheint. Die Ampel springt auf grün, sie schwingt sich mit einer geschmeidigen Bewegung in den Sattel und los geht’s! Ächzend komme ich auch in Gang, ich habe vergessen, vor dem Stehenbleiben zurück zu schalten, jetzt trifft mich der harte Antritt wie ein Hammer. Schon ist sie zwanzig Meter voraus, endlich komme ich auf ein gewisses Tempo, der Abstand verringert sich sogar, ich hole auf, wundere mich ein wenig, warum das jetzt geht, da fällt mir ein, dass die nächste Ampel nicht weit ist und regelmäßig den nächsten Stopp bedingt. Ich kann es schaffen, sie einzuholen, ehe es weitergeht, ich schaffe es. Wieder grinst sie mich an. Hämisch?

Ich mustere sie erneut, diesmal unverhohlen, sie tut es ja auch. Zu einem abschließenden Urteil komme ich nicht, egal, ich stelle es mir einfach vor! Geil! Schon geht es in die nächste Etappe, diesmal war ich aber klüger, komme im niedrigen Gang gut weg, halte mich zwei, drei Meter hinter ihr, hinter ihrem Knackarsch, den ich wie ein Idiot nicht aus den Augen lasse. Sie steigert das Tempo, ich keuche ihr nach, da kommt eine leichte Steigung. Die nimmt ihr nichts vom Tempo, aber mir den Atem. Eher steigert sie die Geschwindigkeit noch, alles geht so leicht, so fließend, ohne jede sichtbare Mühe. Ich schwitze bald wie eine ganze Saunabelegschaft, ihr Rücken bleibt trocken, mein Atem geht rasselnd, jeder Atemzug eine Qual. Es wird noch steiler. Durchhalten es geht bald bergab! Sie schaltet. Ah! Endlich gibt auch sie Milch, muss zurückschalten. Gleich hab ich dich!

Was ist das? Sie hat mitten in der Steigung hinauf geschaltet! Sie tritt kräftiger und vergrößert mit spielerischer Lockerheit den Abstand. Sie hat mit mir Katz und Maus gespielt! So ein Biest! Dabei hätte ich sie doch fast gehabt!

Und dann? Was hätte ich gemacht, wenn ich sie „gehabt“ hätte? Das junge Ding und der alte Sack! Keuchend erreiche ich die Kuppe, rolle ohne zu treten, aber immer noch einem Herzinfarkt nahe auf der anderen Seite hinunter. Der Fahrtwind kühlt meinen Schweiß. Schön langsam kommt auch mein Luftmanagement wieder ins Lot. Der Blick wird klarer. Und erspäht eine andere Radfahrerin, die von rechts vor mir einbiegt. Flatterröckchen, kurzes Top, Sandalen. Sie sieht einfach zum Anbeißen aus. Rennrad hat sie keins, nur ein rostiges Damenrad, aber sie kurbelt munter. Schon rüste ich mich für eine neue Verfolgung, da holt mich die Erinnerung ein. Alter Depp, bist du nicht zu alt für so einen Quatsch? Diesmal siegt die Vernunft, ich lasse sie ziehen und bleibe heute am Leben!

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