Ich bleibe allein zurück mit meinen Fesseln und dem Geräusch der einschlagenden Geschosse.

Das Lager ist riesig und die ersten Explosionen scheinen weit weg. Die Aufständischen zielen nicht besonders gut, deswegen wird selten jemand von ihren Angriffen getötet. Gleichzeitig stellt die Entfernung der Einschläge nach den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit keine Sicherheit für mich dar. Es besteht durchaus die Chance, dass die nächste Explosion mein Gefängnis zerreißt und mich gleich mit. Den Umständen entsprechend wäre das vielleicht gnädig.

Unter dem Pfeifen der Mörser glaube ich Hubschrauber aufsteigen zu hören. Der Gegenschlag ist auf dem Weg. Es dauert nur wenige Minuten, bis Ruhe einkehrt.

Die Stille lastet fast noch schwerer auf mir als die Bedrohung durch die Geschosse. Mir bleibt nichts anderes übrig, als auf dem Bretterboden zu knien und darauf zu warten, dass die beiden Männer zurückkommen. Es ist schon Ironie des Schicksals, dass ich über vier Monate lang die Gefangene der Wüstenbewohner war, ohne dass mir jemand ernstlich ein Haar gekrümmt hat, nur um dann im Lager meiner vermeintlichen Alliierten Zuflucht zu suchen und hier womöglich gefoltert zu werden.

Draußen regt sich etwas. Die Soldaten kommen aus den Bunkern. In der Ferne kreisen noch die Hubschrauber über dem Gebirge.

Dieses Verhör kann nicht gut für mich enden, es sei denn, die beiden lassen sich doch noch auf meinen Code-Satz ein. Allerdings scheint sich der mit dem kahlgeschorenen Kopf in seiner Rolle nicht sehr wohl zu fühlen. Vielleicht lässt er sich manipulieren. Der andere, Chuck, stellt eine größere Gefahr dar. Er ist zu mehr Gewalt bereit, wenn seine cleveren Kommentare nicht nur leeres Gewäsch sind. Nun, ich werde es noch früh genug herausfinden.

Die Tür der Barracke geht auf und die Wache von vorhin kommt herein. Es ist ein junger Bursche. Ich kann aus dieser Position seine Schulterklappen nicht erkennen, aber er ist sicher nicht viel mehr als ein Private. Mein Verdacht erhärtet sich, als ihm bei meinem Anblick die Kinnlade herunterfällt.

„Soldier, please take these ropes off.“ Ich sehe ihn bei der Bitte, mir die Fesseln abzunehmen, aus Hundeaugen an, aber er ist zu einer Salzsäule erstarrt. Von ihm ist keine Hilfe zu erwarten.

Die Tür öffnet sich noch einmal und der Glatzkopf kommt zurück. An seiner Schulter klafft eine tiefe Wunde. Er starrt den Jüngeren einen Moment lang wortlos an, dann entsinnt er sich seines Rangs. „Raus!“

Der Frischling zuckt zusammen und seine Augen schießen zwischen mir und dem Sergeant hin und her. Schließlich nickt er steif. „Entschuldigen Sie, Sarge.“

„Schon gut.“ Er seufzt und deutet auf mich „Kein Wort davon zu irgendwem. Sie kommen erst wieder, wenn jemand es Ihnen befiehlt. Verstanden?“

„Jawohl, Sir.“

Mein Folterknecht wirft die Tür hinter dem Jungen zu und schließt ab. Mit schmerzverzerrtem Gesicht lässt er sich auf den Schreibtischstuhl fallen und holt einen Erste-Hilfe-Kasten hervor. Die Wunde am linken Oberarm blutet stark und es wird nur schlimmer, als er die Lider zusammenkneift, die Uniformjacke auszieht und zwei Schrapnelle aus seinem Fleisch puhlt. Er drückt ein Dreiecktuch darauf und dreht sich zu mir um.

„Zwei von unseren Leuten sind schwer verletzt. Und das hier“, deutet er auf seine Schulter, „verdanke ich dir.“

Ich frage mich, wie er zu dieser höchst interessanten Schlussfolgerung gekommen ist, dann fällt mir ein, dass er nicht sofort auf den Alarm reagiert, sondern mir noch seine Version von einem guten Rat gegeben hat, bevor er sich in Sicherheit brachte.

Ich betrachte ihn und den Stoff, der sich langsam mit Blut tränkt. „Das war Ihre Entscheidung, Sergeant.“

„Es spricht!“ Sein Gesicht ist von Wut und Schmerz entstellt. „Wenn du schon dabei bist, sag mir endlich, wer du bist!“

„Ich kann nicht, das wissen Sie doch selbst.“ Ich versuche noch, das Gewicht auf den Knien zu verlagern, um einen Krampf zu verhindern, aber es gelingt mir nicht. Die Muskeln in meinem linken Bein ziehen sich unkontrolliert zusammen und ich werfe mich ächzend auf den Rücken.

Er lacht gehässig. „Das geschieht dir nur recht.“

Ich beiße die Zähne zusammen. Die Fesseln nehmen mir jede Chance, den Spasmus zu lösen, und ich kann ein Stöhnen nicht unterdrücken.

Wortlos sieht er zu, wie sich mein Fuß in eine unnatürliche Position verrenkt und ich mich hin und her winde. Er beobachtet das Schauspiel für einige Augenblicke. „Sag mir deinen Vornamen, dann nehme ich dir den Krampf.“

Mir kommen schon die Tränen. „Janine“, presse ich hervor.

Er steht auf und öffnet die Zellentür, lässt sich alle Zeit der Welt, bevor er neben mir in die Hocke geht und nach meinem Fuß greift. Ruckartig reißt er ihn herum. Der Schmerz schießt noch einmal heiß durch mein Bein und ich schreie auf, dann lässt er ebenso schnell nach, wie er gekommen ist.

Ich bin erstaunt genug, dass der Kerl mir tatsächlich geholfen hat, aber es verwundert mich noch viel mehr, als er beginnt, eine Fessel nach der anderen zu lösen. Fasziniert sehe ich ihm zu, wie er meine Glieder massiert, während ich auf dem Rücken liege und das Blut in meine Arme und Beine zurückkehrt.

Er hilft mir auf, als ich mich endlich wieder bewegen kann, doch er hält mich mit hartem Griff fest. „Glaube nicht, dass ich mit dir fertig bin. Ich kann bloß diese Wunde nicht selbst zusammenflicken.“

Ich werde in die Wachstube geschoben, und er fesselt mir die Arme mit Handschellen vor dem Körper. „Tu genau, was ich dir sage!“

„Das wäre einfacher ohne die Dinger hier.“ Ich halte meine Handgelenke hoch.

„Du kriegst das auch so hin.“ Er deutet auf den Verbandskasten. „Nimm die Wa-„

„Ich bin voll ausgebildet, danke. Setzten Sie sich!“

Er zieht eine Augenbraue hoch und will schon etwas erwidern, lässt es aber bleiben. Nachdem er meiner Anweisung Folge geleistet hat, beginne ich die Wunde zu säubern. Sie erweist sich als weniger schwer als es zunächst aussah. Die Schrapnelle haben sich nicht zu tief ins Fleisch gebohrt und keine größeren Gefäße verletzt. Die Schnitte lassen sich gut klammern. Ich desinfiziere sie ein letztes Mal, dann lege ich eine Kompresse auf, die ich mit Klebepflaster befestige. „Fertig.“

„Danke.“ Mit einem Ächzen steht er auf und ich erwarte, dass er mich zurück in die Zelle bringt.

Der Hieb, der unvermittelt folgt, katapultiert mich quer durch den Raum. Mein Kopf landet hart auf dem Holzboden und Sterne explodieren vor meinen Augen.

„Das ist für die Lüge.“

Mit den Händen um meinen Hals reißt er mich wieder auf die Füße, aber ich kann mich vor Schwindel kaum halten, also wirft er mich rücklings auf den Schreibtisch. „WIE IST DEIN NAME?“ Sein Brüllen lässt mein Hirn noch mehr dröhnen.

Ich kichere, eine völlig idiotische Reaktion in diesem Moment, und während er sich mit dem ganzen Körper auf mich wirft, taste ich mit der Zunge nach meiner aufgesprungen Lippe. „Wie ist Ihrer?“

Er ballt die Faust und setzt gerade zum nächsten Schlag an, als es an der Tür klopft.

„Alter, mach auf! Ich bin’s!“

„Verpiss Dich, Chuck!“ Er ist unglaublich wütend. Ich muss noch mehr lachen.

„Bane, mach die Tür auf!“

Er lässt von mir ab und stürmt nach draußen. Sie streiten. Nach einigen Augenblicken kommt er zurück und schließt wieder hinter sich ab.

Er hat Blut an der Hand. Ist es von mir oder von Chuck? Keine Ahnung. Ich grinse ihn schief an. „Warum auf einmal so ärgerlich, Bane?“

Er starrt mich an und der Hass in seinen Augen nimmt ungeahnte Ausmaße an. Er packt mich an den Haaren, zerrt mich hoch und presst mich gegen die Wand. Seine Hand schließt sich um meine Kehle. „Sag mir deinen Namen, deine Nationalität und was du vom Feind weißt, oder ich reiße dich in tausend kleine Stücke.“ Seine Stimme ist zu einem Flüstern gefroren und wenn sich nicht alles drehen würde, hätte ich wohl Angst vor ihm.

Aber in diesem Zustand ist mir herzlich egal, was er mit mir tut. Ich lächle schief und unbeeindruckt.

Er wirft mich zu Boden, nur um mich gleich darauf grob an den Haaren in die Zelle zu schleifen. Mein Kopf tut weh. Er löst die Handschelle um meinen rechten Arm, zerrt mich daran auf die Knie und presst mein Gesicht gegen die Gitterstäbe, befestigt die Fessel über der oberen Querstrebe. Dann fördert er eine zweites Handschellen zutage und wiederholt dasselbe an meinem linken Arm. Ich hänge und knie halb an der Gittertür, als er den Gürtel aufhebt, der noch von vorhin daliegt, und ihn mir mit aller Kraft über den Rücken zieht. Mein Kichern erstirbt.

Er schlägt wieder zu. Der Schmerz währt nur kurz, ich falle in einen Zustand von Schwerelosigkeit und lasse es geschehen. Nicht dass ich irgendeine Wahl hätte. Die nächsten Hiebe nehme ich nicht mehr wahr, ich lasse mich einfach treiben und mein Kopf wird leer. Auch das Dröhnen verstummt, das seine Faust in meinem Schädel hinterlassen hat.

Er merkt es nach wenigen Sekunden, wird selbst ganz ruhig, senkt die Hand mit dem Gürtel. Er verlässt die Zelle. Tritt vor das Gitter und geht vor mir in die Hocke. In seinen Augen steht der Schmerz, den ich eigentlich fühlen müsste. Er berührt mein Gesicht und Erstaunen tritt in seinen Blick, als er keine Tränen findet.

„Was bist du?“

Ich lächle schwach. „Das wissen Sie doch.“ Ich schmecke Blut und mir wird schlecht.

Erschöpft setzt er sich auf den sandigen Holzboden. Seine Schulter hat wieder zu bluten begonnen.

Ein Schlüssel wird von außen in die Tür geschoben und ein Offizier betritt die Wachstube. Er betrachtet die Szene, die sich ihm bietet, aber er lässt sich zu keiner Reaktion hinreißen. „Sergeant, kommen Sie. Die Sanis können sich jetzt um Ihre Verletzung kümmern.“

Bane erhebt sich langsam und wirft mir einen letzten Blick zu. Es scheint fast, als wolle er sich entschuldigen, aber das bilde ich mir wohl nur ein. Er geht.

Der Offizier schaut mich an, dann gibt er jemandem vor der Tür einen Wink, bevor er dem Sergeant nach draußen folgt.

Ich lasse mich in die Ketten sinken und lehne meine Stirn gegen die kühlen Gitterstäbe. Müdigkeit überkommt mich und meine Lider werden schwer. Ich glaube noch zu erkennen, dass Chuck wieder da ist, dann gehen mir die Lichter aus.

——–

Ich bin in einer Art Trancezustand. Um mich herum herrscht geschäftiges Treiben, Soldaten laufen an mir vorbei, Sanitäter versorgen meine Schulter, aber ich selbst bin irgendwie… phasenverschoben. Ich spüre Hände auf mir, mir wird eine Infusion in den Arm gesteckt, aber meine Gedanken sind immer noch in dieser Zelle.

Was habe ich nur getan?

Wie kann es sein, dass mich dieses bisschen Schmerz in solche Raserei versetzt hat? Wir werden jeden Tag angegriffen, beschossen, unser Leben ist ständig in Bedrohung, aber ich habe noch nie dermaßen die Kontrolle verloren.

Andererseits habe ich einfach versucht, meinen Auftrag zu erfüllen. Herausfinden, wer sie ist, woher sie kommt und was sie weiß. Aber mit solchen Mitteln?

Mir wird… komisch. Die Nadel in meinem Arm… Scheiße. Ich darf nicht schlafen… Chuck ist… Fuck……

———–

„Ist er ruhig gestellt?“

„Ja, Sir.“

„Gut. Tragen Sie Sorge dafür, dass er sich ein wenig erholt. Wir können nicht auf ihn verzichten.“

„Sir, darf ich eine Frage stellen? Oder auch zwei?“

„Ja.“

„Was ist so besonders an ihm?“

„Er hat gewisse Qualitäten, die ihn zum perfekten Soldaten machen könnten. Wenn er nicht so viel denken würde. Er ist kaltblütig und aggressiv, aber er hat leider auch diesen einen Faktor, der ihn daran hindert, zur wahren Kampfmaschine zu werden.“

„Sir?“

„Er hat ein Gewissen. Das werden wir ihm austreiben.“

———

Ich will nicht aufwachen. Ich will nicht …

„Sergeant, kommen Sie zu sich.“

Ja, Sir …

„Bane, kommen Sie schon.“

„Ich bin wach, Sani.“

„Sie haben einen Auftrag.“

Plötzlich stehe ich im Bett. „Jawohl.“ In Windeseile habe ich meine Uniform angezogen und bin auf dem Weg.

Ein Blick auf meine Uhr verrät mir, dass Chuck die halbe Nacht hatte, um sich auszutoben. Ich fürchte mich vor dem, was ich vielleicht vorfinden werde.

Aber die Wachstube ist leer. Ein seltsamer Geruch steigt mir in die Nase, der mich vage beunruhigt, aber ich kann ihn nicht einordnen. Sie hängt genauso an der Gittertür, wie ich sie zurückgelassen habe. Geronnenes Blut klebt an ihren Armen und sie scheint bewusstlos.

Ich nehme ihr die Handschellen ab und besehe die Wunden an ihren Handgelenken. Sie bluten nicht mehr, aber sie sehen irgendwie … Daher kommt der Geruch. Wo das Metall der Fesseln anliegt, ist ihre Haut verbrannt. Kautersisiert. Der Verbandskasten steht noch da, ich hole ihn und versorge die Spuren, die meine Behandlung hinterlassen hat. Der Schweiß, der ihren Körper bedeckt, ist kalt. Ich flöße ihr kleine Schlucke Wasser ein, als sie kurz zu sich kommt, aber die Ohnmacht kehrt schnell zurück.

Was habe ich getan?

Die Nacht bricht herein. Es wird schnell eisig werden. Ich hole die Decken aus dem Schrank in der Wachstube und breite eine auf dem Boden in der Ecke aus, lege das Mädchen darauf und ziehe sie in meinen Schoß. Die andere Decke werfe ich über sie und wickle sie ein, so gut es geht. Zusammen mit meiner Körperwärme muss das genügen. Ich wundere mich. Eigentlich sollte mehr Ausrüstung hier sein, und die Rettungsfolie aus dem Verbandskasten fehlt. Ich lehne mich an die Wand. Müdigkeit überkommt mich. Die Infusion, was auch immer das war, wirkt noch nach.

Ihr Puls geht flach, aber zumindest gleichmäßig. Sie steht unter Schock und ich kann nichts tun, außer sie festzuhalten.

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