Im Schatten der Obstbäume, auf der Wiese, in der Sonne, da lag Hannah. Ihre blasse Haut hatte im Laufe der Stunden, der Minuten, die sie in der brennenden Sonne lag, einen leichten Roséton angenommen und glänzte schwach von Sonnencreme in dem hellem Licht.
Die Luft schien still zu stehen, kein Hauch, kein Wind, nicht einmal die leiseste Regung durchfuhr die grünen Hügel des kleinen Dorfes. Nur eine verschwindend geringe Anzahl an Geräuschen drang an ihr Ohr, hin und wieder das ferne Gelächter spielender Kinder, lachender Menschen; oder aber der tiefe Summton eines Rasenmähers unterbrach die Idylle, verklang aber nach wenigen Minuten. Es war wohl unmöglich in dieser Hitze.
Gartenarbeit. Keine intelligente Option bei diesen Temperaturen. Sie dachte an die hitzigen Straßen der Großstadt, wie sich Fahrzeug an Fahrzeug reihte auf der Südautobahn. Wie gut, dass sie schon zu Beginn des langen Wochenendes, am frühsten Freitag, ihre Zelte abgebrochen hatte, und hinaus aufs Land zu ihrer großen Schwester gefahren war.
Hannah setzte sich auf und schaute sich um. Drüben bei den Bäumen lief der Rasensprenkler und sandte eine kalte nasse Gischt von feinen, in regenbogenfarben schillernden Wassertröpfchen zu ihr herüber. Die Gläser ihrer Sonnenbrille beschlugen. Ärgerlich nahm sie sie vom Kopf, versuchte zu wischen, gab es aber mangels eines Taschentuchs schnell auf.
Mit einem leisen Seufzen stand sie auf um in das Haus, das circa 100 Meter, einen mit Schieferplatten ausgelegten Weg hinauf, an einem Hang, im schon heranrückenden Abendschatten lag. Ein leichter Wind kam jetzt auf und eine Wolke des Wasservorhangs traf sie mit ganzer Fläche. Sie zuckte zusammen. Wie überraschend wohltuend, war diese kleine Abkühlung. Ob sie es wagen konnte ein wenig näher zum Sprenkelkopf zu gehen?
Gelockt vom Angenehmen ging sie hinunter, zu den Bäumen. Als sie beim ersten Baum angekommen war, streifte sie erneut eine Wasserfahne, diesmal nur den Oberkörper. Wie ein neues Leben erschien ihr das Naß, das sie nun, mit Hilfe des Windes, fast umgab; immer wieder von mehreren Seiten auf sie einschlug. Mit der Zeit war sie triefend nass, Wasser rann von ihrem blonden Haar.
Doch nun war ihr im Wind fast zu kalt, sie machte sich auf zurück in die Sonne. Erfrischt und zufrieden lies sie sich auf das ausgebreitete Handtuch fallen und schloss schläfrig die Augen. Aber dieser Zustand hielt nicht lange an. Sie merkte immer stärker, dass ihr Bikini, schwer und kalt vom Wasser, sich unangenehm, eng, wie eine zweite Haut auf ihre Brüste und in ihren Schritt gelegt hatte.
Die Haut begann zu jucken und ein unagenehmes Kratzen stieg ihren Hals hoch. Sie musste sich wohl umziehen, sonst würde sie eine Erkältung bekommen. Aber der Weg würde weit sein, anstrengend in der Hitze. Der Wind war in den Bäumen geblieben, fabrizierte, außer leisem Rauschen, nichts, keine Kühle mehr!
Da kam ihr eine verrückte, zu mindest wagemutige Idee. Ihre Schwester war zu einer Freundin ins Nachbardorf gefahren und würde erst am späten Abend zurück sein, ebenso wie ihr Lebensgefährte, der auf einem Seminar in der Ostschweiz weilte.
Durch die Bäume war das Grundstück zum Süden hin blickdicht. Die Straße am Norden verlief hinter dem Haus und war durch den Hang verdeckt. Blieben der Westen und der Osten. Das Haus rechts neben ihr stand leer. Eine baufällige kleine Schabracke mehr nicht. Und danach kam der große Wald. Links war es komplizierter und gefährlicher, aber die Hainbuchenhecke versperrte zumindest ebenerdigen Beobachtern den Blick. Und im ersten Stock des angrenzenden Hauses waren die Fensterläden geschlossen.
Vorhin hatte sie gesehen, dass die stühle auf der Terasse zusammengeklappt in einer Ecke standen und ein großer Holzfuniertisch vor den Eingang derselbigen, geschoben worden war.
Mit an Sicherheit angrenzender Wahrscheinlichkeit waren die Besitzer über das Wochenende verreist oder weilten aus anderen Gründen nicht in ihrem Wohnsitz. Sie beschloss es zu tun, jenes Wagnis das ihr in den Sinn gekommen war, einzugehen.
Kurzerhand entledigte Hannah sich ihres Bikinis und lag nun völlig nackt in der Sonne. Eigentlich war diese Entscheidung aus einer Notlage heraus praktischer, als sie zu Anfang dachte, konnte sie so schließlich die hässlichen weißen Stellen in der Bikinizone vermeiden.
Sie schloß die Augen und genoß die Wärme die nun ihren ganzen Körper erfasste und durchflutete. Sie wusste nicht wie lange sie so da lag, wie lange sie die Sonnenstrahlen genoß und im warmen Schein immer müder und träger wurde, gähnte, die Augen schloss, und in einen leichten Schlaf fiel. Ihre Träume waren modrig und schummrig, so schwül wie die Luft in der sie lag.
Sie träumte von ihrer Arbeit. Den langen Stunden in denen sie in der Herrenabteilung stand, älteren Herren mit begehrlichen Blicken in ihren Anzug half, Hände die ihr Gesäß suchten, der frustrierende Alltag eben, den sie als Verkäuferin in einem großen Bekleidungsgeschäft in der Stadt eben durchlebte.
Nicht zu ändern, jedenfalls wenn man aufsteigen wollte, fleißig sein wollte, befördert werden wollte, dass man irgendwann einmal nicht mehr Stangen von Konfektionsmode durch die stickigen, teppichbespannten Räumlichkeiten eines Konsumtempels erster Güte schieben musste.
Die Bilder veränderten sich. Das Gesicht ihres Exfreundes tauchte auf, dieses verschrobene Lächeln seiner braunen Augen, wie seine Hände sanft ihren Körper berührten, wie sie es nun nicht mehr taten, die tränenreichen Tage der Trennung, all das tauchte vor ihrem inneren Auge auf. Plötzlich hörte sie etwas. Ein Geräusch, ein fernes Poltern und schreckte hoch.
Hannah schlug die Augen auf. Drehte sich herum. Nichts. Kein Mensch. Kein Geräusch. Nur das rascheln der Blätter. Was war es gewesen? Doch ein Geräusch aus ihrem Unterbewusstsein, nicht real? Oder war da doch etwas gewesen. Siedend heiß fiel ihr ein, dass sie ja völlig entblößt dort in der Wiese lag. Und der Traum war anscheinend nicht spurlos an ihr vorbeigegangen, sie fühlte, dass ihr Brustwarzen steif in die Luft ragten und ihre Schamlipen merklich, rot und angeschwollen, feucht zwischen ihren Beinen prangten. Ob sie jemand gesehen hatte? Oder war es nur ein Vogel gewesen; hatte der Wind etwas umgeweht?
Fragen. Sie war sich nicht sicher, aber hörte sie jetzt nicht sich langsam entfernende Schritte? Dort drüben hinter der Hecke? Was sollte sie tun? Aufstehen und nachsehen? Oder still verharren, in der Hoffnung, nur der Wind würde bleiben, und irgendwann schnell nach drinnen entschwinden? Sie setzte sich hin, die Arme vor den Brüsten verschränkt, die Beine aneinander, und überlegte.
Ein leises Klacken drang an ihr Ohr, oben an einem der Fensterläden des nebigen Hauses. Täuschte sie sich, oder war es nun einen Spalt geöffnet?
Der Gedanke beobachtet zu werden, machte sie fast wahnsinnig. Nicht Erregung sondern ein unangenehmes Gefühl der Scham war es, dass sie – alle Vorsicht vergessend – aufspringen und in Richtung Hecke gehen ließ.
Halb verschämt, halb neugierig entdeckte ein kleines Gartentor in einer schmalen Lücke, die von ihrem Platz aus, einem ungüstigen Winkel geschuldet, nicht ersichtlich gewesen war.
Sie griff über die gußeisernen Stäbe und betätigte den Griff auf der anderen Seite. „Ärgerlich!“, dachte sie sich, „Dass ich nie gefragt habe, wer im Nachbarhaus wohnt. Eine alte Frau? Eine Familie? Oder ein lüsterner älterer Mann?“ Sie befürchtete letzteres.
Im Schatten des Hauses schlich Hannah Richtung Terasse, immer darauf achtend, nicht ins Blickfeld offener Fenster zu geraten und nicht von jemanden, aus welcher Richtung auch immer, überrascht zu werden.
Ob es wohl schon jemals eine dümmere, bizarrere Vorstellung von einer Städterin, hier , in diesem Dorf gegeben hatte, nackt, auf einem fremden Grundstück, auf der Pirsch, sozusagen? Wäre irgendetwas in ihr nicht so darauf erpicht gewesen, herauszufinden, ob und wer sie da beobachtet hatte, sie wäre wohl rot und beschämt ins Haus zurück gelaufen, hätte ihre Sachen gepackt und wäre in die Großstadt gefahren, im sicheren Gewissen nicht wieder in diesen Dorf zu kommen.
Sie malte es sich schon aus, die Nackte, das Gespräch eines ganzen Tages, nein mehr noch, einer ganzen Woche in diesen Gefilden! Nun gelangte sie auf die Terasse. Zu ihrem Erschrecken bemerkte sie, dass der Tisch von der Tür weggerückt worden war. Nun war es also offiziell, jemand war hier gewesen, ob er durch die Hecke gespäht hatte?
Ein Windhauch fuhr just in diesem Moment auf die Terasse und schlug die Tür mit einem Schwung auf, die Vorhänge flatterten im Wind. Sie war nur angelehnt gewesen. Sie zögerte. Sollte sie hineingehen?
Denn, bis hierher, bis zu diesem Moment, war sie sozusagen passiv geblieben, von ihrem Ausflug auf die Terasse mal abgesehen, aber unbekleidet in das Haus eines Fremden einzudringen? Zumal dieses Haus, sobald sie die Türschwelle überschritt, zu einer Falle werden konnte. Was wenn hinter der Tür jemand lauerte, der nur auf so eine Torheit ihrerseits gewartet hatte?
Aber da war es wieder, dieses gewisse Etwas in ihr. Erregte sie gar der Gedanke von einem Fremden in seinem Haus, ohne Aussicht auf Hilfe…?
Nein, dass konnte doch nicht…So eine war sie nicht! Vielleicht war es die Libido einer sexuell unausgelasteten jungen Frau, wie lange war es schon her? Zwei Monate? Irgendwie trieb sie etwas über die Schwelle.
Ehe sie sich mental wehren konnte war sie schon in der kühlen Luft des Hauses. Am ganzen Körper überzog sie eine Gänsehaut. Es roch unerwartet gut, luftig, frisch, nicht wie sie befürchtet hatte, modrig und dumpf, wie in einem Gefängnis. Sie orientierte sich. Wenn sei nicht alles täuschte, war sie jetzt im Wohnzimmer. Es war still, das Haus schien verlassen. Plötzlich hörte sie etwas.
Zu Anfang dachte sie an den Wind, der jetzt immer stärker bließ, aber dafür war es zu regelmäßig und zu leise. Sie ging zu einer Tür, die sich genau gegenüber der befand, die zur Terasse hinausführte. Nun hörte sie es deutlicher. Ein unterdrücktes Stöhnen in einigermaßen gleichmäßigen Intervallen. Kurz aber deutlich.
Sie befand sich nun in einem steinernen Treppenhaus, graue Fliesen vermittelten einen fast sterilen Eindruck. Das Geräusch kam von Oben, aus einem Zimmer im zweiten Stock, wie sie vermutete.
Sie war sich im klaren, wenn sie dort nun wirklich hochgehen würde, dann war die Gefahr groß, gesehen, wenn nicht sogar bedrängt zu werden. Verflucht war dieser Drang in ihr, was war denn nur los? Sie war doch nicht sich selbst! Zwar war sie durchaus ein bestimmter Mensch, aber das?
Wenn sie unbedingt geschlechtliche Betätigung wollte, dann konnte sie doch immer noch in eine Diskothek gehen und dergleiche Dinge forcieren, aber so? In dem Dorf ihrer Schwester?
Sie schreckte auf, in Gedanken war sie schon etwa ein Drittel der Treppe hinaufgegangen, als sie plötzlich, im Augenwinkel, eine Bewegung vernahm und herumwirbelte, einen Schreckenschrei unterdrückend.
Auf dem Plateau, dass sie gerade erreicht hatte, war ein mannshoher Spiegel angebracht, in dem sie sich nun vollständig betrachten konnte.
Sie atmete auf und sah sich an. Ungewohnt war der Ablick der sich ihren Augen bot. Wann hatte sie zuletzt ihren ganzen Körper nackt gesehen?
Ihre etwa apfelgroßen Brüste mit den hellrosa Warzen, der schmaler Oberkörper, ebenso schmale, knochige Schultern, ihr flacher Bauch, die sich abzeichneten Beckenknochen, ihr Scham, rasiert, zu ihrer Verwunderung immer noch etwas angeschwollen und glänzend, die langen dünnen Beine…
Kein hässlicher Anblick, gab sie zu, aber es war auch nie so gewesen, dass sie sich völlig zufrieden gefühlt hatte. Manchmal fühlte sie sich mit den langen, schmalen Gleidmaßen wie eine Spinne, oder etwas anderes, dass nicht wirklich dem Schema einer begehrenswerten, wohlproportionierten Frau entsprach.
Noch eine kleine Weile stand sie so da, sich kritisch begutachtend, dann weckte das fortdauernde Gestöhne wieder ihre Aufmerksamkeit.
Bestimmt, mit leicht patschenden Schritten ihrer nackten Füße, ging sie hinauf, bis sie schließlich vor einer halb geöffneten Zimmertür stand, aus dessen Inneren, das immer lautere Stöhnen drang.
Hannah beugte sich langsam in den Spalt und nahm erste Schemen aus dem verdunkelten Zimmer war. Auf dem Boden, vor einem zerwühlten Bett, halb in ein Bettuch eingewickelt, lagen zwei Menschen. Und was sie da machten, war einfach zu erraten. Keuchend, eng umschlugen, bewegten sie sich hin und her. Die heiße, stickige Luft des Raumes schlug ihr entgegen.
Die Beiden waren wohl in ihrem Alter, etwa um die 20. Der Mann, der, soviel konnte sie erkennen, oben lag, keuchte nun immer lauter, und rammte seinen Unterleib immer fester und immer schneller gegen seine Partnerin, dabei glitt das Tuch entgültig von den Körpern der Beiden und gab ihr den Blick auf alle Details frei.
Die Frau war ähnlich gebaut wie sie, mit vielleicht etwas kleineren Brüsten und hatte einen modischen Kurzhaarschnitt. Ihr Gesicht war krebsrot angelaufen und schweißnass. Er sah, soweit es die Dunkelheit zuließ, weder besonders gut noch schlecht aus, hatte aber einen leicht muskulösen Körperbau und große, starke Hände, mit denen er seine Partnerin eng an sich hielt.
Gerade als sie sich etwas mehr an die Dunkelheit gewöhnt hatte und schon überlegte, ob sie wieder gehen sollte, dabei aber bemerkt hatte, dass ihre Hand zwischen die Beine gewandert war und dort schon fleißig arbeitete, durchfuhr ein Windstoß das Haus.
Erst schlugen die Fensterläden zusammen, klappten dann völlig auf und tauchten den Raum in ein helles Licht, dann erfasste der Lufthauch auch die Tür, öffnete sie ganz und schlug sie daraufhin mit einem noch lauteren Krachen gegen die Wand. Die Beiden schreckten auf.
Der Mann sah Hannah sofort und seine Augen wurden groß. Sie war ertappt.