„Weißt du, was mich stört?“
„Nein. Erzähl’s mir!“
„Ich finde, dass unsere Beziehung nicht so ganz ausgeglichen ist.“
„Kann ich verstehen. Aber ist das nicht genau das, was unsere Beziehung ausmacht? Dass du das Sagen hast und dass ich dir folge?“
„Ja schon, aber so meine ich das nicht.“
„Sondern?“
„Wenn ich mal so Orgasmuszählen mache, dann gewinnst du haushoch.“
„Du meinst, dass ich mehr Orgasmen hatte als du? Vielleicht bin ich einfach weniger verklemmt als du?“
„Definitiv nicht. Ist das nicht komisch? Wir machen so Spielchen, bei denen ich über dich bestimme, aber du kommst immer zum Höhepunkt und ich nie.“
„Und das stört dich?“
„Es fällt mir nur auf. Sollte ich nicht am meisten profitieren von der ganzen Sache? Wenn ich dir befehle, was du zu tun hast und so.“
„Vielleicht liegt’s an deinem Führungsstil?“
„Meinem Führungsstil? Wie kommst du darauf?“
Svenja und Lisa saßen auf dem Dach des Verwaltungsgebäudes, wo sie ihre Mittagspause verbrachten. Es war kein sehr heimeliger Ort. Schwarze Dachpappe, Blitzableiter und kleine Pfützen mit grünem –Algen-Wasser, das abgestanden roch. Aber zumindest waren sie allein und ungestört, konnten die Sonne auf sich scheinen lassen und hatten eine gute Aussicht auf die Umgebung. Unter ihnen waren die Geräusche der Maschinen aus der Produktion zu hören, aber es war mehr ein angenehmes Hintergrundrauschen, das ihr Gespräch nicht störte.
„Naja, es liegt doch an dir, was du mit mir anstellst. Ein Wort von dir und ich liege zwischen deinen Schenkeln. Aber das Wort hast du bisher noch nicht gesagt. Du bestimmst doch. Wenn du nicht kriegst, was du willst, dann liegt das an deinem Führungsstil, würde ich sagen.“
Da hatte Lisa absolut Recht, dieses Wort hatte Svenja noch nicht gesagt. Es war ein langsamer Weg dorthin, aber sie wollte ihr eigenes Tempo gehen. Vielleicht brauchte Svenja einen kleinen Schubser, und den wollte sie Lisa überlassen.
„Ich würde auch gerne einmal alles fallen lassen. Ich würde mich auch einmal gerne zurücklehnen und nichts tun.“
„Ich soll dich… wie soll ich sagen, herumkommandieren?“
„Nein. Du sollst genau das Gegenteil machen. Du sollst mir einen netten Abend bereiten. Mit Schweinkram und allem. Ich will mich mal nicht um alles kümmern müssen.“
„Ist das so eine Arbeit, mich zu quälen?“
„So meine ich das nicht. Aber ich möchte mir mal keine Gedanken machen müssen. Mach du das doch mal!“
„Okay. Was möchtest du denn? Was soll ich tun?“
„Das weiß ich doch nicht! Das ist deine Sache! Du sollst das entscheiden!“
„Das ist aber schwierig! Du bist die Chefin. Da kann ich ja nicht einfach so bestimmen, was du tun sollst.“
„Was ist daran schwierig? Das muss ich jeden Tag machen. Jeden Tag, an dem wir Sauereien miteinander machen, muss ich mir Gedanken machen, was ich mit dir anstellen soll. Jeden Tag muss ich mir den Kopf zerbrechen. Das ist auch nicht leicht!“
„Naja, jeden Tag ist ja nun auch ein wenig übertrieben. Mehr einmal die Woche.“
„Einmal die Woche muss ich mir den Kopf zerbrechen, was ich mit dir anstellen soll. Jede Woche einmal! Weißt du wie schwierig das ist? Da ist es ja nun nicht zu viel verlangt, wenn du das auch mal tust. Überrasch mich einfach!“
„Ja gut. Aber ich meine, du bist die Chefin. Woher weiß ich, was ich tun darf und was nicht? Ich will dir ja nicht blöd kommen.“
„Das Gleiche muss ich mich aber auch immer fragen. Ich muss mich auch immer fragen, was ich mit dir machen kann und was nicht.“
„Aber dir kann es ja ganz egal sein, ob es mir gefällt oder nicht, was du mit mir machst.“
„Ich überlege mir jedes Mal ganz genau, was dir gefallen könnte und was nicht! Darum geht es doch, dass es dir gefällt. Es geht mir in erster Linie darum, was dir gefällt.“
„Okay, du hast ja Recht. Ich werde mir Mühe geben. Was darf ich denn alles und was nicht?“
„Lisa, du fängst an mich zu nerven! Du überlegst dir was, und damit sind wir durch mit dem Thema.
„Okay. Verstanden!“
Sie schwiegen eine Weile nebeneinander und genossen die Aussicht.
„Themawechsel. Erinnerst du dich noch an unsere Radtour?“
„Total.“
In den vergangenen Wochen waren sie sich näher gekommen. Svenja hatte immer wieder mit Lisa irgendwelche Sachen gemacht. Sie waren noch nicht ein richtiges Paar, aber sich auch nicht mehr ganz fremd. Der bisherige Höhepunkt war diese Radtour gewesen.
Svenja hatte sie vorgeschlagen, und Lisa war sofort Feuer und Flamme gewesen. In dem Wald vor der Stadt hatten sie halt gemacht, um ein Picknick zu veranstalten. Lisa hatte das Essen vorbereitet, und eine Kühlbox dabei gehabt-mit allerlei Köstlichkeiten. Svenja hatte auch einen kleine mitgebracht, die allerdings mysteriös mit einem Vorhängeschloss verriegelt war.
„Was ist da drin?“ hatte Lisa gefragt, als Svenja sie abholte.
„Nichts.“
„Nichts?“
„Nichts, was dich was angeht.“
„So wie du das sagst, habe ich das Gefühl, dass mich das doch etwas angeht, was da drin ist.“
„Kann schon sein, dass du was mit dem Korb zu tun hast. Aber da ist wirklich nichts drin.“
„Warum solltest du einen leeren Korb mitnehmen? Und warum sollte der verschlossen sein?“
„Du wirst einfach Geduld haben müssen und es zur rechten Zeit herausfinden!“, hatte Svenja gesagt, war in die Pedale gestiegen und Lisa davon geradelt.
Lisa hatte immer mal wieder gebettelt, zu erfahren, was in dem Korb sei, und Svenja hatte immer wieder betont, dass er leer sei.
„Das glaube ich dir einfach nicht!“
„Wenn ich es dir doch sage!“
„Du lügst!“
„Du wirst es ja sehen!“
„Wann?“
„Zur gegebenen Zeit.“
„Ich finde, die Zeit ist jetzt gegeben.“
„Vertrau mir, das würdest du nicht wollen.“
„Was?“
„Dass ich es dir jetzt zeige.“
„Ach nein?“
„Vertrau mir einfach.“
„Das ist leicht gesagt.“
Es ging noch eine Weile hin und her zwischen den beiden, aber Svenja war hart geblieben. Sie fuhren in ein kleines, abgelegenes Wäldchen mit einem winzigen Teich. Es war so eine Art Geheimtipp, den Svenja mal irgendwann entdeckt hatte. Svenja führte Lisa an eine Stelle am Ufer, das mit Moos überwuchert war. Zusammen befreiten sie die Stelle von Unkraut und Zweigen und machten es sich gemütlich.
„Zeigst du mir jetzt, was in dem Korb ist?“
„Also gut. Komm her!“
Svenja zog den Schlüssel heraus, der an einer Kette hing, öffnete das Schloss, zögerte alles ein wenig heraus, um die Spannung zu erhöhen und öffnete dann den Korb.
„Der ist ja echt leer!“
„Habe ich doch gesagt!“
„Verstehe ich nicht. Warum bringst du einen leeren Korb mit auf ein Picknick?“
„Was meinst du?“
„Keine Ahnung, sag’s mir!“
„Für deine Klamotten!“
„Meine Klamotten?“
„Genau. Die kommen da rein.“
„Meine… du meinst, ich soll mich hier ausziehen. In aller Öffentlichkeit?“
„Hier sind nur ein paar Vögel, und die stehen nicht auf dich.“
„Und wenn einer vorbeikommen sollte? Ich meine, ein Mensch?“
„Das hier ist ein Geheimtipp. Den kennt niemand.“
„Das steht in den Reiseführern auch immer, und wenn man dann zu so einem Geheimtipp geht, dann wimmelt der von Touristen.“
„Also ich finde, hier wimmelt nichts!“
„Okay. Im Moment wimmelt nichts. Aber wer weiß, wann die Wimmelei losgeht!“
„Sollte es wirklich noch wimmeln, dann sind hier genug Büsche, hinter denen du dich verstecken kannst. Oder du machst einfach FKK.“
Lisa sah Svenja ratlos an.
„Das ist dein Ernst oder nicht?“
„Ich möchte gerne mit meiner Freundin ein Picknick machen und sie dabei nackt sehen. Ich finde das nicht außergewöhnlich.“
Es war das erste Mal, dass Svenja Lisa sie als ihre Freundin bezeichnete. Nicht eine Freundin, sondern ihre. Svenja sah in Lisas Augen, dass sie die Bedeutung dieses Wortes auch verstanden hatte.
„Und du?“
„Was ist mit mir?“
„Ziehst du dich auch aus? Das wäre nur fair!“
„Bist du wahnsinnig? Ich will doch nicht, dass mich hier einer nackt sieht!“
Svenja hatte den Satz so schwungvoll geäußert, dass Lisa wieder kurz davor war, einen Rückzieher zu machen. Aber schließlich konnte Svenja sie doch dazu überreden, und Lisa begann sich langsam ihrer Kleider zu entledigen.
„Ein bisschen mehr Mühe könntest du dir schon geben!“
Svenja spornte Lisa an, und die legte schließlich eine nette Show hin, die vage an einen Striptease erinnerte und sehr viel eleganter daher kam als das, was Dustin für sie veranstaltet hatte.
Schließlich lagen alle von Lisas Kleidungsstücken vor ihr und Lisa stand vollkommen nackt vor Svenja.
Es war ihr sichtlich unangenehm. Sie versuchte ihre Blöße zu bedecken, aber Svenja befahl ihr, die Hände wegzunehmen:
„Komm schon, du hast einen sexy Körper, dafür musst du dich nicht schämen!“
„Ich bin nicht so ein Flittchen. Ich bin es einfach nicht gewohnt, mich vor anderen auszuziehen.“
„Auch nicht vor deiner Freundin?“
Sie schauten sich für einen Moment in die Augen.
„Auch nicht vor meiner Freundin.“
„Da wirst du dich aber dran gewöhnen müssen.“
„Das werde ich wohl.“
Lisa nickte und Svenja nickte zurück.
„Ich möchte, dass du deine Klamotten selbst in die Tasche steckst und verschließt.“
„Wirklich?“
„So als Zeichen dafür, dass du mir vertraust.“
Lisa sah Svenja an und musste schlucken.
„Okay.“
Svenja war mindestens ebenso aufgeregt, als Lisa in einer fast schon feierlichen Prozedur ihre Kleider sauber gefaltet in die Kiste legte und das Schloss verriegelte.
„Setz dich neben mich!“
„Wow, das ist aber verdammt weich hier!“
„Du kannst das ja besonders gut beurteilen mit deinem nackten Hintern.“
„Willst du es mir nicht nachmachen?“
„Lass mal, ich bin nicht so ein Flittchen, das sich immer die Klamotten vom Leib reißen muss.“
Lisa schaute säuerlich.
„Lass uns picknicken!“
Das taten sie, und sie hatten eine schöne Zeit zusammen. Für einige Zeit fiel es nicht auf, dass Lisa und Svenja eine besondere Beziehung zueinander hatten. Aber Svenja zog Lisa einige Mal auf mit ihrer Nacktheit:
„Hörst du das auch?“
„Was?“
„Ich glaube, das sind Schritte!“
„Wo?“
„Ich glaube, von da hinten!“
„Oh, Gott! Gib mir meine Klamotten!“
„Keine Chance. Würdest du sowieso nicht schaffen!“
„Was mache ich jetzt?“
Svenja hatte danach einige Schwierigkeit, Lisa zu beruhigen und ihr zu versichern, dass sie Lisa nur veräppelt hatte. Lisa wollte das einfach nicht glauben.
„Scheiße, scheiße, scheiße! Was mache ich jetzt! Wer kann das sein? Wenn mich einer hier so sieht!“
„Da ist niemand! Wirklich nicht! Ernsthaft.“
„Das sagst du jetzt! Um mich zu beruhigen! Oh Mann!“
Svenja fiel nichts mehr ein, und so packte sie Lisa, drückte sie auf das weiche Moos und warf sich auf sie. Sie packte Lisas Handgelenke und drückte mit ihrem eigenen Lisas nackten Körper zu Boden, sodass diese sich nicht mehr bewegen konnte. Und dann presste sie ihre Lippen auf Lisas. Der Kuss beruhigte Lisa, aber Svenja spürte immer noch ihre Nervosität, und so flüsterte sie ihr ins Ohr:
„Ich bedecke dich mit meinem Körper, und wir knutschen hier so lange rum, bis wir wieder allein sind, okay? Sollte wirklich einer vorbei kommen, wird niemand sehen können, dass du nackt bist. Ich bin deine Decke, ich bedecke dich, ich passe auf, dass keiner was sieht, was er nicht soll!“
Und obwohl niemand da war, der sie beobachten konnte, taten sie das genauso und wälzten und küssten sich auf dem weichen Moos, und Stück für Stück entledigte sich auch Svenja ihrer Kleider, bis sie nur noch in ihrem Slip und BH war.
Sie hatte sich vorgenommen, dass sie Lisa gestatten würde, zwischen Svenjas Schenkel zu kriechen und sie mit ihrer Zunge zu verwöhnen. Aber irgendetwas hatte Svenja zurückgehalten. Es war ihre Feigheit, ihr mangelnder Mut. Am Ende hatte Lisa sich hinter sie gesetzt und mit ihrer Hand verführt. Lisas Finger hatten sie überall gestreichelt, und Svenja hatte sich in diesen Berührungen verloren, war in eine Welt eingetreten, die so neu war. So sanft und zart war, dass sie ein wenig Angst bekam vor den Gefühlen, die Lisa ihr bereitete. Zunächst fühlte es sich falsch an. Es waren die falschen Finger, die falsche Sachen mit ihrem Körper anstellten. Das lag bestimmt daran, dass es weibliche Finger waren. Aber bald schon hatten sie Svenja überzeugt, dass es nicht falsch war, dass es egal war, wessen Finger das waren, dass es nur darum ging, was sie taten, und was sie taten, war gut. Daran gab es nichts auszusetzen.
Svenja ließ sich auf die Finger ein, und Lisa bezauberte sie mit ihren Berührungen.
Es war anders als mit Männern. Definitiv. Schwer zu beschreiben, selbstverständlicher, entspannter, es erschien ihr, als wäre Lisa in ihrem Kopf, in ihrem Schoß, in ihr. Als tat sie etwas mit ihr, das verboten sein sollte, als hätte sie eine Magie entdeckt, mit der sie Svenja beherrschen konnte. So etwas war ihr mit Männern noch nie passiert. Sie spürte den warmen Körper Lisas an ihrem Rücken, ihre Brüste, die harten Brustwarzen, die ihre Schulterblätter triezten, als sie sich von ihr umarmen ließ und ihre Körper sich berührten, als müsste Lisa ihr Trost spenden nach diesem Höhepunkt.
„Möchtest du deine Klamotten zurück?“, hatte Svenja gefragt, als sie später immer noch eng umschlungen auf den Teich schauten.
„Ist schon okay. Ich habe mich dran gewöhnt. Ich finde es schön so. Nackt zu sein vor dir. Wenn es dir gefällt.“
„Ich finde dich total heiß so, hier in dem Wald! Wie in so einem alten Gemälde.“
„Wirklich?“
„Total wirklich!“
Und dann hatte Svenja sich revanchiert und Lisa das gegeben, was diese ihr geschenkt hatte, und als Lisa ihren Höhepunkt erlebte, hatte Svenja unbemerkt und etwas verschämt deren Feuchtigkeit von ihren Fingern geleckt, um zu erfahren, wie das schmecken würde.
Erst am späten Nachmittag hatte Svenja Lisa ihre Kleidungsstücke wieder zurückgegeben, nachdem sie sie betteln und flehen hatte lassen.
Als sie zurückradelten, hatten beide das Gefühl, dass ihre Beziehung sich verändert hatte, tiefer geworden war.