Kapitel 4

Wir werden miteinander schlafen. Er wird mich ficken! Ob aus Pflichtbewusstsein oder weil er es wirklich will, kann ich nicht genau sagen. Ich hoffe, dass es das zweite ist. Aber egal, ich kann ihn viel besser mit Körpereinsatz überzeugen als mit Worten. Das ist meine Welt und das kann ich.

Ich kuschle mich an Tom und er streichelt mich liebevoll. Das ist keine Pflichterfüllung, er will es! Und ich will es auch. Natürlich hätte ich als Nutte mit ihm gebumst, auch wenn ich ihn nicht sonderlich sympathisch gefunden hätte. So aber ist es viel leichter.

Er zieht mich in seine Arme und küsst mich leidenschaftlich. Scheiße, als Nutte küsse ich eigentlich nicht. Bei Tom kann ich mich jedoch seinem Bann unmöglich entziehen. Ich küsse ihn ebenfalls und zwar leidenschaftlich. Ist das schön! Ich habe noch nie so viel bei einem einzigen Kuss empfunden.

Unser Zungenspiel entwickelt sich zu einem sehr sinnlichen Kampf unserer Zungen. Wie lange ist es her, dass ich so geküsst habe? War es jemals so schön?

Tom streichelt meinen Körper. Er fährt ganz sanft mit der Hand meinen Rücken hinab. Er umspielt meinen Po. Er wirkt etwas unbeholfen, doch die Berührung fühlt sich dennoch atemberaubend an. Ich muss immer wieder die Luft anhalten oder stoßartig ausatmen.

Langsam löst er seinen Mund von meinem. In seinen Augen sehe ich Zuneigung, Überraschung, Neugier und, ja das könnte es sein, auch etwas Liebe. Dieser Mann fasziniert mich!

„Entschuldige, aber ich würde doch gerne den Brief meines Onkels lesen. Danach haben wir alle Zeit der Nacht. Ist das für dich ok?“, seine Frage kommt zögerlich.

„Natürlich, das verstehe ich. Wenn ich nur hier bei dir sitzen bleiben darf.“

Tom zieh den Brief aus seiner Anzugsjacke, die er wie seine gesamte Kleidung neben der Couch hat fallen lassen. Er reißt ihn auf und liest ihn. Ich kann seinen Blick nicht deuten. Irgendwie ist er wie versteinert.

Schließlich hält er den Brief in meine Richtung und in seinen Augen steht die Frage, ob ich ihn lesen will.

„Darf ich wirklich?“, frage ich vorsichtig.

„Ja, natürlich. Ich möchte vor dir keine Geheimnisse haben. Und ich hoffe, du hast auch nie welche vor mir. Jede Wahrheit ist leichter zu ertragen, als eine Lüge.“

„Ich verspreche, immer ehrlich zu sein“, versichere ich ihm.

Lieber Tom,

es ist also soweit. Ich bin nicht mehr. Ich habe diesen Ort geliebt und nichts ist mir wichtiger, als dass die Mädchen auch weiterhin ein Zuhause haben. Sie waren all´ die Jahre meine .

Jetzt ist es an der Zeit dir zu erklären, was damals war. Ich war 18, als ich mich in ein Mädchen verliebte. Wir waren jung und unerfahren und Maria wurde schwanger. An sich war das kein Problem, denn ich habe sie geliebt, ich habe sie wirklich geliebt. Das Schicksal jedoch kann grausam sein. Es kam bei der Geburt zu Komplikationen und beide starben.

Ihre und meine Verwandten gaben mir die Schuld an dieser Tragödie. Doch was konnte ich schon dafür? Es war einfach Schicksal. Und schließlich habe ich am meisten verloren. Mit Maria habe ich meine ganz, ganz große Liebe verloren. Ich war sowieso schon am Boden zerstört. Doch sie brauchten einen Schuldigen und haben mich verstoßen. Ich bin aus Mödling weggegangen. Ich habe es nicht mehr ausgehalten, wie sie mich angeschaut haben, wie sie mit den Fingern auf mich gezeigt haben.

Zuerst bin ich nach Wien gegangen, dann nach Prag und schließlich habe ich hier dieses Bordell aufgebaut. Mir war immer wichtig, dass es kein normales Bordell ist. Hier sollten die Mädchen in Würde und in Sicherheit ihrer Arbeit nachgehen können und ich habe sie auch immer unterstützt, wenn sie aussteigen wollten. Das wurde zu meiner Lebensaufgabe.

Ich war nie mehr willkommen, wenn ich nach Mödling kam. Mit Maria habe ich auch meine Heimat verloren, meine Wurzeln. Allein du hast mich immer ganz unvoreingenommen behandelt und warst ein , ja fast wie ein , den ich mir immer gewünscht habe. Du hast dein Herz nicht vergiften lassen und hast dir dein eigenes Bild gemacht. Bleib so und gehe auch in diese Aufgabe mit deiner für ich typischen Unvoreingenommenheit. Mir ist bewusst, dass ich viel von dir verlange, da du dein ganzes Leben ändern sollst. Aber bitte tu es für mich!

Mit Miriam habe ich eine wunderbare gefunden. Ich habe nach Maria nie mehr eine Frau geliebt, außer Miriam. Leider habe ich sie viel zu spät getroffen und war schon ein alter Esel. Es hat mich viel Überwindung gekostet, aber ich habe ihr das nie gestanden. Aus Liebe! Sollte es sich ergeben, dass ihr ein werdet, pass bitte ganz besonders auf sie auf. Brich ihr ja nicht das Herz. Dann müsste ich ein zweites Mal sterben.

Und nun zum Bordell. Miriam kann es alleine nicht stemmen. Es war manchmal schon für mich schwer und ich bin dankbar, dass ich in den letzten Jahren Miriam an meiner Seite hatte. Sei du nun bitte an ihrer Seite und stelle dich mit breitem Rücken vor sie und gib ihr deine Schulter, um sich daran anzulehnen.

Danke, dass du zu mir gehalten hast und danke, dass du nun Miriam zur Seite stehen wirst.

Franz

Mir kommen die Tränen. Ich lehne mich an Toms Schulter und weinte hemmungslos. Dieser Brief, in dem er seine Liebe zu mir gesteht, hat mich umgehauen.

Tom nimmt mich fest in den Arm und streicht mir mit der Hand beruhigend über den Rücken. Er gibt mir die Zeit, meinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Schließlich legt er den Zeigefinger unter mein Kinn und hebt meinen Kopf ganz vorsichtig empor, so dass ich ihm in die Augen schauen muss.

„Ich bin für dich da!“, versichert er.

„Wir brauchen dich. Nein, ich brauche dich“, gestehe ich.

„Ich bin da und ich werde dir das Herz nicht brechen. Nicht dir!“, versichert er.

Dieses Bekenntnis beruhigt mich, ich lasse meinen Tränen nun endgültig freien Lauf. Ich kann nicht anders, die Anspannung und die Trauer der letzten Tage kommen hoch und übermannen mich. Tom hält mich einfach im Arm, streichelt meinen Rücken und ist mein Ruhepol. Das tut so unglaublich gut!

Ich habe noch nie im Leben einen Menschen so dringend gebraucht, wie jetzt gerade Tom. Und ich war noch nie so dankbar, dass jemand da war, als in diesem Moment.

Mein nackter Körper schmiegt sich an seinen nackten Körper und es tut unheimlich gut. Noch nie habe ich dieses Haut-an-Haut-Gefühl so intensiv gespürt, wie jetzt mit Tom.

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