–Vorbemerkungen—

Hallo liebe Leserinnen und Leser,

leider komme ich berufsbedingt nicht mehr so zum Schreiben, wie ich es bisher gewohnt war. Daher hat es diesmal doch auch für mein Empfinden sehr lange mit dem nächsten Kapitel gedauert. Glaubt mir, keiner bedauert das so wie ich….

Ich hoffe, dass das Niveau (sofern man denn von derlei sprechen will) nicht gelitten hat.

Ich wünsche viel Spaß beim Lesen dieses Kapitels und bitte möglichst alle Leser und Leserinnen um hilfreiches Feedback.

Euer Lex84

Am nächsten Tag hatte sich Olivers Sicht auf die Dinge gehörig gewandelt. Nach dem spontanen Sex mit seiner und ihrer Ankündigung, dass es bei diesem einen Mal nicht bleiben würde, war der Rest des gestrigen Tages ruhig verlaufen. Zwischen Oliver und Larissa war das Gespräch nicht mehr auf das heikle Thema gekommen. Die darauffolgende Nacht hatte Oliver gleichermaßen verhältnismäßig gut und entspannt schlafen können. Er war mit sich und seinem Gewissen im Reinen. Das glaubte er jedenfalls bis in die frühen Morgenstunden, als er aufwachte.

Als hätte er bis dato nicht durchschaut, was seine und er getan hatten, erschrak er förmlich vor den Tatsachen: Er hatte mit seiner leiblichen Schwester geschlafen! Wer tat nur derartige Dinge? Und viel wichtiger: Wie hatte es zwischen seiner Schwester und ihm so weit kommen können? Selbstverständlich erinnerte sich Oliver an die Geschehnisse vom Vortag noch in jeder kleinen Einzelheit. Doch im Rückblick schienen sie ihm abstrus und beinahe, als wären seine Erinnerungen von jemandem manipuliert worden. Es konnte sich unmöglich abgespielt haben, wie es Oliver in seiner Erinnerung vor sich sah. Hatte er allen Ernstes seine Schwester vorführt, mit ihm zu schlafen? Wie hatte er um Himmels Willen die gesellschaftlich anerkannte Grenze zu dieser abartigen Perversion überschreiten können?

Olivers Gewissen peinigte ihn zunehmend, dass an ein Weiterschlafen nicht mehr zu denken war. Zwar beruhigte sich Oliver mit der unzweifelhaften Tatsache, dass Larissa einen gehörigen Teil zu der gestrigen Entwicklung beigetragen und es genauso wie er gewollt hatte. Und ja, es hatte ihm gehörigen Spaß gemacht, seine Schwester zu ficken – auch oder gerade weil es sich dermaßen verboten angefühlt hatte. Bei Larissa vermutete Oliver ähnliche Gefühle, weil sie gestern noch versichert hatte, dass der Sex mit ihrem für sie keine Ausnahme bleiben sollte. Aber wie stand Oliver zu diesem Thema? Gestern hätte er noch ohne zu zögern diesem Vorschlag umgehend zugestimmt. Heute mit einigem zeitlichen Abstand war er sich diesbezüglich nicht mehr so sicher. Oliver kämpfte mit seinen Gefühlen und seinem schlechten Gewissen. Konnte und durfte er als älterer zulassen, dass sich der intime Kontakt mit seiner leiblichen Schwester wiederholte? Eine abschließende Antwort auf diese Frage fand Oliver trotz intensivem Nachdenkens nicht. Stattdessen kam er zu dem Schluss, dass sowohl seine Schwester als auch er erwachsen waren und somit wie Erwachsene mit dem Thema umgehen konnten. Das bedeutete, dass sie ein ernstes Gespräch würden führen müssen – und das in naher Zukunft.

Hatte Oliver diesen Vorsatz gefasst, war er im nächsten Moment widererwarten nochmals eingenickt. Als er neuerlich erwachte und auf die Uhr an der gegenüberliegenden Wand seines Zimmers blickte, zeigte diese Viertel vor Acht an. Sich schlaftrunken orientierend fragte sich Oliver nach dem Wochentag und erhielt von seinem Verstand als Antwort, dass es Montagmorgen war. Verdammt! Sofern Larissa nicht später in die Schule als gewöhnlich musste, hätte er sie bereits verpasst und musste bis zum Nachmittag mit seiner notwendigen Aussprache warten. Mit einem trotz seines verschlafenen Zustandes verhältnismäßig dynamischen Satz erhob sich Oliver aus seiner Rückenlage und schälte sich aus dem Bett. Nur mit seiner Schlafshorts bekleidet und mit nacktem Oberkörper verließ Oliver sein Jugendzimmer. Er begab sich nach unten ins Erdgeschoss, um seine Schwester hoffentlich noch in der Küche beim Frühstück anzutreffen. Seine Hoffnungen wurden beim flüchtigen Blick auf die Küchenzeile enttäuscht, als er den Raum betrat. Larissa befand sich nicht dort. Stattdessen erblickte Oliver auf der Küchenzeile benutztes Geschirr. Der Stecker der Kaffeemaschine war eingesteckt, was bedeutete, dass sie mit Sicherheit benutzt worden war. Auf dem Küchentisch lag als letztes und eindeutiges Indiz, dass Larissa gefrühstückt und längst das Haus verlassen hatte, die Zeitung vom heutigen Tage. Innerlich fluchte Oliver, weil er seine Schwester schlafenderweise verpasst hatte. Jetzt würde er notgedrungen den ganzen Tag mit seinen widersprüchlichen Gefühlen kämpfen müssen, ehe er die Dinge am frühen Nachmittag mit seiner Schwester würde klären können.

Diese dunkle Aussicht für den anstehenden Vormittag verdunkelte gleichermaßen Olivers Gemüt. Aufgrund dessen dauerte es selbst für Olivers Verhältnisse besonders lange, bis er sich für den anstehenden Tag zurechtgemacht hatte. Bei dem anschließenden und tendenziell spärlichen Frühstück ließ sich Oliver gleichfalls ausnehmend viel Zeit. Ein zusätzlicher Grund für seine Antriebslosigkeit war der, dass er keine vernünftige Idee hatte, wie er den Tag bis zu Larissas Erscheinen überbrücken sollte. Auf Pornos schauen oder ähnliche Beschäftigungen hatte er keine Lust, weil diese Tätigkeit ihn nur zusätzlich an das Thema für das anstehende Gespräch mit seiner Schwester erinnert hätte. Stattdessen lag es in Olivers Interesse, eine Beschäftigung zu finden, die ihn nachhaltig von derartigen Gedanken ablenkte. Mangels Alternativen fiel Olivers Entscheidung auf einen uninspirierten Ausflug in die Stadt. Diese ‚Exkursion‘ brachte jedoch nichts Erwähnenswertes als Ergebnis zustande – noch nicht mal die beabsichtigte Beruhigung seiner Nerven stellte sich bei Oliver ein. Sein nerviges Gewissen machte partout keine Anstalten, Ruhe zu geben.

Mit unverändert bewölktem Gemüt kam Oliver gegen halb eins zu Hause an. Er rechnete nicht mit der Anwesenheit von Larissa, weil diese montags in der Regel gegen sechzehn Uhr nach Hause kam. Sofern sie sich nach der Schule noch mit Freundinnen traf, konnte es noch bedeutend später werden. Umso erstaunter war Oliver, als er die Haustüre aufgeschlossen hatte und den dahinter liegenden Flur betrat. Umgehend stieg ihm ein präsenter Essensgeruch in die Nase. Zusätzlich hörte er aus der Küche das Klappern von Geschirr. Das musste ohne jeden Zweifel heißen, dass Larissa früher als üblich nach Hause gekommen war. Schlagartig wurde Oliver nervös, weil dies bedeutete, dass das Gespräch mit seiner Schwester, das er den Tag über ersehnt und in gleichem Maße gefürchtet hatte, ihm kurz bevorstand. Inzwischen war ihm bei dem Gedanken nicht mehr wohl und er machte sich Gedanken, wie seine Schwester die Situation wohlmöglich einschätzen mochte. Immerhin hatte er für sich noch keine klare Entscheidung getroffen und das mochte bei seiner Schwester ähnlich sein.

Als Oliver mit seinen widersprüchlichen Gefühlen die Küche betrat, erblickte er wie erwartet seine Schwester, die am Herd stand und in einem Topf mit einer roten Soße rührte. Weil Larissa ihn nicht sofort bemerkt hatte, machte sich Oliver bemerkbar und sagte: „Hi, du bist ja schon zu Hause. Hattest du heute früher Schule aus?“ Von der unerwarteten Ansprache zuckte Larissa sichtbar zusammen, weil sie sich erschreckt hatte, und fuhr mit ihren Kopf in Olivers Richtung herum. Mit einem hörbar erschrockenen und zugleich erleichterten Tonfall in der Stimme antwortete sie: „Ach Oliver, du bist es. Ja, ich bin schon länger zu Hause. Ich habe die letzten Stunden geschwänzt. Ich konnte mich ohnehin nicht auf den Scheiss konzentrieren. Und als ich feststellte, dass ich hier zu Hause alleine bin, dachte ich, ich könnte mich nützlich machen und uns ´was kochen. Hast du Hunger, Oliver?“

Obgleich der Angesprochene alle Worte von seiner Schwester vernommen und verstanden hatte und auf ihre letzte Frage bestätigend nickte, kreisten Olivers Gedanken um ausschließlich eine einzige Aussage Larissas. Sie hatte Schulstunden geschwänzt? Soweit Oliver wusste, hatte sie das bis heute noch niemals zuvor getan. Das musste in jedem Falle einen triftigen Grund haben. Sollte wohlmöglich er oder wenigstens das der Auslöser für ihr Handeln sein, was seine Schwester gestern mit ihm erlebt hatte? Larissa hatte zur Erklärung hervorgebracht, dass sie sich ohnehin nicht mehr hatte konzentrieren können, was Olivers Vermutung nicht ausschloss. Sofern er richtig lag, verhieß das Mittagessen spannend zu werden. Vielleicht konnte es sich Oliver einfacherweise erlauben, seiner Schwester das Feld zu überlassen und sie das heikle Thema zur Sprachen bringen zu lassen. In diesem Moment wäre diese Möglichkeit Oliver nur lieb gewesen, sofern er in diesem Punkt ehrlich zu sich war.

Um sich zu beruhigen, beschloss Oliver, seiner Schwester so gut es ging, bei der Vorbereitung des gemeinsamen Mittagessens zur Hand zu gehen. Fürs erste deckte er in bedächtigem Tempo den Tisch, um mit dieser Tätigkeit nicht zu früh vor Larissa fertig zu werden. In diesem Falle hätte er sich eine zusätzliche Ablenkung überlegen müssen, um nicht doof neben der an den Spaghetti kochenden Larissa stehen zu müssen. Zu seinem Glück kam es zu dieser verlegenen Situation nicht, weil Larissa mit ihrem Gericht, das Oliver visuell als Spaghetti Bolognese identifiziert hatte, schnell fertig wurde. Während sie den Topf mit den Nudeln und anschließend den wesentlich kleineren mit der – einer Familientradition entsprechend mit Rotwein verfeinerten – Bolognese-Soße auf dem Küchentisch drapierte, saß Oliver am Tisch und verfolgte ihre Bewegungen. Sofern Larissa ähnlich nervös wie er war, ließ sie sich diese Gefühlsregung nicht im Mindesten anmerken, stellte Oliver schnell fest.

Es dauerte noch einige Augenblicke, bis Larissa und Oliver ihr gemeinsames Mittagessen begannen. Entgegen Olivers großer Hoffnung im Vorfeld machte Larissa keinerlei Anstalten, das Wort an ihn zu richten. Anfangs gedachte Oliver ihr ihre Ruhe zu lassen, weil sie am Ende über die bestmöglichen Worte nachdenken mochte. Aber nachdem annähernd zehn Minuten vergangen waren, während der zwischen ihnen kein einziges Wort gewechselt worden war, setzte sich bei Oliver langsam eine anderslautende Erkenntnis durch. Seine Einschätzung bezüglich Larissas Absichten entsprach nicht der Wahrheit. Es lag im Ergebnis an ihm, das heikle aber zwangsweise zur Diskussion anstehende Thema anzusprechen. Gut! Falls es nötig war, würde er nicht kneifen. Immerhin hatte er den ganzen Tag Zeit gehabt, um sich seine Worte zurechtzulegen. Sobald der schwierige Anfang gemacht war, würde das Gespräch sicherlich annähernd von alleine laufen, dachte Oliver zu seiner Beruhigung im Stillen.

Ausgerechnet in dem Augenblick, in dem Oliver eingebildet tief Luft holte, um das erste Wort seit Minuten zu sprechen, kam ihm seine Schwester zuvor. Er hatte seinen Mund geöffnet, als er Larissas Frage vernahm: „Und? Wie schmeckt das Essen? Ist alles gut?“ Ihre inhaltlich zusammenhängenden Fragen brachten Oliver kurzzeitig aus dem Konzept, ehe er sich in den Griff bekam. Falls er es nicht besser gewusst hätte, hätte er angenommen, dass seine Schwester mit ihren Äußerungen Zeit zu schinden versuchte, um sich nicht auf ‚vermintes Gebiet‘ vorwagen zu müssen. Das passte, soweit Oliver seine Schwester kannte, nicht im Mindesten zu ihr. Normalerweise ging sie Probleme und Schwierigkeiten wesentlich offensiver an als er. Aber auf der anderen Seite: Was wusste Oliver streng genommen gesichert über seine Schwester? Schließlich hatte er erst die vergangenen Tage festgestellt, dass er ihren Charakter wesentlich weniger durchschaut hatte, als er sich eingebildet hatte. Im Ergebnis spielte das im Moment keine große Rolle. Weil sich Oliver abgefunden hatte, dass er derjenige sein musste, der das Gespräch in sinnvolle Bahnen lenkte, würde er das auf der Stelle tun. Es spielte keine große Rolle, ob seine Schwester hierzu bereit war oder nicht.

Obwohl er innerlich aufs Äußerste nervös war, brachte Oliver eine feste und selbstsicher klingende Stimme zustande, als er mit einer offensiven Gegenfrage antwortete: „Ja, Schwesterchen, das Essen schmeckt sehr gut. Aber möchtest du allen Ernstes über das Essen sprechen?“ Olivers Frage ließ Larissa aufhorchen und mit überraschtem Gesichtsausdruck rückfragen: „Ähm, nein, wir können selbstverständlich auch über ´was Anderes reden. Hast du ´was Bestimmtes im Sinn?“ Dass sich Larissa mit Absicht dumm zu stellen versuchte, nervte Oliver im ersten Augenblick. Er fragte sich, ob Larissa ehrlich nicht dasselbe auf der Seele brannte wie ihm. Diese Möglichkeit hielt er im Grunde für ausgeschlossen. Als positive Folge seiner spontanen Verärgerung kam seine nächste Äußerung unbeabsichtigt scharf aber effektvoll herüber: „Na, wir könnten zum Beispiel mit der Frage anfangen, warum du heute, soweit ich davon weiß, das erste Mal in deinem Leben die Schule geschwänzt hast. Ich vermute, die Gründe für den Umstand, dass du dich in der Schule nicht konzentrieren konntest, gehen uns am Ende beide an.“

Auf den ersten Blick vermochte Oliver seine Schwester nicht zu durchschauen, ob sie Erleichterung verspürte, dass Oliver die Initiative übernommen hatte, oder ob sie seinem offensichtlichen Vorhaben ablehnend gegenüberstand. Eindeutig war hingegen, dass sie mit sich haderte, wie sie auf die Frage ihres Bruders reagieren sollte. Diesen Umstand signalisierte Oliver alleine die unnötige Zeit, die seine Schwester benötigte, um eine Antwort zu formulieren. Als sie endlich kam, nahm Oliver die Gegenfrage eher ernüchtert zu Kenntnis. Larissa sagte: „Ich glaube, wo du so direkt fragst, kennst du die Antwort genauestens, Oliver. Warum sollte ich dir hierauf also noch zusätzliche Dinge erörtern, hm?“ „Weil ich es unbedingt aus deinem Munde hören möchte!“, entgegnete Oliver und fügte noch hinzu: „Und ´tu bitte nicht, als würdest du das nicht verstehen können. Versetz‘ dich mal in meine Lage. Seit einigen Tagen bist du ein vollkommen anderer Mensch in meinen Augen geworden. Klar, du hast mir mehrere Anhaltspunkte gegeben, damit ich dein Verhalten halbwegs nachvollziehen und vorhersehen kann. Letzten Endes kann ich noch immer nicht begreifen, dass meine Eindrücke der Wahrheit entsprechen sollen. Mein Verstand weigert sich, das zu glauben. Also: Bitte erkläre es mir, Larissa!“

Olivers Ausführungen entsprachen streng genommen nur zum Teil der Wahrheit. Tatsächlich war Oliver noch von der unerwarteten neuen Seite seiner Schwester wie überfahren. Auf der anderen Seite meinte er, seine ‚Vorzeigeschwester‘ wunderbar verstehen zu können. Angesichts dessen bedurfte es aus seiner Sicht streng genommen keiner Erklärung ihrerseits, warum sie die Schule geschwänzt hatte. Und doch gab es viele Kleinigkeiten, die als Ursache für Larissas Entscheidung in Frage kamen. Welche seine Schwester anführen mochte, interessierte Oliver brennend. Nebenbei mochte er es unbedingt aus dem Munde seiner Schwester hören, weil er sich erhoffte, dass ihm dieses kleine Bekenntnis den Weg für die notwendigen tiefergehenden Gespräche erleichtern würde. Obwohl seine Worte somit nicht uneingeschränkt ehrlich waren, beeindruckten sie Larissa augenscheinlich in der von ihm beabsichtigten Weise. Nur kurz legte Larissa ihren Kopf nachdenklich schräg, ehe sie nach einem Seufzer erwiderte: „Gut, wenn du es unbedingt von mir hören willst: Ich habe in der Schule die ganze Zeit an das denken müssen, was gestern passiert ist. An ´was Anderes zu denken, war mir zu keiner Zeit möglich. Mir wurde klar, dass du ohne den kleinsten Zweifel über die Sache reden wollen würdest, wie es zwischen uns weitergehen soll. In diesem Punkt stimme ich mir dir überein. Und von meiner Seite aus gibt es auf diese Frage nur eine praktikable Antwort. Das ist mir in der Schule klar geworden, dass ich nicht mehr länger warten konnte, von dir zu hören, wie du darüber denkst, Brüderchen! Und? Zufrieden?“

Im ersten Moment des Zuhörens war Oliver positiv überrascht und erleichtert, dass Larissa mit ihm sprechen mochte, wie sie sich die Zukunft zwischen ihr und ihm vorstellte. Das erleichterte ihm die Sache enorm, weil er nicht länger nach einer unauffälligen Themenüberleitung suchen musste. Andererseits wandelte sich Olivers Erleichterung bei näherem Nachdenken zunehmend in Nervosität. Hatte Larissa nicht soeben bekundet, dass sie eine exakte Vorstellung hatte, wie es mit ihnen weitergehen solle? Was wäre, sofern diese Vorstellung nicht im Ansatz Olivers Gefallen fand? Wäre es ihm möglich, seine Schwester von ihrem gefassten Plan abzubringen oder würde er sich nicht viel wahrscheinlicher von ihr überreden lassen? Durfte er das überhaupt – insbesondere als ihr älterer Bruder?

Plötzlich bemerkte Oliver, dass er seiner Schwester unwillentlich Worte in den Mund gelegt hatte, die sie noch gar nicht ausgesprochen hatte. Aus einem irrigen Grund hatte er wie selbstverständlich angenommen, dass Larissa an der Stelle anknüpfen mochte, wo sie und er am Vortag aufgehört hatten. Unter Umständen traf diese Einschätzung seiner Schwester nicht zu und sie versuchte ihrem Bruder klarzumachen, dass es sich bei den gestrigen Ereignissen um eine einmalige Sache handele. Am Ende war sie zu der Einsicht geraten, dass es nicht richtig war, was Oliver und sie getan hatten? Verbuchte sie ihre Taten viel eher als Ausrutscher und erwartete von ihrem Bruder, dass sie das Thema abschlossen und zum vorigen Ist-Zustand zurückkehrten? Oliver war sich diesbezüglich nicht sicher. Eine Gewissheit besaß er jedoch: Er würde es nicht erfahren, sofern er seine Schwester nicht schleunigst animierte, weiterzusprechen. Hastig bemerkte Oliver: „Ähm ja, es trifft hundertprozentig zu, dass ich Derartiges vermutet habe. Aber ähm… möchtest du mir nicht verraten, wie du dir vorstellst, wie es weitergehen soll, sofern du dir in dem Punkt dermaßen sicher sein solltest, wie du behauptest?“

Aufgrund seiner spürbaren Nervosität waren Olivers Worte weit weniger durchdacht gewesen, als er es für sich ansonsten in Anspruch nahm. Aus diesem Grunde beinhalteten sie eine von ihm nicht beabsichtigte Spitze, die blöderweise indirekt Larissas erklärte Entschlossenheit in Frage stellte. Dass Oliver mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgerechnet mit diesem unbedachten Angriff auf seine Schwester bei ihr einen Redeschwall auslösen würde, wurde ihm im nächsten Moment deutlich. Sichtlich pikiert legte Larissa das Besteck aus ihren Händen auf den mehr als halb vollen Teller vor sich und stützte ihre Arme angriffslustig auf der Tischplatte ab. Ihre stechenden Augen auf ihren Bruder gerichtet entgegnete sie: „Doch, Oliver, das möchte ich und das werde ich. Eigentlich hatte ich vorgehabt, zuerst dich zu fragen, wie du die Sache siehst. Aber inzwischen ist mir klar geworden, dass deine Einschätzung eh keine Auswirkungen auf meine Sicht der Dinge haben würde. Ich weiß, was ich will. Wenn ich ehrlich zu mir bin, habe ich mein ganzes Leben gewusst, was ich will und was gut für mich ist. Doch aus unzähligen mich einengenden und limitierenden Gründen musste ich mich zurückhalten und meine Wünsche und Neigungen geheim halten. Mein Ich musste ich im Verborgenen ausleben. Zu diesem Zweck habe ich mir eingeredet, dass es auf die Art zweifellos besser sei und dass ich nicht alles haben könne. Aber das war grundlegend falsch! Ich kann alles haben und ich will es haben. Du hast es mir gezeigt, Oliver. Weil du mich durch einen glücklichen Zufall erwischt hast, war ich gezwungen, mich dir zu öffnen. Und jetzt kann und will ich nicht mehr zurück. Es tut sooo gut, sich vor einem anderen Menschen nicht verstellen zu müssen – ich selbst zu sein. Mit dir kann ich Dinge frei ausleben, die ich mir ansonsten nur in meinen Gedanken und Träumen vorstellen konnte. Du verstehst mich, weil du mein Fleisch und Blut bist. Wir sind uns dermaßen ähnlich, dass ich mich vor dir nicht für das schämen muss, was und wie ich bin. Du akzeptierst mich und verurteilst mich nicht. Gestern war für mich ein unbeschreiblich geiles Erlebnis und derartige Dinge möchte ich in Zukunft auf keinen Fall missen.“

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