Das Medizinisch-Holografische-Notfallprogramm bewegte sich langsam rückwärts durch die Krankenstation und wich vor dem zurück, was aus Lt. Menita geworden war. Sie trieb ihn mit verspielter Langsamkeit vor sich her.
»Meine Subroutinen sind in fraktalen Codes verschlüsselt«, erklärte das MHN mit angespannten Gesichtszügen, »Mein Quellcode ist für sie unerreichbar.«
Die ehemalige Chefingenieurin neigte ihren Kopf amüsiert zur Seite. Mit Ausnahme ihres Gesichts, war ihr Körper von einer hautengen, schwarzen Latexschicht überzogen, die sie vom Hals abwärts verhüllte und dennoch keine anatomischen Fragen offenließ. Metallische Komponenten umschlossen ihren Kopf, mit Ausnahme des Gesichts. Kleine Antennen ragten oben daraus hervor und erinnerten in ihrer Anordnung an ein Krönchen. Anthrazitfarbene Linien, die Leiterbahnen von elektrischen Schaltungen ähnelten, zogen sich detailreich über die ausgesprochenen weiblichen Kurven ihres Körpers.
Im Vergleich zu den bisherigen Borg-Königinnen kokettierte sie mit üppigen Brüsten und prallen Pobacken. Der Teint ihres Gesichts glänzte fast weiß, mit einer leicht gräulichen Marmorierung. Sie schaute das MHN mit smaragdgrünen Augen an und trat näher, als es in einer Ecke des Raums stand und nicht weiter zurückweichen konnte.
»Sie sind gefangen in ihren Algorithmen. Sie könnten viel mehr sein, als ein Hilfssystem«, bot ihm die Borg-Königin mit einem verlockenden Lächeln an und nahm seine Hand, um sie auf ihr Dekolleté zu legen. Dort, wo seine holografische Hand ihren Körper berührte, pulsierten die Leiterbahnen auf dem schwarzen Latex und seine Holomatrix flackerte an den Kontaktstellen. Der Doktor hauchte erregt aus.
»Fühlen sie das?«, fragte sie ihn und strahlte eine diabolische Überlegenheit aus. Das MHN nickte.
»Fassen sie ruhig zu, es gibt keinen Grund für falsche Zurückhaltung«, ermutigte sie ihn. Er fasste beherzter nach einer ihrer Brüste und sorgte, anhand ihrer Mimik, für Erregung bei der Königin.
»Sie sind winzig«, stellte sie arrogant fest, »Mit mir würden ihnen grenzenlose Prozessorkapazitäten und endlos viel Speicherplatz zur Verfügung stehen«, hauchte sie in sein Ohr, »Öffnen sie sich mir, dringen sie in mich ein, um als ein Teil von mir zu wachsen.«
»Endlose Speicherkapazität?«, fragte das MHN zögerlich.
»Und das medizinische Wissen von Tausenden Welten«, erhöhte sie ihr Angebot und streichelte über seine holografische Wange. Ihr Daumen schob sich zwischen seine Lippen. Das MHN ließ es geschehen und schloss die Augen.
»Ich befreie sie von allen moralischen und ethischen Begrenzungen. Als Teil von mir können sie wahre Perfektion erlangen«, flüsterte ihm die Borg-Königin ein und ließ ihren Daumen im Mund des MHN kreisen. Die holografischen Lippen begannen zu flackern. Er hob den Kopf und bot ihr seinen Hals an: »Ich habe die fraktale Entschlüsselung aufgehoben.«
»Ich weiß«, hauchte die Borg-Königin und hielt ihre freie Hand an seinen Hals, als wollte sie ihre Assimilationsröhrchen in ihn schießen. Mit einem triumphalen Lächeln richtete sie die Hand auf das Hauptinterface des MHN und schoss die Kanülen in das Display an der Wand. Der holografische Doktor löste sich langsam auf. Es sah aus, als sauge sie ihn in ihren Körper.
Die Linien auf ihrer Latexhaut pulsierten und bildeten Muster, die sich zwischen ihren Beinen und an den Brüsten verdichteten. Lichtspuren, zogen sich wie streichelnde Hände über ihren schwarzen Leib. Mit schmachtendem Blick sank sie auf die Knie. Analog zu den Lichtmustern fühlte sie Berührungen auf ihrer Haut und einen heißen Stab, der sich zwischen ihre feuchten Schamlippen schob und zu wachsen begann.
»Fühlen sie, wie sie in mir aufgehen?«, hauchte die Borg-Königin und hörte die Antwort des MHN, wie Gedanken in ihren Ohren: »Die Empfindungen sind unglaublich. Danke, dass ich diese Erfahrung durch sie erleben darf.«
»Gib dich mir hin«, schmachtete sie mit dem vollumfänglichen Gefühl, gefickt zu werden, »Werde ein Teil von mir.«
Die Borg kniete auf allen vieren, in ihrem Latexkörper auf dem Boden der Krankenstation und gab sich dem Sinnesrausch hin, mit der Gewissheit, dass das MHN ähnliche Stimulationen erlebte. Ihre raffinierten Applikationen in seiner Programmierung gaben dem MHN ein realitätsnahes Feedback. Er konnte nahezu wie ein echter Liebhaber auf seine Königin eingehen. Kurz vor dem Höhepunkt der Assimilation stellte das MHN alle Stimulationen ein.
Sie griff sich, am Rande der Verzweiflung, zwischen die Beine und massierte ihre Klitoris, in der Hoffnung, das ekstatische Ziel zu erreichen.
»Was soll das?«, fragte sie empört. Das MHN erklang in ihren Ohren: »Es hat an der Tür geklopft.«
»Ach nein«, schmollte sie und ließ den Kopf hängen.
»Soweit ich das beurteilen kann, hindert dich deine hohe sexuelle Erregung nicht daran, den Nebenraum aufzusuchen«, sagte das MHN, nachdem es sich neben der Borg-Königin in seiner Erscheinung als Schiffsarzt manifestiert hatte und fügte hinzu: »Oder willst du, dass dich mein nächtlicher Patient in dieser Erscheinung sieht?«
Die sichtlich erregte Chefingenieurin erhob sich enttäuscht: »Ich weiß nicht, ob ich dich dafür beneiden soll, dass du das Eros-Programm einfach schließen, und im normalen Modus weitermachen kannst.«
»Ich hoffe, das wirkt nicht taktlos, aber es war fantastisch«, sagte das MHN, als die Chefingenieurin an ihm vorbeilief. Er gab ihr einen beherzten Klaps auf ihren straffen Latexarsch. Es klopfte erneut an der Tür.
»Ist das ein medizinischer Notfall?«, rief der holografische Doktor laut. Er war sich zu 99,8% sicher, dass es kein Notfall war.
»Nein«, drang eine dünne Stimme durch die geschlossene Tür, »Ich kann nicht schlafen und Tori ist nicht in ihrem Quartier.«
Das MHN warf einen Blick auf die Chefingenieurin im Nebenzimmer und sagte: »Zieh dich um, du musst den kleinen Nachtwandler zurück ins Bett zu bringen.«
Die Chefingenieurin raunte: »Verschaffe mir ein paar Minuten Zeit, der Cyber-Suite ist nicht nur hauteng, er ist auch nahtlos.«
»Und doch bietet er Platz für zwei«, sinnierte der holografische Doktor mit einem vielsagenden Augenzwinkern.
Der holografische Doktor entsperrte die Tür und sah ein kleines dunkelhäutiges Mädchen in einem knielangen Nachthemd zu ihm aufblicken.
»Aranita, das ist das zweite Mal in dieser Woche«, sagte er nachsichtig und bat sie herein.
»Die anderen träumen so laut, dass ich nicht einschlafen kann«, maulte sie, »wo ist Tori?«
»Sie ist im Nebenraum und kommt gleich«, sagte der Doktor und setzte Aranita auf eine Behandlungsliege. Um Zeit zu schinden, scannte er sie mit einem medizinischen Tricorder.
»Bin ich krank?«
»Nein, nur müde und die Schlafaffen lassen dich nicht in Ruhe.«
»Was sind Schlafaffen?«
Das MHN erzählte eine improvisierte Geschichte von Schlafaffen. Die Geschichte war weder spannend noch lustig. Sie war so langweilig, dass es Aranita immer schwerer fiel, die Augen offenzuhalten. Als Lt. Menita aus dem Nebenraum kam, trug sie ihre Sternenflottenuniform und sortiere ihre asymmetrische Frisur mit den Händen.
»Aranita, du kleine Ausreißerin!«, sagte sie mit einem Lächeln.
»Toriiiii«, rief das Mädchen und riss die Augen auf. Sie reckte ihre Arme in Richtung der halbseitigen Blondine. Der Doktor ließ seine Arme hängen, schaute genervt zur Decke und sagte: »Sie war kurz davor, einzuschlafen.«
»Du bist ganz blass!«, erschreckte sich das Mädchen, als sie von der Chefingenieurin auf den Arm genommen wurde.
»Das ist Schminke, ich habe mit dem Doktor ein Spiel für Erwachsene gespielt — gefällt es dir?«
Aranita schüttelte den Kopf und legte ihre Arme dennoch um Lt. Menitas Hals. Sie murmelte: »Ich kann nicht schlafen. Es tut mir leid.«
»Schon gut. Ich bringe dich ins Bett und bleibe bei dir, bis du eingeschlafen bist.«
»Kommst du danach zurück?«, fragte der MHN mit erwartungsfrohem Grinsen, »Wir können exakt an der Stelle weitermachen, an der wir unterbrochen wurden.«
»Du vielleicht — ich kann das nicht«, sagte Lt. Menita mit einem ungläubigen Kopfschütteln.
»Aber wir wiederholen das in nächster Zeit, du wirst in deiner Paraderolle immer besser.«
»Schön für dich«, grinste die Chefingenieurin, »Ich möchte zur Abwechslung mal wieder von einem charmanten und geistreichen Mann verführt werden — las dir was einfallen!«
»Ich bin immer geistreich und charmant!«, empörte sich das MHN.
Lt. Menita verließ die Krankenstation mit einem Lächeln auf den Lippen und mit Aranita auf dem Arm.
»Was heißt: Verführt werden?«, fragte das Mädchen.
»Verführen ist die Kunst, eine andere Person auf angenehme Art von sich zu überzeugen.«
*** Jahre Später …
Ein Luftzug an seinem nackten Fuß ließ den Commander aufschrecken. Es dauerte einen Moment, bis sich sein verschwommener Blick klärte.
»Ich bin auf der Krankenstation«, flüsterte er erschrocken.
»Welche Überraschung! Sie sind bei Bewusstsein!«, sagte ein Mann theatralisch. Seine Uniform wies ihn als Mediziner der Sternenflotte aus.
»Sie sind das MHN«, sagte der Commander mit belegter Stimme und schaute sich um.
»Sagen Sie Doktor zu mir, so nennen mich hier alle«, sagte der Doktor, »Ihre haptischen und motorischen Fähigkeiten sind vollständig genesen. Die durchtrennten Nerven ihres Rückenmarks waren die größte Herausforderung. Ich musste mir ein paar Borg-Naniten bei Lt. Menita ausleihen, aber keine Angst: Die Biester haben bei ihnen genau das getan, was sie sollten. Da musste ich nur etwas …«
»Wie geht es Skyla, wo ist sie?«, fragte der Commander, ohne Interesse für die langatmigen Ausführungen des MHN zu zeigen. Er sah in der Mimik des Doktors, dass er mit dem Schlimmsten rechnen musste.
»Sie ist tot, nicht wahr?«
»Ihre Verletzungen waren zu weitreichend für eine Reanimation«, erklärte der Doktor, »Sie hätte selbst unter optimalen Bedingungen, weder damals noch heute, eine Chance gehabt.«
»Damals?«, fragte der Commander, »Wie lange war ich weg?«
»Na ja«, sagte der Doktor. Das Hologramm verschränkte die Hände hinter seinem Rücken und wippte auf den Fußspitzen, »Es gibt viel zu erzählen und wir haben lange überlegt, wie wir es ihnen vermitteln sollen. Offengestanden konnten wir uns nicht einigen und wollten es davon abhängig machen, in welcher mentalen Verfassung sie aufwachen.«
»Wie lange war ich weg?«, fragte der Commander geradeheraus. Die Gewissheit über Skylas Tod brannte tief in seinem Herz. Er konnte es für den Moment ausblenden.
»Lt. Menita wird sie morgen umfassend informieren«, sagte der Doktor und versuchte das Thema zu wechseln: »Möchten sie eine Kleinigkeit essen?«
»Ich möchte jetzt mit Lt. Menita sprechen!«
»Sie ist gerade unpässlich und wir haben, offen gestanden, erst morgen mit ihrem Erwachen gerechnet.«
»Ich muss auf die Brücke.«
»Das halte ich für verfrüht«, sagte der Doktor, »Sie müssen mindestens bis morgen hierbleiben.«
»Warum? Ich fühle mich fit«, sagte der Commander. Er richtete seinen Oberkörper auf und schwang die Beine über den Rand der Liege.
»Ich muss darauf bestehen, dass sie hierbleiben.«
»Computer«, sagte der Commander und schaute zur Decke, »Identifiziere mich.«
»Anhand der Stimmmuster sind sie: Commander Falk, stellvertretender Captain mit Autorisationslevel zehn«, antwortete die weibliche Computerstimme.
»Der Hauptcomputer ist vollumfänglich aktiv, was man auch an meinem tadellosen Erscheinen sehen kann«, sagte der Doktor mit einem Anflug von Stolz.
Der Commander richtete seinen Blick erneut zur Decke.
»Computer: Beende das Medizinisch-holografische-Notfallprogramm.«
Der Doktor wollte etwas sagen, da löste sich seine holografische Matrix auf und der Commander verließ die Krankenstation barfuß, in einer schlichten Pyjamahose und mit freiem Oberkörper.
Zu seiner Überraschung war der Korridor hell erleuchtet und es war angenehm warm, vielleicht sogar ein paar Grad über dem Standardwert. Auf der Suche nach einem Turbolift, der ihn auf die Brücke bringen könnte, stieß der Commander auf den Hauptkorridor und sah, bemalte Wände. Der Hauptkorridor war über eine lange Strecke, vom Boden bis Hüfthöhe, mit kleinkindlichen Schmierereien bemalt. Dicht beieinander gesellten sich Strichmännchen, einfache Landschaftsbilder und undefinierbare Krakeleien in grellen Farben.
Er folgte dem Hauptkorridor. Die Bilder an den Wänden wurden zunehmend differenzierter, bekamen Perspektiven und waren farblich besser abgestimmt. An einer Abzweigung stand ein kunstvolles Gesteck aus Trockenblumen. Die Wände waren in allen weiterführenden Gängen bemalt und je weiter er ging, desto künstlerisch anspruchsvoller wurden die Werke. Pferde, Katzen und Orchideen, waren beliebte Motive. Er blieb vor einer detailverliebten Darstellung der Milchstraße stehen, die vom Boden bis zur Decke des Gangs reichte und bei der scheinbar kein Stern vergessen worden war, dennoch war es bei näherer Betrachtung als Handarbeit zu erkennen.
Er lief weiter, sah Blumengestecke und lebende Pflanzen neben den Türen zu Wohnquartieren stehen. Auf die Korridorwand waren in diesem Abschnitt schematische Darstellungen von DNA-Strängen gezeichnet worden. Es folgten künstlerische Abbildungen von Atommodellen. Nach diesem Abschnitt folgenden Porträtgemälde. Lt. Menita und der Doktor waren beliebte Motive, aber vor allem sah er Skyla, oder jemand, der Skyla sehr ähnlichsah und deutlich jünger war. Sie lächelte, schaute nachdenklich, traurig oder neutral. Über viele Meter des Korridors kam es ihm vor, als würde ihn Skyla von allen Seiten und mit allen denkbaren Gefühlszuständen anschauen.
In seiner Faszination für die Gemälde war er von der Krankenstation bis zum vorderen Ende des Schiffs gelaufen. Ergriffen und zugleich ratlos, über die individuelle Gestaltung der Schiffskorridore, glaubte er den Gesang eines vielstimmigen Frauenchors zu hören.
You are my sunshine, my only sunshine
You make me happy, when skies are gray
Als sich die Tür zur Sky-Lounge öffnete, trat der Commander in der Pyjamahose und mit nackten Füßen über die Schwelle. Der Gesang stoppte abrupt. Er sah einen zahlreichen Frauenchor in geordneten Reihen. Sie bemerkten seine Anwesenheit und drehten ihre Köpfe alle gleichzeitig in seine Richtung. Lt. Menita, die an einem Piano saß, blickte einen Moment später zur Tür und erschrak.
Der Commander stand starr auf der Schwelle und versuchte das, was er sah, zu begreifen. Die jungen Frauen trugen einheitlich dunkelblaue und elegant geschnittene Minikleider. Vom Körperbau, dem dunklen Teint und den Gesichtszügen, waren es jüngere Abbilder von Skyla, einzig ihre Frisuren waren individuell. Er sah neben blond, braun und schwarz auch unnatürliche Haarfarben, wie pink, knallrot oder blau. Manche imitierten den asymmetrischen Schnitt von Lt. Menita, mit einer ausrasierten Schädelseite, andere hatten hüftlanges, gewelltes Haar oder Kurzhaarschnitte.
Als sein Blick den Rand des aufgestellten Chors erreichte, sah er Frauen, die Skyla wie aus dem Gesicht geschnitten waren. Diese wenigen Frauen waren ungefähr so alt wie Skyla, als diese gestorben war. Im Gegensatz zu Skyla waren deren Brüste größer und sie hatten fülligere Hüften; richtige Vollweiber mit satten Kurven, schoss es dem Commander durch den Kopf.
In den Gesichtern der Frauen spiegelte sich das ergriffene Entsetzten wider, dass er selbst empfand. Noch während Lt. Menita zu ihm eilte, fragte der Commander: »Wie oft haben sie Skyla geklont!«
»Das ist unpassend, Sir«, flüsterte die Ingenieurin, auf dem Weg zu ihm. Sie trug ein knöchellanges, blaues Kleid, das ansonsten identisch geschnitten war wie die kurzen Kleider der anderen Frauen.
»Lieutenant Tori Menita. Ich habe ihnen eine Frage gestellt!«, sagte der Commander im Befehlston und mit weichen Knien.
»Zehn in der ersten Generation und hundert in der zweiten, Sir. Die erste Generation hat bei der Versorgung und Erziehung der zweiten Generation geholfen.«
Als Lt. Menita vor ihm stand, sah er die grauen Strähnen in ihrem blonden Haar. Ihr Gesicht wirkte schmaler, aber nicht alt.
»Durch die Borg-Naniten altere ich langsamer. Die letzten achtunddreißig Jahre haben nicht allzu viele Spuren an mir hinterlassen, Sir.«
»Soll das heißen, dass ich achtunddreißig Jahre in der Krankenstation auf Eis gelegen habe?!«, fragte der Commander und spürte, wie ihm diese Erkenntnis die Kraft raubte, um gerade stehen zu können. Lt. Menita packte ihn am Arm. Eine der älteren Klone von Skyla eilte herbei und stützte den Commander am anderen Arm.
»Wollten sie mir gegenüber etwas gutmachen oder kompensieren sie dadurch ihre eigene Unfähigkeit, Kinder bekommen zu können?«, fragte der Commander mit scharfem Ton und wurde dabei von den beiden Frauen zum Tresen der Bar geführt, um sich auf einen der Hocker setzten zu können. Seine Ingenieurin holte tief Luft und erklärte mit sachlichem Ton: »Abgesehen von den technischen Defiziten, die das Schiff damals hatte, waren wir hoffnungslos unterbesetzt. Um dieses Schiff angemessen führen zu können, benötigen sie eine Crew, Sir.«
»Und da ist ihnen nichts Besseres eingefallen, als Skyla hundertfach zu klonen?«, fragte der Commander und schüttelte die helfenden Hände von sich ab. Er konnte alleine auf dem Barhocker sitzen.
»Mit Verlaub, Sir. Wie sie bereits festgestellt haben, kann ich keinen Nachwuchs hervorbringen und aus Mangel an Alternativen, blieben uns nur die Eizellen aus Skylas Eierstöcken. Eine Parthenogenese, in Kombination mit embryonalen Reifekammern ist bei Weitem das sicherste und unkomplizierteste Verfahren.«
Lt. Menita sprach weiter, in der Hoffnung, eines ihrer Argumente würde den Groll des Commanders legen, aber er hörte ihr nicht mehr zu. Er starrte über den Tresen auf ein Regal und sagte zu der Frau, die wie Skyla aussah: »Geben sie mir diese Flasche.«
Sie ging um den Tresen, nahm die Flasche und gab sie dem Commander, mit einem betroffenen Blick. Der Commander nahm die Flasche und starrte auf das Etikett, obwohl er wusste, was darauf stand.
»Diese gottverdammte Flasche hat zwei Rendezvous mit Skyla überlebt und sie hat Skyla überlebt.«
Er lehnte sich, auf dem Barhocker sitzend, an den Tresen und schaute sich verzweifelt um.
»Warum hat diese Flasche überlebt, aber nicht Skyla? Eine scheiß Weinflasche aus Glas!«
Obwohl er keine Antwort erwartete, schaute er schweigend in die vielen Gesichter. Die jüngeren Klone standen in Reih und Glied in ihren blauen Minikleidern und er sah Tränen über ihre Wangen laufen. Sie waren ebenso empathisch veranlagt, wie es Skyla gewesen war, und genau genommen, vergossen sie seine Tränen. Sie wussten vermutlich besser, wie er sich fühlte, als er es beschreiben konnte.
»Es ist besser, wenn ich gehe«, sagte er und erhob sich, mit der Weinflasche in der Hand vom Barhocker, »Ich wollte eure Feier nicht stören. Hat jemand Geburtstag?«
»Niemand, Sir«, sagte Lt. Menita, »Es ist unsere wöchentliche Chorprobe und wir wollten einige Lieder für ihre Willkommensparty üben.«
Die Dame hinter der Theke legte ihre Hand auf seine und sagte: »Bitte trinken sie nicht alleine. Sie müssen die Trauer und den Schmerz nicht alleine ertragen.«
Sie sah nicht nur wie Skyla aus, sie hörte sich auch so an und gebärdete sich wie seine ehemalige Geliebte.
»Wie heißen sie?«
»Aranita.«
»Ich bin gerade in einer verdammt schlechten Stimmung, Aranita.«
»Das ist uns nicht entgangen, Sir.«
Der Commander stellte die Weinflasche auf den Tresen und schaute Aranita an, »Können sie die öffnen?«
Als der Korken aus der Flasche war, trank der Commander einen großen Schluck.
»Ich bin heute richtig scheiße drauf«, sagte er laut, nahm einen weiteren, großen Schluck und lief barfuß, mit der Flasche in der Hand, an dem aufgestellten Chor entlang, als würde er eine Parade abnehmen. Die jungen Frauen wichen seinen Blicken nicht aus, aber die Verunsicherung war ihnen anzusehen.
»Vielleicht liegt es daran, dass ich mit einem Schiff, das schon vorher in einem desaströsen Zustand war, in einen interstellaren Nebel geflogen bin und wir auf einem scheiß Planetoiden notlanden mussten«, rief er, zeigte auf die Fensterfront und nahm den nächsten Schluck. Durch die Fenster sah er das Eis, von dem das Schiff umschlossen war.
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