Es war bereits einige Stunden nach Mitternacht, als Knorrhold von einem Geräusch geweckt wurde. Noch halb in seinem Traum versunken sah er sich in seiner Kammer um, doch der milchig weiße Mondschein, der beinahe nebelhaft durch den schmalen Spalt zwischen den Fensterläden hereindrang, wollte das Geheimnis der Nacht einfach nicht enthüllen.

Der junge Mann seufzte – es war doch so ein schöner Traum gewesen…

Er war gerade im Begriff wieder einzunicken, als er das Geräusch erneut vernahm, aus Richtung Tür. Bestimmt eine dieser aufdringlichen Katzen, dachte er und brummte ein verärgertes „hmmverschwinde“, bevor er sich auf die andere Seite drehte.

Doch scheinbar wollte das dumme Tier nicht auf ihn hören. „hmmachmist.“ Er krabbelte aus den Laken und zog sich seinen Morgenmantel über, um den nächtlichen Störenfried zu verjagen. Mit der rechten Hand zog er die Tür einen Spalt auf, während er mit der linken nach etwas Werfbarem tastete, bis er einen Stiefel zu fassen bekam.

„Ich sagte doch verschwinde!“ brummte er verärgert in die Finsternis und zuckte überrascht zurück, als kein grauer Mäusejäger, sondern eine Gestalt in einem dunklen Kapuzenumhang sich vor ihm aus der Nacht schälte. „Was zum…?“

Das Mondlicht fiel auf etwas Glänzendes in ihrer Hand – eine Klinge? Erschrocken wich der Junge einen Schritt zurück. „Ein A-Attentäter!“ Keuchte er entsetzt. Er war viel zu geschockt, um auf die Idee zu kommen einen seiner Zauber zu versuchen oder gar um Hilfe zu schreien, so daß er lediglich in einer Verzweiflungsgeste seinen Stiefel zur Wehr hob. Was für ein klägliches Ende, dachte er noch bei sich; doch scheinbar hatte sein Gegenüber es nicht sonderlich eilig damit. Statt dessen betrat er in aller Seelenruhe den Raum und zog die Tür hinter sich zu.

Knorrhold, wie unter Schock, konnte nichts weiter tun, als noch weiter in seine Kammer zurückzuweichen, bis er mit dem Rücken die Wand berührte. Als sich der Türspalt mit der Endgültigkeit eines Sargdeckels schloß, war er mit der vermummten Gestalt allein.

Er rechnete nun mit dem Schlimmsten und zuckte leicht zusammen, als der Eindringling ihn plötzlich mit einer ihm seltsam vertraut klingenden Stimme ansprach: „Wie viele Attentäter gibt es wohl, die sich von einem Windhauch ihre Kerze ausblasen lassen, deswegen auf der dunklen Treppe umknicken und sich dabei beinahe den Hals brechen?“

Knorrholds sich allmählich wieder sammelnder Verstand reichte ihm nun auch die Information nach, daß die Gestalt tatsächlich leicht gehinkt hatte, als sie in seine Kammer getreten war.

„Und wenn wirklich ein Meuchler hier eindringt,“ sprach der seltsame Besuch weiter „denkt Ihr tatsächlich, daß er so lange an Eure Tür klopft, bis Ihr davon wach werdet und ihm öffnet?“

Zögernd trat der junge Mann an den Tisch und drehte die Flamme der Öllampe auf. Der vermeintliche Dolch seines Gegenüber entpuppte sich nun bei Licht besehen als simpler Zinnkerzenhalter, der eine erloschene Kerze trug. Knorrhold sah seinen geheimnisvollen Besuch, der an Stimme und Gestalt eindeutig als Frau zu erkennen war, genauer an. Jetzt endlich erkannte er, wer ihn zu so später Stunde noch aufsuchte. „IHR?“ Platzte es in vor Überraschung ungewollt schrillen Ton aus ihm heraus. Vor ihm stand Rowena.

„Milady…“ War zunächst das Einzige, das Knorrhold in seiner Verwunderung herausbrachte.

„Was führt Euch zu so später Stunde…“ „Doch noch bevor er seine Frage ganz aussprach, wurde er sich der Antwort bereits bewußt. Nach dem peinlichen Zwischenfall am gestrigen Abend konnte es nur einen Grund geben, weshalb sie hier war. Beschämt sah der junge Mann zu Boden. „Nein, sagt bitte nichts, ich kann es mir denken.“ Er räusperte sich und zwang sich dann wieder aufzusehen und ihrem Blick zu begegnen.

Sie sagte tatsächlich nichts, schlug lediglich die Kapuze ihres Mantels zurück und überließ ihm vorerst das Reden.

Knorrhold schluckte. Ihr lockiges Haar, das im vereinten Licht der Lampe und des Mondes silbern reflektierte und golden glänzte und sich wie ein dunkelblonder Wasserfall über ihre Schultern legte, erleichterte ihm die Suche nach den passenden Worten nicht gerade.

„Ich möchte mich zunächst für mein unangebrachtes Verhalten bei Euch entschuldigen.“ Verlegen kratzte er sich am Ohr. „Ich weiß auch nicht mehr, was mich dazu gebracht hat…“

Oh doch – und ob er das noch wußte! Und selbst wenn nicht: Ihre wunderschönen grünen Augen, die ihn während seines Endschuldigungsversuches wie zwei funkelnde Smaragde anblickten, hätten es ihm sofort schlagartig wieder in Erinnerung gebracht!

„Ich wollte keinesfalls Eure Ehre durch meine unbedachten Worte verletzten. Ich habe wohl einige Dinge gesagt, die ich mir einfach, einer Dame wie Euch gegenüber, nicht hätte erlauben dürfen. Ich bedauere das Ganze zutiefst und schäme mich vor Euch deshalb wirklich sehr!“

Eine ganze Weile lang stand Rowena einfach nur da und hielt ihn mit ihrem Blick gefangen. Die Sekunden dehnten sich seinem Gefühl nach zu Äonen, während sie anscheinend über seine Worte nachdachte. Als sie dabei ihren Stand von einem Bein auf das andere und wieder zurück verlagerte ertappte sich der junge Magier bei dem Gedanken, daß selbst dieser einfache, grob geschnittene Mantel die weiblichen Rundungen ihres athletisch gebauten Körpers auf das angenehmste betonte.

„Darf ich mich setzen?“ Fragte sie und deutete auf einen Stuhl. Erst jetzt bemerkte er den leichten Schmerzausdruck in ihrem Gesicht.

„Oh, äh – natürlich, wie unaufmerksam von mir.“ Er zog ihr den Stuhl vor und sie nahm aufatmend darauf Platz. Das erleichtertes Lächeln, das sie ihm nun schenkte, veranlaßte Knorrholds Herz umgehend zu einem kleinen Hüpfer, seine Lebenssäfte rauschten nun deutlich schneller durch seine Adern. Er hoffte inbrünstig, daß sie das dumpfe Pochen in seiner Brust, das hämmernd in seinen Ohren widerhallte, nicht ebenfalls hören konnte. Doch ihre Aufmerksamkeit galt zunächst einmal ihrem Fuß, mit dem sie offensichtlich im Dunkeln umgeknickt war.

„Ihr habt meine Ehre nicht verletzt.“ Versicherte sie ihm mit ruhiger Stimme, während sie die schmerzende Gliedmaße vorsichtig im Knöchelgelenk kreisen ließ. Dann sah sie ihn wieder an. Aus Ermangelung eines zweiten Sitzmöbels setzte sich Knorrhold auf der Kante seines Bettes, so daß sie auf gleicher Augenhöhe miteinander sprechen konnten.

„Außerdem habe ich ebenfalls einige Dinge gesagt,“ fuhr sie fort „die ich in der Form eigentlich auch nicht hätte sagen sollen.“

Sie neigte ihren Kopf leicht zur Seite und hob die Schultern. „Aber Euer Angebot hat mich, wie man bei uns zu Hause sagt, ‚ziemlich auf die Barrikaden gebracht‘!“

Wie gebannt hing Knorrhold an ihren Lippen. Die Art, wie Rowena gelegentlich, insbesonders wenn sie unter starken Emotionen stand, Redewendungen aus ihrer Heimat in ihren Sprachgebrauch miteinfließen ließ, übte eine unglaubliche Faszination auf ihn aus.

„Vermutlich war es auch bei mir die Anspannung wegen morgen die mich so heftig reagieren ließ.“

Unbewußt strich Knorrhold sich über seine Wange, die sich besagter Reaktion immer noch in Form eines leichten Brennens erinnerte.

Rowena seufzte schwer und ließ ihre Schultern sinken; eine Geste, die der Junge schon öfter an ihr bewundert hatte.

Nach einer Weile der Stille fügte sie mit einem schelmischen Grinsen hinzu: „Obwohl Ihr es Euch schon irgendwie verdient hattet, findet Ihr nicht?“

Er räusperte sich, zwang sich irgendwie zu einem Lächeln und suchte nach einer Erklärung, „Ich habe mich wohl von meiner Angst in der morgigen Schlacht zu sterben überwältigen lassen.“ Gestand er ihr schließlich. „Wißt Ihr, die Möglichkeit schon morgen tot zu sein…“ Er schluckte trocken. „An der Akademie wird man auf soetwas einfach nicht vorbereitet.“

Sie nickte verstehend „Ihr seid noch jung. Dennoch hätte ich soetwas Unverschämtes eher von einem gemeinen Söldner erwartet, nicht von einem Zauberer aus gutem Hause wie Ihr einer seid!“

„Ihr habt natürlich Recht. Es ist nur…“ krampfhaft überlegte er, wie er es nur sagen konnte. „Vielleicht gerade weil ich aus ‚gutem Hause‘ bin.“ Versuchte er es schließlich.

„Ich verstehe nicht…?“

„Gleich nach Entdeckung meines magischen Talents bekam ich erst zwei Jahre lang einen Hauslehrer, dann mit acht sofort ab ins Zauberinternat. Dank der Beziehungen meiner dann mit vierzehn direkt ans Institut der arkanen Künste. Zwischen den Semestern Unterricht bei Privatdozenten…“

Sie sah ihn immer noch mit fragendem Blick an.

„Ich bin jetzt fast zwanzig – mein ganzes Leben habe ich bisher immer nur in Büchereien und Studierzimmern verbracht – und dann, ganz ohne Vorwarnung, schleift man mich plötzlich zu einem Unternehmen mit, bei dem die Aussichten, daß auch nur EINER der Beteiligten mit dem Leben davon kommt, doch eher gering sind…“

Knorrholds Stimme zitterte leicht, trotzdem erkannte Rowena an seinem Blick, daß er eher von Wut und Enttäuschung als von Angst erfüllt war.

Er seufzte. „Es gibt so vieles was ich noch sehen, was ich noch selbst erleben wollte, wovon ich bisher nur in den Schriften Anderer gelesen habe!“ An seinen Fingern zählte er die wundersamen Orte auf: „Die große Kaiserstadt, die prächtigen Tempel der Götter, die stolzen Kaufmannsstädte, die märchenhaften Dörfer der Elfen, die Pyramiden in den Djungeln des Südens…“

Kraftlos ließ er die Arme sinken.

Leiser fügte er schließlich hinzu: „Und ich habe doch auch noch nie…“ mit hoch rotem Kopf sah er zur Seite. „Ihr wißt schon… mit einer Frau…“

Es dauerte eine ganze Weile bis Rowena dem zutiefst verlegenen Knorrhold aus der Peinlichkeit der Situation half und das unangenehm lange Schweigen beendete, das nach seinem äußerst intimen Geständnis eingetreten war.

„Was ich immer noch nicht verstehe: Warum habt Ihr ausgerechnet an meine Tür geklopft?“

Der junge Mann errötete erneut. „Nun…“ er räusperte sich einmal, dann noch einmal, während er um passende Worte rang, dabei strich er sich erneut unbewußt über die Stelle seines Gesichts, an der Rowenas Ohrfeige gestern Abend laut klatschend ihr Ziel gefunden hatte. „Wenn Ihr mir bitte die Offenheit dieser Feststellung nachsehen wollt…“ Verlegen sah er auf seine Zehenspitzen herab, da er es nicht wagte, ihr dabei in die Augen zu schauen: „Ihr seit nicht nur eine edle Dame und tapfere Kriegerin, sondern insbesondere auch noch eine wunderschöne und unglaublich attraktive Frau!“ Weiterhin knallrot um die Nase suchte er nun vorsichtig wieder ihrem Blick um zu sehen, ob er damit zu weit gegangen war. Sein Herz raste.

Zu seiner Erleichterung schmunzelte Rowena jedoch nur. „Oh – vielen Dank für die Blumen! Aber was ich eigentlich meinte: Warum habt Ihr Euch nicht eine der anderen ‚attraktiven, edlen und tapferen Damen‘ für Eure Avancen auserkoren? Ich glaube Franja, die rothaarige Heilpriesterin der Burg, Ihr wißt schon, die mit den niedlichen Sommersprossen, dürfte einem jungen Akademiker wie Euch doch durchaus zugetan sein – zumal sie auch noch in Eurem Alter ist. Und unsere Waldläuferin, Ala..io..ni..nia… – wie immer man ihren Namen auch nun ausspricht“ sie gestikulierte bei dem schwierigen elfischen Namen etwas hilflos in der Luft herum „hat ihre Augen auch häufiger bei Euch, als für unser sicheres Vorankommen gut ist.“ Rowena zwinkerte dem sichtlich irritierten Knorrhold zu.

„Nun…“ begann dieser stotternd und nach langem Zögern seine Erklärung.

Rowena mußte ob seiner sichtlichen Verlegenheit schmunzeln, sagte jedoch nichts.

„Wir sind ja schon eine ganze Weile unterwegs.“ holte er weit aus „Seit wir die zivilisierten Lande verlassen haben, bin ich an Eurer Seite geritten und ich habe, wenn auch nur im bescheidenen Umfang meiner Zauberkräfte, auch schon gemeinsam mit Euch gekämpft.“ Er stockte, fand den Faden aber rasch wieder. „Unsere Gemeinschaft hat in den letzten Wochen viele teils seltsame teils schreckliche Dinge gesehen und erlebt und so manches Abenteuer bestanden.“

Sie nickte, verstand aber immer noch nicht, worauf Knorrhold eigentlich hinaus wollte. Dieser schien es selbst nicht so ganz genau zu wissen und es trat erneut eine längere Pause ein.

Seine Gedanken rasten – aber wie konnte er sie nur in Worte fassen?

Er wußte ja, er hatte ohnehin schon viel zu viel gesagt und beschwor sich im Stillen, jetzt vielleicht doch besser den Mund zu halten, aber als er Rowena so ansah, wie sie mit übereinandergeschlagenen Beinen vor ihm saß…

Durch das ständige Bewegen ihres schmerzenden Fußgelenkes war auch noch ihr Mantel so verrutscht, daß kurzzeitig ihr rechtes Bein bis eine gute Hand breit über dem Knie sichtbar wurde und die ebenmäßig weiße Haut dort im durch das Fenster einfallenden Mondlicht in verführerischem Glanze erstrahlte.

Dieser Anblick hätte selbst Steine zum Träumen gebracht!

Wie oft hatte Knorrhold nicht schon, während der langen gemeinsamen Reise durch die Wildnis, heimlich verstohlene Blicke auf ihre herrlich langen Beine geworfen, während Rowena ein Stück weit vor ihm ritt und wie die Göttin des Krieges selbst im Sattel saß! Wie sehr hatte er sich nicht schon gewünscht, wenn sie sich abends aus ihren hohen Stiefeln quälte, ihr anschließend die Füße massieren zu dürfen! Wie oft hatte er nicht schon davon geträumt, wenn sie ihre wilde blonde Mähne vor dem Aufbruch morgens erneut zu einem Pferdeschwanz bändigte, mit eigener Hand zu erfahren, wie weich sich die zarten Härchen in ihrem Nacken anfühlten wenn man sanft darüber strich…

Knorrholds schwärmerische Gedanken sandten eine gefährlich angenehme Welle der Wärme durch seinen Körper. Zu spät bemerkte der junge Mann die unweigerliche Konsequenz seiner Träumerei. Verzweifelt versuchte er noch sich zusammenzureißen, schnell an etwas anderes zu denken, um sich im letzten Moment doch noch gegen das sich bereits erhebende untrügerischte Zeichen seiner Erregung zur Wehr zu setzen – doch es war schon zu spät. Panik ergriff ihn, sie könnte die verräterische Reaktion seines Körpers bemerken, und so versuchte er, so schnell und beiläufig wie möglich, ein Kissen in seiner Nähe zu sich zu ziehen und es zur Verschleierung des schon in wenigen Augenblicken Unübersehbaren auf seinem Schoß zu plazieren. Er täuschte dabei vor, nur eine andere Sitzposition einnehmen zu wollen und betete, daß sie nicht durchschaute, worum es ihm wirklich ging.

„Und… also… ich… es ist so…“ struckste er eine ganze Weile herum, während er das Ob und Wie aller möglichen weiteren Worte gegeneinander abwog, doch schließlich platzte es einfach aus ihm heraus: „Franja und Aliaôneya sind gewiß beides sehr nette Mädchen und recht hübsche obendrein, aber Ihr, wenn Ihr so stolz im Sattel sitzt, das Schwert an Eurer Seite, der Wind in Eurem Haar, das Leuchten in Euren Augen, das Lächeln auf Euren Lippen – edel, stark und märchenhaft schön, wie eine der legendären Amazonen aus den Geschichten… für mich seid Ihr die absolute Verkörperung des Weiblichen an sich, ja das Wort ‚Frau‘ definiert sich für mich inzwischen nur noch durch Euch! Wenn ich des Nachts träume seid Ihr es, die ich sehe – keine Andere!“

So, jetzt war es also endlich heraus! Zwar wußte er, daß er sich gerade um Kopf und Kragen geredet hatte und diesmal bestimmt nicht nur mit einer einfachen Ohrfeige davon kommen, sondern vermutlich für seine Unverfrorenheit in Schimpf und Schande davongejagt werden würde, aber trotz alledem, so stellte Knorrhold gerade verwundert fest, war es ihm das wert!

„Ich weiß selbst, daß es äußerst ungehörig für einen jungen Burschen wie mich ist, …“ fügte er schließlich ein wenig kleinlaut noch hinzu „ …solcherlei Gefühle für eine Dame wie Euch zu empfinden und ich entschuldige mich auch in aller Aufrichtigkeit bei Euch dafür, aber mein Herz und mein Verstand scheinen, seit ich Euch zum ersten Mal begegnet bin, getrennte Wege zu beschreiten.“

Rowena kicherte glockenhell hinter vorgehaltener Hand – ein herrliches Geräusch, wie Knorrhold fand.

„Vielen Dank, das habt Ihr wirklich sehr nett gesagt!“

Vorsichtig sah er wieder auf. Scheinbar war sie gar nicht verärgert, wie er zunächst befürchtet hatte. Sie machte sogar irgendwie den Eindruck, sich über seine offenen Worte zu freuen – oder bildete er sich das jetzt nur ein? Ihr strahlender Blick war jedenfalls nicht gerade dazu angetan, die körperliche Ausnahmesituation, die sich immer noch unter seinem Kissen abspielte, so leicht wieder abklingen zu lassen. Er biß sich kurz schmerzhaft auf die Zunge, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.

Es half nicht.

„Ich schlage vor,“ sagte Rowena schließlich nach einer längeren Phase beiderseitigen Schweigens, in der keiner so recht etwas zu sagen wußte „wir vergessen die ganze Angelegenheit von gestern einfach. ‚Schwamm drüber‘, wie es bei mir zu Hause heißt. Ich trage Euch nichts nach und Ihr tragt mir nichts nach.“ Sie stand auf und reichte ihm die Hand.

„Einverstanden!“ Seufzte er erleichtert. Er schlug ein und genoß den festen aber gleichzeitig sanften Druck ihrer schlanken Finger. Ein Teil von ihm träumte davon, diese Hand nie wieder loslassen zu müssen.

Schließlich wandte sie sich zum Gehen. Leise klappernd machte sie sich an der Tür zu schaffen, hielt jedoch plötzlich mitten in der Bewegung inne, so als wäre ihr noch etwas Wichtiges eingefallen.

„Ich kann Dich wirklich gut leiden, Knorrhold.“ Sagte sie und drehte sich noch einmal zu ihm um.

Er stutzte – hatte sie ihn gerade geduzt?

„Deshalb möchte ich Dir noch drei wichtige Dinge für Dein weiteres Leben mitgeben.“

Sie machte eine kurze Pause und die Spannung in Knorrhold stieg mit jedem Herzschlag weiter an.

„Sie stammen sozusagen alle drei aus meinem ganz persönlichen privaten Erfahrungsschatz. Du darfst sie NIEMALS vergessen, versprichst Du mir das?“

Er hob feierlich seine Hand, wie zum Schwur: „Bei der Allweisen : Ich verspreche es!“ Das schien ihr zu genügen.

„Erstens:“ Sie kam wieder bis an den Tisch zurück und schob den Stuhl, auf dem sie gesessen hatte, darunter.„Wenn Jemand sagt,“ begann sie „er habe vor so einer Schlacht keine Angst, ist er entweder ein Narr oder ein Lügner.“ Sie lachte kurz über diese älteste aller Militärweisheiten. „Es ist wirklich keine Schande sich zu fürchten.“

„Und zweitens?“ Fragte er, ein wenig verwundert über diese unerwartete Wendung des Gesprächs.

„Erst mußt Du mir versprechen, daß das alles hier, einschließlich der Sache gestern, unter uns bleibt.“

„Ich verspreche es!“ Schwor er erneut. Aufgeregt kniete er sich auf sein Bett, um wieder auf selber Augenhöhe mit ihr zu sein. Im buchstäblich allerletzten Moment erinnerte er sich daran, das Kissen mitzuziehen.

„Zweitens:“ Und dabei zwinkerte sie ihm schelmisch zu. „`Vielleicht sind wir beide morgen schon tot´ ist wahrscheinlich der abgegriffenste Spruch, um jemanden ins Bett zu kriegen ÜBERHAUPT! Der hat schon nicht funktioniert als ich in Deinem Alter war!“

Diesmal lachten beide. Irgendwie konnte Knorrhold sich die stolze Rowena, Frau und Heldin durch und durch, einfach nicht als junges, grünes Ding vorstellen, das mit den selben Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, wie er jetzt.

„Und drittens?“ fragte er und sah sie, eine weitere humoristische Lebensweisheit erwartend, an.

„Drittens…“ sagte sie mit sanfter Stimme und trat an sein Bett.

Ihr Mantel glitt zu Boden.

Darunter war sie nackt.

Ungläubig starrte Knorrhold sie an. Noch nie hatte er eine Frau nackt gesehen! Er hatte sich zwar, mit einsetzender Pubertät, heimlich die Illustrationen in den Büchern über das Leben auf den Amazonenburgen angeschaut, sogar öfters als einmal und manchmal auch ziemlich intensiv, aber jetzt in Fleisch und Blut vor sich zu haben, wovon er seit damals nur feucht geträumt hatte – das war doch etwas völlig Anderes!

Rowena verlagerte aufreizend ihren Stand von einem Bein auf das andere, so daß ihre Hüften eine einladende Seitenbewegung vollführten. Ihre langen, schlanken Beine, die makellose Haut und ihr herrlich großer Busen – das war viel besser als im Traum! Als er seinen Blick über ihren Körper weiter nach unten wandern ließ verbarg sie ihre weiblichste Stelle rasch mit der Hand. Verführerisch zwinkerte sie dem Jungen zu. „Was ist denn nun? Willst Du da nur rumsitzen und mich anstarren, oder zeigst Du mir jetzt endlich, was Du da die ganze Zeit hinter dem albernen Kissen versteckst?“

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