1. der tempel brennt

es begann wie ein albtraum. sie kamen im morgengrauen. niemand hatte einen angriff vermutet. wir wussten, unser herrscher hatte einen waffenstillstand ausgehandelt.

wir sind nun schon seit monaten belagert, sie, die barbaren, die „tiere aus dem norden“, wie alle sie nannten, stimmten der waffenruhe zu, garantierten sogar die sicherheit des tempels. warteten auf die unvermeidliche kapitulation unseres herrschers.

die einzge chance, das überleben unseres volkes zu sichern. aber unser herrscher brach sein wort, griff das lager der barbaren an. wurde vernichtend geschlagen.

nun werden wir ihren zorn, ihre rache zu spüren bekommen. wen sie nicht töten, den versklaven sie. das erzählt man sich von ihnen seit generationen.

ich laufe schon seit stunden hier im wald. wenn ich mich umdrehe, kann ich die rauchsäulen sehen. dort wo einst der tempel stand. mein tempel. meine heimat, meine bestimmung seit kindheit an.

gegen meinen willen haben sich meine priesterinnen geopfert. um die angreifer abzulenken. um mich aus dem tempel entkommen zu lassen. sie alle haben es beschlossen. die weisen männer versammeln sich am geheimen ort. zu unseren verbündeten sind boten gesendet. die überlebenden sollen nicht aufgeben.

dazu ist es wichtig, dass ich überlebe. unversehrt. sie brauchen ihre religion. besonders jetzt, da der herrscher tot ist. und dazu brauchen sie mich. ihre hohepriesterin. szenen der vergangenen stunden tauchen vor meinen augen auf. der angriff, sie stürmen den tempel. schreie, schwerter, blut, überall. sie sehen so furchterregend aus. nichts vergleichbares habe ich je zuvor gesehen.

unsere tempelwächter, ja, sogar die einfachen soldaten unserer armee mit ihren glänzenden brustpanzern sehen gegen sie wie edle bürger aus. die barbaren sind so anders. fell und leder, wildes langes haar, die gesichter bärtig und mit kriegsbemalung. sie schreien in einer sprache die ich nicht verstehe. einer ist unter ihnen, er scheint noch wilder, noch ungezähmter als die anderen zu sein.

gross, stark. langes dunkelblondes haar, an der seite zu zöpfen geflochten. ich kann sein gesicht nicht genau sehen, auch er ist bärtig, blaue und schwarze farbe im gesicht. er ist etwas anders gekleidet, gibt die befehle.

sie scheinen etwas zu suchen. jede meiner priesterinnen, sogar die dienerinnen packen sie am arm. reissen ihnen die kleider von den schultern. sie wissen es genau. ER weiss genau wonach zu suchen ist. sie suchen nach mir. nur auf meiner schulter werden sie das heilige mal finden. danach geht alles sehr schnell. wir laufen im meine gemächer. lea, meine bringt mich zum geheimen gang. sie trägt eines meiner kleider. die barbaren versuchen die tür aufzubrechen.

wir umarmen uns noch einmal. leb wohl, meine . meine retterin. ich klettere die schmale treppe hinunter, sie betätigt den mechanismus, der den fluchtweg verbergen wird. dann gibt die schwere tür nach. sie stürmen herein. ich kann nicht anders als innehalten und zusehen. während sich die wand schliesst und mein blickfeld einengt sehe ich ihn.

er reisst lea die tunika von der schulter, fährt mit der hand über das mal. die farbe verwischt. er blickt in richtung des geheimen fluchtweges. er hat alles durchschaut. das letzte das ich sehe sind seine wilden augen, er sieht zu mir. dann tötet er lea.

und nun laufe ich hier im wald. allein. ich muss den versammlungsort erreichen. ich trage noch immer das gewand der hohepriesterin unter dem schäbigen umhang. es war keine zeit mehr. sie kamen so schnell über uns wie ein feuersturm.

noch immer sehe ich seine augen. er wird alles tun, um mich zu finden. das weiss ich sicher. genauso sicher wie er weiss, dass ich noch am leben und irgendwo hier draussen bin.

2. im wald

wie versteinert halte ich aus im dickicht. lange noch nachdem sie vorbeigegangen sind sitze ich da. wage nicht mich zu bewegen. zum glück ist das halten von jagdhunden nicht teil ihrer kultur. langsam krieche ich heraus. alles um mich herum ist still. nur das zirpen von grillen und das zwitschern der vögel. nichts deutet darauf hin, dass die barbaren noch irgendwo hier in der nähe sind.

ich stehe auf, sehe mich um. nichts. nur der wald. nichts bewegt sich. ich muss weg von hier. so schnell wie möglich. wieder versuche ich mich zu orientieren, wo ist ihr lager? es muss richtung süden sein. ich gehe in die entgegengesetzte richtung.

jetzt viel vorsichtiger als zuvor. ich schleiche fast durch den wald. vermeide die lichtungen. es ist nicht mehr weit bis zum fluss. der fluss ist meine rettung. nicht nur weil meine wunden schmerzen und ich durstig bin.

habe ich erst einmal den fluss überquert, ist es nicht mehr weit und vielleicht kann ich in der höhle dort drüben ein wenig ausruhen. ich bin erschöpft. aber das erlebte hält mich wach. ist mein motor. ich muss meine aufgabe erfüllen. ich kann das rauschen des flusses bereits hören. meine schritte werden schneller. aber ich höre auch etwas anderes. wieder knacken zweige. die geräusche kommen von rechts. ich bleibe stehen, drehe mich um. da sehe ich ihn.

für einen augenblick stehen wir beide still. blicken uns in die augen. dann beginne ich zu laufen. er hinter mir her. ich habe meine hand fest um den griff meines zeremonien dolches geklammert. aus angst ihn zu verlieren, denn sollte ich nicht entkommen – er wird sicherstellen dass sie mich niemals lebend bekommen. so kann ich aber nicht wirklich laufen. das lange kleid, die leichten sandalen.

ich stürze, rapple mich auf, weiter! noch habe ich einen kleinen vorsprung. er ruft etwas. es hört sich an wie „bleib stehen“. kann es sein, dass er unsere sprache spricht? nein. niemals. wie sollte das möglich sein, er ist ein grober barbar.

so schnell ich kann, laufe ich durch den wald. er holt auf. kommt immer näher. ich höre ihn wieder rufen. und tatsächlich.

er ruft „bleib stehen.“ „du kannst mir nicht entkommen“.

und ich höre es laut und deutlich. denn er ist so nah hinter mir. greift nach mir. ich falle. er fällt auf mich. ich trete und schreie. reisse mich los und laufe weiter. er lacht.

ich laufe, stolpere durch den wald. es hat keinen sinn. er lacht und bleibt dicht hinter mir. ich bleibe stehen, drehe mich zu ihm, ziehe den dolch aus der scheide. ich bin wild entschlossen. niemand wird mich berühren. bereit zu allem richte ich meinen dolch gegen ihn. doch was soll es nützen. ich habe den umgang mit waffen nie richtig gelernt. meine ausbildung war eine andere.

und er ist sehr gross, sehr stark. er steht wie ein fels vor mir. ein wahrer krieger. blutverschmierter umhang. blut an seinen händen und armen. das bemalte gesicht. alles was ich sehen kann, ist die ungewöhnliche farbe seiner augen. das hellste braun, fast bernstein farben. noch nie zuvor habe ich solche augen gesehen.

er steht da, sieht mich an. lacht nicht mehr. mit einer schnellen bewegung zieht er sein schwert, ein klirren und der dolch fliegt in hohem bogen aus meiner hand. es wäre ein leichtes für ihn, mich zu töten. aber er wird es nicht tun.

ich halte mein handgelenk, der hieb war so stark, dass mein ganzer arm schmerzt. er geht auf mich zu. greift in mein haar und reisst meinen kopf zurück. jetzt sehe ich seine augen ganz genau. smaragdgrün umrandet. leuchtendes bernstein.

auch sein gesicht kann ich sehen, oder mir unter all der kriegsbemalung, dem dreck und dem blut vorstellen.. er ist jung. kein knabe, ein mann. er ist mein feind. ein wildes tier. er hat lea getötet, und jetzt bringe ich ihn dazu, auch mich zu töten.

ich erwidere seinen blick. stolz, mit verachtung . ich spucke ihm ins gesicht. er wirft mich zu boden. reisst mich an den haaren wider hoch. ein schlag in mein gesicht. weit ausholend trifft mich sein handrücken. nun fliege ich, wie mein dolch zuvor, in hohem bogen in den matsch.

er lässt sich neben mich auf die knie fallen, reisst meinen kopf wieder and den haaren hoch, dreht mein gesicht zu sich. jetzt spuckt er mir ins gesicht.

“ ich werde dich lehren, mir zu gehorchen!“

er steht auf, zieht mich mit sich hoch. ich taumle. mein gesicht schmerzt. mein ganzer körper schmerzt. ich bin voller matsch, kann fast nichts sehen, meine augen brennen. er hält mich an den haaren fest, geht in richtung fluss, lässt meine haare nicht los, ich muss folgen.

ich stolpere, er reisst mich abermals hoch. dann wieder ein schlag ins gesicht. ich falle, er zieht mich wieder auf die beine. ein stoss, ich stolpere vor ihm her. ich möchte weinen vor wut, vor angst. aber diese genugtuung werde ich ihm nicht geben.

wir sind am flussufer. der fluss ist breit und führt viel wasser. als ob er meine gedanken lesen könnte hält er mich fest. er geht mit mir einige schritte ins wasser. taucht mich unter. einmal, zweimal. drückt mich unter wasser.

gerade so lange, dass ich nach luft schnappe, aber es mich nicht so schwächt, dass ich ohnmächtig werde. als er mich hochzieht sieht er mich an. streicht meine haare aus dem gesicht. er drückt meine wangen, meine kiefer mit einem festen griff zusammen, sodass ich automatisch den mund öffnen muss.

er zieht mich ganz nah zu sich. ich spüre seinen atem. dann spuckt er mir in den mund und wirft mich mit einem kräftigen stoss richtung ufer. der schock lässt mich regungslos liegen bleiben. er will mich nicht töten. ich kann nicht fassen, was jetzt geschieht. er steht über mir. alles dreht sich und ich friere. ich habe angst vor ihm. jetzt noch mehr als vorher. denn er wird mir kein schnelles ende gönnen. soviel ist sicher.

ich spüre einen heissen strahl auf meinem gesicht. instinktiv drehe ich mich weg. doch ich spüre den strahl auf meinem körper. er uriniert auf mich. stellt einen fuss auf meine brust, so dass ich mich nicht weiter wegdrehen kann. er sieht mich an.

„du gehörst mir, hast du das jetzt verstanden?“

3. am fluss

ich drehe mich zur seite, krümme mich zusammen, vor wut, scham, vor schmerz und vor verzweiflung. ich brauche eine überlebensstrategie. was immer kommen mag, ich werde sein feind sein und er meiner.

so liege ich am flussufer. und irgendwo, fast einen tagesmarsch hinter mir, liegt meine welt in trümmern. und eine zukunft vor mir, so ungewiss, dass ich meine toten freunde nun um ihren schlaf beneide.

er weiss, dass ich jetzt keine kraft für eine flucht habe, und er lässt mich einfach liegen. geht wieder ein schritte ins wasser und fängt fische. nach einiger zeit kommt er zurück, wirft die fische neben mich.

„steh auf, wir queren den fluss“

ich stehe auf. gehe ein paar schritte. hoffe, das wasser kann alles wegwaschen. den schmutz, das blut, seinen geruch. er hat mich markiert, wie ein tier sein revier markiert, er ist wie ein tier, – nein, nicht wie – er IST ein tier. ein gefährliches.

er dreht sich um. wieder ein schlag in mein gesicht. ich falle zu boden. er deutet auf die fische. ich krieche zurück und hebe sie auf. trage sie. ich habe es noch nicht verstanden. mein neues leben. ich bin jetzt eine . seine .

wir queren den fluss an der schmalsten stelle. ein seil ist gespannt. wenn er oder seine männer das waren, dann kennt er die höhle bestimmt auch. weiss er auch vom versammlungsplatz? ich muss vorsichtig sein.

mit einem arm fasst er mich um die taillie und mit dem anderen hält er sich am seil fest. so bringt er uns an das andere ufer. hätte er mich nicht so fest gehalten, ich hätte mich vom fluss forttragen lassen. und er scheint das zu wissen.

drüben angelangt, schaffe ich es fast nicht mehr die uferböschung hinaufzuklettern. meine sandalen habe ich längst verloren. meine kleider sind zerrissen und der umhang ist vollgesogen und tonnenschwer. doch ich trage die fische noch immer.

er geht voraus und als ich wieder abrutsche streckt er mir den arm entgegen. ich zucke erst zusammen, dann sehe ich ihn an und spucke vor seine füsse. die göttin möge es mir verzeihen. aber ich kann in diesem moment nicht anders. ich spucke nicht auf erde, ich zeige dem feind meine verachtung.

er lacht nur, schüttelt den kopf und geht weiter. so gehen wir fast eine stunde. er kennt den weg zur höhle. ich folge ihm schweigend. suche nach einer möglichkeit zu fliehen. einfach weglaufen wird nicht funktionieren.

es wäre ein leichtes für ihn, mich einzuholen. ich brauche einen plan. der dolch ist weg. ich könnte einen stock nehmen… aber er ist ein erfahrener krieger ….wenn ich doch nur etwas finden könnte. dann, die idee. die nadeln in meinem haar. ich glaubte alle verloren zu haben, doch eine ist noch da.

ich löse den knoten, ziehe die lange goldene schmucknadel heraus. halte sie fest verborgen in meiner zur faust geballten hand. ich könnnte ihm damit die augen ausstechen und fliehen. aber dazu müsste ich nah an ihn herankommen.

die gelegenheit bietet sich schneller als ich denken kann. ich stolpere, rutsche ab vom schmalen weg, die böschung hinunter. ich kann mich nicht halten, schreie, falle. er springt mir nach. ich kann eine wurzel fassen, halte mich mit einer hand daran fest. in der anderen halte ich noch immer die nadel.

er kann mich am arm packen, zieht mich hoch zu sich auf den vorsprung auf dem er steht. es scheint, als ob ich für ihn kein gewicht hätte, so leicht fühlt es sich an. als ob ich schwebe. er setzt mich ab, ich spüre wieder festen boden unter meinen füssen. ich bin ganz nah vor ihm. in diesem moment hebe ich die hand, die spitze, lange haarnadel fest umklammert. ich steche zu, er fängt die bewegung ab. knapp vor seinem linken auge. er hält mein handgelenk so fest umklammert, dass ich glaube er bricht mir alle knochen.

“ was ist das?“

er zwingt mich die hand zu öffnen und die waffe preiszugeben. er sieht die nadel. sein griff wird noch fester. er packt mich mit der anderen hand an der kehle. drückt zu. er bebt vor wut. ich kann es sehen und spüren.

“ dafür sollte ich dich töten.“

endlich! ja, töte mich! jetzt! niemals werde ich mich dir unterwerfen. lieber tot als deine sklavin sein. aber er lässt los. nimmt die nadel aus meiner hand und steckt sie in sein gewand. ich huste, ringe um luft. er greift in mein haar und beugt mich über den abgrund.

„diesen gefallen werde ich dir nicht tun. NOCH NICHT! „

dann schiebt und zerrt er mich den hang wieder hinauf. ich leiste keinen widerstand. wozu auch. als wir wieder auf dem kaum zu erkennenden pfad sind, stösst er mich gegen einen baum. bindet meine arme fest. reisst mir mein ohnehin schon zerfetzes kleid vom rücken.

“ nicht ALLES an dir muss unversehrt bleiben“

mit diesen worten schlägt er zu. ich spüre den scharfen schmerz auf meinen rücken. er schlägt mich mit seinem gürtel. „tu“ „das“ „nie“ „wieder“ vier schläge genügen, ich verliere das gleichgewicht, meine knie versagen, ich sacke zusammen aber ich schreie nicht laut auf.

als wir endlich ankommen, kann ich mich nur noch durch reine willenskraft auf den beinen halten. ich spüre seine blicke. und ich weiche nicht aus. er wird mich nicht völlig brechen. niemals. eines der besonderen dinge an der höhle ist die quelle, die dort entspringt. ich bin so erschöpft und so durstig. dennoch wage ich es nicht, einfach aufzustehen. ich drehe meinen kopf in die richtung, aus der das plätschern kommt.

sehe ihn an. er nickt. mit letzter kraft schleppe ich mich die paar meter zur quelle, trinke und lasse das wasser über mein gesicht, über meine hände und vor allem, über meine blutigen füsse laufen. dann kann ich nicht mehr. die müdigkeit ist zu gross. es wird dunkel vor meinen augen.

4. die höhle

stimmen wecken mich. ich bin in der höhle. allein. meine hände und füsse sind gefesselt. ich bin nackt, liege auf einem grossen fell. mit einem umhang zugedeckt. mein körper schmerzt. es ist dunkel draussen. der schein von fackeln am höhleneingang.

ich höre die stimmen in der fremden sprache reden. es hört sich an, als ob befehle gegeben und bestätigt werden. dann schritte, pferdehufe, dann wird es still. ich sehe mich um. ein feuer wärmt und erleuchtet den raum. die höhlendecke bildet eine natürliche kuppel. ein wunderschöner ort. zumindest war er es für mich immer. schon in meiner kindheit. jetzt bin ich hier als gefangene, als besitz des feindes.

der umhang der mich bedeckt ist reich verziert. symbole, gestickt mit goldenen und silbernen fäden. eine spange aus gold. nicht so kunstvoll, wie es die weber und stickerinnen, die goldschmiede meines volkes hätten fertigen können, aber schön in seiner einfachheit.

er betritt die höhle. sieht anders aus. keine kriegsbemalung im gesicht. das haar nicht ganz so wild wie zuvor, an beiden seiten zu mehreren schmalen zöpfen geflochten. er trägt ein ledernes stirnband, fast wie eine krone.

er setzt sich mir gegenüber ans feuer. zum ersten mal kann ich sein gesicht sehen. es trifft mich wie ein messerstich. mein feind ist schön. ein wunderschönes, wildes tier. genauso gefährlich, genauso faszinierend.

nein!! ich darf und will nicht so denken. er hat lea getötet, den tempel vernichtet, will mein land und mein volk versklaven und was er mit mir getan hat, möchte ich nicht einmal mehr erinnern. und ich weiss nicht, was noch folgen wird.

„iss“

er deutet auf den fisch, der über dem feuer gart. ich wende mich ab. eher werde ich…

„oder willst du eher verhungern?“

er lacht. “ ist das deine art, den feind zu bekämpfen?“

„abgesehen vom versuch mich mit einer haarnadel zu blenden?“

jetzt ist seine stimme schärfer. ich drehe mich noch weiter weg.

er steht auf und kommt zu mir. ich sehe die klinge des messers blitzen, das er aus seinem gürtel zieht. es ist mein dolch! er schneidet meine fesseln durch. zuerst die an den füssen. sobald ich mich bewegen kann trete ich nach ihm. er setzt sich auf meine beine. ich schreie auf.

„du bist wild. das gefällt mir. dennoch, ungehorsam dulde ich nicht.“

er packt meinen arm, schneidet die fesseln, die meine hände binden, durch. ich versuche mich loszureissen. schlage auf ihn ein, kratze und beisse. ein schlag ins gesicht wirft meinen oberkörper zurück. nun hält er mich an den handgelenken fest, sitzt auf mir. schwer und übermaÅNchtig. er ist so stark. ich kann mich nicht mehr bewegen. mein rücken schmerzt. er beugt sich über mich. ganz nah ist er jetzt. er flüstert. zischt fast böse wie eine giftige schlange.

“ gehorche, oder ich überlasse dich meinen männern.“

er löst seinen griff, geht von mir runter. als ich mich aufrichte – hebt er seine hand wie zum schlag. ich zucke instinkitv zusammen. er schlägt mich nicht.

“ so ist es schon viel besser.“

er lächelt mich an. streicht über meine wange. ich zucke wieder zusammen. ist es wirklich nur angst? ich sitze dort, starre ins feuer und ich kann die tränen nicht mehr zurückhalten. stumme tränen vor wut und ohnmacht. ich spüre, dass er mich ansieht. er steht auf, legt den umhang um meine schultern. beim verlassen der höhle dreht er sich noch einmal um.

“ gehorche. du kannst nicht entkommen.“

ich kann nicht mehr denken. hunger, durst, die schmerzen, die müdigkeit. ich muss klug sein. nicht falschen stolz erhalten, sondern neue kräfte sammeln. ich krieche hinüber, esse von dem fisch und schlafe dann wieder ein.

mir ist als wäre er im traum immer da. neben mir. ich sehe sein gesicht. mir ist heiss, ich fürchte zu verglühen. ich sehe die bilder des brennenden tempels wieder. wie meine gefolgsleute sterben. seine wilden augen, als er lea tötet.

und mir ist, als ob mich die gleichen augen nun sanft, fast besorgt anblicken. seine starken hände, statt mich zu schlagen, jetzt etwas kühlendes auf meine stirn legen, während ich die welt nur noch in schemen wahrnehme.

ich höre seine stimme, er spricht leise in der fremden sprache. es klingt beruhigend, obwohl ich kein wort verstehe, vergesse ich, dass er mein feind ist. spüre etwas anderes. heiss und brennend. etwas das mich tief im innern erreicht. spüre ich wirklich seine lippen auf meiner stirn?

5. verhandlungen

ich weiss nicht wieviele tage vergangen sind. ich weiss nur soviel. es war nicht nur der schlaf einer nacht. das fieber war sehr hoch und was immer er getan hat, er hat mein leben gerettet. zum zweiten mal.

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