—Vorbemerkungen—
Hallo lieber Leserin, hallo lieber Leser,
an dieser Stelle zunächst vielen Dank für die nach dem 10. Teil wirklich zahlreichen Rückmeldungen (auch über die Kontakt-Funktion hier auf literotica). Wenn das Feedback konstruktiv und die Anregungen nett vorgetragen werden, bin ich auch immer bereit, die Einbeziehung von Wünschen und Vorschlägen zu überdenken. Letztlich hoffe ich aber auch, dass Verständnis dafür vorhanden ist, dass ich schon mehr als bloß den nächsten Teil im Kopf habe und eine „Story-Line“ verfolgen möchte.
Deshalb behandelt dieses Kapitel wieder ein eher spezielles Thema von Pascals sexuellen Abenteuern in der Lust-Sekte. Ich hoffe, dass das Kapitel trotz der Überraschung, die ich hier nicht zerstören möchte, seine Fans findet und die anderen Leser nicht vom Weiterlesen abschreckt.
Vor allem möchte ich in diesem Kapitel weitere Hintergründe über das Wesen der Lust-Sekte liefern, von denen ich hoffe, dass sie natürlich zum einen plausibel und zum anderen auch lesenswert sind.
Insofern gilt wie immer: Feedback ist mir sehr erwünscht und bei Bedarf melde ich mich auch zurück, sofern nicht anonym kommentiert wird. Viel Spaß beim Lesen!
Euer Lex84
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Am nächsten Tag nach Pascals Fahrradtour mit Lisa und Beatrice stand das große Treffen der Mitglieder der Lust-Sekte an, wegen dem Pascals Familie im Grunde als Gäste in den Süden Deutschlands gefahren waren. Natürlich war für Pascal auch das Wiedersehen mit seinen Verwandten sehr schön und angenehm, aber jetzt freute er sich naturgemäß auf seine erste Feier der Lust-Sekte, seit er in den erlauchten Kreis aufgenommen worden war. Ein wenig Nervosität war zugegeben auch dabei, weil er sich nicht vorstellen konnte, wie genau sich der Ablauf der Feier darstellen würde und wie die erwarteten Umgangsformen insbesondere für ortsfremde Gäste so waren. Letztlich hoffte er, sich an seiner erfahreneren Schwester oder Cousine orientieren zu können.
Wie sich herausstellte, hatten sie keinen allzu weiten Anfahrtsweg, weshalb geplant wurde, erst gegen sechzehn Uhr mit zwei Autos aufzubrechen. Vorher wurde noch ausgiebig gefrühstückt und ein wenig das weiterhin gute Wetter ausgenutzt. Am frühen Nachmittag warfen sich alle in die offensichtlich obligatorische vornehme Garderobe. In Pascals Fall bedeutet das ein teures, hellblaues Hemd samt schwarzer Stoffhose und grauer Krawatte sowie dem dazu passenden Jackett, welches er allerdings für die Fahrt bei den sommerlichen Temperaturen noch nicht anzuziehen gedachte. Seine Mutter hatte Pascal gebeten, wie es alle Anderen auch taten, gleichartige Kleidung zum Wechseln mitzunehmen, was er angesichts seiner Erfahrungen bei seiner Aufnahmefeier auch ohne zu hinterfragen tat. So wurden noch einige Kleidungssäcke mit Jacketts und Kostümen in den Kofferraum ihres Autos gepackt, bevor sie gemeinsam mit Lisas Familie im Autokorso aufbrachen. Während Lisa bei ihren Eltern und ihrer gemeinsamen Großmutter mit ihrem schwarzen Mercedes ML wegen ihrer besseren Ortskenntnis unter Verzicht auf ein Navigationsgerät vorausfuhren, folgten ihnen Pascal mit seiner Schwester und ihren Eltern in ihrem Auto, mit dem sie bereits zu ihren Verwandten einige Tage zuvor angereist waren.
Nach etwas über einer Stunde Fahrt hatte die kleine Kolonne ihr Ziel bereits erreicht. Es handelte sich dabei offensichtlich um ein sehr geschichtsträchtiges Anwesen, welches ziemlich abgelegen auf einer Anhöhe in Mitten von Wäldern lag, von denen es im Süden Deutschlands auch noch eine Menge gab. Die enormen Ausmaße des Grundstückes, welches von einer alten, etwa zwei Meter hohen Mauer umgeben war und am Eingang von zwei Sicherheitsleuten bewacht wurde, wurden in ihrer Repräsentativität von dem sich auf dem Grundstück befindlichen Hauptgebäude bei weitem in den Schatten gestellt: Denn dabei handelte es sich um ein altes Gemäuer, welches im Stile einer Burg mit großen und roh behauenen Steinen errichtet worden war und seinerseits beeindruckende Ausmaße hatte.
Über einen leicht ansteigenden Kiesweg fuhren die beiden Autos hintereinander auf das große Haus zu, umrundeten einen vorgelagerten Springbrunnen und kamen schließlich vor der Haupttreppe des Anwesens zum Stehen. Die Wagentüren wurden von Herren in schwarzen Anzügen und Damen in schlichten schwarzen Röcken mit weißen Blusen mit allenthalben perfekter Haltung geöffnet. Nach dem Aussteigen wurden Claudia ihre Autoschlüssel von einem Angestellten abgenommen, damit das Auto hinter dem Haus auf einem dafür vorgesehenen Parkplatz abgestellt werden konnte. Das gleiche erfolgte mit dem Auto von Pascals Onkel und Tante, so dass alle zusammen am Fuße der Treppe standen und Pascal erstmals die Möglichkeit hatte, das imposante Gebäude, ohne dass etwas wieder leider bislang seine Sicht behindert hätte, mit großen Augen zu bewundern.
Die kleine Gruppe schritt die in etwa zwanzig Stufen umfassende Treppe empor und gelangte so auf einen etwa fünfhundert Quadratmeter umfassenden und mit Pflaster ausgelegten Platz vor dem weit offenstehenden Haupteingang des Hauses. Auf der rechten Seite der Terrasse war ein größeres, weißes Zelt mit offenen Seiten aufgestellt, über dem ein verhältnismäßig unauffälliges Schild mit der Aufschrift „Anmeldung“ angebrachte war. Auf dieses Zelt hielten die Erwachsenen zu, wobei sich Lisa, Beatrice und Pascal hinter ihnen etwas zurückhielten. Warum das so üblich war, zeigte sich, als Claudia und Holger an der Reihe waren und er sich und seine Familie vorstellte: „Guten Tag, wir sind Landgraf Holger und Landgräfin Claudia. Das sind unsere Tochter Beatrice und unser Sohn Pascal. Wir sind Gäste von Landgräfin und Landgraf Monika und Bernd“, auf die er mit einem Fingerzeig verwies. Solange die Kinder noch nicht geheiratet hatten beziehungsweise solange sie noch keine Verbindung eingegangen waren, wie es in ihrer Sekte hieß, wurden Kinder weiterhin dem Stand der Eltern zugeordnet und ihnen sozusagen zugeordnet, wie Pascal feststellte. Dabei spielte das Alter der Kinder offenbar keine oder nur eine untergeordnete Rolle, sofern es Pascal bislang anhand seiner Beobachtungen beurteilen konnte.
Die Dame am Empfang begrüßte sie alle mit einem höflichen Lächeln und einer überaus galanten Unterwürfigkeit. Da Pascals Familie wie die von Lisa angemeldet war, fand die Empfangsdame schnell ihre Namensschilder, welche am oberen Rand eine farbliche Markierung hatten, die bei Lisa, Beatrice und Pascal unterbrochen war. Außerdem hatten die Namensschilder von Pascals Familie im Gegensatz zu Lisas ein „G“ an der oberen rechten Ecke aufgedruckt.
Nachdem die Frau ihnen allen die Namensschilder übergeben und ihnen viel Spaß gewünscht hatte, machten sie sich auf den Weg zur Haustür des Gebäudes, die in ihren Abmessungen und ihrem massiven Design eher einem Portal denn einer einfachen Türe gleichkam. Da Pascal bei seiner Aufnahmefeier keinerlei Namensschilder gesehen hatte, beugte er sich unauffällig zu seiner Schwester vor und flüsterte: „Sag mal, weisst du, warum die Namensschilder unterschiedliche Farben haben und was die ganze Symbolik darauf bedeutet?“ Beatrice, die etwas überrascht schien, dass Pascal über die Namensschilder nicht Bescheid wusste, entgegnete ebenfalls flüsternd: „Na klar, du etwa nicht? Die Farben in Kombination mit den Strichen am Rand symbolisieren unseren Stand. Unsere Farbbalken sind unterbrochen, weil du und ich noch nicht vergeben sind und das „G“ steht natürlich für „guest“ oder „Gast“, wenn du so willst.“
Das machte für Pascal natürlich schon sehr viel Sinn, denn wie sollte man sonst erkennen, wer von den zahlreichen Gästen, die sich auf dem weitläufigen Grundstück gut zu verteilen schienen, welchen Stand hatte. Dass man allerdings auch dem Namensschild entnehmen konnte, dass er sich noch nicht gebunden hatte, machte Pascal ein wenig nervös, da er ja bereits bei seiner Aufnahmefeier erlebt hatte, welche Konsequenzen das haben konnte. Allerdings fühlte er sich nunmehr nach einem fast Dreivierteljahr seit das passiert war, wesentlich selbstsicherer als damals und würde sicherlich diesmal seine Ansprüche wesentlich besser vertreten können und sich nicht überrumpeln lassen. Neugierig und sich gedanklich weiter mit diesen Phantasien beschäftigend betrat Pascal mit seiner Familie durch die einladend offenstehende große, doppelflügelige Eichentüre das Haus.
Das Innere der burgähnlichen Anlage war nicht weniger beeindruckend und stimmig als ihr Äußeres. Der aus großen graublauen Steinen bestehende Boden wurde auf ihrem Weg mit einem roten Läufer bedeckt und auch die Wände waren an vielen Stellen mit Wandteppichen dekoriert. Außerdem befanden sich überall an den Wänden doppelarmige Leuchter, die zwar elektrisch betrieben wurden, aber Kerzenhaltern nachempfunden waren. An den Wandseiten führten zwei steinerne Treppen nach oben in das Obergeschoss, wobei Pascal bereits von unten sehen konnte, dass von der ersten Etage weitere Holztreppen weiter nach oben führten. Die Mitte des Raumes wurde von einem Zimmerspringbrunnen und einem darüber befindlichen majestätischen Kronleuchter dominiert.
Von einer freundlichen Dame mit Handzeichen dirigiert, wandten sich die Neuankömmlinge nach rechts, wo sie durch eine große Türe, die Ihnen von einem im Frack gekleideten Angestellten geöffnet wurde, einen an die dreißig Meter langen Speisesaal betraten, der ebenfalls durch Kerzenlampen an den Seiten und drei gewaltige Kristallkronleuchter auf der Mittelachse über den beiden langen Reihen von Holztischen erhellt wurde. Nur kleine Fenster weit oben in der rechten Wand oberhalb einer Empore spendeten einen Funken natürlichen Lichts, das erahnen ließ, dass draußen strahlender Sonnenschein herrschte. An den beiden Tischreihen saßen bereits zahlreiche Gäste und unterhielten sich angeregt. Pascal bemerkte, dass die Tische bereits mit Geschirr für ein späteres Essen eingedeckt waren und außerdem mit Namensschildern versehen waren.
Auf der rechten Tischflanke saßen tendenziell eher jüngere Frauen und Männer, was sich auch schnell von selbst erklärte, als eine junge Dienerin an die Gruppe von Pascals Angehörigen herantrat und ihn sowie seine Cousine und seine Schwester ansprach: „Eure Hoheiten Junggraf Prinz Pascal, eure Hoheiten Junggräfin Prinzessin Lisa, Prinzessin Beatrice, wenn Sie mir alle bitte folgen möchten, damit ich Sie an Ihren Platz führen kann?“ Also saßen die noch unverheirateten Mitglieder der eingeladenen Gäste getrennt von ihren Eltern – wie sinnvoll! Es sollte wohl alles versucht werden, um diesen traurigen Umstand zu ändern. Dafür war es allerdings weniger sinnvoll, dass Lisa, Pascal und Beatrice gemäß den aufgestellten Namenskärtchen in genau dieser Reihenfolge nebeneinander ihren Sitzplatz hatten.
Sie hatten noch nicht richtig ihre Plätze gefunden, als eine männliche Bedienung an Lisa herantrat und ihr ein Glas Sekt anbot, was diese gerne annahm. Pascal wollte sich auch schon bedienen, aber der Kellner machte um ihn einen Boden und fragte stattdessen die neben ihm sitzende Beatrice. Pascal wollte schon protestieren, aber da erschien eine weitere Kellnerin und bot Pascal ebenfalls ein Glas Sekt an, welches er etwas verwirrt annahm. Als sowohl die Kellnerin als auch der Kellner weitergegangen waren und außerhalb ihrer Hörweite waren, klärte ihn Lisa flüsternd auf: „Es ist Sitte, dass hier Frauen nur von Männern und Männer nur von Frauen bedient werden. Wusstest du das nicht?“ Tatsächlich hatte Pascal etwas derartiges doch bereits in seinem Studium erfahren, aber in diesem Moment irgendwie verdrängt. Ein wenig ärgerte er sich über diesen Fauxpas, weshalb er sich um der Ablenkung willen wieder auf den pompös und irgendwie altertümlich ausstaffierten Raum und dessen Einrichtung konzentrierte.
Alles hier machte einen sehr teuren und handverlesenen Eindruck. Selbst das Kristallglas, welches Pascal immer noch in der Hand hielt, fiel ihm beim genaueren Betrachten dadurch auf, dass es sehr sorgfältig verarbeitet schien und feine Verzierungen im Kristall aufwies. Das Besteck war anscheinend versilbert, soweit Pascal dies mit seinem Laienwissen beurteilen konnte. Obwohl er sich soeben bereits einmal als unwissender Neuling geoutet hatte, führte seine ungeheure Neugier dazu, dass er seine Schwester zu seiner Rechten fragte: „Sag mal, das muss doch alles unheimlich teuer hier sein. Wie kann sich unser Gastgeber das alles bloß leisten? Womit verdient man denn in einer Position unserer Gemeinschaft so gut?“ Beatrice schaute Pascal nur überrascht an, so dass sich Pascal unweigerlich fragte, ob er erneut eine ziemlich dumme Frage gestellt hatte. Aber seine Schwester war eher entsetzt als amüsiert über Pascals Unwissen: „Willst du damit sagen, du hast im Studium noch gar nichts darüber erzählt bekommen, wo die historischen Gründe unserer Gemeinschaft liegen? Letztlich offenbart dir das bestimmt einiges und du siehst alles mit ganz anderen Augen. Mir hat man das in meinem Jahrgang damals so ziemlich als erstes vermittelt.“
Nur kurz forschte Pascal in seiner Erinnerung nach, bevor er kopfschüttend feststellte, dass er tatsächlich nicht wusste, wovon seine Schwester da sprach. Da beugte sie sich zu ihm rüber und erklärte Pascal mit leiser Stimme kurz, wo der Anfang der Lust-Sekte lag: „Der Ursprung unserer Vereinigung liegt etwa Mitte des 18. Jahrhunderts. Damals herrschte, wie du aus dem allgemeinbildenden Geschichtsunterricht wissen solltest, im Grunde in ganz Europa noch eine ständische Herrschaftsordnung, wobei zugegebenermaßen der Adel auf Kosten der niederen Bevölkerung in Saus und Braus lebte. Dazu zählte, wie du dir sicherlich denken kannst, auch das Ausleben aller möglichen sexuellen Phantasien. Letzteres geschah damals allerdings häufig auf Grundlage sehr großer Machtunterschiede zwischen den Bevölkerungsgruppen nicht in allgemeinem Einverständnis sondern durch Unterdrückung und skrupellosem Ausnutzen von Macht und Reichtum. Das konnte so aus heutiger Sicht auf Dauer nicht für immer weitergehen. Und wie wir heute alle wissen, wurde ausgehend durch die Vorgänge in Frankreich mit der französischen Revolution in Europa die Vorherrschaft des Adels gewaltsam beendet und durch den Wechsel zu Volksherrschaften abgelöst.
Doch viele der Adligen und Reichen der damaligen Zeit hatten so viel Weitblick und waren sensibel genug für die sich anbahnenden gesellschaftlichen Veränderungen, dass sie vorbeugend vorsorgten. Sie schafften einen Großteil ihres Vermögens beiseite und setzten sich ins benachbarte Ausland oder sogar noch weiter ab, bevor sie in die Hände Aufständischer fallen konnten, die nur darauf warteten, einem der ihnen damals verständlicherweise so verhassten Adligen den Hals umzudrehen. So verschlug es viele alteingesessene Herrschaftsfamilien aus ihren angestammten Territorien und sie mussten sich viele Jahre oder Jahrzehnte oft unter falschem Namen mit einem zurückgezogenen und teilweise auch bescheidenen Leben zufrieden geben. Doch mit der damals wie heute unterschwellig einsetzbaren Macht ihres beiseite geschafften Vermögens bauten besagte Familien rasch im Untergrund eine Gemeinschaft auf, die als Vorreiter unserer heutigen Sekte gelten kann. Und bis heute hat sich an der guten finanziellen Basis und der Existenz der Gemeinschaft im Verborgenen nichts geändert, außer dass wir heute ein weltweit operierendes Netzwerk besitzen, dass es uns ermöglicht, unser Vermögen so unauffällig und doch so gewinnbringend wie möglich einzusetzen. So, jetzt verstehst du sicher viel besser alles das, was du hier so siehst, nicht wahr?“ Das tat Pascal allerdings. Dass ihre Sekte einen so weit zurückreichenden, historischen Hintergrund hatte, hätte er niemals erwartet. Deshalb konnte er auch nur ein „Oh ja, das habe ich alles tatsächlich nicht gewusst. Danke.“ herausbringen. Dies genügte Beatrice zumindest soweit, dass sie sich wieder von Pascal abwandte und die Vorgänge beziehungsweise die Leute im Raum beobachtete.
Damit verhielt sich seine Schwester vollkommen richtig, wie Pascal für sich beschloss und ließ auch seinen eigenen Blick durch die Reihen der ihm fremden Sektenmitglieder streifen, die mehrheitlich wie sie auch an den Tischen saßen und sich unterhielten. Insbesondere achtete Pascal auf die ihm nunmehr äußerst sinnvoll erscheinenden Farben an den Namensschildern. Obwohl die Party von dem ortsansässigen Erzherzog veranstaltet wurde, der immerhin drei Stände über Pascal und seiner Familie stand, stellte Pascal fest, dass die Anzahl der Frauen und Männer, die rangmäßig über ihm standen, deutlich geringer ausfiel als die derer, die weiter unten in der Hierarchie standen. ‚Bis zu welchem Stand mochte der Erzherzog wohl seine Einladungen ausgesprochen haben‘, fragte sich Pascal.
Nebenbei beobachtete er, dass sich die Anzahl der den Raum betretenden und verlassenden Personen die Waage hielt, wobei unter den ihren Raum Verlassenden vornehmlich Paare zu sein schienen. Ob es hier auf der Feier wohl auch so ausgelassen zuging wie bei seiner Einführungsveranstaltung? Wann es wohl Essen geben würde? Ob es dann vielleicht noch lohnte, sich vorher schon mal in der anwesenden Damenwelt umzusehen? Diese Fragen beschäftigten Pascal vermehrt. Allerdings schienen Lisa und Beatrice die Ruhe weg zu haben und schauten sich weiter Gelassenheit ausstrahlend um.
Obgleich Pascal von sich ziemlich sicher annahm, dass er ganz gut einschätzen konnte, was wohl der Kern dieser Feier sein würde, versuchte er betont unauffällig und selbstverständlich eine Frage an seine Cousine zu richten: „He Lisa, sag mal, ist das wohl hier bei euch auch so wie bei uns, dass eigentlich alle hier Anwesenden ganz bewusst zu dieser Feier kommen, um sich ähm… ausgelassen zu vergnügen? Ich meine, gibt es dazu überhaupt genug Zimmer, wo es hier doch so voll ist?“ Lisa schaute Pascal nur grinsend an, bevor sie mindestens ebenso locker wie Pascal bemerkte: „Na klar. Was hast du denn geglaubt? Dass es hier einen netten Dinner-Empfang mit klassischer Musik und Kabaretteinlage zur Unterhaltung gibt? Das dem natürlich nicht so ist, wirst du sicherlich schon bald selbst erfahren, glaube mir. Die Damen hier haben genauso viel Lust auf das, woran du gerade denkst, wie du selber. Also bleib ruhig und warte nur ab.“
Ein wenig verärgert nahm Pascal zur Kenntnis, dass Lisa seine Gedanken locker durchschaut hatte, obwohl er sich bemüht hatte, nicht allzu deutlich seine Nervosität zu zeigen. Er wollte gerade zu einer Antwort als eine Art ‚Gegenangriff‘ ansetzen, als ihm am Tisch gegenüber, an dem nur die gebundenen Paare saßen, eine Frau auffiel, die nur wenig älter als er selbst sein musste, aber mindestens im siebten Monat schwanger war. Im Alltag wäre ihm die Schwangere überhaupt nicht groß aufgefallen, aber hier fand Pascal ihre Anwesenheit doch befremdlich. Ohne weiter darüber nachzudenken, richtete er sein Wort nochmals an Lisa: „So? Wirklich alle, ja? Und was ist mit der hochschwangeren Dame da drüben am Tisch? Die etwa auch, hä?“ Lisa richtete ihren Blick umgehend in die Richtung, die Pascal beschrieben hatte, erblickte die Frau und schaute darauf Pascal überrascht und mit einem fragenden Gesichtsausdruck an.
Plötzlich wurde Pascal bei dem bohrenden Blick seiner Cousine ganz anders, weil er befürchtete, unwissentlich einen schweren Fehler gemacht zu haben. Deshalb versuchte er schnell, wenn auch ziemlich ungeschickt, seine Frage zu präzisieren: „Ich äh, meine nur, weil… Du hast gesagt… Äh, nicht dass ich… du weisst schon!“ Blöderweise hatte Pascals nur nervös wirkende Taktik des Abwiegelns zusätzlich noch seine Schwester aufmerksam gemacht, die lachend einwarf: „Ja, ich weiss auch schon… Über wen genau redet ihr denn, hm?“ Auch Lisa grinste über beide Ohren, schien dabei aber über etwas nachzudenken, bevor sie schließlich sagte: „Schon klar, Pascal, du fragst nur so aus Neugier. Zufällig kenne ich die Herzogin Ira ganz gut und kann mir vorstellen, wie ihre Antwort auf deine Frage lauten würde. Aber fragen wir sie doch ganz einfach, ob sie mit den gleichen Absichten hier ist, die du ihr da unterstellen willst.“