Kapitel zwei: Der Überfall
Anke und Dirk studierten am Fähranleger kurz den Ortsplan und machten sich auf den Weg zum „Hotel Weiße Düne“, das sich in der Nähe des Strands, dem Kniepsand, befand. Sie ahnten nicht das ihnen Jemand folgte. Marianne betrat ein wenig später das Hotel, setzte sich in das Restaurant, welches sich, von einer Glastür getrennt, neben der Rezeption befand. Sie wählte einen Zweiertisch am Fenster aus, holte eine Schachtel Zigaretten der Marke „HB“ heraus und wartete auf die Bedienung, die prompt erschien.
„Was kann ich für sie bringen?“, fragte der junge Kellner.
„Tasse Kaffee mit Sahne und einen Cognac“, gab Marianne ihre Bestellung auf.
„Darf es sonst noch etwas sein?“, wollte er wissen.
„Nein danke!“
Der Kellner entfernte sich und Marianne entzündete ihre Zigarette, schaute aus dem Fenster, sollte das Pärchen das Hotel verlassen, von hier aus würde sie es bemerken. Der Kaffee und der Cognac kamen.
„Sagen sie kann ich hier das Telefon benutzen?“, fragte sie den Kellner, nachdem er die Getränke serviert hatte.
„Ja sicher, es steht am Ende des Tresens, allerdings kostet das Ortsgespräch 30 Pfennige, Ferngespräche dürfen nur von den Hotelzimmern geführt werden.“
„Es ist ein Ortsgespräch. Zeigen sie mir bitte das Telefon.“
„Bitte folgen“, forderte der Kellner sie auf.
Marianne holte einen kleinen Zettel aus ihrer schwarzen Lederhandtasche, die Nummer des Feriendomizils war darauf notiert. Sie wählte und einen Moment später nahm Gudrun den Hörer am anderen Ende der Leitung ab.
„Ich bin es“, meldete Marianne sich, „die Fische sind im Aquarium. Soll ich die Angel bereit halten?“
„Mach das“, sagte Gudrun, „bleib` ihnen auf den Fersen, wir richten dein Zimmer mit ein. Melde dich, wenn es was Neues gibt.“
„Ich werde die Köder auswerfen“, antwortete Marianne und legte auf, begab sich zurück an ihren Tisch, schlürfte den heißen Kaffee, nachdem sie ein wenig Sahne eingegossen hatte. Ein zweiter Schluck Kaffee, nun passte der Cognac in die Tasse.
Zwei Stunden später, drei Kaffee und drei Cognac später, tauchte das junge Liebespaar im Restaurant auf, setzte sich ebenfalls an einen Tisch an der Fensterreihe, direkt vor dem Tisch von Marianne. Sie bestellten ein Bier und einen Rotwein. Marianne war froh, dass endlich etwas geschah, es hätte ja auch sein können, dass die Beiden heute nicht mehr aus ihrem Hotelzimmer gekommen wären, weil sie ihre Zweisamkeit alleine genießen wollten.
„Herr Ober“, rief Marianne, als der Kellner in ihrer Nähe vorbei lief, „ich möchte bezahlen.“
„Sofort, ihre Rechnung kommt“, ließ er verlauten und ging zum Tisch des Pärchens.
„Haben sie noch einen Wunsch“, befragte er die Beiden höflich.
„Nein, wir möchten auch zahlen und rufen sie uns bitte ein Taxi zur Blauen Maus“, sagte Dirk.
„Kein Problem, nur einen kurzen Moment“, antwortete der Kellner.
`Blaue Maus` überlegte Marianne, `was mag das denn sein`
„Macht 6 Mark und 50″, erklang die Stimme des Kellners hinter ihr und fügte hinzu: „Mit dem Telefonat.“
Marianne nahm ihr Portemonee aus ihrer Handtasche, öffnete es und gab ihm 7 DM.
„Stimmt so, wenn ich noch einmal telefonieren kann.“
„Natürlich, dürfen sie.“
Marianne rief nochmals im Feriendomizil an.
„Hallo, hier bei Hennemann“, meldete sich Eva.
„Ich bin` s“, flüsterte Marianne in den Hörer, „das Paar verlässt gleich das Hotel, will zur blauen Maus. Frag` doch Gudrun mal, was die blaue Maus ist, denn die kennt sich auf dieser Insel aus.“
„Augenblick.“
Kurz darauf hatte Marianne die Antwort.
Um kurz vor 21 Uhr betrat Gudrun die „Blaue Maus“, schaute sich in der rauch-geschwängerten Musikkneipe um, entdeckte das ausgewählte Pärchen an einem der kleinen, runden Holztische, auf denen gelbe Kerzen aus einer Messingschale ragten und ein gemütliches, warmes Licht im Raum verbreiteten.
„Entschuldigung junger Mann“, sprach sie Dirk an, „wären sie so freundlich mir zu helfen? Mein Wagen ist in einer Sandwehe stecken geblieben. Ich glaube ich bin einfach zu ungeschickt, um ihn daraus wieder zu befreien. Wären sie vielleicht so nett es einmal zu versuchen?“
Dirk schaute fragend seine Freundin an, die aber schon zustimmend nickte.
„Werde mein Bestes geben“, antwortete er und sprang auf.
„Sie dürfen gerne mitkommen“, forderte Gudrun das Mädchen auf.
„Ich warte hier, Dirk. Muss sowieso mal auf `s Örtchen.“
„Es ist gleich dort drüben“, sagte Gudrun zu dem jungen Mann, als sie das Lokal verließen, „direkt hinter dem kleinen Kiefernwäldchen.“
Drei Minuten später erreichten sie den Wagen. Gudrun ging einen Schritt schneller, so dass sie vor dem Jungen war, drehte sich plötzlich um, umarmte und küsste ihn auf den Mund. Gleichzeitig fielen von hinten Eva, Ursula und Marianne über Dirk her. Zwei verdrehten seine Arme auf den Rücken, sofort schlug Barbara das bereit gehaltene Seil um seine Handgelenke und zog die Vorbereitete Schlaufe fest. Dirk fing an sich wehren, wollte „Hilfe“ rufen, da traf ihn das Knie von Gudrun mitten in seine Geschlechtsteile, er stöhnte hörbar auf. Ursula hatte in diesem Moment seine beiden Fußgelenke mit Klebeband umwickelt und war dabei einen kleinen Klebestreifen über seinen Mund zu kleben, damit er nicht lauthals in der Gegend herum schreien konnte. Dirk war überwältigt! Sie zogen ihn bis zum Wagen, Marianne öffnete die Beifahrertür und die anderen Frauen drückten ihn auf den Sitz des Käfers.
„Ihr Beiden wartet hier, wir fahren ihn zu unserem Haus“, bestimmte Gudrun und nickte dabei Eva und Ursula zu.
„Wollen wir seine Freundin auch noch kidnappen?“, fragte Eva erwartungsvoll.
„Wir waren uns ja noch nicht so richtig einig, wie wir mit dem Mädchen verfahren sollen“, erwiderte Ursula.
„Ich denke es kommt auf die Situation drauf an“, sagte Marianne, „wenn sie gleich heraus kommt, um ihren Freund zu suchen, dann schnappt sie euch. Lässt sie sich aber nicht blicken, dann last sie da wo sie ist, meine Meinung.“
„Eure Entscheidung“, sagte Gudrun, „wir sind mit dem Wagen gleich zurück, um euch zu holen. Den Typen haben wir. Das ist die Hauptsache.“
Sie hielt die Fahrertür auf, klappte den Sitz nach vorne, so dass Marianne und Barbara auf dem Rücksitz Platz nehmen konnten. Während der Fahrt konnte Barbara den sich windenden Mann auf dem Beifahrersitz von hinten festhalten, in dem sie seinen Kopf in den Nacken drückte. Wenn er zu sehr zappelte verpasste sie ihm eine schallende Ohrfeige. Nach dem dritten Schlag auf seine Wangen blieb er still sitzen, ergab sich seinem Schicksal.
Eva und Ursula hatten sich indessen dem Lokal wieder genähert.
„Ob seine Freundin heraus kommt. Um nach ihm zu sehen?“, fragte sich Eva mehr sich selbst, bekam aber eine Antwort von Ursula: „Wenn sie ihn liebt, dann wird sie mit Sicherheit wissen wollen wo er bleibt. Immerhin ist er ja mit Gudrun hinaus gegangen, einer attraktiven Frau.“
Sie standen in der Nähe des Eingangs, die Sonne verschwand langsam hinter den westlich gelegenen Dünen der Insel, Grillen zirpten, eine leichte Brise wehte vom Festland herüber.
„Ich wette, die kommt gleich“, vermutete Eva.
„Abwarten“, erwiderte Ursula.
„Bestimmt“, sagte Eva und in diesem Moment wurde die Tür der Musikkneipe geöffnet.
Ein Mann trat heraus, entzündete seine Pfeife und marschierte in Richtung Wittdün davon. Eva blickte ihre Freundin Ursula enttäuscht an, denn sie hoffte auf diese junge Frau, wollte das Spiel nicht nur mit dem jungen Mann spielen, eine junge Frau würde das Ganze viel interessanter gestalten. Wieder öffnete sich die Tür der Kneipe und diesmal war sie es!
„Da kommt sie“, flüsterte Eva erwartungsvoll ihrer Freundin zu.
„Ich habe es bemerkt.“
„Was nun?“, fragte Eva leise.
„Abwarten. Wir müssen erst einmal sehen wohin sie geht“, antwortete Ursula genauso leise. Auch ihre innere Spannung stieg an, das Adrenalin in ihrem Körper pulsierte. Anke kam direkt auf sie zu.
„Verzeihen sie“, sagte sie, als sie vor den beiden etwas älteren Frauen angekommen war, „haben sie zufällig einen jungen Mann mit einer Frau gesehen? Die Frau war so in Etwa in ihrem Alter. Er wollte ihr helfen einen Wagen aus einer Sandwehe zu fahren.“
„Sie sind seine Freundin?“, fragte Eva.
„Ja! Und ich mache mir Sorgen, denn er ist schon fast 20 Minuten verschwunden.“
„Vielleicht hat er sie ja mit der Dame verlassen und vergnügt sich jetzt mit ihr“, lästerte Ursula.
„Das kann ich mir nicht vorstellen“, empörte sich Anke.
„Also ich kann es nicht genau sagen, aber vor einiger Zeit sind tatsächlich ein hübscher junger Mann und eine etwas reifere Frau dort hin gegangen“, richtete Eva ihre Worte an das junge Mädchen und zeigte mit ihrer Hand auf das kleine Kiefernwäldchen.
„Dann schau` ich dort mal nach“, sagte Anke.
„Sollen wir sie begleiten und beim Suchen helfen“, fragte Eva.
„Das wäre nett. Ich kenne mich auf dieser Insel überhaupt nicht aus. Wir sind erst heute angekommen.“
Sie trabten los. Anke voraus.
„Machen sie sich man keine großen Sorgen, auf dieser Insel passieren keine Verbrechen“, beruhigte Ursula das junge Mädchen.
„Vielleicht gibt es Probleme mit dem Wagen“, hoffte Anke, „und er ist deswegen noch nicht zurück gekommen.“
„Wird wohl so sein. Und wir werden ihren Freund bestimmt finden“, sprach Eva ihr Mut zu.
„Er ist sehr zuverlässig, der Dirk, so heißt mein Freund.“
Eva schlang einen Arm um ihre Freundin Ursula, flüsterte ihr ins Ohr: „ Das Mädchen hat einen geilen Arsch, ich werde schon ganz feucht.“
„Beherrsch dich“, gab Ursula leise von sich.
„Jetzt packen wir sie“, schrie Eva heraus, stob nach vorne und warf Anke bäuchlings zu Boden, kniete sich auf ihren Rücken.
„Los doch, fessle ihre Beine“, forderte sie Ursula keuchend auf, ergriff selbst die Arme der überwältigten Anke, drehte sie auf den Rücken und hielt sie stramm fest.
„Beine gefesselt“, meldete sich Ursula, die das Klebeband um die Fußknöchel der jungen Frau gewickelt hatte.
„Hilfe, so helft doch“, schrie Anke laut heraus.
„Halt` s Maul“, herrschte Eva sie an, „Ursula! Kleb` ihr einen Streifen über den Mund.“
Anke konnte nichts mehr sagen, ihre Arme wurden auf ihrem Rücken gefesselt, ebenfalls mit Klebeband. Sie war wehrlos.