Verlorene Seele

Das Treffen davor

„Marius, darf ich ehrlich sein?

Du siehst ziemlich Scheiße aus.“

Es war Montagmorgen und Sabina war kurz auf einen Besuch vorbei gekommen.

„Genauso fühle ich mich auch. Die Operation ist deswegen auf Freitag verschoben worden.“

„Was ist passiert?“

„Der Wunsch.

Ich hatte es Dir gesagt.

Du wünschst Dir etwas und der Ring nimmt Dir Kraft.

Beim ersten Wunsch habe ich das kaum gespürt.

Meine Schmerzen haben mir mehr von meiner Energie genommen.

Aber ich merke, wie die Kraft wieder zurückkommt.“

„Marius. Du darfst Dir nichts mehr wünschen!

Ich sehe, das ist nicht gut.“

„Na ja. Du hast Recht. Aber vielleicht noch ein oder zwei wohlüberlegte kleinere Wünsche und dann versuche ich, den Ring weiter zu geben.

Ich hänge nicht an dem Ring. Wenn ich ihn abgeben kann … Ich bin nicht Gollum oder Bilbo!“

Sie lächelte.

In der Tat war der Vergleich mit dem „einen Ring“ gar nicht so weit hergeholt. Sie liebte die Bücher und zitierte aus ihrer Erinnerung:

„Einer dem dunklen Herrn auf dunklem Thron

Im Lande Mordor, wo die Schatten drohn

Ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden

Ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden!“

Leise lachend mischte sich der Ring abermals in seine Gedanken ein.

„Humor habt ihr beide.

Wer weiß, vielleicht zählte irgendwann auch mal ein in England gestrandetes südafrikanisches Waisenkind zu meinen Trägern und wurde durch mich inspiriert?

Aber Du bist kein „dunkler Herr“ auf „dunklem Thron“ — noch nicht …

Und ich hoffe, Du wirst es auch nicht.“

Ein letztes leicht zischendes Lachen — die Stimme war so schnell wieder weg, wie sie gekommen war.

„Hat er eben wieder zu Dir gesprochen?“

„Ja. Das macht er immer wieder. Und ich merke auch die ganze Zeit über, dass ich nicht „alleine“ bin. Er bekommt alles mit, was um mich herum vorgeht, mit wem ich rede, … und darüber hinaus auch, was ich denke.“

Sabina schwieg einen Moment. Sie konnte sich nur allzu lebhaft vorstellen, was gerade in Marius vorging. Sie hatte den Ring erlebt — als er über Marius die Kontrolle übernahm und ihr das Schicksal Ihres Ex- Mannes offenbarte.

Brutal, verletzend und menschenverachtend.

Und dennoch steckten auch Wahrheit und Weisheit zwischen all dem anderen, was böse war.

Sabina schaute ihn wieder an.

„Heute Nachmittag gegen 14:00 kommt die neue Lieferung. Ich werde schon vorher da sein. Ich bin gespannt, was wir finden.“

„Wirst Du allein im Lager sein?“

„Ja, wir haben eine klare Aufgabenverteilung. Ich räume aus, kontrolliere noch einmal die die Ware, Lieferscheine, Qualität… Dann bereite ich die Paletten und die Wagen für Jens vor und der bringt alles in den Shop und räumt es ein.

Niemand stört mich.“

„Bist Du Dir sicher, dass Du das wirklich tun willst?“

„Ja. Da bin ich mir ganz sicher.“

Sabinas Stimme klang mit einem Mal wieder fest und überzeugt.

„Hast Du Angst?“

„Nein. Seltsamerweise überhaupt nicht.

Irgendwie weiß ich, dass das alles funktionieren wird.

Aber ich bin gespannt, was ich finde.“

„Vielleicht findest Du gar nichts?“

„Nein. Irgendwie glaube ich daran, etwas zu finden.

Sabina trank einen Schluck Kaffee. Heute hatte sie gleich zwei Becher mitgebracht.

„Marius?

Warum hast Du Dir eigentlich keine konkrete Summe gewünscht?“

„Gute Frage.

Ich wollte nicht zu viel. Es soll gerade dafür reichen, um mein Aussehen und meine Beweglichkeit zu verbessern und um ein Eigentumswohnungen zu kaufen …

Dafür reichen, das ich selbst und das Du und Deine in eine sichere Zukunft blicken können.“

Marius nickte.

„Also keine 20 Millionen.

Ich will nicht zu viel und nicht zu wenig.

Der Ring meinte, dass eine Summe schwer zu fixieren sei. Das hängt bei einem solchen Wunsch auch damit zusammen, was diesem Syndikat an Mitteln zu Verfügung steht und was sie gerade sowieso verschicken wollen.

Ich wollte genug für uns drei.“

Dass er das Geld so großzügig mit ihr teilen wollte, hatten sie schon gestern Abend am Telefon besprochen. Sie konnte es immer noch kaum glauben.

Aber sie wusste, dass er es ehrlich und gut meinte.

„Du Marius. Ich weiß gar nicht, wie ich Dir danken soll?“

„Wieso denn danken?“

„Du hättest Dir auch etwas Einfacheres wünschen können — nur für Dich selbst. Also ohne jemand anderen — ohne uns — mit einzubeziehen.“

„Hätte ich … Habe ich aber nicht!

Du hast mir geholfen, Sabina – mit Deiner zusammen. Auch wenn ich Tonja noch nicht getroffen habe, sie kümmert sich um Maunzi, ihr passt auf meine Wohnung und meine Pflanzen auf, und zuletzt — ich mag Dich wirklich sehr gern.

Du bist ein guter Mensch und Du nimmst mich so, wie ich bin.

Sieh nur, wie wir miteinander sprechen und die letzten Tage miteinander gesprochen haben. Seit ein Jahren konnte ich selten auch nur mehr als ein paar Sätze mit Menschen wechseln.“

„Ich mag Dich auch Marius. Da war am Anfang vielleicht auch etwas Mitleid mit dabei. Aber ich mag Dich als Mensch. Ich unterhalte mich sehr gern mit Dir.“

„Wenn nur mein Aussehen und meine Handicaps nicht wären …“

„Ich gewöhne mich langsam dran. Ich bin ehrlich. Hübsch bist Du wirklich nicht. Aber eklig auch nicht.

Nicht mehr!

Du hast Dich selbst nie aufgegeben.

Du hast versucht ein geordnetes Leben zu führen. Deine Wohnung ist penibel sauber — alles ordentlich und so, dass es praktisch ist für Dich.

Nicht nur das zeigt, wie stark Du in Wirklichkeit bist.

Das Leben war hart zu Dir und trotzdem hast Du es irgendwie geschafft, dem allen zu trotzen.

Und Deine Behinderungen — nun, wenn Du mit dem Ausblick in die Zukunft Recht hast, werden Dir die Operationen wirklich viel weiter helfen können.“

Marius hatte ihr von seinem „Traum“ erzählt — von dem kurzen Blick den ihm der Ring gewährt hatte.

Die Rolle von Sabina und Ihrer Tochter in diesem Traum, hatte er aber geflissentlich ausgelassen.

Er spürte, dass Sabina und er sich von Mal zu Mal näher kamen. Und er hatte das Gefühl, dass mit etwas Glück, alles seinen Weg nehmen würde.

„Das tut es, auch ganz ohne Wunsch.“

Er flüsterte es kaum hörbar vor sich hin und sein Gesicht verzog sich wieder zu einer Fratze — eine zufrieden lächelnde Fratze.

Sabina wandte sich nicht ab.

Sie lächelte zurück.

Hamid

Er saß im Rollstuhl im Garten des Innenhofs der Klinik direkt unter einem Baum. Die Sonne schien und neben ihm war der Ständer mit einer Infusion und einem Perfusor.

Er merkte die Medikamente. Sie machten ihn müde und langsam. Ein wenig nahm er alles um sich herum wahr – wie durch einen Nebelschleier.

Aber ohne diese Medikamente setzten sie diese unglaublichen Schmerzen wieder ein.

„Phantomschmerzen“ hatten sie anfangs gesagt.

„Vielleicht durch Drogenkonsum?“

Als ob er seine eigenen Drogen nehmen würde.

Er vertickte sie viel lieber.

Er war doch nicht blöd wie so viele andere dieser Kleindealer.

Er wollte mehr.

Er wollte höher hinaus.

Und das vertrug sich nun einmal nicht mit Drogenkonsum.

Aber eben auch nicht mit diesen Schmerzen, die jetzt immer wieder überall in seinem Körper explodierten, wenn er sich auch nur ein kleines bisschen bewegte.

Er wirkte schwach und war faktisch komplett hilflos dem allen ausgeliefert.

Nun, auf Tiger und Caplan konnte er sich verlassen.

Die beiden waren seine besten Kumpels und seine rechte und linke Hand.

Wenn sie unter sich waren, sprachen sie normal. Nicht dieses Pseudo — Gangstarapper – Gehabe. Das war für die anderen bestimmt. Man braucht ja ein Image.

Und genau diese Anderen sollten ihn nicht so sehen. So würde er all den Respekt verlieren, den er sich in den letzten Jahren mühsam aufgebaut hatte.

Ja!

Nur auf Tiger und Caplan konnte er sich jetzt verlassen!

Und im Gegenteil, sie durften sich jetzt nicht verstecken!

Er, Hamid, musste Härte demonstrieren und eben dass er alles unter Kontrolle hatte.

Auch für diejenigen sichtbar, die in der Hackordnung über ihm waren.

Er musste Ömür davon überzeugen, dass er der kommende Mann war und dieser Distrikt zu klein für ihn und seine „Talente“ …

Dafür würde er auch über Leichen gehen. Irgendwann musste er das wohl — das wusste er und er war bereit dazu.

Und nicht nur er.

Die Welt war ein Dschungel. Um zu überleben und sich durchzusetzen, musste man zum Raubtier werden — stärker als alle und Furcht war ein wirksames Instrument nicht selbst direkt angegriffen zu werden.

Er beugte sich vor um mit seinen beiden Kumpels zu sprechen.

Ein erneuter, übler Schmerz brandete durch seine Lendenwirbelsäule und zwang ihn wieder, sich zurückzulehnen.

Der Schmerz musste sich auch in seinem Gesicht abzeichnen. Er trieb ihm die Schweißtropfen auf die Stirn und die Tränen in die Augen.

Tiger sah ihn mitfühlend an.

Caplan reichte ihm ein Taschentuch.

Beide wussten, was er gerade durchmachte.

Das alles hatten sie auch für einen Tag durchmachen müssen — zwar nur für einen Tag, aber das war schon mehr als hart genug.

Es war zermürbend!

Der Neurologe bestätigte zumindest, dass all das was er fühlte, verdammt real sei. Deswegen bekam er ja auch diese vielen Medikamente.

Aber woher die Schmerzen kamen, da waren die Ärzte ziemlich ratlos. CT, MRT, Laborwerte, EEG, EKG, Muskelvermessungen … Darm und Magen standen noch auf dem Programm, ebenso nochmal die Hormone.

Am wahrscheinlichsten war irgendein Krebs oder irgendein Virus, dass sein Nervensystem befallen hatte …

Seine Eltern hatten da eine andere Meinung.

Allah würde ihn strafen.

Strafen, für all das „Schlechte“, was er machte und gemacht hatte.

Dafür dass er diesem verschissenen Krüppel gezeigt hatte, was Respekt bedeutete.

Das sind doch alles Ungläubige!

Keine Muslime.

Schon gar nicht wahre Muslime.

Alle weniger wert als Tiere.

Und deswegen konnte er doch ungestraft mit denen alles machen, was er wollte.

Warum sollte Allah ihn denn dafür auch strafen?

Etwa, weil er mit Drogen Ungläubige vergiftete?

Weil er Ihnen das Geld nahm und sie abhängig machte.

Weil er demnächst ein erstes Bordell aufmachen würde?

Vielmehr Caplan, denn er war ja noch keine 18.

Nein keine Strafe Allahs!

Nein, viel eher hatte Iblis, der Enttäuschte oder die Diw, seine teuflischen Handlanger ihre Finger mit im Spiel.

Ein Fluch hatte ihn getroffen und er konnte sich schon denken, von wem dieser stammte.

Und genau bei diesem Diw sollte er sich nach Ansicht seiner Eltern entschuldigen.

Der Alte war ein Diw — eines dieser menschgewordenen Ungeheuer vor denen Ömür sie immer gewarnt hatte. Und dieser Dämon konnte sogar unter den Menschen leben, ohne sich tarnen zu müssen. Und jeder dachte, er sei durch ein Unfall so geworden?

Dabei war diese Fratze das „wahre Ich“ dieses Monsters.

Schon immer!

Ein Diw, ein verderbter Dämon, der jetzt dafür verantwortlich war, dass er jetzt hier saß!

Und seine Eltern verlangten jetzt von ihm, von Hamid, diesen Diw um Verzeihung und Vergebung bitten, auf das Allah ihm endlich vergeben könne.

Er liebte seine Familie.

Doch sie waren schwach und ihr Glauben zu sehr geprägt von der Welt in der sie lebten. Ihr Glauben war nicht mehr so rein, wie der seine.

Aber er würde es ihnen schon zeigen.

Und sie würden stolz auf ihn sein.

Auf das war er erreichen würde, in gar nicht allzu ferner Zukunft.

Hamid war froh, vor fünf Jahren Ömür getroffen zu haben. Ömür war ein wahrer Ulama. Ein wirklich weiser Mann, der ihm zeigte, dass all das, was er machte, einzig einem höheren Ziel diente:

Der Schwächung der Ungläubigen!

Und damit der Stärkung des wahren Glaubens.

Irgendwann würden entwurzelte Menschen in einer zerbrechenden Gesellschaft sich nach Ordnung und Sinn im Leben sehnen und nicht mehr länger für die inhaltsleeren Segnungen der sogenannten Zivilisation.

Hamid war ein Werkzeug.

Ein Werkzeug Allahs, um allen zu zeigen, wie sinnentleert und brutal und menschenverachtend dieses Leben ist.

Weil die Gesellschaft so ist.

Die echten Muallim und die echten Ulama würden dann einen guten Boden für die einzig wahre Lehre vorfinden. Dann würden die Menschen endlich bereit sein für die wahre Lehre, den einzig wahren Islam.

Er war sogar ein doppeltes Werkzeug.

Denn durch das Dealen und all die anderen Sachen, verdienten er und andere wie er genug Geld, um all das zu finanzieren.

Sie waren Legion!

Allah ist wahrlich groß.

Und er hatte ihn erwählt, sein Werk zu tun.

Er musste jetzt nur noch stark sein und sich als würdig erweisen.

Er musste aufstehen.

Hamid straffte seinen Körper.

Er versuchte aufzustehen.

Der Schmerz explodierte in seinem Kopf.

Er war zu schwach.

„Lass es gut sein Hamid. Das bringt doch nichts. Da musst Du leider erst mal durch.“

Caplan nickte zustimmend.

„Du hast Recht Tiger. Ich schaff´s einfach nicht.“

„Der alte Pisser ist der Schlüssel. Der hat das gemacht. Und er ist auch hier im Krankenhaus.“

Caplan gab sich kämpferisch.

„Ja, aber wir sollten jetzt erst mal nichts mit ihm tun.

Wir müssen erst mal an zwei anderen Stellen zuschlagen.“

„Die Russen?“

„Genau die. Wenn die Katze nur ein paar Tage nicht im Hause ist, schon wollen die Mäuse auf dem Tisch tanzen.

Ihr müsst allen auf der Straße zeigen, dass Ihr da seid.

Alle von der Gang.

Ich bin zwar hier, aber eben nicht „Out Of Order.“

„Soll ich mit Senol Kontakt aufnehmen und wir mischen Oleg mal vorsorglich etwas auf?“

„Nein, Caplan. Aber schicke Oleg mal die Botschaft, dass ich ihn sehr wohl im Blick habe und er gut daran täte, den Frieden zu wahren und unser Gebiet zu respektieren.

Wir sind Legion!“

„Gut, ich spreche mit ihm.“

„Aber freundlich und respektvoll. Wir sollten nicht die ersten sein, die den Frieden brechen.“

Caplan nickte.

„Tiger. Du gehst zu Ömür und fragst ihn, was man gegen den Fluch dieses verfickten Diws machen kann. Ich will keinen Fehler machen.

Wenn wir ihn töten, will ich nicht, dass mir dieser Schmerz auf ewig anhängt.“

„Mache ich.“

„Seid vorsichtig. Die Polizei war jetzt schon zwei Mal bei mir und hat mich wegen dem befragt, was im Supermarkt geschehen ist.

Ich denke die Kassiererin und dieser Diw hängen zusammen. Meine hat mir gesagt, dass sie diese Schlampe mit ihrer Tochter getroffen hat, als sie gerade die Katze von dem Diw mitgenommen haben.

Deswegen ist auch klar, wer hier der Polizei sein Liedchen gesungen hat.“

„Du hast ihr doch ziemlich deutlich gesagt, was mit ihrem kleinen blonden Butterblümchen passieren wird, wenn sie Ärger macht.“

„Denke das auch. Sie hat das nicht ernst genommen. Und dafür ist sie fällig. Das wird den Alten vielleicht auch etwas vorsichtiger machen.“

„Ihr habt Recht. Greift sie Euch. Buchtet sie im Häuschen ein. Fühlt ihr auf den Zahn und seht zu, dass die Schlampe weiß, wer ihre Tochter hat und was wir von ihr erwarten.“

„Sollen wir das Blümchen pflücken?“

„Das mache ich selbst, wenn es mir besser geht.

Ich reite sie ein, pumpe sie mit Drogen voll, breche sie und dann wird sie in unserem Club arbeiten — Ihre Bitch von soll sehen, dass ich nicht gescherzt habe.

Die Kleine wird dafür leiden, dass ihre Mutter keinen Respekt vor uns hatte.“

„Gut.“

„Jungs, sorry! Meine Eltern kommen da gerade hinter Euch.“

„In Ordnung Alter.

Wir gehen dann mal.

Bis morgen Mittag.

Versuch so lange noch durchzuhalten.“

„Mach ich. Die Drogen hier sind gut!“

Hamid lächelte.

Er wusste jetzt, er saß am längeren Hebel.

Bananas

Neun Kisten Bananen waren gekommen — drei vorgereift gelb, drei zwischen gelb und grün und drei rein Grüne.

Damit kamen sie normalerweise eine Woche hin. Wenn´s mal eng wurde, dann konnte sie für freitags immer noch eine Nachlieferung ordern.

Bananen waren ein Dauerbrenner. Die gingen das ganze Jahr, besonders aber im Winter.

Sie wusste, Inga und Marian waren an der Kasse. Marian hatte den Stornoschlüssel und das Firmenhandy. Marian würde sie nur in einem wirklichen Notfall verständigen.

Heute war Großlieferung und sie musste sich auf Warenkontrolle und den Abgleich der Lieferscheine konzentrieren.

Dann war da noch der ganze Ausschuss, der nicht verkauft worden war, erfasst und ausgebucht werden musste.

Jens war die nächste Stunde mit den 8 Palettenwagen beschäftigt, die sie ihm bereits gerichtet hatte.

Sie hatte einige alte und leere Bananenkisten vorbereitet. Aufgeregt begann sie die erste KIste mit den reifen Bananen vorsichtig in eine der alten Kisten umzuräumen.

Doch alles war wie immer.

Normal.

Auch die zweite vorgereifte Kiste.

Die Kisten selbst und die Trennpappen waren ebenfalls völlig unauffällig — so wie immer.

Die dritte …

Nichts.

Sie wurde etwas ungeduldiger.

Rasch nahm sie sich die drei teilgereiften Kisten vor.

Ebenfalls Fehlanzeige.

Alles war so wie immer.

Sie fühlte eine gewisse Erschöpfung.

Zweifel, Enttäuschung und etwas Resignation breiteten sich aus.

Es hätte so toll sein können.

Doch was hatte sie erwartet?

Die letzten drei Kisten — die grünen Bananen.

Sie hob vorsichtig die ersten Bananenbündel der obersten Lage an. Auch hier — alles sah aus wie immer. Sie begann mit dem Umschichten.

Als sie an dem ersten Trennblatt angekommen war, stieß sie auf eine Lage in Folie verpackter kleiner Päckchen mit Geld.

Es sah aus, wie in einem dieser Fernsehkrimis.

Ihr stockte der Atem.

Der Puls hämmerte in ihrem Ohr.

Irgendwie unwirklich.

Beinahe automatisch musste sie eins der Päckchen öffnen.

Die Folie war dünn, aber fest.

Vorsichtig schnitt sie am Rand in Längsrichtung mit dem Palettenmesser

Alles Hundert-Euro Scheine!

Sie sahen gebraucht aus.

Die Nummern waren nicht fortlaufend und sie stammten aus unterschiedlichen Jahren.

Sie zählte kurz und kam auf 10.000 Euro.

Sie öffnete ein zweites Päckchen, zählte schnell durch und kam ebenfalls 10.000 Euro.

Die Päckchen lagen in mehreren Schichten übereinander und nahmen die unteren zwei Drittel der Kiste ein. Nur über dem unteren Loch waren noch zwei Bündel Bananen auf der Trennpappe liegend.

Sie stapelte die Päckchen in eine der leeren Kisten und zählte dabei.

100 Päckchen mal 10.000 Euro — 1 Million.

Sabina war wie elektrisiert.

Sie dachte, das wäre ein Berg von Geld. Doch so sauber gestapelt war es mit einem Mal recht überschaubar und verglichen mit den Kisten, die sie sonst so durch die Gegend zu wuchten hatte, gar nicht mal schwer.

Sie stellte ihre Kiste auf die Lastenwaage.

Gerade mal knappe 11 Kilogramm.

Schnell stapelte sie die Bananen in die Ersatzkiste und öffnete die zweite Kiste. Auch hier stieß sie nach der ersten Schicht auf Geld …

WhatsApp

Das dezente Zirpen von Grillen war kaum wahrnehmbar und doch erfüllte es den Raum. Er lag immer noch allein im Krankenzimmer und war dafür sehr dankbar.

Privat, Chefarzt und Einzelzimmer — das hatte er zwar nicht angegeben, war aber wohl irgendwie in das System eingegeben worden.

Glück musste der Mensch haben.

Oder eben einen „Wunschring“.

Schnell griff er nach dem Mobiltelefon.

16:20.

WhatsApp.

Sabina!

„Lieber Marius.

Es gibt wohl drei Millionen Gründe, warum Du schnell wieder gesund werden musst und bald nach Hause zurückkehren solltest.

Einer dieser Gründe ist, dass ich sehr Dich mag.“

Marius atmete tief ein.

Es hatte geklappt!

Drei Millionen.

Er wollte Jubeln und Schreien und doch unterdrückte er es.

„Einer dieser Gründe ist, dass ich Dich sehr mag.“

Irgendwie berührte ihn dieser Satz.

Er klang so simpel.

Er klang so aufrichtig!

Ein schlagendes rotes Herz ploppte auf.

Er dachte gar nicht lange nach.

„Ich mag Dich auch sehr gern Sabina.

Ich denke die ganze Zeit an Dich.“

Jetzt überlegte er einen kurzen Augenblick und wählte den richtigen Emoji — den gelben Smilie mit den Herzchen.

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