Ein heller Lichtstreifen erschien, als erster Vorbote des nächsten Tages, tief im Osten. Eine warme Brise ließ den dünnen Stoff ihrer Kleider und den Umhang leicht flattern. Erschöpft blieb Irikai stehen und ließ sich langsam auf den im Moment noch kühlen Sand nieder. Mit müden Augen wendete sie ihren Blick gen Norden zu. Die Lichter ihrer Heimatstadt waren längst in der Nacht verschwunden, die sie letzten Abend so überstürzt verlassen hatte. Ohne auch nur einen Tropfen Wasser oder Marschausrüstung war sie gestern Hals über Kopf in die Wüste geflohen, als die Wächter mit Erlass des obersten Priesters in ihr Haus eingedrungen waren.
Wenn sie gewusst hätte, wem sie da vor wenigen Tagen Unterschlupf gewährt hat, hätte sie ihn nie unter ihr Dach gelassen. Als Flüchtling aus dem fernen Königreich Ljubdai hat er sich ausgegeben und so leicht Einlass in die Stadt erhalten, wo gesunde kräftige Arbeiter immer gern gesehen werden. Wie hätte sie ahnen sollen, dass er ein Mitglied der Rebellen ist und dass sie ihm durch ihre Gastfreundlichkeit nur die Möglichkeit gegeben hat sich in der Nähe des Fürstenhauses aufzuhalten.
Als dann gestern Morgen die Kunde durch die Stadt gegangen ist, dass der Stachel des Skorpions, der gefürchtetste Stamm der Wüstenkämpfer, wieder zugeschlagen hat, kam ihr langsam ein Verdacht. Ein einzelner Mann war in die Gemächer des Fürsten eingedrungen und hatte ihm im Schlaf die Kehle durchgeschnitten. Wie zum Trotz hat er alle Kostbarkeiten im Palast zurückgelassen und ist so, wie er kam, als einfacher Arbeiter verkleidet, und so unbehelligt von den Wachen, einfach wieder aus der Stadt hinausspaziert. Erst später hat ein verängstigter Diener den Mut gefunden den Mörder zu beschreiben. Dadurch ist man auf sie aufmerksam geworden und hat sie einer Mittäterschaft beschuldigt, da sie ja diesem Abschaum Unterschlupf gewährt hat.
Und nun saß Irikai hier, mitten in der Wüste. Verzweiflung spiegelte sich in ihren Augen wider. Zu Fuß war sie einige Tagesmärsche von der nächsten Wasserstelle entfernt und zurück in die Stadt konnte sie nicht, da man sie dort mit Sicherheit hingerichtet hätte. Sie konnte einfach nicht glauben, dass dies hier ihr Schicksal sein sollte. Alleine in der Wüste zu verdursten, von den erbarmungslosen Strahlen der Sonne ausgetrocknet, um dann von ein paar Geiern aufgefressen zu werden. Trotzig stand sie auf und stapfte weiter. Weiter in Richtung Süden, und somit immer weiter in die Wüste hinein.
Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, als sie das nächste mal Halt machte. Ihre Füße wurden immer schwerer und ihr Gang unsicherer. Ihre Zunge klebte an ihrem Gaumen und es fiel ihr immer schwerer einen klaren Gedanken zu fassen. Sie wusste, wenn nicht bald ein Wunder geschehen würde, wäre das hier ihr Ende. Erschöpft ließ sie sich in den sengenden Sand der Wüste fallen und rutschte den Abhang der Düne hinunter. Schwer atmend blieb Irikai liegen und ihre Gedanken wanderten zu dem satten Grün des Gartens im Inneren des Fürstenpalastes. Ein künstlich angelegter Bachlauf verwandelte dort alles in einen blühenden Garten Eden und selbst unter der gleißenden Mittagsonne konnte man dort einen kühlen schattigen Platz finden. Sie war so tief in diesen Traum versunken, dass sie sogar das fröhliche Zwitschern der Vögel, die von Ast zu Ast hüpften zu hören glaubte.
Ein Wiehern ließ sie plötzlich hochschrecken, doch sie war zu schwach um sich viel zu bewegen. Nur langsam verschwanden die dunklen Schleier vor ihren Augen und sie bemerkte erstaunt, dass sie nun auf dem Rücken eines Pferdes saß und ein kräftiger Arm sich von hinten um sie schlang, damit sie nicht herunterfiel.
„Ich dachte schon du wachst gar nicht mehr auf.“ vernahm sie eine bekannte Stimme von hinter sich. „Ich dachte nicht, dass sie so grausam wären und eine der ihren in die Wüste jagen würden. Das war das Letzte, das ich gewollt habe. Ich hoffe du verzeihst mir.“
Trotz der unerträglichen Hitze wurde ihr auf einmal eiskalt. Ausgerechnet er hatte sie gefunden. Der Mörder des Fürsten. Warum konnte nicht ein fahrender Händler sie auflesen oder ein Geschichtenerzähler auf dem Weg in die nächste Siedlung.
„Bitte Malif.. lass mich gehen.“ Irikais Stimme zitterte vor Angst.
„Wohin?“ entgegnete er ihr. „Ich kann dich doch hier nicht zurücklassen. Ich möchte nicht für deinen Tod verantwortlich sein.“ Die Wärme in seiner Stimme irritierte sie. „Ich bin kein herzloser Barbar. Auch wenn du mich dafür halten musst.“
Gierig trank sie aus dem Wasserschlauch, den er ihr hinreichte. Die Strapazen der letzten Nacht und des heutigen Tages hatten sie mehr angestrengt als sie gedacht hatte. Ohne dass es ihr aufgefallen wäre, lehnte sie sich schläfrig immer mehr zurück, bis sie sich ganz gegen Malif lehnte und ihr Kopf auf seiner Schulter lag.
Langsam verschwand die Sonne unter dem Horizont und es wurde endlich wieder erträglicher. Malifs dunkles Haar flatterte im aufkommenden Wind wild umher. Mit seinen tiefen dunkelbraunen Augen blickte er immer wieder auf die in seinen Armen schlafende Irikai hinab. Schon in den letzten Tagen, als er in ihrem Haus gelebt hat, bewirkte allein ihre Anwesenheit immer wieder, dass seine Gedanken von seiner eigentlichen Mission dort abschweiften. Doch nun, da sich die untergehende Sonne in ihrem seidigen Haar golden widerspiegelte, kam sie ihm noch schöner als sonst vor. Sanft, ohne sie aufzuwecken, strich er vorsichtig durch ihre roten Locken.
Die Sterne strahlten bereits hell am Himmel als er seinen Hengst auf dem Kamm einer Düne zum Stehen brachte. Mit freudigem Blick schaute er auf das kleine Zeltdorf hinab, das sich in der vor ihnen liegenden Oase verbarg. Seit Wochen war er schon nicht mehr bei seinem Stamm gewesen und er freute sich darauf wieder mit seinen Freunden am Lagerfeuer zu sitzen und an etwas anderes denken zu können als den Kampf, den sie jetzt schon seit Generationen mit dem Fürstenhaus Haitu führten. Seit diese Familie damals ihr Land für sich beanspruchte und es schließlich geschafft hatte mit Hilfe einer feigen Intrige es an sich zu reißen kam es immer wieder zu blutigen Kämpfen. Seitdem zogen sie als Gesetzlose durch die ganze Wüste und wurden von den Truppen des Fürsten wie Tiere gejagt.
„Wach auf, wir sind da.“ Vorsichtig legte er den Arm etwas fester um sie, um sie aufzuwecken. „Das dort unten ist mein zuhause.“ erzählte er ihr, während sein Pferd von ganz allein den richtigen Weg fand und sich stetig der Siedlung näherte.
Erschreckt zuckte sie hoch, als sie bemerkte, dass sie gegen ihn lehnend eingeschlafen war. Wie hatte sie sich eine solche Schwäche nur erlauben können.
„Was.. was habt ihr jetzt mit mir vor?“ schoss es aus ihr heraus. In ihren Gedanken kamen all die wilden Geschichten, die man sich über diese Leute erzählte wieder hoch. Es hieß sie waren Sklavenhändler und wenn jemand ungehorsam war, überließen sie ihn den wilden Tieren. Und Leute von anderen Stämmen waren für sie auch nicht mehr wie Tiere und wurden ebenso wie diese behandelt.
Irikai zitterte am ganzen Körper als sie in Sichtweite der Bewohner kamen.
„Ich habe dir doch schon einmal gesagt, du musst keine Angst haben.“ redete Malif mit beruhigender Stimme auf sie ein.
Dann erreichten sie auch schon die ersten Palmen. Ihre Ankunft ist ebenfalls nicht unbemerkt geblieben und ein paar Kinder rannten schon aufgeregt herum. Als die Wachen bemerkten, dass Malif nicht alleine zurückgekehrt war, kamen schnell zwei bewaffnete Krieger auf sie zu.
„Ich bin froh, dass du deine Reise sicher überstanden hast, Malif.“ begrüßte ihn ein Mann, der ihm zum verwechseln ähnlich sah, nur ein paar Jahre jünger. Dann fiel sein Blick wieder auf die Frau, um die Malif noch immer einen Arm gelegt hatte.
„Eine Gefangene?“ fragte er und blickte sie abschätzend an.
„Ein Gast.“ antwortete sein Bruder darauf. „Und ich erwarte, dass sie auch so behandelt wird.“
„Du kennst mich doch.“ grinste Malikai und half Irikai vom Pferd.
Unsicher blickte Irikai zurück, als Malif zurückblieb um sich noch um seinen zu Hengst kümmern.
„Ich hoffe du hast keinen allzu schlechten Eindruck von uns.“ scherzte Malikai. „Mein Bruder kann manchmal etwas seltsam sein.“ Er schien auf eine Reaktion von ihr zu warten, doch als sie schwieg, redete er weiter.
„Du wirst wohl derweilen in Malifs Zelt schlafen müssen. Verbündete von uns sind im Moment in unserem Lager und so ist jeder Schlafplatz bereits belegt.“
Besonders behagte Irikai der Gedanke daran nicht, die Nacht mit diesem Mann, in dem sie sich so getäuscht hatte, in einem Raum zu verbringen.
„Ich würde dir ja anbieten in meinem Zelt zu übernachten, aber da hätte wohl meine Verlobte etwas dagegen.“ scherzte Malikai und grinste sie an, als er vor einem Gehege mit Ziegen stehenblieb. Enttäuscht darüber, dass sie wieder nicht auf seinen Scherz einstieg, zuckte er kurz mit seinen Schultern.
„Das hier ist Malifs Zelt. Du kannst hier auf ihn warten wenn du willst. Er zeigt dir dann sicher noch das Lager wenn du nicht schon zu müde bist. Am Ostrand der Oase ist ein kleiner See mit einer kühlen Quelle. Du kannst dich dort waschen.“
Dankbar etwas allein sein zu können, zog Irikai den Vorhang vor den Eingang und legte sich seufzend auf das Feldbett. Ihr ganzer Körper schmerzte sie. Sie war das lange reiten nicht gewöhnt. Schnell, bevor Malif nach ihr sehen würde, legte sie ihren Umhang ab und entledigte sich des großteils ihrer Kleidung. Zum See würde sie erst morgen gehen. Jetzt musste eine schnelle Katzenwäsche reichen. Als sie sich mit einem nassen Tuch den Staub der Wüste herunterwusch, bemerkte sie einen langen Kratzer quer über ihren Bauch. Vorsichtig versuchte sie ihn zu reinigen. Als sie die Düne hinabgerutscht war, musste sie wohl über eine Stachelpalme gestürzt sein. Hoffentlich war der Riss nicht tief genug, dass das Gift der Pflanze in sie eindringen konnte.
„Du hättest mir sagen sollen, dass du verletzt bist.“ Malifs plötzliches Auftauchen hatte sie so erschreckt, dass sie beinahe vom Bett gefallen wäre. Hektisch griff sie nach dem Laken und warf es sich über.
„Ich bin als Heiler ausgebildet worden.“ meinte er mit der selben warmen Stimme wie vorhin, setzte sich auf das Lager ihr gegenüber und zog sich seine schweren Lederstiefel aus. „Dass ich auch Krieger bin, war nicht meine Entscheidung. Das haben die .. Umstände einfach so mit sich gebracht.“
Irikai hielt immer noch das Betttuch krampfhaft fest, doch verspannte sie sich als die, jetzt wieder offene Wunde, ihr einen stechenden Schmerz bereitete. Malif kramte in einer kleinen Truhe umher, bis er einen kleinen Tiegel erwischte.
„Es wäre besser, wenn die Wunde behandelt würde. Erlaubst du es mir?“
Unsicher blickte sie ihm in die Augen, die eine solche Aufrichtigkeit und Selbstsicherheit ausstrahlten, wie sie es noch nie erlebt hatte.
„Ich verspreche ich werde dir nichts tun.“ versicherte er ihr, während er sich auf einen Schemel vor ihrem Bett hinsetzte und seine Hand auf ihre legte, die sie krampfhaft um das Laken schlang.
Anders als erwartet empfand sie keine Angst, als er sie berührte. Sie fand es sogar irgendwie beruhigend, als Malif mit einem in einer Kräutermischung eingetunkten Tuch sanft über ihren Bauch fuhr.
„Warum hast du mich gerettet? Es wäre für dich doch weit einfacher gewesen mich liegenzulassen.“
Verwundert blickte er sie an und hielt einen Moment inne.
„Du hast wohl immer noch nicht verstanden. Ich bin kein Verbrecher. Niemand hier ist das. Wir sind nur das, wozu der Fürst und seine ehrlose Familie uns gemacht haben.“
Kundig verteilte er nun eine helle wohlriechende Salbe direkt auf dem tiefen Kratzer, wobei Irikai das Gefühl hatte, dass dabei seine Hände etwas länger als nötig gewesen wäre auf ihrer Haut verweilten. Nachdem er noch ein paar Streifen Stoff als Verband um sie herumgewickelt hatte, setzte er sich wieder auf sein Lager zurück, wobei er vorher noch sein staubiges Hemd über den Kopf zog, und sich dann entspannt der Länge nach ausgestreckt hinlegte.
Außerhalb des Zeltes war es schnell ruhig geworden. Die meisten Bewohner hier schienen wohl früh schlafen zu gehen. Auch Malif atmete jetzt ganz ruhig und hatte im Schlaf ein zufriedenes Lächeln aufgesetzt. Einen Moment lang wunderte sich Irikai darüber, dass sie sie hier komplett unbewacht überall frei bewegen konnte. Doch den Gedanken einer Flucht gab sie schnell wieder auf. Malif hatte Recht gehabt, wohin sollte sie schon fliehen? Außerhalb dieser kleinen Oase hatte sie keine Chance länger als zwei Tage allein zu überleben. Noch dazu wusste sie nicht einmal wo sie war.
Irikai lag auf der Seite in ihrem Bett und konnte nicht einschlafen, als sie sich dabei ertappte, wie sie den schlafenden Mann auf dem Lager ihr gegenüber beobachtete. Im Mondlicht wanderte ihr Blick von seinem Gesicht abwärts über seinen nackten Oberkörper. Sie musste sich eingestehen, dass Malif nicht einmal so schlecht aussah. Er hatte einen gesunden, durchtrainierten, sonnengebräunten Körper. Doch nicht so extrem wie sie es bei den Leibwächtern des Fürsten schon gesehen hatte. Bei ihm hatte es im Gegenteil sogar irgendwie eine anziehende Wirkung auf sie.
Als er sich plötzlich umdrehte, schloss sie schnell die Augen. Irgendwie fühlte sie sich ertappt. Doch er war nicht aufgewacht, er hatte sich nur im Schlaf gedreht. Erst jetzt fiel ihr auf, dass seinen linken Oberarm ein großer, kunstfertig tätowierter Skorpion zierte.
Die Sonne war bereits aufgegangen, als Irikai erwachte. Malif musste schon länger auf sein. Sein Lager hatte er ordentlich aufgeräumt zurückgelassen. Als sie sich aufrichtete, bemerkte sie, dass man ihr neue Kleidung bereitgelegt hatte. Von ihrer alten fehlte jede Spur. Erstaunt stellte sie fest, dass es sich dabei um eine weite Hose und eine Bluse mit einer schönen Stickerei am Kragen handelte. Als Gürtel hatte man ein längeres dunkelblaues Tuch mit den Stammeszeichen dazugelegt.
Gierig stopfte sie sich noch das Stück Brot und zwei der Früchte in sich hinein, die auf einem kleinen Tisch neben dem Eingang hingelegt worden waren, bevor sie aus dem Zelt ging.
Die Morgensonne schien ihr ins Gesicht, als sie auf den Platz hinaustrat. Von der gegenüberliegenden Seite drang lautes Grohlen und Jauchzen zu ihr herüber. Als sie näher hin sah, erkannte sie Malif, auf den sich gerade voller Übermut ein paar kleine Kinder stürzten und versuchten ihn so zu Fall zu bringen. Bei diesem Anblick erschien unwillkürlich ein Lächeln auf ihrem Gesicht. Als er schließlich Irikais Erscheinen bemerkte, befreite er sich etwas mühevoll und kam zu ihr herüber.
„Guten Morgen.“ grüßte er sie etwas atemlos. Die Kleinen hatten ihn ganz schön in Anspruch genommen. „Ich hoffe du hast gut geschlafen.“
Gerade als sie ihm antworten wollte, starteten die Kinder einen Überraschungsangriff von hinten. Malif, der darauf gerade nicht vorbereitet war, stolperte daraufhin geradewegs auf Irikai zu. Ohne Nachzudenken griff er schnell nach ihr und drehte sie zur Seite, damit er nicht auf sie fiel. Dadurch aus dem Gleichgewicht gebracht, hielt sie sich bei ihm fest und sie kippten gemeinsam um.
Die Kleinen kicherten, jetzt da sie es vollbracht hatten den starken Krieger Malif zu besiegen und rannten schnell davon, um ihren Freunden davon zu erzählen. Irikai war direkt auf Malif zu liegen gekommen, der sie noch immer mit seinen Armen umklammert hielt. Dies schien ihm erst nach ein paar Sekunden aufzufallen und ließ sie hastig los.
„Tut.. tut mir leid.“ entschuldigte er sich schnell und half ihr auf. „Ich hätte damit rechnen müssen, dass sich diese wilde Bande nicht so schnell geschlagen gibt.“
Irikai, die etwas rot geworden war, mied es ihm direkt in die Augen zu sehen. „Mir ist nichts passiert. Ich bin ja weich gelandet.“ scherzte sie ohne viel darüber nachgedacht zu haben, was sie sagte, das sie sofort nachdem sie es ausgesprochen hatte, auch schon wieder bereute. Malif jedoch grinste daraufhin.
„Komm, ich zeige dir das Lager.“ und nahm sie kurzentschlossen bei der Hand. „Gestern Abend war ich schon zu müde dazu. Ich hatte zwei Nächte lang nicht geschlafen.“
Irikai wusste nicht recht wie sie reagieren sollte. Dennoch ließ sie es zu, dass er ihre Hand nahm und so mit ihr losspazierte. Tatsächlich fing sogar ihr Herz an schneller zu schlagen, als sich seine feste Hand um die ihre legte.
„Die Tracht unseres Stammes steht dir wirklich sehr gut. Sie gehört eigentlich meiner Schwester, aber sie meinte, dass sie sie dir überlässt.“ fing er eine Unterhaltung an, während er mit ihr quer durch die ganze Oase ging. Irikai war überwältigt wie groß sie war. Von oben auf der Düne hatte sie sie viel kleiner geschätzt. Es gab sogar eine kleine Höhle, die tief in die Felsen hinabführte und aus der stetig ein kühler Luftzug heraufwehte.
Gerade als sie bei dem kleinen See ankamen, den Malikai gestern schon erwähnt hatte, kam ein Krieger dahergeeilt.
„Malif, der Vertreter unserer Verbündeten möchte dich sprechen. Er meinte es wäre dringend.“
„Gut ich komme.“ entgegnete er darauf wenig begeistert. Politik war nicht sein Lieblingsthema, doch er musste sich damit auseinandersetzen. Schließlich würde er nach seinem Vater diesen Stamm hier anführen müssen.
„Das wird wohl etwas länger dauern. Aber zum Abendessen sehen wir uns wieder. Es wird heute ein kleines Fest geben, da unsere Verbündeten morgen wieder abreisen werden. Ich würde mich freuen, wenn du mit mir dorthingehen würdest.“ Fragend sah er sie an.
Leicht irritiert stand Irikai ihm gegenüber. Sie fragte sich wie er das wohl meinte. Irgendwie verwirrte sie sein Verhalten.
„Ich.. ich komme gerne.“ antwortete sie schließlich darauf, woraufhin sie sich einbildete ein freudiges Aufblitzen in Malifs Augen zu erkennen. „Ich bleibe noch etwas am See. Ich will mich sowieso noch waschen.“
„Dann bis später“ nickte er ihr zu und verschwand mit dem Krieger zwischen den hier dicht wachsenden Sträuchern.
Irikai saß auf einem Stein und paddelte mit ihren Füßen im angenehm kühlen Wasser. Dieses Gewässer musste aus einer sehr tiefen Quelle gespeist werden. Die hohen Palmen, die das Ufer dieses kleinen Sees säumten, spiegelten sich in der glatten Oberfläche wider. Durch den dichten Wuchs der Büsche, drang kein einziger Laut aus der Siedlung zu ihr herüber und für einen kurzen Moment vergaß sie wo sie eigentlich war und warum, so weit von ihrer Heimatstadt entfernt, ihr Onkel getötet von einem Gesetzlosen. Sie würde nie wieder zurückkehren können.
Gründlich blickte sie sich in ihrer Umgebung um. Malif würde jetzt nicht zu ihr zurückkehren und auch die anderen Bewohner der Oase schienen alle mit ihren täglichen Arbeiten beschäftigt zu sein. So legte sie ihr Gewand an einer geschützten Stelle am Ufer schnell ab und ließ sich in das angenehme Nass hineingleiten. Erst einmal zuvor in ihrem Leben war sie geschwommen, als sie mit ihrer Mutter zu der fernen Hafenstadt, direkt am Meer gereist war. In ihrer Heimatstadt Biloba gab es dazu nur in den Zisternen tief unter der Stadt genug Wasser, doch wurde jeder bestraft, der sich dort unerlaubt aufhielt. Mitten in der Wüste war Wasser ein kostbarer Schatz als alles Gold dieser Welt.
Nach einer anfänglichen Unsicherheit schwamm sie wie ein Fisch durchs Wasser, holte tief Luft und tauchte immer wieder bis auf den Grund des Sees hinab, wo ein paar kleinerer Fische nach Nahrung suchten. In einem Büschel Seegras sah sie auf einmal etwas glitzern. Neugierig tauchte sie darauf zu und streckte ihre Hand aus. Elegant stieß sie sich vom Grund ab und war schnell wieder an der Oberfläche. Freudig betrachtete sie den halb durchsichtigen lilafarbenen Kristall, den sie gefunden hatte. Mit schnellen Bewegungen schwamm sie auf das Ufer zu, um ihren Fund zu ihren anderen Sachen zu legen.
Als sie gerade aus dem Wasser steigen wollte, wurde sie schon wieder von der selben warmen Stimme halb zu Tode erschreckt, wie bereits am Abend zuvor.
„Es hat doch nicht so lange gedauert.“