5. Ein großzügiges Angebot
Es war der letzte Sonntag vor dem Weihnachtsfest. Ursell war mit ihren beiden Enkeln Mertein und Margred aus Hostheim zum Gottesdienst nach Rostroff gekommen. Wie jeden Sonntag waren wieder viele Menschen aus der hiesigen Region gekommen. Mehr Menschen, als die Michaelskirche Plätze zum Stehen hatte.
Es war gut, dass die Antoniter ihre kleine Klosterkapelle ebenfalls öffneten und so zwei Gottesdienste zur gleichen Zeit abgehalten werden konnten. Man arrangierte sich irgendwie mit dem Kirchenbann, der auch auf Hostheim lastete.
Da sie mit ihren Enkeln etwas später dran war, musste sie zu dem Gottesdienst in der St. Antonis Kapelle ausweichen. Aber das war ihr sowieso lieber. Die Mönche sangen viel schöner und vom in Latein gehaltenen Gottesdienst verstand man eh nicht so viel.
Ursell konnte weder lesen, noch schreiben und schon gar kein Latein.
Aber der Dorfpriester in Hostheim hatte durch den Bann gerade auch nicht sehr viele Möglichkeiten seinen Unterhalt zu bestreiten und so unterrichtete er drei Mal in der Woche Mertein und Margred in Lesen, Schreiben und Rechnen. Ihre Enkel sollten es später einmal besser haben.
Der Gottesdienst begann etwas später und so hatte Ursell noch die Gelegenheit, zwei Kerzen zu stiften — eine für ihren verstorbenen Sohn Thomen und dessen Familie und eine für ihre tote Tochter Grete und deren Mann.
Wieder einmal standen ihr die Tränen in den Augen. Fünf Menschen dahingerafft vom schwarzen Tod. Gerne hätte sie ihr eigenes Leben dafür gegeben, dass Thomen oder Grete hätten an ihrer statt leben können.
Sie war alt. Einmal mehr fühlte sie die Last von ihrem Alter und der Verantwortung für den Hof und die Enkel.
Auch die Klosterkapelle war nun gut gefüllt und der Gottesdienst startete
Der Chor der Mönche setzte ein und sie mochte den Gesang. Sie fühlte sich mit einem Mal wieder friedlich und frei.
Ursell warf einen langen Seitenblick auf ihre beiden Enkel.
Mertein und Margred waren ebenso entspannt. Sie war stolz auf die Beiden.
Wenn er auch erst elf war — Mertein hatte den kräftigen Wuchs seines Vaters. Er hatte offene Augen und einen wachen Verstand. Der Priester sagte, dass er sehr schnell lernte, auf dem Hof packte er schon gut mit an.
Ursell war sich sehr sicher, Mertein würde einmal ein sehr guter Bauer werden.
Seine Schwester war mit ihren zwölf dagegen eher zierlich und zartgliedrig. Sie hatte feines langes goldenes Haar und grüne Augen, ganz wie ihre Mutter.
Sie war immer freundlich, hatte ein „Händchen“ für Näharbeiten und sie konnte schon jetzt sehr gut mit Zahlen umgehen und planen.
Margred war keine typische Bäuerin, wie sie selbst. Aber Ursell wusste, dass ihre Margred selbst einen sehr großen Haushalt vorbildlich führen können und damit eine wirklich gute Partie abgeben würde.
Obendrein entwickelte sich Margred zu einer wahren Schönheit.
—
Der Gottesdienst war sehr beeindruckend — auch wenn sie mal wieder nichts verstanden hatte und als die Predigt vorüber war, trafen sich die meisten der Besucher der Messe auf dem Kirchplatz bei St. Michael.
Dort hatten die Mönche wie immer etwas Speis und Trank gegen eine kleine Spende vorbereitet. Die Kinder freuten sich schon, denn etwas Honigkuchen und andere süße Leckereien gehörten auch immer dazu.
Ursell gesellte sich zu den anderen Bauern. Aber sie war eine der Ältesten in der Region. Bucklig, mit ihren längst nicht mehr gleichmäßig wachsenden schlohweißen Haaren fiel die auf. Zum Gehen nutzte sie einen Stock.
Ursell war bekannt und als Gutsherrin sehr geachtet.
Wenn sie etwas sagte — und das tat sie nicht oft — hörte man im Allgemeinen auch zu. Es war den Zeiten geschuldet und bei den anderen Gutsherren akzeptiert, dass sie als Frau den Hof und die Geschäfte führte, bis ihr Enkel alt genug dafür war.
Ihre beiden Enkel hatten sich etwas abseits mit anderen Kindern um ein paar Bänke gruppiert. Einer der alten Mönche erzählte für sie die Geschichte von der Geburt Jesu und ein paar andere Mönche spielten das Ganze mit Handpuppen nach.
Die Kinder waren begeistert.
Und Ursell nutzte die Zeit, um sich mit Ihresgleichen auszutauschen. Es war immer wichtig zu wissen, welche Krankheiten gerade unter dem Vieh grassierten, wie sie am besten zu behandeln waren und welche Ackerfrüchte unter welchen Umständen am ertragreichsten gediehen.
Sie war froh, dass alle offen miteinander redeten. Die Zeiten waren nicht einfach und umso wichtiger wurde es dann, sich gegenseitig zu helfen und gute Beziehungen miteinander zu pflegen. Man wusste nie, wann man den jeweils anderen brauchen konnte oder umgekehrt gebraucht wurde.
Das war vor der Pest ganz anders.
Aber der Schnitter hatte in den letzten Jahren reiche Ernte eingefahren und keine der Familien, war verschont worden. Man musste zusammenarbeiten.
—
„Hallo Ursell …“
Sie drehte sich um. Maik, der Brucher oder Müller, kam auf sie zu und reichte ihr einen heißen Trunk.
„Kräutertee… Ursell, lass uns mal ein wenig zur Seite gehen. Was ich mit dir zu besprechen habe, muss nicht unbedingt jeder gleich hören.“
„Gern. Wenn du auf meine einundachtzig Winter Rücksicht nimmst und nicht ganz so schnell gehst.“
Lachend gab sie dem Müller, der bereits einige Schritte vor ihr herlief, mit ihrem Stock einen kleinen „Seitenhieb“.
Sie kannte Maik schon seit seiner Geburt.
„Verzeih Ursell. Das war nicht böse von mir gemeint.“
Sie gingen etwas langsamer in Richtung der Kinder und Maik hakte sich bei ihr ein.
„Ursell? Siehst du die beiden Mädchen da hinten rechts?“
„Ja. Sind das deine Töchter? Ich habe sie seit mindestens sechs Jahren nicht mehr gesehen. Sie sind groß geworden und bildhübsch.“
„Das sind sie und du hast Recht Ursell. Du warst schon mindestens acht Jahre nicht mehr bei mir auf der Bruche. Viel zu lange. Die Mühle ist seitdem gewachsen.“
„Denk an mein Alter. Das war Thomens Aufgabe und jetzt machen´s die Knechte und mein Mertein.“
„Ein tüchtiger, guter und kluger Junge. Noch jung, aber schon sehr klug. Als er mit der letzten Kornfuhre Sommerroggen und Hirse von Eurem Hof kam, hab ich mich mal ein wenig länger mit ihm unterhalten.
Er kann lesen und schreiben. Das ist schon selten. Und er kann nach der neuen Art rechnen… mit diesen morgenländischen Zahlen. Er war viel schneller als ich mit der römischen Technik. Auch beim Umrechnen der Gewichte.“
„Das hat er von unserem Dorfpriester. Der war auf Pilgerfahrt Navarra und hat es in Torres del Rio gelernt. Ich kann ihn gerne auch einmal fragen, ob er bei dir vorbei kommt, um es dir zu zeigen. Ich kann es nicht und versteh es auch nicht mehr. Aber ich habe zugesehen, wenn es Mertein und Margred tun. Es ist sehr praktisch. Es geht mehr als doppelt so schnell als mit all diesen Zeichen und du kannst lange Kolonnen zusammenrechnen.
Der Priester wird auch glücklich sein, etwas für dich tun zu können. Mit dem Bann, hat er Probleme seinen Unterhalt zu bestreiten.“
„Kann ich verstehen. Eine üble Sache. Aber ich dachte da eher an etwas anderes.
Ursell, du weißt, dass mir die Pest meine Frau und meine beiden Söhne genommen hat.“
„Ja… und das tut mir leid. Der Schnitter hat seine Ernte wohl in jedem Haus eingebracht.“
„Leider.“
Maik seufzte und man merkte, dass ihm der Tod von Frau und Söhnen immer noch nachhing. Ursell kannte ihn als lebensfrohen und humorvollen Menschen. Jetzt bemerkte sie die tiefen Falten um seine Augen.
„Ursell, ich habe keinen männlichen Erben mehr. Ich habe zwar zwei tüchtige junge Gesellen. Aber von denen hat keiner das Potential, später die Bruche zu führen. Ich wollte dich ganz offen fragen, was du davon hältst, wenn du mir Mertein im neuen Jahr schickst, mein Geselle zu werden und dann in einigen Jahren die Mühle zu übernehmen. Adele und Sabine sind beide in seinem Alter. Er kann eine zur Frau nehmen.
Und dein Priester soll trotzdem kommen. Mertein kann ruhig weiter lernen. Das neue Zeug ist gut. Auch das Latein.“
Ursell war selten sprachlos, doch jetzt war sie es eindeutig. Das war ein wirklich großzügiges Angebot. Sie kannte Maik gut genug. Er hatte lange darüber nachgedacht und potentielle Kandidaten sorgfältig miteinander verglichen.
Brucher zu sein, war ein Privileg und Müller gehörten zu der Spitze der nichtadeligen Gesellschaft. Es wurden immer nur wenige Privilegien verliehen, Mühlen zu bauen. Brucher hatten deswegen immer Macht, Einfluss und ein garantiertes Auskommen. Als freier Gutsbesitzer hatte Mertein schon Zukunft, aber als Müller… das war ein unerhörter gesellschaftlicher Aufstieg.
Aber was wurde dann aus ihr, aus Margred und dem Hof. Auch wenn Mertein noch ein Knabe war –er würde schon jetzt an allen Ecken und Enden fehlen.
„Maik, dein Angebot überrascht mich. Es ist überaus großzügig. Ich werde mit Mertein sprechen. Ehrlicherweise muss ich etwas nachdenken, bevor ich entscheide.“
„Ich weiß. Und ich finde es gut, dass du es schnell entscheidest. Ich habe sehr lange darüber nachgedacht, bevor ich dich gefragt habe. Mertein ist wirklich die ideale Wahl. Und ich glaube er mag auch meine Sabine.
Aber ich weiß auch, dass er eine schmerzhafte Lücke auf eurem Hof hinterlassen werden wird. Ich würde gern im Austausch meinen Gesellen Luther schicken, bis deine Margred heiratet und deren Mann übernehmen kann.
Ich zahle für ihn und Luther weiß, dass er danach zurückkommen, seine Lehre bei mir beenden kann… er weiß, es wird sein Schaden nicht sein.“
„Maik, mir fehlen beinahe die Worte. Genau das war gerade auch meine Sorge. Mertein wird fehlen. Die Arbeit ist schon jetzt zu viel. Wir sind zu wenige.
Und doch ist es ein Risiko, einen weiteren Knecht anzuwerben. Diejenigen die in diesen Tagen noch Arbeit suchen, sind meist selbst am Ende und beinahe immer nicht allzu zuverlässig.
Es ist gut, jemanden zu bekommen, dem man erwiesenermaßen vertrauen kann.
Die Zeiten sind schlecht.“
„Aber sie werden wieder besser Ursell. Was hältst du davon, wenn wir uns am siebzehnten Jänner, dem Antoniustag hier wieder treffen und alle einmal zusammensetzen. Ich werde auch den Luther mitbringen. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass ihm die Arbeit auf eurem Hof besser liegt, als das Brucher — Handwerk.“
Maik reichte Ursell die Hand und die Alte schlug ein. Warm und herzlich umarmten sich beide, wohlwissend, dass dies ein wichtiger Schritt in beider Familien Zukunft war.
6. Ehrgeizige Pläne und mehr
Die Waldbauern hatten sich wieder in der Schankstube getroffen. Dieses Mal nicht zum Würfeln. Es gab zu viel Wichtiges zu besprechen.
„Und wie genau hat Abt Simon reagiert, als wir gegangen waren?“ Selbolt war sehr neugierig. Aber er wusste, dass es besser war zu warten, bis Jobst und Fronicka außer Hörweite waren.
Kai antwortete: „Nun, der Abt bemerkte sarkastisch, dass es jetzt Sinn machen würde, für einen schweren Wintersturm zu beten. Dann gäbe es Holz im Überfluss. Aber das meinte er nicht ernst. Ist ja dann kaum noch für den Bau verwendbar.“
Jorg nahm den Faden auf: „Er war sehr ungehalten und dass nur noch Kai und ich übrig waren, macht sein Vorhaben nicht einfacher. Er wird sich wegen zusätzlichem Holz an Rukkingin und Dyppach wenden müssen. Aber das verursacht höhere Kosten und er braucht zusätzliche Leute für den Transport und …“
Jorg nahm einen tiefen Schluck. Das Bier war heute dünn.
„Er wird auch einen Boten nach Mainz senden, mit der Bitte um Unterstützung. Wir bekommen Arbeiter zugeteilt und Landsknechte, die uns schützen. Kai und ich machen das. Wir haben ein zusätzliches Legat aus Mainz im Namen vom Papstkaiser. Und wenn wir vor Herrn Reinhard und den Kaiserlichen fliehen müssen, bekommen wir mit unseren Familien jeweils einen der großen Klosterhöfe am Lennerbergwald, nahe Mainz als Erbhof zum Ausgleich.“
„Könnt ihr ihm vertrauen?“
Willin stellte diese Frage und man merkte, dass er seine Exkommunikation noch nicht richtig verdaut hatte. Eine gehörige Portion Hass schwang in seiner Stimme für alle deutlich vernehmbar mit.
Jorg nickte: „Ich traue den Priestern. Und Reinhard hat in den letzten Wochen auch keine Konfrontation gesucht. Er scheint abzuwarten.
Wir werden in jedem Fall gut verdienen und Holz wird hier insgesamt etwas knapper werden.
Das ist auch gut für euch. Reinhard wird im Gegenzug eher mit euch Geschäfte machen, da wir schon fürs Kloster arbeiten. Und die Preise werden steigen.“
Kai hatte sich die gleichen Gedanken gemacht, wie der Rest. Der Markt war jetzt regelrecht zwischen den Papstanhängern und den Kaiserlichen aufgeteilt.
Willin lächelte wissend: „Reinhard wird sich aber nicht mehr lange ruhig verhalten. Ich habe ihn gestern besucht und wir hatten ein längeres Gespräch“, setzte er bedeutungsvoll nach.
„Jetzt lass dir aber nicht alles aus der Nase ziehen“, warf Selbolt ungeduldig ein. Er mochte diese Seite bei Willin ganz und gar nicht.
Willin grinste wissend in die Runde: „Ich habe ihm alles von den Plänen des Klosters erzählt. In den nächsten Tagen wird eine Abordnung aus Bamberg kommen und die Wonneke in Besitz nehmen. Das wird Abt Simon eine Warnung sein.
Kai. Jorg. Ihr braucht euch beide keine Sorgen zu machen. Ich habe mit Reinhard auch über euer Dilemma gesprochen. Er hatte ein offenes Ohr.
Seiner Meinung nach, braucht es eine Weile, Tagelöhner so auszubilden, um im Wald gute Arbeit zu leisten.
Sein Wunsch an euch lautet – seid damit nicht zu eilig und steigert den Ertrag nur sachte. Reinhard setzt auf Zeit.
Dann wird er euch nicht persönlich bedrohen oder eurer Geschäft einschränken … oder euch gar das Privileg entziehen. Reinhard arbeitet mit anderen Mitteln.
Er setzt auf Bamberg und den dortigen Bischof. Mainz wird zudem Probleme bekommen, da auch der Erzbischof zu Fulda gegen Mainz Ansprüche geltend machen werden wird. Und Fulda folgt wie Bamberg auch den Staufern.“
Alle drei hingen so sprachlos, wie gebannt an Willins Lippen. So unsympathisch, schleimig und arrogant dieser Mann auch war … Er hatte wirklich vieles bewegt … Im Interesse aller vier.
„Hostheim… Simon will dort seine Ziegelei errichten und den Ort einfrieden. Der Ort wird eingefriedet und es gibt auch eine Ziegelei.
Nur wird das nicht durch Abt Simon und das Antoniterkloster geschehen. Darum kümmert sich im Auftrag des Erzbistums Fulda Reinhards Sohn als Vertreter des Rechts.“
„Hostheim war doch durch Mainz verwaltet wurde dann durch Reinhard besetzt?!“
Selbolts Einwurf war logisch.
„Du hast Recht Selbolt“, Willin führte seine Erklärungen weiter aus:
„Hostheim gehört nur zum kirchlichen Landkapitel in Roßdorf. Dadurch dass dort ein stauferischer Vogt residiert, ist es kaiserlich und unter Kirchenbann.
Aber nach alten Urkunden waren Hostheim und Ohsenkeim kaiserliche Schenkungen an Fulda. Und Fulda wird Reinhards Sohn — den jungen Reinhard — damit beauftragen, das Amt des Vogts zu übernehmen.“
Willin ließ die Worte kurz wirken.
„Reinhard wird sich dem Schein nach zu seinem Vater in Opposition begeben und sich dem päpstlichen Lager und Wilhelm von Holland anschließen. Aber jeder wird natürlich wissen, wem seine wirkliche Treue wirklich gilt.
Je nachdem, welche Seite sich durchsetzen wird, muss dann aber nur einer der beiden Reinhards Abbitte leisten.
Und jetzt ratet mal, wer Reinhards Vertreter in Hostheim werden wird …“
Willin streckte sich stolz durch: „Ich werde über vier Landsknechte gebieten und als Waldbauer meine eigene Ziegelei beliefern.“
Willin hob die Hand …
„Jobst. Bring noch vier Krüge!“
Willin lachte beinahe hysterisch und seine Stimme überschlug sich förmlich.
„Simons Pläne sind durchkreuzt. Er hat nur die Hälfte des Bauholzes. Er hat keine Lehmgrube und keine Ziegelei und die Motte kann er auch nicht mehr in Besitz nehmen.
Aber das Beste kommt noch. Hostheim und Ohsenkeim werden dann nicht mehr „kaiserlich“ sein. Sie sind es zwar faktisch immer noch, aber Reinhards Sohn ergreift ja „für Wilhelm Partei“ und der Kirchenbann wird aufgehoben werden müssen. Mit meiner Berufung hebt der Erzbischof zu Fulda auch meine Exkommunikation wieder auf.
Und ich werde alsbald heiraten und am Rande Hostheims einen riesigen Hof haben. Und ich weiß auch schon, wen ich heiraten werde …“
„Wen?“
„Sie ist bildhübsch und blutjung. Und sie weiß noch nichts von ihrem „Glück“.
Aber bald.
Sehr bald.
Ich kann es kaum noch erwarten, wieder was Warmes, Unverbrauchtes in meinem Bett zu haben.“
Willin verschluckte sich am Bier, das Jobst gerade vor ihnen abgestellt hatte und prustete quer über den Tisch.
7. Das Sankt Antonius Fest
Abt Simon trat zu dem Tisch auf dem Kirchplatz an dem Maik mit seinen beiden Töchtern, Luther, Ursell, Mertein und Margred zusammensaßen.
„Friede sei mit euch, Maik. Es ist schön euch hier heute anzutreffen. Das sind eure beiden Töchter? Wer von Euch beiden ist Adele und wer Sabine?“
Simon von Arras konnte an den Minen der Teilnehmer ablesen — Gewichtige Themen wurden besprochen und er konnte sich schon denken, worum es ging.
Es war sehr gut, wenn Maik sich schon so früh Gedanken um seine Nachfolge machte. Die Zeiten waren unsicher und hart und die Position des Müllers war für seine Arbeit gegen das Antoniusfeuer, den Mutterkornbrand, zentral und wichtig. Selbst für ihn als Abt war es erheblich, sich mit dem Müller gut zu stellen.
„Gott zum Gruße, Vater Abt. Das sind meine beiden Töchter. Das ist Adele“, Maik wies auf ein schlankes hochgeschossenes Mädchen von etwa vierzehn Lenzen, die Simon respektvoll zunickte und ihre Augen schloss.
„… Und das ist meine Sabine.“
—
Sabine stand noch unter dem Eindruck dessen, was sie gerade gehört hatte. Mertein sollte zu ihnen auf die Mühle kommen und bei ihrem Vater lernen. Und dann vielleicht eine von ihnen beiden zur Frau nehmen.
Im Gegensatz zu ihrem Vater wusste sie, dass Adele längst ein Auge auf Jorgens Sohn Michael geworfen hatte — so wie sie eben auf Mertein.
Glücklich und überschwänglich erwiderte sie den Blick des Abtes mit glänzenden Augen.
„Ich grüße euch recht herzlich Vater Abt.“
Der Abt hatte die Blicke zwischen Mertein und Sabine bemerkt und lächelte unwillkürlich.
„Und wenn ich den Beschreibungen Glauben schenken darf, müsst ihr die legendäre Ursell sein, die noch mit über achtzig Wintern ihrem Hof vorbildlich vorsteht. Wir haben uns zwar schon ein paar Mal bei den Gottesdiensten gesehen, aber verzeiht, dass sich bislang meinerseits noch nicht die Gelegenheit ergeben hat euch persönlich kennen zu lernen.“
Ursell hatte einen ziemlich großen Hof, den sie aber wie so viele andere Bauern auch, nach der Pest in Ermangelung von Arbeitern nicht voll bewirtschaften konnte.
Bauern waren wichtig und alte Bauern, wie Ursell, waren auch immer gut vernetzt.
Sie kam aus Hostheim und dort Menschen zu wissen, die ihm und den Antonitern wohlgesonnen waren, war sehr wichtig — auch für seine eigenen Pläne.
Simon lächelte sie warm an.
„Vater Abt, es ist uns eine Ehre. Möchtet ihr euch ein wenig zu uns setzen und uns Gesellschaft leisten?“
Ursell gab Mertein ein Zeichen, der enger zu seiner Schwester, Luther und Adele aufrückte, sodass ein großzügiger Platz auf der Bank für Simon entstand.
„Sehr gerne. Ich freue mich immer nach dem Gottesdienst mit möglichst vielen Menschen ins Gespräch zu kommen und mich auszutauschen. Sind dies eure Enkel?“
„Ja Vater Abt. Das sind meine Enkel Mertein und Margred.“
„Ihr könnt stolz auf die beiden sein.“
„Wir hatte eben gerade besprochen, dass Mertein wird nächsten Monat als Geselle zu mir wechseln. Im Gegenzug wird mein Geselle Luther bei Ursell helfen, bis ihre Margred unter die Haube kommt …“
Maik war sichtbar stolz und zufrieden, dass nun das Abkommen unter der Haube war.
„Ah, ich verstehe schon. Zwei Töchter und ein potentieller Nachfolger mit wachem Blick. Ich finde auch, dass das ist eine sehr gute Idee ist“, sagte Simon mit humorvollem Unterton und zwinkerte Mertein zu. Simon legte bewusst Wert darauf, möglichst ungezwungen und natürlich mit den Menschen umzugehen.
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