Ein kleines Vorwort

Der Hexenwaldacker ist ein historischer Kurzroman, der in der Zeit des sogenannten „Interregium“ spielt – zwischen 1252 – 1254. Die Handlungsorte sind in der Region Nidderau / Bruchköbel / Hanau.

Ich verwende eine reale historische Begebenheit und reale Figuren. Auch wenn Einiges vielleicht märchenhaft wirken mag – so hat es sich zugetragen. Die Sprache ist teilweise modern, aber die Orte und Namensgebung habe ich bewusst historisch gewählt.

Alle diese genannten Gruppen waren in der Region organisiert und engagiert. Die Pläne und Motivationen sind historisch in Chroniken überliefert.

Langfristig haben die Antoniter einen riesigen Einfluss auf diese Region entwickeln und ausüben können. Tatsächlich war das Kloster in Roßdorf das erste seiner Art in Deutschland.

Es ist überhaupt witzig, wie viele heute sehr kleine Dörfer und teilweise Gehöfte in der Vergangenheit zentrale Rollen spielten und wie unwichtig heutige Großstädte wie Hanau, Offenbach oder Frankfurt in der Region waren.

Wenn Ihr Euch fragt, warum die „kleinen Bauern“ so am aktiven Weltgeschehen teilnahmen => hier kreuzten sich mehrere wichtige Handelstraßen und in der Tat war es ein Schmelztigel unterschiedlichster Interessen und eine Region unter der Einflussnahme unterschiedlichster Gruppen.

Die Chroniken zeigen, dass zumindest hier alle recht gut informiert waren.

Legenden:

Köbel – Kebele => heute der Krebsbach ein für die Landwirtschaft sehr wichtiger Bach… daher stammen heutige Ortsnamen wie Markköbel oder Bruchköbel

Bruche => Mühle (Brucher = Müller) daher der Name Bruchköbel => die Mühle an der Köbel

Hostheim => Ostheim, ein Teil von Nidderau

Minor Chevela => aus römischen Zeiten – „kleine Mühle“ => später Bruchköbel (s.o.)

Ohsenkeim => Niederissigheim

Hircispach=> Hierzheimer Höfe, Teil von Markköbel, Standort eines großen Römerkastells mit Ziegelmauern, das als Steinbruch in der Region für den Häuserbau genutzt wurde (die Region hat viele Tongruben mit extrem hochwertigen Ton)

Detzelheim => Windecken Stitz der Motte Wonneke spätere Burg Windecken (namensgebend)

Rostroff => Roßdorf, der Name kommt von einem Erdtyp (Torf) nicht von Pferden

Bodderstadt => Butterstadt, auch Welsche Höfe (bei den Völkerwanderungen ist hier ein Teilstamm der Welschen hängen geblieben. Die „alten“ Butterstädter unterschieden sich wesentlich in Dialekt und Aussehen von den anderen Dörfern – heute nicht mehr so stark, wie in früheren Tagen.

Helidiberga => Heldenbergen, lange Zeit noch bis ins 14. Jhd. Zentrum der „alten Religion“

Turinfelde=> Burg Dorfelden = Niederdorffelden = Twinfelden

Rudenkeim => Rüdigheim und Neuberg

Markivele => Markköbel

Rode => Beiersröder Höfe

Hagenowe, auch Hagenouwa => Hanau

Namen der Handelnden:

Ursell Bäuerin, Heckenwingerthof, Hostheim

MerteinEnkel von Ursell (=> Maik => Sabine)

Margred von Ursell, Erbin des Hofs

Maik Brucher oder Müller in Ohsenkeim

Adele von Maik, dem Brucher

Sabine Zweite von Maik (=> Mertein)

Luther Geselle von Maik, später Knecht

Reinhard II Stauferanhänger, u.a. Burg Dorffelden

Reinhard I Sohn Reinhard II, 1. Graf von Hanau

Simon von Arras Abt (Antoniter) und Erzpriester

Prior Markus Stellvertreter und Verwalter Simons

Willin Waldbauer, später Vogt in Hostheim

Sebolt Waldbauer von Helidiberga

Jorg Waldbauer in Kebilo, Teil von Bruchköbel

Kai Waldbauer von Rudenkeim

Gutzhold von IlbenstadtRitter und 1. Burgherr der Wonneke, Vertreter Reinhard I, Richtherr

Prior RalphRitter und Mönch vom Orden des heiligen Johannes, sehr wichtiger Prior mehrerer Klöster und Komtureien

Jobst Wirt und Brauer in Detzelheim

Fronicka Schankmagd, später für Willin arbeitend

Marx und Ott Landsknechte im Dienste Reinhards I und Willins

1. Das Kloster

„Ich widerspreche dir hier Pater Markus.“

Simon von Arras war seit knapp einem Jahr Abt der 1254 neu gegründeten Antoniter Abtei in Rostroff.

Prior Markus, seinem Stellvertreter, oblag die Aufsicht aller Bereiche ihres gerade entstehenden Klosters.

Abt, wir sinken sehr tief im Ansehen unserer Mitbrüder, der Mutter Kirche und aller Christen hier, wenn wir Heiden in den Bau unseres Klosters miteinbinden.“

Markus vertrat die allgemeine Doktrin der Kirche und fand gegenüber seinem Abt immer offene Worte, wenn er mit Simon allein war.

Er wusste, dass Simon seinen Rat schätzte, ihm aber nicht immer folgte.

Obwohl er manches Mal eine andere Meinung als sein Abt hatte und diese ihm gegenüber auch vertrat, war er ein loyaler Prior, der Simons Entscheidungen befolgte und sie auch gegenüber Dritten vertrat.

„Pater Markus, unsere Aufgaben hier sind sehr vielfältig. Und wenn du meinst, dass der Anteil der Anhänger des alten Glaubens in der Region immer noch zu hoch ist, gebe ich dir uneingeschränkt Recht. Es braucht nur einfach seine Zeit.“

Simon atmete tief durch. Er war geduldig.

Aber er hatte manchmal bei Markus einfach das Gefühl, dass dieser nicht immer verstand, was die Menschen in ihrem Inneren bewegte. Sein Prior war bereits als junger Waisenknabe im Antoniter Kloster Ranvers aufgenommen worden, wuchs dort auf und wurde von den französischen Mitbrüdern sehr dogmatisch erzogen.

„Pater Markus, noch einmal — die Zeit arbeitet für die Mutter Kirche.

Die Menschen hier haben eine schlimme Pestwelle überstanden. Vier dunkle und kalte Jahre mit sehr viel Regen haben Missernten und den Mutterkornbrand gebracht. Den Menschen geht es insgesamt nicht allzu gut.

Wenn wir Arbeit und Brot für alle bieten können, der Handel wieder zu blühen beginnt… Wenn die Menschen wieder wissen, wofür sie arbeiten sollen… wenn sie nicht mehr an Krankheit und Tod denken müssen und wenn neben all dem Mühsal auch wieder Freude in ihr Leben einkehrt… dann wird das „die Schafe zu ihrem wahren Hirten treiben.“

„Ich denke nach wie vor, dass wir mit Heiden nicht zusammenarbeiten dürfen. Im Gegenteil! Wir sollten ihre Geschäfte einschränken, behindern und wenn möglich auch unterbinden. Ich rede nicht von Verfolgung und auch nicht von Knute und Richtschwert.

Aber wenn es ihnen schlecht geht und den Christen gut, wenn sie immer mehr in ihren Dorfgemeinschaften isoliert werden, dann werden sie sich schon zum wahren Glauben bekennen.“

„Bekennen und taufen lassen — ja Markus. Aber wirklich „Glauben“ und sich zu dem Einzigen und Wahren hinwenden, das werden sie nicht.

Pater Markus, ihr wisst, dass ich als viertgeborener Adelsspross erst sehr spät den Ruf der Kirche erhört habe. Ehrlicherweise war es meinem wichtig, dass mein Bruder und ich in der Kirchenhierarchie auch im Interesse der Familie gute Positionen einnehmen konnten.

Ich kenne das Leben und ich kenne die Menschen.

Du — und das meine ich keineswegs böse — kennst eher die Strukturen der Kirche, das Klosterleben, dessen Hierarchie und all die Eigenheiten. Du lebst die Regeln und die Tradition mit einer Disziplin, die ihresgleichen sucht. Das ist ein wirklich großes Lob an dich. Du bist der beste Prior, den man sich als Abt wünschen kann.“

Simon atmete kurz durch.

„Aber ich versuche als Abt die Menschen zu verstehen und auf sie zuzugehen — Einfache, wie Reiche; auf Menschen von Stand und auch auf die Unfreien.

Wir nehmen Einfluss dadurch, dass es den Menschen besser gehen wird. Ich bin kein Vertreter von Gewalt und Druck.

Thomas von Aquin sagt, dass Bekehrung auf Basis des Wunsches und der Überzeugung erfolgen müsse. Er ist Philosoph.

Ich bin ein Viertgeborener und jetzt bin ich Abt. Ich sage pragmatisch: „Wess Brot ich ess, dess Lied ich sing“…

Das wird mehr Erfolg haben, als Furcht und Zwang. Davon bin ich überzeugt.“

„Gut Vater Abt. Ich werde es so an die Mitbrüder weiter geben. Ihr habt Recht. Es gibt viele Heiden hier und sie offen anzugehen, kann zu ernstem Unfrieden führen. Ich werde die Priester anweisen, in den Predigten eher darauf hinzuwirken, auf die Angehörigen des alten Glaubens zuzugehen.“

„Genau das meine ich. Bruder Markus. Wir haben hier mehr als genug Aufgaben und es gibt hier auch schon mehr als genug bestehende Konflikte.“

Konflikte – genau deswegen wurde er von seinem Orden mit dieser Mission beauftragt. Es war ein erklärtes Ziel des Bistums in Mainz, dem all diese Liegenschaften gehörten, ein kirchliches Gegengewicht zu dem Groß Vogt, Reinhard II zu setzen, der auf Seiten der Staufer stand.

Mit den eigentlich in Frankreich ansässigen Antonitern luden die Mainzer Domherren nun gezielt einen Mönchsorden ein, der zum einen das Recht hatte, Waffen zu tragen und zum anderen als Hospitalorden mit der Bekämpfung unterschiedlichster Krankheiten große Erfahrung aufweisen konnte.

Reinhard II hielt unter anderem in Kaichen, Helidiberga und Turinfelden das Banner von Manfred von Staufen hoch. Sein Einfluss ging bis nach Münzenberg. Er kontrollierte mehrere Knotenpunkte der wichtigsten Handelsstraßen.

Und er hatte überall Männer unter Waffen.

Simon machte sich große Sorgen um die Sicherung und Befestigung der Besitzungen der Mainzer Domherren, denn der neue Papst Alexander IV und der exkommunizierte Manfred von Staufen führten in Italien einen offenen Krieg gegeneinander und dieser wurde nicht nur in Italien sondern mehr oder weniger offen auch in allen anderen Regionen und so auch hier ausgetragen.

Wilhelm von Holland, der päpstliche Gegenkaiser war zwar in Aachen gekrönt worden, doch nur die wenigsten der hiesigen kaiserlichen Lehensherren leisteten ihm oder der Kirche Gefolgschaft.

Umgekehrt verhielten sich viele der Adelshäuser auffällig neutral und warteten ab.

Und wer konnte schon sagen, was passieren würde?

Nur Gott selbst wusste das…

Sorgen über Sorgen.

Simon von Arras verließ seinen Gedanken nachhängend das neue Verwaltungsgebäude und ging langsam in Richtung des Dorfplatzes.

Die Baufortschritte an seinem neuen Amtssitz sprachen eine deutliche Sprache.

Zum ersten Mal seit Langem verspürte er einen kurzen Moment der Zufriedenheit und des Stolzes.

Unter dem Schutz der Vorbedachung der kleinen Klosterkapelle stand ein Tisch auf dem verschiedene Modelle und Pläne ausgebreitet lagen.

Simon betrachtete sie mit warmen Blick.

Die Klosteranlage bestand aus sechs einstöckigen Gebäuden. Die zuerst gebaute Holzkapelle war ein wahres Schmuckstück und wurde nicht nur von den Mönchen genutzt.

Das Verwaltungsgebäude, welches er gerade verlassen hatte, würde wahrscheinlich heute komplett fertig gestellt werden. Hier war nur noch der kleine Anbau für kleine Bibliothek zu beenden.

Er würde hier bald als für die Region ernannter Erzpriester des Bistums zu Mainz Gericht halten.

Auch die anderen Gebäude, der Speicher für den Zehnten, die Küche mit angegliedertem Speisesaal, das Haus zum Schlafen und natürlich auch das Hospital seiner Komturei wuchsen beständig.

Die Handwerker leisteten sehr gute und schnelle Arbeit.

Und nicht nur die Handwerker.

Simon betrachtete, wie der Siechenmeister mit zwei Novizen nahe des Hospitals den Kräutergarten für das kommende Frühjahr vorbereitete.

Alle drei waren so vertieft in die Arbeit, dass sie sein Kommen nicht bemerkten.

„Gott zum Gruße Pater Jacob. Wie ich sehe triffst du schon deine Vorbereitungen für das Frühjahr?“

„Das ist bitter nötig Vater Abt. Vom Hospital stehen nicht einmal die Mauern und heute sind schon wieder Erkrankte eingetroffen. Meine Vorräte an Kräutern gehen langsam zur Neige.“

„Ich habe gestern den Boten aus Mainz bereits informiert und deine Liste weiter geleitet.“

„Ich danke euch Vater Abt.“

Pater Jacob nickte.

„Sag — was haben die Kranken?“

„Das Übliche. Kalte, blasse Glieder, kein Gefühl… einer hat sogar schon Lähmungen. Der Brand hat aber noch nicht eingesetzt. Doch das heilige Feuer kann bei allen dreien noch kommen und ihnen die Glieder rauben.“

„Antoniusfeuer? Schon wieder? Wir haben doch mit allen hiesigen Müllern gesprochen.“

„Vier Jahre Regen — es war das Korn von den Händlern. Wahrscheinlich Schwarzes. Aber keine Sorge. Man sagt doch gemeinhin, dass dem Antoniusfeuer nur die Antoniter Herr werden können. Wir werden auch diese hier heilen. Aber es wird dauern.“

„Ich vertraue dir da Pater Jacob. Du bist ein guter Infirmar und deine Novizen können sich glücklich schätzen, von einem der besten zu lernen.“

Simon nickte zum Abschied allen zu und ging langsam weiter.

Der Abt verweilte einen Moment bei der großen alten Linde. Es hatte wieder zu nieseln angefangen und der kurze Moment seiner Freude war wieder den bohrenden Gedanken gewichen, die ihn schon seit dem Anfang dieser Mission begleiteten.

Rostroff war fast schon ein ungewöhnlicher Sitz für die erste Niederlassung des Antoniterordens außerhalb Frankreichs. Der Ort war nur eine unbedeutende Ansammlung von etwa 35 Gehöften, mit zwei Gasthäusern und einer kleinen Kirche.

Doch Rostroff lag an drei verschiedenen wichtigen Handelsstraßen und damit war es zugleich mitten im Schmelztiegel aus miteinander um die Vorherrschaft konkurrierenden Parteien.

Sein Bischof war der Vertreter einer dieser Fraktionen und die unumstrittene Stimme des Papstes in der Region.

Simon entschloss sich weiter zu gehen — tristes Wetter, triste Gedanken.

Er sah den Zimmerermeister, der seinen Handwerkern gerade etwas zu demonstrieren schien und steuerte seine Schritte auf die Gruppe zu. Auch hier wurde das Kommen des Abtes nicht bemerkt.

Meister Albrecht war ein Zimmerermeister und kein Baumeister. Den Bau oder die Konstruktion mehrstöckiger Häuser oder Gewölbe durfte man von ihm deswegen auch nicht erwarten. Simon verlangte das aber auch gar nicht von dem Mann.

Außerdem gab es seitens des Klosters dafür weder die Möglichkeiten, noch die Mittel — zumindest im Moment. Simon hatte für die Zukunft sehr viele Ideen.

Meister Albrecht war zuverlässig, arbeitete sehr gründlich und konnte etwas lesen und schreiben. Auch vermochte er Pläne zu lesen und einfache Pläne selbst zu zeichnen. Das war selten in diesen Gegenden. Und er war ein wahrer Meister darin, zu Dinge organisieren und aufeinander abzustimmen. Er war zudem bei Handwerkern, wie Tagelöhnern überaus angesehen und beliebt.

Simon trat näher heran.

„Gott zum Gruße Meister Albrecht. Ich bin immer aufs Neue erstaunt, wie schnell der Bau voranschreitet.“

Der Angesprochene fuhr überrascht herum.

„Herzlichen Dank Vater Abt. Gott zum Gruße“

„Wie ist der neue Buntsandstein aus Hagenowe?“

„Vater Abt, er hat eine sehr gute Qualität. Ich zeige gerade den anderen, wie ich mir die ideale Anordnung zum Grundmauerwerk für den neuen Zehntspeicher vorstelle.“

Albrecht nahm einige Ziegel zur Hand und fuhr fort:

„Auf das Grundmauerwerk schichten wir dann die Ziegel aus dem alten abgebrochenen Römerkastell in Markivele und machen mit den abgelagerten Fichtenstämmen den Dachstuhl. Es wird ein großer und guter Speicher. Er wird eine gute Durchlüftung haben.“

„Meister Albrecht. Ihr leistet hier wirklich eine sehr gute Arbeit. Ebenso alle anderen hier.“

Simon bezog mit ausholender Geste alle mit ein.

„Das Kloster ist wirklich sehr zufrieden mit euch.“

Meister Albrecht richtete sich zur vollen Größe auf und fühlte sich wegen des Lobes sichtlich geschmeichelt.

Sein Thorhammer baumelte an seinem Hals und Simon von Arras musste unwillkürlich darüber lächeln.

„Ich habe Bruder Samuel, Meister der Pitanzen, angewiesen für heute Abend eine Sau schlachten und zubereiten zu lassen. Für reichlich Brot, Kohl und Bier für euch und eure Familien ist auch gesorgt. Das Kloster ist wirklich sehr angetan mit der hier geleisteten Arbeit, die Gott zu großer Ehre gereicht.“

Die Handwerker jubelten und der Abt ging weiter.

Albrecht war nur einer von vielen hier in dieser Gegend die dem alten Glauben anhingen und eher die „heiligen Bäume“ als die Gottesdienste aufsuchten — noch!

Simon war erneut in seinen Gedanken versunken und schlug wieder die Richtung der alten Rostroffer Michaels Kirche ein.

Bald würden sie wieder kommen… All die Gläubigen aus den Nachbardörfern.

Die Lehensherren von Manfred dem Staufer lagen alle unter dem offiziellen Kirchenbann. Es wurden auf deren Grund keine Messen gelesen, keine Taufen durchgeführt, keine Beichte abgenommen und auch keine Absolution erteilt.

Dennoch hielt die Mehrzahl der Bischöfe Manfred die Treue, waren sie doch durch ihn, seinen Onkel Konrad oder durch Friedrich Barbarossa in ihr jeweiliges Amt gekommen.

Doch der Kirchenbann kam vom Papst höchst selbst und es war Einfallsreichtum gefragt in diesen Tagen — ebenso wie Langerprobtes

Und „Not macht erfinderisch“ — Der Begriff „Erfindungsgrabe“ schien in dieser Gegend hier erfunden worden zu sein, denn die Christen aus Reinhards Lehen besuchten einfach die Kirchen in den Gebieten, die nicht unter dem Kirchenbann standen und damit die Kirchen auch in Simons Kapitel.

Der vergrößerte Simons Einfluss. Er war zufrieden.

Abt Simon hatte seine Priester angewiesen, niemanden abzuweisen. Alles andere hätte auch offene Konflikte mit den „Kaiserlichen“ und den Vormarsch von Häresie zu Folge gehabt.

Die heilige Mutter Kirche hatte mit den Auswüchsen und der Abwehr der Waldenser und Katharer — überall wachsende „vorgeblich christliche“ Glaubensströmungen, die aber von der Kirche als Ketzer angesehen wurden — schon mehr als genug zu tun.

Simon von Arras fühlte immer mehr die Verantwortung, die ihm als Erzpriester oder Archipresbyter auf den Schultern lastete. Er war für die Kirchengerichtsbarkeit in der ganzen Wetterau verantwortlich und nur dem Bischofskolleg zu Mainz Rechnung schuldig.

In Zeiten wo viele der Adelsleute keine Partei ergriffen und auch kein Recht sprachen, war ein Erzpriester oft die einzige Instanz, die gemeinhin Recht sprach und deren Schlichtspruch allgemein akzeptiert wurde.

Aber mehrere Rechtssysteme nebeneinander — das würde auch irgendwann zu Konflikten führen.

Im Januar war er ernannt worden und seitdem konnte er bereits einige Erfolge verbuchen. 1254 war ein wirklich sehr ereignisreiches Jahr, das sich nun gemächlich seinem Ende zuneigte.

Es regnete jetzt wieder stärker. Simon schüttelte seinen Kopf und zog die Kapuze seines Habits tiefer über das Gesicht.

Dann erreichte er die Kirche.

2. Willin

Wieder einmal war es nicht sein Tag und das Würfelglück war Willin alles andere als hold. Er hatte mehr verloren als sonst und deutlich mehr, als ihm gut tat.

„Goddverdammich …“

Er knallte seinen Holzkrug auf den schweren Eichentisch. Im Schankraum hielten sich neben ihnen ein Fuhrknechte auf, die Schankmagd und Jobst, der Wirt.

Kai, Sebolt und Willin waren Waldbauern und Waldbauern ging es in den kalten Wintertagen immer sehr gut. Der Winter brachte immer klingende Münzen in den Beutel der drei Waldbauern, denn nur ihnen war es gestattet, Holz zu schlagen und damit Handel zu treiben.

Holz war eben das universellen Heiz- und Baumittel — der Stoff aus dem nahezu alles hergestellt werden konnte.

Und gebaut wurde neuerdings wieder recht viel — Krieg lag in der Luft.

„Goddverdammich!“

„Ist ja gut Willin. Haben jetzt ja alle gehört …“

Mit zufriedener Mine strich Sebolt seinen Gewinn ein. Er hatte heute wirklich Glück und er konnte sich einen kleinen Seitenhieb nicht verkneifen.

„Pech im Spiel, Glück in der Liebe …“

Kai, Jobst und die Schankmagd brachen in schallendes Gelächter aus.

„Wer den Schaden hat, muss für den Spott …“, Willin war zerknirscht und sauer.

„Ist kein Grund gleich unter die Gürtellinie zu schlagen. Ich werd´s euch noch heimzahlen.“

Er stand abrupt auf und sein Stuhl fiel um. Leicht schwankend ging er in Richtung des Ausgangs und verließ das Schankhaus.

„Glück in der Liebe …“

Kai gluckste noch immer in sich hinein.

„Der doch nie. So wie der aussieht? Trägt die Kleidung bis sie abfällt … Man riecht ihn zehn Schritt gegen den Wind …“

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