In dieser Geschichte geht es um den relativ unbekannten aber dennoch ziemlich verbreiteten Luftballonfetisch. Wer sich darunter nichts vorstellen kann und offen für Neues ist, sollte vielleicht mal reinlesen.

Das Sommerfest.

Als Tobias die Tür zum Parkplatz öffnete, schlug ihm drückend heiße Luft entgegen. Es war August und seit etwa zwei Wochen lag die tägliche Höchsttemperatur jenseits von 35 °C. Normalerweise würde er noch ein Überstunden in seinem klimatisierten Büro einlegen, um der ärgsten Hitze zu entgehen. Aber da an diesem Freitag das alljährliche Sommerfest stattfinden sollte, war das keine Option für ihn.

Bereits am Vormittag hatte es ein Mal laut geknallt und als er in der Mittagspause einen Blick in den Hinterhof wagte, bestätigte sich seine Vermutung. Von der Marketingabteilung waren Biertische und Bänke aufgestellt worden und den Firmenfarben entsprechend hingen überall große rote und blaue Luftballons herum. Lisa, die neue Mitarbeiterin der Marketingabteilung, war gerade damit beschäftigt, einen ziemlich prall aufgeblasenen Ballon zu verknoten. Sie war echt süß und er hatte sich schon mehrmals überlegt, wie er sie ansprechen sollte. Mehr als zu einem knappen „Hallo“, wenn sie sich zufällig auf dem Gang begegnet waren, hatte es bisher aber nie gereicht. Und das war definitiv der falsche Moment gewesen, um sie in ein Gespräch zu verwickeln. Im Beisein des Ballons hätte er keinen vernünftigen Satz zustande gebracht. Als der Ballon verknotet war, blickte sie hoch und sah ihn am Fenster stehen. Ein freundliches Lächeln erhellte ihr Gesicht und sie winkte ihm zu. Er winkte kurz zurück und verzog sich wieder in sein Büro.

Im Laufe des Nachmittags waren noch mehrere Ballons geplatzt. Tobias schreckte jedesmal von der Arbeit hoch und war froh, dass er nicht die Dekoarbeiten der Marketingabteilung übernehmen musste. Ein weiterer Knall hallte durch den Gang und Tobias schloss rasch die Tür hinter sich.

Mit schnellen Schritten hastete er über den Parkplatz und hoffte, dass er sein Auto erreichen würde, bevor der glühend heiße Asphalt eine Verbindung mit seinen Schuhsohlen einging. Kurz vor dem Ziel rief jemand seinen Namen.

Er drehte sich um und sah Lisa von der Marketingabteilung. „Tobi! Tobi! Kannst du mich bitte mitnehmen?“, rief sie während sie auf ihn zurannte. Ihr luftiges gelbes Sommerkleid flatterte im warmen Wind und in der rechten Hand hielt sie eine Papiertragetasche mit dem Firmenlogo. Bei Tobi angekommen wischte sie sich eine Strähne ihrer blonden Haare aus dem Gesicht und strahlte ihn mit einem freundlichen Lächeln an. „Hallo Tobi! Mein Auto ist kaputt und du fährst ja in dieselbe Richtung, oder? Ich mag bei dieser Hitze nicht mit dem Bus fahren“, sprudelte es aus ihr heraus.

Tobias war einen Moment sprachlos und starrte sie mit offenem Mund an.

„Tobi? Alles in Ordnung?“, fragte sie.

„Äh… ja… alles klar. Natürlich nehme ich dich mit“, antwortete er und öffnete die Beifahrertür. „Spring rein.“

„Super, das ist nett von dir“, meinte sie und nahm schwungvoll auf dem Beifahrersitz Platz. Dabei entglitt ihr die Tragetasche und der Inhalt verteilte sich über die Mittelkonsole und den Fahrersitz. Tobias, der sich soeben hinter das Lenkrad setzen wollte, machte große Augen. Der Fahrersitz war bedeckt mit roten und blauen Luftballons. „Oh, sorry. Wie ungeschickt von mir“, sagte Lisa und stopfte die Ballons hastig in die Tasche zurück.

„Was hast du denn mit den vielen Ballons vor“, fragte Tobias erschrocken. Er hatte schon seit seiner Kindheit eine eher angespannte Beziehung zu Luftballons. Genau genommen hatte er regelrecht Angst vor ihnen. Zwar fürchtete er sich auch vor anderen lauten Geräuschen, so zum Beispiel vor Böllern oder dem Silvesterfeuerwerk, am schlimmsten jedoch waren Luftballons. So gut es ging versuchte er, ihnen aus dem Weg zu gehen. Leider waren sie aber fast allgegenwärtig. Kein Fest und keine Party kam ohne Luftballons aus, und auch im Einkaufszentrum war er vor ihnen nicht sicher. Sogar die leeren Ballonhüllen, die Lisa in seinem Auto verteilt hatte, bereiteten ihm ein mulmiges Gefühl in der Magengegend.

Lisa wurde rot im Gesicht. Daran war aber nur zum Teil die unerträgliche Hitze im Auto schuld. „Ähm… du weisst ja, ich arbeite in der Marketingabteilung“, stotterte sie, „und beim Dekorieren für das Sommerfest hatten wir einige Ballons zu viel… und da habe ich sie in die Tüte gepackt und mitgenommen. Du erzählst aber bitte niemandem davon, in Ordnung?“

„Ich sage nichts, ganz fest versprochen“, antwortete Tobias während er das Auto startete und die Klimaanlage auf das Maximum drehte. Er wusste, dass rigorose Strafen drohten, wenn von den Mitarbeitern Firmenmaterial entwendet wurde. Im schlimmsten Falle wäre das sogar ein Kündigungsgrund.

„Danke, das ist lieb von dir“, meinte Lisa erleichtert. Sie hatte die Tüte mit den Ballons zwischen ihre Beine geklemmt. Ihr Kleid war dabei ein paar Zentimeter über das linke Knie gerutscht. „Weisst du“, sagte sie, „ich kann Luftballons einfach nicht widerstehen. Wenn ich welche sehe, muss ich sie haben.“

„Ja, klar“, antwortete Tobias, blickte zur Seite und nickte verstehend, obwohl er keinen blassen Schimmer hatte, was sie damit meinte. Seine Augen blieben kurz an Lisas entblößtem Knie hängen und wanderten weiter zur Tüte mit den Ballons.

„He, die Augen auf die Straße!“, sagte Lisa lachend. „Hast du gerade mich oder die Luftballons angestarrt?“

„Die Luftballons“, antwortete Tobias. „Und dich auch ein bisschen.“

„Die Ballons bekommst du aber nicht“, meinte Lisa und zwinkerte ihm zu.

Während die Klimaanlage ihre Arbeit verrichtete und die Temperatur im Auto langsam auf ein erträgliches Maß reduzierte, dachte er über Lisas letzten Satz nach. Hatte sie das einfach so dahingesagt oder steckte mehr dahinter?

Ein lautes „Pffffffft“ riss ihn aus seinen Gedanken. Er blickte zur Seite und sein Herz machte einen Sprung. Lisa hatte einen roten Ballon zwischen ihren Lippen und blies kräftig hinein „Ist der nicht schön?“, fragte sie und hielt ihn in die Höhe.

Tobias jagte ein kalter Schauer über den Rücken. Er umklammerte das Lenkrad so fest, dass seine Fingerknöchel weiß wurden und überlegte fieberhaft, wie er die Situation entschärfen könnte. Er konnte Lisa doch nicht sagen, dass er Angst vor Ballons hatte. Also versuchte er sie in ein Gespräch zu verwickeln, ganz in der Hoffnung, dass sie den Ballon nicht weiter aufblasen würde. „Warum gehst du eigentlich nicht zum Sommerfest?“, fragte er schließlich.

„Ach, weisst du,“ sagte sie, „normalerweise würde ich ja gerne hingehen. Vor allem, weil wir alles so schön mit diesen tollen Ballons dekoriert haben. Aber wie du weißt, arbeite ich ja noch nicht so lange hier und kenne fast niemanden. Und meine Kollegen aus der Marketingabteilung sind alle irgendwie… merkwürdig.“ Sie nahm neuerlich das Mundstück zwischen die Lippen und pustete gedankenverloren hinein. „Ich hab’s!“, rief sie plötzlich. „Warum gehen wir nicht gemeinsam hin? Natürlich nur, wenn deine nichts dagegen hat.“ Sie sah ihn erwartungsvoll von der Seite an.

Tobias starrte auf die Fahrbahn und dachte an das Sommerfest und die Ballons, die wie kleine Bomben herum hingen und nur darauf warteten, geplatzt zu werden.

„Tut mir leid“, sagte er schließlich. „Die wäre nicht das Problem. Da gibt es im Moment nämlich keine. Aber dieses Wochenende ist meine zu Besuch.“ In dem Moment, als er den Satz ausgesprochen hatte, bereute er ihn auch schon wieder. Das war wohl die blödeste Ausrede, die ihm hätte einfallen können. Und als er Lisas enttäuschtes Gesicht sah, hätte er sich am liebsten in den Hintern gebissen.

„Oh, das ist aber schade“, meinte sie und fing an, den Luftballon weiter aufzublasen.

„Wir könnten ja nächste Woche etwas zusammen unternehmen?“, fragte Tobias schnell.

„Klar“, antwortete Lisa kurz angebunden und pustete jetzt kräftiger in den Ballon. Dieser war inzwischen stattlich angewachsen und sie erweckte nicht den Anschein, als würde sie so bald mit dem Aufblasen aufhören. Nach einigen weiteren Atemzügen war er so groß, dass er das Armaturenbrett berührte. Bei jeder Bodenwelle prallte er dagegen und es ertönte ein hohles „Plong“.

Tobias war wie gelähmt vor Angst. Obwohl er stur geradeaus auf die Straße blickte, schob sich der riesige rote Ballon immer weiter in sein Blickfeld. Jeden Moment würde es ohrenbetäubend laut knallen. Gerne hätte er sich die Finger in die Ohren gesteckt. Dazu hätte er aber das Lenkrad loslassen müssen und das war wohl keine so gute Idee. Obwohl es im Auto inzwischen angenehm kühl war, hatten sich Schweißperlen auf seiner Stirn gebildet und ihm war flau im Magen.

„Stopp“, sagte Lisa plötzlich. „Da vorne kannst du mich rauslassen.“ Geräuschvoll ließ sie die Luft aus dem Ballon entweichen.

Tobias fiel ein Stein vom Herzen und er hielt das Auto am Straßenrand an. Hätte es noch ein wenig länger gedauert, wäre er wahrscheinlich in Ohnmacht gefallen und in den Gegenverkehr gerast.

„Tschüß Tobi. Danke, dass du mich mitgenommen hast“, sagte sie, öffnete die Tür und heiße Luft schwappte ins Auto. Sie nahm die Tüte mit den Ballons und bevor er etwas erwidern konnte, hatte sie die Tür auch schon wieder zugeworfen.

Verschwitzt und aufgewühlt hielt Tobias das Lenkrad fest und ohne sich nochmals umzudrehen ging Lisa über die Straße und verschwand im nächsten Hauseingang. Er saß noch einige Minuten einfach so da und konnte es nicht fassen. Er hatte die Chance gehabt, mit dieser wunderschönen jungen Frau auf das Sommerfest zu gehen und er vermasselte es wegen ein paar blöder Luftballons.

Als er den Gang einlegte, blickte er auf den Beifahrersitz. Dort lag der leere Ballon, den Lisa aufgeblasen hatte. Er war völlig überdehnt und durch das dünne Latex konnte Tobias die Feuchtigkeit erkennen, die aus ihrer Atemluft stammte. Daheim angekommen nahm er ihn vom Beifahrersitz und öffnete die vor dem Haus stehende Mülltonne. Nach kurzem Zögern ließ er den Deckel der Tonne wieder zufallen. Aus irgendeinem Grund konnte er den Ballon nicht wegwerfen. Also nahm er ihn mit nach oben und auf dem Weg ins Badezimmer legte er ihn auf seinen Schreibtisch.

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Nachdem er geduscht hatte machte er es sich auf der Couch im Wohnzimmer gemütlich. Es war kurz vor 18 Uhr und die Sonne glühte noch immer unbarmherzig vom Himmel. In den eigenen vier Wänden war es angenehm kühl und er schaltete Fernseher ein. Das Erlebnis mit Lisa ging ihm nicht mehr aus dem Kopf und so zappte er gedankenverloren durch die Programme, bis er irgendwann einschlief.

Das Klingeln des Telefons beendete unsanft sein Nickerchen. Tobias blinzelte verschlafen und bemerkte, dass es inzwischen dunkel geworden war. Die Nummer auf dem Display kannte er nicht und obwohl er vermutete, dass es sich wieder nur um eine der unzähligen überflüssigen Telefonumfragen handeln würde, hob er ab.

„Hallo Tobi!“, tönte es aus dem Telefon und als er Lisas Stimme erkannte, war er plötzlich putzmunter. Ich wollte mich nur wegen früher bei dir entschuldigen“, sagte sie.

„Hi Lisa! Woher hast du meine Nummer?“, fragte er. „Und wofür willst du dich entschuldigen?“

„Deine Telefonnummer habe ich aus dem Firmentelefonbuch. Und entschuldigen möchte ich mich dafür, dass ich einfach so abgerauscht bin ohne mich richtig zu verabschieden“, antwortete Lisa. „Aber ich war so enttäuscht, dass du nicht mit mir zum Sommerfest gehst“.

„Ach so, das Firmentelefonbuch.“ Tobias und musste grinsen, denn er wusste, dass man nur vom Büro aus auf das Firmentelefonbuch zugreifen konnte. Sie musste seine Nummer schon bevor er sie mitgenommen hatte herausgesucht haben. „Aber eigentlich sollte ich mich bei dir entschuldigen. Ich war es ja, der dir einen Korb gegeben hat“, meinte er, ohne weiter auf die Sache mit seiner Telefonnummer einzugehen.

„Du kannst nichts dafür. Diesen Abend hattest du doch schon mit deiner verplant“, antwortete Lisa.

„Ähm…“, meinte Tobias und räusperte sich. „Meine Cousine kommt nicht zu Besuch.“

„Aber das ist ja toll“, freute sich Lisa. „Also können wir doch noch zum Sommerfest gehen?“

Tobias dachte sofort an die vielen Ballons und musste schlucken. „Nein, das geht nicht“, sagte er schließlich. „Ich… Ich kann es dir nicht so einfach erklären“, stotterte er. „Jedenfalls nicht am Telefon.“

„Na gut“, antwortete Lisa. „Ich verstehe zwar nicht, wo das Problem liegt, aber wenn du es mir erklären willst, kannst du gerne bei mir vorbeikommen. Du weißt ja wo ich wohne.“

„In Ordnung“, sagte Tobias. „Dann bin ich in einer halben Stunde bei dir. Und lach mich bitte nicht aus.“

„Werde ich bestimmt nicht“, antwortete sie und legte auf.

Tobias machte sich fertig und beim Verlassen der Wohnung fiel sein Blick auf den Ballon, der auf dem Kästchen im Vorraum lag. Sofort schlug sein Herz ein wenig schneller und er hoffte, dass die Tüte mit den Luftballons bereits in einer Schublade verstaut war und er sie nie mehr zu Gesicht bekam.

Kurz darauf war er auch schon unterwegs. Während der Fahrt überlegte er, was er Lisa sagen sollte. Er entschied sich dafür, ihr die ganze Wahrheit zu erzählen. Glücklicherweise fand er direkt vor dem Haus einen Parkplatz. Er läutete und kurz darauf summte auch schon der Türöffner. Mit schnellen Schritten ging er die Treppe hoch in den dritten Stock, wo Lisa bereits auf ihn wartete.

„Hi“, sagte sie und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Sie trug eine bequeme Jogginghose und ein weites T-Shirt. Darunter blitzte ein pinker BH durch. Ihr Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.

„Wow, du siehst toll aus“, sagte Tobias.

„Danke“, meinte Lisa und musste lachen. „Komm rein und mach es dir im Wohnzimmer gemütlich. Ich hole nur etwas zu trinken und bin gleich bei dir“.

Tobias ging durch die Wohnung und sah sich um. Zu seinem Bedauern entdeckte er auf dem Küchentisch die Tüte. Daneben lagen die Überreste eines geplatzten Ballons. Es hatte ihn in hunderte kleine Teile zerfetzt, die jetzt den Tisch und den Boden bedeckten. Tobias wollte sich gar nicht vorstellen, was Lisa mit dem Ballon angestellt hatte.

„Oh. Sorry“, sagte sie. „Ich habe vergessen die Schnipsel des Ballons wegzuräumen. Meine Neugierde ist mit mir durchgegangen und ich wollte wissen, wie groß diese Ballons tatsächlich werden. Und ich kann dir sagen, er wurde wirklich riesig und es hat ordentlich geknallt.“

Tobias Knie wurde weich und er überlegte, ob es wirklich eine gute Idee war hierher zu kommen. Jetzt entdeckte er auch noch eine Menge weiterer Ballons. Auf der Anrichte in der Küche lagen welche in einer großen Schale, einige entdeckte er in einer Glasvitrine und auch im Regal, das eine Trennwand zum Wohnzimmer bildete, waren etliche verstaut. Ballons in allen Größen, Farben und Formen warteten darauf, von Lisa aufgeblasen zu werden. „Ziemlich viele Luftballons hast du da“, meinte er unsicher.

„Ich habe dir ja gesagt, dass ich auf Luftballons stehe“, antwortete Lisa und stellte die Gläser auf den Wohnzimmertisch. „Aber jetzt erzähl mir mal, was es mit deiner Cousine auf sich hat und warum du nicht mit mir zum Sommerfest gehen willst oder kannst?“

„Also…“, meinte Tobias und holte tief Luft, „das mit dem Besuch von meiner Cousine war nur erfunden.“

„Das dachte ich mir schon“, antwortete Lisa und musste lachen.

„Weißt du… ich… ähm…“, stotterte Tobias, „ich würde irrsinnig gerne mit dir zum Sommerfest gehen. Wenn da nur nicht diese vielen Ballons wären.“

„Was ist mit den Ballons? Magst du sie nicht?“, fragte sie verwundert.

„Ganz ehrlich? Ich hasse sie. Schon seit meiner Kindheit fürchte ich mich vor Luftballons. Ich kann es nicht ausstehen, wenn jemand in meiner Nähe einen aufbläst.“

Lisa sah Tobias mit großen Augen an. „Du Blödmann“, sagte sie sanft und gab ihm einen Kuß auf die Stirn. „Warum hast du das denn nicht gleich gesagt? Und ich blöde Kuh mache auch noch fast einen Blow to Pop bei dir im Auto. Das muss ja die Hölle für dich gewesen sein?“

Der Begriff „Blow to Pop“ war neu für Tobias. Er hatte aber eine ungefähre Ahnung, was Lisa damit meinte. „Ja, das war ziemlich schlimm. Um ein Haar hätte ich auf das Lenkrad gekotzt. Aber ich wollte nichts sagen, da du mich dann wahrscheinlich für bescheuert gehalten hättest.“

„Männer und ihr Ego“, meinte Lisa und drehte die Augen über. Weißt du eigentlich, dass es vielen Menschen so geht? Das nennt man Ligyrophobie oder einfacher gesagt Knallangst. Und du wirst es vielleicht nicht glauben, aber ich bin auch davon betroffen. Seit ich denken kann, fürchte ich mich vor plötzlichen lauten Geräuschen. Ich konnte lange Zeit nicht einmal eine Sektflasche öffnen.“

„Du hast deine Angst aber gut in den Griff bekommen“, sagte Tobias und sah hinüber zum Küchentisch und den Resten des Ballons.

„Die Angst ist noch immer da. Aber schon vor einiger Zeit habe ich mich ihr gestellt und sie in den Griff bekommen. Luftballons sind inzwischen ein Teil meines Lebens geworden. Denn wenn du es richtig anstellst ist diese Angst kein Fluch sondern ein Geschenk.“

„Wie meinst du das?“, fragte Tobias erstaunt, der keine positiven Aspekte an seiner soeben diagnostizierten Knallangst finden konnte.

„Wenn du magst“, sagte Lisa, „kann ich es dir zeigen. Natürlich geht das nicht von heute auf morgen, aber wenn du dir Zeit nimmst, könntest du es schaffen und deine Angst ebenfalls überwinden.“

Tobias sah Lisa skeptisch an. „Ich kann mir nicht vorstellen, wie das funktionieren sollte.“

„Vertrau mir“, antwortete sie. „Wir könnten mit der ersten Lektion deiner Ballontherapie sofort loslegen.“

„Hmmmmm…“, machte Tobias und überlegte. „In Ordnung, versuchen wir es. Aber wenn es zu viel wird, brechen wir sofort ab!“

„Natürlich. Ich werde dich zu nichts zwingen.“

„Na gut“, sagte er. „Legen wir los.“

Lisa ging in die Küche und holte die Tüte, die er nur allzu gut kannte. „Meine neuen Freunde kennst du ja bereits?“

Tobias Körper versteifte sich und sein Herz schlug schneller. „Ja, das Vergnügen hatte ich schon“, antwortete er skeptisch.

„Entspann dich“, sagte sie beruhigend. „Wir beginnen nun mit Lektion Nummer eins. Du musst dem Feind ins Auge sehen und ihn kennen lernen, nur so kannst du ihn besiegen. Nimm einen Ballon aus der Tüte.“

Vorsichtig nahm Tobias einen blauen Ballon. Lisa wählte einen roten.

„Siehst du, der tut nichts“, sagte sie augenzwinkernd. „Und jetzt mach es so wie ich. Dehne ihn der Länge nach, ziehe ihn in die Breite und rieche den Duft, den das Latex verströmt.“

Tobias tat wie befohlen, dehnte den Ballon in alle Richtungen, hielt ihn vor die Nase und schnupperte daran.

„Sehr gut“, meinte Lisa. Und jetzt blasen wir die Ballons ein wenig auf. Wirklich nur ein ganz kleines bisschen. Du musst keine Angst haben.“ Sie nahm das Mundstück des Ballons zwischen die Lippen und erweckte ihn mit zwei kräftigen Atemzügen zum Leben

Tobias holte tief Luft und machte es ihr nach. „Gar nicht so schlimm“, sagte er, nachdem er ebenfalls zweimal hineingeblasen hatte.

„Super“, lobte Lisa ihn. „Und jetzt zubinden.“

Tobias beobachtete Lisa und nach anfänglichen Schwierigkeiten schaffte auch er einen Knoten.

„Jetzt knete ihn ein wenig und fühle, wie er sich zwischen deinen Händen verhält. Du wirst merken, dass er sehr stabil ist. Das Latex ist zwar sehr dünn, aber es hält trotzdem verdammt viel aus. Du kannst dich sogar draufsetzen oder… ähm… andere Sachen darauf machen, ohne dass er platzt“, sagte sie und grinste. „Aber dazu kommen wir noch. Leg ihn zur Seite und nimm einen neuen. Diesmal blasen wir viermal hinein.“

Tobias war nun schon etwas mutiger und gleichzeitig mit Lisa pustete er in den Ballon, wobei der von Lisa ein wenig größer als seiner wurde.

„Das macht die langjährige Übung“, meinte sie.

Nachdem sie auch diese Ballons verknotet und eingehend getestet hatten, griff sich Lisa den nächsten. „ Nimm noch einen. Diesmal werden wir acht Mal hineinblasen.“

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