Kapitel 20 – Der Widersacher

Vera und ich kuscheln uns ins Bett. Wir tauschen noch Zärtlichkeiten aus. Dabei wird sie immer schläfriger und während ich verträumt ihren Rücken streichle, fallen ihr die Augen zu, sie brummt noch wohlig etwas Unverständliches und taucht dann ab in das Reich der Träume.

Als ich am frühen Morgen erwache, schläft Vera noch tief und fest. Ich beobachte sie eine Zeitlang und genieße diesen ganz besonderen und intimen Einblick in ihr Wesen. Sie sieht so unschuldig und zerbrechlich aus, wie sie ins Bett gekuschelt daliegt. Ich bin heute schon früh wach und schäle mich nach einiger Zeit aus dem Bett. Eine innere Unruhe treibt mich an. Ich kann sie mir nicht erklären, aber sie ist da.

Da die Sonne gerade beim Aufgehen ist und sich hinter den Bergen in den Himmel schiebt, stelle ich mich ans Fenster und blicke verträumt über den See. Die ersten Sonnenstrahlen des Morgens verleihen dem See eine ganz eigene, fast magische Stimmung. Die leicht gekräuselte Oberfläche schimmert silbern. Dieses Bild hat etwas Zeitloses an sich. Vermutlich war der Anblick des Sees schon seit Ewigkeiten so, wenn die Sonne im richtigen Winkel stand. Trotz der nüchternen Betrachtung umgibt das Ganze eine ungewohnte Wärme. Für mich ist aber auch die völlige Ruhe, die mich in diesem Augenblick umgibt, so einmalig. Sie macht sich allmählich auch in mir breit und besänftigt meine Unruhe.

Während ich meinen Blick noch verträumt über den See schweifen lasse, fällt mir ein kleines Ruderboot auf, das sich in der Nähe der Insel befindet. Soweit ich das mit freiem Auge erkennen kann, sind zwei Personen an Bord. Das kommt mir ausgesprochen verdächtig vor. Was haben die beiden dort zu suchen? Untertags tummeln sich auf dem See eine Vielzahl von Booten und Surfern. Doch um diese Zeit ist normalerweise niemand auf dem Wasser.

Ich laufe in den Eingangsbereich und hole ein Fernglas, das ich dort zufällig entdeckt habe, als ich das Haus zum ersten Mal inspiziert habe. Ich finde es Gott sei Dank auf Anhieb und eile zurück ins Zimmer.

Das Boot ist noch da und ich kann nun mit dem Fernglas die zwei Männer genau ausmachen. Einer davon scheint Franz Lukas zu sein, beim anderen dürfte es sich meiner Einschätzung nach, um sein Werner handeln. Doch sicher bin ich mir nicht. Dazu ist die Distanz doch zu groß. Bevor ich unnötig Panik verbreite, will ich mich vergewissern. Ich wecke Vera.

„Guten Morgen, mein Schatz. Entschuldige, dass ich dich aus dem Schlaf reiße. Könntest du dir bitte etwas anschauen?“, frage ich.

„Was ist denn?“, brummt Vera verschlafen.

„Bitte, schnell!“, dränge ich.

„Was ist denn?“, antwortet sie leicht genervt.

„Na komm schon, du Morgenmuffel“, treibe ich sie weiter an.

„Schon gut, schon gut!“, antwortet sie. „So kenne ich dich gar nicht.“

Vera krabbelt aus dem Bett. Sie muss erst richtig wach werden. Ich würde ihr ja gerne die Ruhe dazu lassen. Doch dafür fehlen mir sowohl die Zeit als auch die Geduld. Ich ziehe sie an der Hand zum Fenster und drücke ihr das Fernglas in die Hand.

„Schau mal dort drüben. Siehst du das Boot? Erkennst du die Männer?“, frage ich.

Vera nimmt das Fernrohr, hält es ans Auge und sucht herum. Sie scheint nicht sofort die Orientierung zu finden. Plötzlich erstarrt sie förmlich und wird kreidebleich.

„Das sind Werner und sein Cousin!“, bringt sie hervor.

Ich höre deutlich, dass Angst in ihrer Stimme mitschwingt. Ich drücke sie fest an mich und versuche sie zu beruhigen. Vera zittert am ganzen Körper.

„Hier sind wir erstmal sicher. Die Entscheidung nicht auf die Insel zu gehen war richtig. Er wird nur ein leerstehendes Haus vorfinden“, denke ich laut nach.

„Er wird keine Ruhe geben. Dieses verdammte Arschloch! Ich gehe davon aus, dass er sich weiterhin an dir rächen will. Ob er so clever ist, zu verstehen, dass du auch hinter unserem Verschwinden steckst, kann ich nicht sagen. Er hat eine gewisse Bauernschläue und ist stur wie ein Ochse, doch der Hellste ist er nicht“, meint Vera.

Sie scheint sich einigermaßen gefangen zu haben. Ihre Stimme klingt wieder entschlossen und die Farbe ist in ihr Gesicht zurückgekehrt. Trotzdem bleibt sie besorgt.

„Wir brauchen definitiv einen Plan“, sage ich. „Wir warten ab, bis sie wieder zum Ufer zurückrudern. Sobald sie außer Sichtweiter sind, kehren wir ins Hotel zurück. Dort ist es sicherer. Er hat echt schnell herausgefunden, dass das Haus auf der Insel zum Hotel gehört, sonst wäre er nicht in aller Herrgottsfrüh dorthin unterwegs. Er hat mit Sicherheit Nachforschungen angestellt und ich fürchte, er wird auch herausfindet, dass dieses Haus ebenfalls mir gehört. Ausschließen können wir das nicht.“

Wir beobachten die beiden Männer. Sie gehen an Land und erforschen die Insel. Sie rütteln an den Fensterläden, diese sind aber alle geschlossen. Das Haus sieht verlassen aus. Doch so schnell geben sie offenbar nicht auf. Sie halten sich lange Zeit auf der Insel auf. Den beiden scheint egal zu sein, ob sie dabei beobachtet werden.

Sehr intelligent dürften sie echt nicht sein, denn es ist kein Boot am Steg festgemacht. Ein Bootshaus, in dem es sich befinden könnte, gibt es auch nicht. Deshalb wäre eigentlich logisch, dass niemand auf der Insel sein kann. Auf die Idee, dass es einen Geheimgang gibt, kann er beim besten Willen nicht kommen.

Nach etwa einer Dreiviertelstunde geben sie auf. Wir beobachten, wie sie wieder zurück ins Boot steigen und sich abstoßen. Ausgesprochen langsam rudern sie ans Ufer zurück. Sie scheinen etwas außer Training zu sein, denke ich spöttisch. Die Rückfahrt dauert nervenzehrend lange.

„Was machen wir jetzt?“, erkundigt sich Vera.

„Wir frühstücken in aller Ruhe und machen uns zusammen mit deiner auf den Rückweg“, antworte ich. „Wir sollten deine nicht beunruhigen.“

„Du willst ihr nichts sagen?“, erkundigt sie sich überrascht.

„Sagen müssen wir es ihr schon. Sie hat ein Recht darauf zu wissen, was läuft. Aber wir müssen sie nicht aus dem Schlaf reißen. Das steht sich nicht dafür“, erkläre ich.

„Aber mich, mich hast du sehr wohl aus dem Schlaf gerissen“, beklagt sie sich.

„Ich habe dich gebraucht. Ich war mir nicht ganz sicher, ob es tatsächlich die beiden sind. Vier Augen sehen mehr, als nur zwei“, sage ich entschuldigend.

Vera gibt mir einen sanften Kuss. Dann schaut sie mir verliebt in die Augen. Ihr Blick ist eindringlich.

„Ist schon gut. Ich bin froh, dass du so aufmerksam bist und auf uns Acht gibst“, sagt sie.

Wir ziehen uns an und machen uns auf den Weg in die Küche und bereiten das Frühstück vor. Wir warten, bis Veras Mutter von alleine wach wird. Als Vera dabei vor das Haus gehen will, halte ich sie zurück.

„Wir sollten besser im Haus bleiben“, warne ich sie. „Sicher ist sicher.“

„Du hast Recht, entschuldige“, zeigt sie Verständnis für meine Vorsicht.

Während des Frühstücks erzählen wir Susanne von unserer Beobachtung und von meinem Plan, ins Haupthaus zu übersiedeln. Sie reagiert äußerlich recht gelassen, doch aus ihrem Gesicht weicht allmählich die Farbe, je mehr wir ihr erzählen. Ihre Augen wandern hektisch zwischen Vera und mir hin und her. Manchmal gehen sie auch zum Fenster.

„Hast du genügend Platz für uns beide in deiner Wohnung?“, erkundigt sich Susanne.

„Ich muss auf der Couch schlafen und überlasse Euch das Schlafzimmer“, biete ich an.

„Ich kann auch auf der Couch schlafen und ihr bleibt im Schlafzimmer“, kontert Veras Mutter.

„Aber ….“, will ich einen Einwand machen. Susanne unterbricht mich jedoch sofort.

„Ich habe verstanden, dass Ihr ein seid und ich versuche deshalb Rücksicht zu nehmen. So alt bin ich auch wieder nicht, dass ich nicht mehr im Wohnzimmer schlafen könnte“, weist sie mich zurecht.

Vera umarmt ihre Mutter und drückt sie an sich. Mir wirft sie einen glücklichen Blick zu.

„Danke! Das bedeutet mir sehr viel, dass du meine Beziehung zu Tom akzeptierst“, sagt sie.

„Darf ich Euch unterbrechen“, werfe ich ein. „Ich werde trotz allem unten schlafen. Wenn jemand einbrechen will, dann bin ich an Ort und Stelle. Ihr hingegen seid im Schlafzimmer sichererer.“

„Ah, das ist auch wieder wahr“, überlegt Vera. „Du hast Recht.“

Wir räumen nach dem Frühstück auf und ich kontrolliere, ob die beiden außer Sicht sind. Dann packen wir schnell zusammen, sperren ab und machen uns auf den Weg zum Geheimgang. Wir sind gerade hinter der Hecken verschwunden, da steigt jemand die Treppe herab. Bei genauerem Hinsehen erkenne ich Franz und Werner Lukas. Keine Sekunde zu früh verschwinden wir im Geheimgang und sperren die Tür hinter uns ab.

„Hast du die beiden gesehen?“, flüstere ich Vera zu.

„Wen?“

„Franz und Werner Lukas.“

„Wo?“

„Wir waren bereits hinter der Hecken verschwunden, da habe ich gesehen, wie sich oben auf der Treppe etwas bewegt. Bei genauerem Hinsehen habe ich die beiden erkannt. Sie sind uns ganz schön dicht auf den Fersen“, verrate ich ihr.

„Diese Schweine!“, meint Vera. „Du bist Hellseher.“

„Nein, ich bin nur vorsichtig“, wiegle ich ab.

„Wir müssen unbedingt etwas gegen die beiden unternehmen. Wir müssen sie loswerden“, antwortet Vera entschlossen.

Wir gehen über den Geheimgang hinauf in meine Wohnung. Susanne schaut sich aufmerksam um.

„Schön hast du es hier“, stellt sie fest.

„Das hat mein so eingerichtet. Ich bin noch nicht lange hier“, gestehe ich.

„Können wir auf die Terrasse?“, erkundigt sich Vera.

„Da oben kann Euch keiner sehen, wenn Ihr nicht zu nahe an den Rand geht. Ich will Euch schließlich nicht einsperren.“

„Danke, danke für alles, was du für uns tust“, meint Vera. Dann stellt sie sich vor mich hin, schaut mir verliebt in die Augen, reckt sich auf die Zehenspitzen, legt ganz langsam die Arme um meinen Hals und strahlt mich an. Erst nach einiger Zeit nähert sie sich mit ihren Lippen den meinen und wir tauchen ein in einen sinnlichen Kuss.

Vera unterbricht den Kuss als sie sieht, wie ihre Mutter neben uns steht und nicht weiß, was sie tun soll. Sie will uns offenbar nicht unterbrechen, weiß aber nicht, wie sie sich in einer solchen Situation verhalten soll.

„Komm Mutter, ich zeige dir alles“, bietet sich Vera an.

Ich hingegen schreibe Pia eine Nachricht, dass wir uns bei mir treffen müssen. Wenig später klopft es an der Tür und ich öffne.

„Was ist los?“, erkundigt sie sich.

„Franz und Werner Lukas sind zurück“, eröffne ich ihr.

„Bist du sicher?“

„Wir haben sie gesehen. Daran besteht kein Zweifel.“

„Wo habt Ihr sie gesehen?“

„Zuerst haben sie heute Früh die Insel unter die Lupe genommen und dann sind sie in die Bucht heruntergestiegen.“

„Haben sie Euch gesehen?“

„Nein, wir waren bereits auf dem Rückzug und gut versteckt hinter dem Gestrüpp, als sie oben auf der Leiter aufgetaucht sind. Vera und ihre Mutter waren bereits in der Felsspalte verschwunden und ich bin ihnen sicher nicht aufgefallen. Auf der Leiter muss man schauen, dass man nicht abstürzt. Ich bin sicher, die haben uns nicht entdeckt. Aber sie sind uns auf den Fersen. Wir hatten echt Glück. Wären sie mit dem Boot direkt über den See zur Bucht gekommen, wäre eine Begegnung unausweichlich gewesen“, sage ich eindringlich.

„Ich rufe einen Privatdetektiv an, den ich kenne. Er soll die beiden im Auge behalten und herausfinden, was sie vorhaben“, bietet Pia an.

„Das wäre super“, bedanke ich mich.

„Was ist mit Euch?“

„Die Frauen werden in meiner Wohnung bleiben. Über die Geheimgänge kommen die Männer nicht herein, dazu sind die Türen zu massiv. Ich bezweifle, dass sie sie überhaupt finden. Durch das Hotel werden sie es hoffentlich nicht versuchen. Da gibt es zu viele Leute“, erkläre ich.

„Und du?“

„Wie meinst du das?“

„Dieser Lukas hat es in erster Linie auf dich abgesehen. Er kann sich denken, dass du etwas mit dem Verschwinden von Vera und ihrer Mutter zu tun hast. Aus diesem Grund – fürchte ich – bist du sein primäres Ziel. An dir will er sich zuerst rächen und er hofft sicher auch, von dir zu erfahren, wo die beiden Frauen sich aufhalten“, denkt sie laut.

„Ich kann gut auf mich aufpassen“, beschwichtige ich sie.

„Das will ich hoffen“, antwortet Pia. Sie ist sichtlich besorgt.

Kapitel 20 — Der Showdown

Es sind einige Tage vergangen, seit wir Franz und Werner Lukas entdeckt haben. Der von Pia engagierte Detektiv hat sie aufgespürt und überwacht sie. Sie scheinen das Hotel ausspionieren zu wollen, verhalten sich aber — dem Bericht des Detektivs zufolge — überraschend ruhig.

Ich bin die meiste Zeit in meiner Wohnung, um auf Vera und ihre Mutter aufzupassen. Je mehr Tage aber vergehen, umso öfter lasse ich sie allein und bin im Hotel tätig. Nur herumzusitzen und abzuwarten wird mir auf Dauer zu langweilig. Was ich aus den Berichten der Überwachung weiß, haben sich die beiden nie ins Hotel gewagt. Sie scheinen vorsichtig zu sein.

Eine Auswirkung hat die Sache aber doch. Vera und ich haben kaum noch Sex. Sie schläft bei ihrer Mutter und auch sonst ist diese immer in ihrer Nähe, so dass sich uns so gut wie keine Gelegenheit mehr bietet.

„Wollen wir uns wieder einmal in den Keller verziehen?“, flüstere ich Vera zu.

„Ich kann doch meine Mutter nicht alleine lassen“, wehrt sie ab.

Wir sind auf der Terrasse und ich warte auf Pia und ihren täglichen Bericht. Dies ist inzwischen zu einem Ritual geworden. Plötzlich meldet sich mein Handy. Als ich kontrolliere ist eine Nachricht von Pia drauf: „Komm sofort zum Personalparkplatz. Ich muss dir etwas zeigen.“

Es ist schon spät und draußen wird es allmählich dunkel. Ich verstehe nicht, was Pia um diese Zeit auf dem Personalparkplatz zu suchen hat. Doch wenn sie mir diese Nachricht schickt, wird sie sich schon etwas dabei gedacht haben und es sicher eilig haben. Ich zeige Vera die Nachricht, gebe ihr einen Kuss und mache mich auf den Weg.

Ich gehe schnellen Schrittes die Zufahrtstraße hinunter und biege auf den Parkplatz ein. Es ist fast dunkel und der Platz menschenleer. Ich kann auf den ersten Moment keine Menschenseele ausmachen. Ich schleiche durch die Reihen, kann aber niemand finden.

„Pia!“, rufe ich halblaut.

Ich bekomme keine Antwort. Die Sache kommt mir allmählich verdächtig vor. Warum bestellt sie mich hierher und dann ist keiner da. Ich mache noch eine letzte Runde und entdecke dabei ihren BMW. Ich gehe auf den Wagen zu und höre aus dem Inneren leise Geräusche. Was soll das denn? Ich versuche eine Tür zu öffnen. Sie ist verschlossen. Ich schaue ins Innere, kann aber nichts entdecken. Der Wagen scheint leer zu sein. Ich versuche mein Glück beim Kofferraumdeckel. Auch er ist abgeschlossen.

„Wen haben wir denn da?“, höre ich plötzlich.

Ich drehe mich um. Etwa fünf Meter von mir entfernt steht Werner Lukas, der mich mit einer Pistole bedroht. Daneben lehnt sein Cousin betont lässig an einem Baum und grinst mich hämisch an.

„Was ist hier los?“, frage ich entschlossen. Ich lasse mich von der Pistole nicht einschüchtern.

„Na, na, will der Herr den Mutigen spielen?“, verhöhnt mich Werner Lukas.

„Wo ist Pia?“, will ich wissen.

„Die kleine Schlampe ist an einem sicheren Ort. Sie ist ganz in der Nähe. Mit ihr werde ich mich später befassen. Wir haben schließlich immer noch eine Rechnung offen. Doch wie hat mein immer gesagt, erst die Arbeit, dann das Vergnügen“, antwortet er.

„Das wird ein Vergnügen. Und was für eines! Die kleine Hure ist ein echt steiler Zahn. Da werden wir noch viel Spaß damit haben“, ergänzt sein Cousin.

„Wo ist Pia?“, beharre ich.

„Gut verstaut und verschnürt im Kofferraum. Leider ist sie noch bekleidet, hätte gerne schon etwas daran genascht. Doch zuerst haben wir zwei etwas zu besprechen“, antwortet wieder Werner Lukas.

„Was wollen Sie?“

„Wo sind Vera und ihre Mutter. Die beiden Fotzen gehören mir!“, fährt er mich an.

„Ich habe keine Ahnung, wo sie sind“, antworte ich. Ich spiele bewusst auf Zeit und hoffe, dass mir etwas einfällt. „Außerdem bezweifle ich, dass die beiden Ihnen gehören. Sie sind freie Menschen.“

Meine Lage ist mehr als problematisch. Es steht zwei gegen einen und zudem ist eine Waffe auf mich gerichtet. Werner Lukas hält auch den nötigen Abstand, damit ich ihm die Waffe nicht aus der Hand schlagen oder entreißen kann. Er scheint vorsichtig geworden zu sein und wird mich diesmal nicht mehr unterschätzen.

„Sie wissen genau, wo die beiden sind. Es wäre besser für Sie, mir zu verraten, wo sie sich aufhalten“, knurrt er.

Werner Lukas ist eindeutig der Rädelsführer. Sein Cousin scheint nur der Mitläufer zu sein. Dennoch ist er nicht minder gefährlich. Ich kann die Entschlossenheit in seinen Augen sehen.

„Vera ist nach Deutschland gefahren. Ich habe sie selbst zum Bahnhof gebracht und gesehen, wie sie in den Zug gestiegen und losgefahren ist. Ihre Mutter hat nachts das Hotel verlassen und ist mit dem Taxi wegefahren. Mehr kann ich nicht sagen“, lüge ich.

„Es ist besser du sagst es sofort“, brüllt er mich an. „Entweder du verrätst es mir freiwillig oder wir werden es aus dir herausprügeln.“

„Ich kann nicht mehr sagen, als ich weiß. Da helfen auch keine Drohungen“, antworte ich gelassen.

„Franz, zeig´s ihm“, befiehlt Werner Lukas.

Sein Cousin schaut ihn etwas unsicher an und kommt nach einer auffordernden Kopfbewegung seines Kumpans, auf mich zu.

„Was soll ich denn tun?“, meint er unsicher.

„Fessle ihn an den Baum dort drüben“, weist ihn Werner Lukas an.

„Wenn jemand kommt?“

„Da kommt heute keiner mehr“, beschwichtigt Werner Lukas.

„Komm“, befiehlt mir Franz Lukas. Allerdings komme ich seinem Wunsch nicht nach.

„Mach schon!“, brummt Werner Lukas. „Ich möchte dir ungern ins Bein schießen müssen. Das tut so verdammt weh.“

Er fuchtelt ungeduldig mit der Pistole herum. Ich sehe den Hass in seinen Augen, er ist unberechenbar. Normal ist dieser Mensch auf jeden Fall nicht. Seine blutunterlaufenen Augen, sein stechender Blick und sein malender Kiefer lassen mich ernsthaft an seiner Zurechnungsfähigkeit zweifeln.

Ich gehe langsam in Richtung Baum. Franz Lukas holt von irgendwo her ein Seil hervor. Die beiden scheinen gut vorbereitet zu sein. Ich vermute, sie haben diesen Überfall schon länger geplant. Franz drängt mich mit dem Rücken zum Baumstamm und zerrt nervös meine Arme nach hinten. Dann fesselt er mich mit den Armen nach hinten um den Baum herum.

„Fessle auch sein Beine“, fordert sein Cousin. „Er soll uns nicht mehr entkommen.“

Auch diesen Befehl führt sein Mitläufer aus und fixiert mich damit am Baum. Ich hatte gehofft, dass ich gefesselt irgendwie die Gelegenheit bekomme, nach der Pistole zu treten und sie dabei hoffentlich weit wegschlagen zu können. Doch mit der Fesselung der Beine, ist mir auch diese letzte, verzweifelte Chance genommen.

Erst jetzt kommt Werner Lukas auf mich zu. Er schaut mir hasserfüllt in die Augen und spuckt mir ins Gesicht.

„Du wirst mir meine Pläne nicht durchkreuzen, du Hurensohn!“, blafft er mich an.

Dabei rammt er mir mit voller Kraft die Faust in die Magengrube. Mir entweicht sämtliche Luft aus den Lungen und ich krümme mich, soweit es die Fesselung zulässt. Ich muss husten und es tut verdammt weh, aber ich gebe keinen Laut von mir.

„Mehr hast du nicht drauf?“, keuche ich.

Zur Antwort versetzt er mir einen Hieb ins Gesicht, dass mein Kiefer knackt. Trotzdem lasse ich mich nicht kleinkriegen.

„Du mieses, dreckiges Schwein!“, fauche ich. Dabei spucke ich ihm mitten ins Gesicht. Auch etwas Blut ist dabei.

Damit ärgere ich ihn noch mehr. Er rammt mir erneut seine Faust in die Magengrube. Scheiße, tut das weh!

„Sagst du mir endlich, wo die beiden Schlampen sind!“, fährt er mich an.

„Ich weiß es nicht!“, kontere ich.

„Hol die Kleine!“, befiehlt Werner Lukas seinem Cousin. „Möglicherweise überzeugt ihn das.“

Er wirft ihm einen Autoschlüssel zu und grinst gemein. Franz Lukas drückt auf den Knopf und mit dem typischen Geräusch und dem Blinken der Winker entsperrt sich die Zentralverriegelung. Es ist Pias BMW. Er öffnet den Kofferraum und zerrt Pia hervor. Ihre Hände sind auf den Rücken gefesselt und sie hat einen Ballknebel im Mund. Der sieht so aus, als würde er aus der Sammlung stammen, die Werner Lukas damals im Zimmer ausgebreitet hat.

Weitere Geschichten zum Thema

Gerne gelesene Kategorien

Wähle eine Erotik-Kategorie aus, die dich interessiert.