Kapitel 5 — Mein erster Tag als Schlossherr
Von meinem Traum und den tiefen Gefühlen irritiert, stehe ich auf und gehe ich duschen. Ich lasse das warme Wasser über meinen Körper rinnen und genieße die Frische und das Erwachen. Müdigkeit und Trägheit perlen ab und rinnen in den Abfluss. In aller Ruhe ziehe ich mich an und gehe nach unten zum Frühstück. Während ich an meinem Tisch sitze und gedankenverloren den Kaffee umrühre, legen sich plötzlich zwei Hände über meine Augen. Kein Wort, kein Ton, kein Zeichen, wer das sein könnte. Es kommt allerdings nur eine Person in Frage.
„Ich wünsche dir auch einen schönen guten Morgen, Pia“, sage ich vergnügt.
„Woher wusstest du, dass ich es bin?“, meint sie. Pia spielt die Enttäuschte. Sie nimmt ihre Hände von meinen Augen und kommt hinter meinem Stuhl hervor. Sie hat ein gut aufgelegtes und freundliches Lachen im Gesicht. Ich mache eine einladende Handbewegung und sie setzt sich zu mir an den Tisch.
„Weil es sonst keiner in diesem Hotel wagen würde“, grinse ich selbstzufrieden.
„Bist du dir sicher?“, kontert sie.
„Ich möchte schon hoffen, dass nicht jeder die Hotelgäste begrabscht“, necke ich sie.
„Du bist kein Gast, du bist jetzt mein Geschäftspartner“, geht sie auf mein Spiel ein. „Sonst würde ich mich nie zu dir an den Tisch setzen.“
Sie scheint sich zu freuen, am Hotel beteiligt zu werden. Auch wenn es nur gerecht ist, es ist dennoch eine Anerkennung, die sie sich nicht erwartet hat. Umso mehr freut sie sich, dass Onkel Franz daran gedacht hat. Aber auch mich stimmt ihre Freude glücklich. Ich fühle, dass ich willkommen und akzeptiert bin. Das ist mir wichtig.
„Hast du schon gefrühstückt?“, frage ich. Es ist mehr als nur Höflichkeit. Ich freue mich wirklich über ihre Gesellschaft.
„Nein, noch nicht. Hättest du etwas dagegen …. „, meint sie
„Im Gegenteil, es wäre mir eine große Ehre“, antworte ich.
Das Lächeln, das sie mir daraufhin schenkt, ist einfach bezaubernd. Pia ist eine ausgesprochen hübsche aber auch sehr liebenswerte, junge Frau. Man muss sie einfach gern haben. Am liebsten würde ich ihr von meinem Traum und von meinen Wünschen erzählen. Halte mich dann aber doch zurück. Ich will es mir nicht gleich am ersten Tag mit ihr verscherzen. Wer weiß, wie sie reagiert.
„Ich würde dich wirklich gerne beim Einkaufen begleiten. Ehrlich! Doch ausgerechnet heute kommen neue, wichtige Gäste an. Ich kann unmöglich weg. Ich habe Sonja avisiert, damit sie dich begleitet“, erklärt sie mir
„Sonja ist die Springerin. Stimmt´s?“, frage ich nach.
„So kann man es nennen“, grinst Pia.
„Lieber würde ich mit dir einkaufen gehen“, gestehe ich ehrlich.
Ich beobachte Pia bei diesen Worten genau. Wenn mich nicht alles täuscht, huscht ein zufriedenes Lächeln über ihr Gesicht. Allerdings so gut kenne ich sie dann doch nicht, um mir sicher sein zu können.
Pia greift beim Frühstück ordentlich zu. Das überrascht mich, denn sie hat Modelmaße. Ich frage mich, wie sie es schafft, trotzdem so schlank zu bleiben. Vermutlich liegt es an ihrem Job. Im Laufe des Tages legt sie sicher eine ganz beachtliche Strecke im Hotel zurücklegt.
Das gemeinsame Frühstück ist nicht nur angenehm, es gibt uns auch Gelegenheit, über die verschiedensten Dinge zu plaudern. Pia gibt mir ausgesprochen bereitwillig Einblick in den Betrieb. Mit ihr habe ich ein wirklich gutes Gefühl. Hätte auch sein können, dass sie mich dumm sterben lässt. Sie könnte schließlich auch die Informationen zurückhalten und es mir damit äußerst schwer machen, mitzureden. Es gibt Leute, die glauben, auf diese Weise ihre Position stärken zu können. Doch genau das Gegenteil ist bei Pia der Fall. Sie informiert mich ausführlich und sachlich und gibt mir ihre Einschätzung zu den verschiedensten Themen. Ihr Urteilsvermögen ist bemerkenswert, denn ich kann ihr in fast allen Dingen nur zustimmen.
„Ich habe schon lange nicht mehr so ausgiebig gefrühstückt. In deiner Gesellschaft hat es mir so richtig geschmeckt. Das können wir öfter machen“, gesteht sie.
„Von mir aus jeden Tag“, antworte ich. „Wir können es als Morgenbesprechung einführen, wenn dir das Recht ist?“
„Das wäre super“, entgegnet sie. „Abgemacht!“
Im selben Moment kommt Sonja auf uns zu. Ich habe sie gestern kurz kennen gelernt, als sie mich auf das Zimmer begleitet hat. Sie lächelt mich schon von weitem schüchtern an.
„Herr Müller, es freut mich, Sie heute beim Einkaufen begleiten zu dürfen“, säuselt sie.
„Berate ihn gut! Schwatz ihm nichts auf, das nicht zu ihm und zu seiner Position passt“, ermahnt Pia sie. Ihr Ton ist wieder ganz der, einer Geschäftsführerin.
„Lass dich von Sonja nicht um den Finger wickeln. Sie hofft wahrscheinlich, über dich zu einer Festanstellung zu kommen. Du bist schließlich der begehrte Hotelerbe“, flüstert mir Pia amüsiert ins Ohr. Sie nützt dabei die Nähe, als sie mir zum Abschied ein Küsschen auf die rechte Wange gibt. Dass sie dabei einen Augenblick länger ihre Wange gegen die meine drückt, empfinde ich als sehr angenehm.
„Wissen das schon alle?“, flüstere ich entsetzt. Wir sind gerade beim zweiten Kuss auf die andere Wange.
„Natürlich. Dein Auftritt und unser gemeinsames Abendessen sind nicht unbeobachtet geblieben“, grinst sie. Diesmal haucht sie mir ein drittes Küsschen wieder auf die rechte Wange.
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Wir verabschieden uns und ich schaue Pia gedankenverloren hinterher, die sich auf den Weg in ihr Büro macht. Sonja wartet kurz in der Lobby, während ich mich noch schnell umziehe und für den Einkaufsbummel zurecht mache. Zurück in der Lobby, folgt sie mir, als ich das Hotel verlasse und auf mein Auto zusteure.
„Fahren wir lieber mit meinem“, meint Sonja etwas pikiert. Sie schenkt meinem alten und nicht mehr ganz standesgemäßen Wagen einen sehr abschätzenden Blick.
„Warum, was ist mit meinem?“, frage ich amüsiert. Mir ist schon klar, was sie meint. Es macht mir jedoch Spaß, sie ein wenig zu necken.
„Nun ja, mich wundert, dass Sie mit der alten Schleuder heil hier angekommen sind“, kontert sie.
Ohne auf mich zu warten, geht sie schnurstracks weiter, die Auffahrt hinunter zum Personalparkplatz, auf den mich gestern der Gärtner scheuchen wollte. Sonja hat einen relativ neuen Opel Astra. Er ist sportlich getunt. Mich wundert, dass sie sich dieses Auto leisten kann, obwohl sie keinen festen Job hat.
Sonja fährt nach Verona und steuert dort zielsicher das Einkaufszentrum ´Verona uno´ an. Das Einkaufszentrum ist nicht das größte, aber der Mix an Geschäften sei gut und vor allem seien es genau die richtigen Läden für mich, erklärt sie mir.
Sonja soll Recht behalten. Es sind wirklich die richtigen Läden. Wir kaufen ordentlich ein, mehr als ich ursprünglich geplant hatte. Drei Anzüge, Unterwäsche, Socken und alles, was ein Mann so braucht, wandert nach und nach in den Kofferraum des Wagens. Nach einer eindringlichen Ermahnung durch Sonja sehe ich ein, ich brauche eine komplett neue Ausstattung. Ich kann im Hotel unmöglich in den Klamotten herumlaufen, die ich in München getragen habe. Das ist eine neue und ganz andere Welt, in der ich mich nun bewege. Ich muss mich allmählich an meine neue Situation gewöhnen.
Als wir uns zum Mittagessen bei McDonalds niedersetzen und einen Burger verspeisen, sind wir beide ganz schön geschafft. Sonja war, das muss ich ehrlich zugeben, eine wirklich kompetente und sehr sachliche Shoppingbegleitung. Sie hat mir nie versucht etwas aufzuschwatzen. Sie hat sehr zurückhaltend ihre Meinung gesagt, die Entscheidung schlussendlich jedoch mir überlassen.
Einige Male ist sie ganz ungeniert in die Umkleidekabine gekommen, während ich noch bei der Anprobe war. Mir ist nicht klar, ob das für sie ganz normal ist oder ob sie auf diese Weise eine gewisse Intimität aufbauen wollte. Ich bin nicht prüde und habe auch kein Problem damit, dass mich Sonja auf diese Weise mehrmals in Unterhosen gesehen hat. In der engen Kabine hat sie auch mehrmals meinen Schritt oder meinen Hintern berührt. Ich dagegen bin an ihren Po und an ihre Brüste gestoßen. Ob das nun Zufall oder von ihr beabsichtigt war, kann ich allerdings beim besten Willen nicht sagen.
„Werden Sie die Geschäftsführung übernehmen?“, kommt beim Essen dann doch ihre alles entscheidende Frage. Ich will genau in dem Moment vom Burger abbeißen, tue es wegen ihrer Frage jedoch nicht. Ich will sie mit der Antwort nicht warten lassen und mit vollem Mund spricht man nicht.
„Nein, Pia wird mit Sicherheit ihre Position behalten“, antworte ich.
„Und was werden Sie dann tun?“, will das kleine Biest wissen.
Diesmal beiße ich erstmal beton herzhaft in meinen Burger und beginne genüsslich zu kauen. Sonja ist die Ungeduld deutlich ins Gesicht geschrieben. Sie ist einerseits zum Zerplatzen neugierig, muss aber anstandshalber warten, bis ich fertig gekaut habe.
„Ich habe erst gestern von meinem Erbe erfahren. Ich werde mich in Ruhe über das Hotel informieren und mich zusammen mit Pia einarbeiten. Erst dann werde ich entscheiden, wie ich mich sinnvoll einbringen kann. Das wird sicher seine Zeit brauchen“, erkläre ich schließlich. „Bis dahin hat allein Pia das Sagen und auch nachher wird sie Ihre Ansprechperson bleiben. Da bin ich mir ziemlich sicher.“
„Und was ist mit dem Club? Wird der weiter bestehen?“, ist die Kleine neugierig.
„Ja sicher, er funktioniert doch recht gut.“
„Und was wird mit mir?“, platzt sie nun doch heraus. Sie hält es einfach nicht mehr aus.
„Was soll mit Ihnen sein? Sie haben eine Abmachung mit Pia und daran ändert sich nichts. Da habe ich keine Zweifel.“
„Aber es wäre für mich beruhigend, wenn ich definitiv als Reisebegleiterin arbeiten könnte.“
„Das kann ich gut verstehen. Doch Pia hat sicher nicht ohne Grund diese Lösung gewählt. Wenn die Zusammenarbeit funktioniert und sich die Möglichkeit ergibt, wird sie mit Ihnen reden. Wenn alles passt können Sie Ihre Stelle als Reisebegleiterin definitiv anzutreten. Aber diese Entscheidung liegt — wie ich schon gesagt habe – allein bei Pia.“
„Dürfte ich Sie von meinen Fähigkeiten überzeugen?“, bietet Sonja an. Sie hat vorher eine Pause eingelegt. Sie ist unsicher.
„Wie meinst du das?“, falle ich vor Überraschung ins Du.
„Ich könnte heute Abend vorbeikommen und dir zur Verfügung stehen, wie ich das bei jedem anderen Gast tun würde. Natürlich wäre es für dich kostenlos“, bietet sie bereitwillig an. Auch sie ist zum Du übergegangen.
„Dir ist schon klar, dass eine solche Sonderbehandlung, keinen Einfluss auf Pias Entscheidung haben wird“, stelle ich klar.
„Schon gut, schon gut! Das habe ich inzwischen verstanden. Du bist ein sehr konsequenter Mann“, versichert sie mir. „Mein Angebot hat damit nichts zu tun. Ich finde dich recht süß. Nur deshalb habe ich mein Angebot gemacht, ohne Hintergedanken.“
„Ok, dann wirst du heute mit mir zu Abend essen und mit aufs Zimmer kommen. Wenn ich ehrlich bin, habe ich Lust auf einen Fick. Ich finde dich auch ganz süß und außerdem bekomme ich auf diese Weise einen Einblick, wie sich ein Gast bei uns fühlt“, antworte ich nach einer kurzen Nachdenkpause. Sonja scheint sich im ersten Moment zu freuen, dann aber wird sie ernst. Sie überlegt.
„Und Pia?“, platzt sie dann heraus.
„Was soll mit Pia sein?“, frage ich.
„Wird sie nicht eifersüchtig sein?“
„Sie hat keinen Grund dazu“, stelle ich klar.
„Aber ich glaube, du gefällst ihr. Zu dir ist sie anders, als zu allen Männern bisher.“
„Mach dir deswegen keine Sorgen. Das werde ich schon regeln“, wehre ich den Einwand ab. Ich bin überrascht, dass Sonja der Meinung ist, Pia hätte Interesse an mir gefunden. Kann das tatsächlich sein?
„Wenn du es sagst.“, meint Sonja. Ihr Blick jedoch bleibt skeptisch und besorgt gleichermaßen.
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Wir sind mit Essen fertig und erheben uns. Gemächlich schlendern wir zum Wagen und ich lege meinen Arm um ihre Taille. Sonja schmiegt sich an mich und schenkt mir ab und zu einen liebevollen Blick. Einmal, als wir in eine Auslage schauen, legt sie verträumt ihren Kopf auf meine Schulter. Es ist ein sehr vertrauter Moment zwischen uns.
Zurück im Schloss fährt Sonja mit meiner Genehmigung bis vors Hotel und bleibt nicht am Personalparkplatz stehen. Sie organisiert einen Pagen, der mir beim Auspacken hilft und die Sachen bis in meine Räume bringt.
Im Zimmer wieder allein, mache ich mich frisch und gehe anschließend hinauf auf den Felsen. Bei Tag sieht alles etwas anders aus. Die Dunkelheit hüllt nicht mehr den größten Teil ein und ich kann endlich die gesamte Fläche überblicken. Was ist sehe, ist beeindruckend. Der Garten ist mit sehr viel Liebe angelegt und wirkt ausgesprochen gepflegt. Ich setze mich in einen der Sessel, die auf der Terrasse stehen. Ich entspanne mich und lasse die Stimmung auf mich wirken. Eine leichte Brise weht und ich höre Vögel zwitschern. Noch vor zwei Tagen hätte ich mir einen so romantischen Ort gar nicht einmal vorstellen können. Nun sitze ich hier und träume gedankenverloren vor mich hin. Der See, der zu meinen Füßen liegt und einen Teil des Felsens mit sanftem Wellengeräusch umspült, verleiht dem Ganzen eine einzigartige Ruhe. Am liebsten würde ich nie mehr aufstehen.
Doch der Nachmittag neigt sich immer mehr dem Ende entgegen. Mir bleibt nichts anderes übrig, als doch in meine Wohnung zurückzukehren. Heute muss eine Dusche genügen, dann ziehe ich einen der gerade gekauften Anzüge an. Er sitzt perfekt. Als ich mich gedankenverloren im großen Spiegel des Badezimmers betrachte, habe ich den Eindruck, mir schaut ein ganz anderer Mann entgegen. Das ist nicht der junge, saloppe Architekt, der sich in seinem ersten Arbeitsjahr in einem der unbekannten Studios abrackert. Vor mir steht ein vornehmer Geschäftsmann, der mir beinahe Ehrfurcht abnötigt.
Als ich wenig später zur Rezeption komme und nach Pia fragen will, kommt diese gerade um die Ecke und rennt mich geradewegs über den Haufen. Sie ist überrascht und im ersten Moment sprachlos.
„Mann, das nenne ich eine Veränderung“, schwärmt sie.
Natürlich schmeicheln mir ihre Verwunderung und ihre Begeisterung. Doch Mich beschäftigt im Augenblick eine ganz andere Frage.
„Kann ich dich einen Moment sprechen?“, frage ich.
Ich hake mich, ohne eine Antwort von ihr abzuwarten, bei ihr unter und ziehe sie hinaus in den Garten. Ich möchte nicht, dass irgendwer unser Gespräch belauschen kann.
„Ich werde heute Abend Sonja testen. Ich möchte erleben, was einem Kunden bei uns geboten wird. Versteh das bitte nicht falsch, ich werde mich nicht in deine Entscheidung zum Arbeitsverhältnis mit Sonja einmischen und ich bin nicht verknallt in die Kleine“, sage ich hektisch. Zum einen bin ich unsicher, wie sie reagiert, zum anderen möchte ich meinen Teil sagen, bevor sie mich unterbrechen kann. Ich will es einfach nur schnell hinter mich bringen.
„Hat sie es doch geschafft, dich um den Finger zu wickeln?“, meint sie. Ihre Stimmung hat sich schlagartig verändert. Ihr Blick hat etwas, das ich nicht deuten kann. Sie ist wesentlich reservierter, man könnte sie beinahe als kühl bezeichnen.
„Nein Pia, das hat sie nicht. Sie hat es mir angeboten und in dem Moment ist mir die Idee gekommen, dass ich einmal in die Rolle eines Gastes schlüpfen könnte. Nicht mehr und nicht weniger. Du kennst das Hotel, seinen Betrieb und seine Eigenheiten seit Jahren. Ich habe absolut keine Ahnung von alledem“, lass ich mich von ihr in die Defensive drängen.
„Allerdings musste ich mit keinem Gast ins Bett springen, um das zu wissen“, fährt sie mich an.
Oh Scheiße! Pia ist tatsächlich sauer. Habe ich ihre Gefühle für mich unterschätzt? Vermutlich schon. Oder verteidigt sie nur ihre Position in der Führung des Hotels? Ich habe keine Ahnung. Es entsteht eine peinliche Pause. Ich fahre mir mit den Fingern durchs Haar.
„Soll ich Sonja absagen? Wenn es dir lieber ist, mache ich das“, biete ich an.
Pia bleibt bei diesen Worten plötzlich stehen. Sie stellt sich vor mich hin und schaut mir von unten her in die Augen.
„Du bist ein Mann. Anders ist das nicht zu erklären“, meint sie.
„Natürlich bin ich ein Mann. Was hast du gedacht?“
„Und du denkst nur ans Vögeln“, meint sie. Es klingt eher nachdenklich als vorwurfsvoll. „Du bist deinem Onkel sehr ähnlich.“
„Das kann ich nicht sagen. Auf jeden Fall bin ich deutlich zurückhaltender als mein Onkel. Ich hatte schon länger keinen Sex mehr“, verteidige ich mich. Mir wird erst, nachdem ich diese Worte ausgesprochen habe bewusst, dass ich mit Pia über mein Sexualleben spreche, obwohl es sie eigentlich wirklich nichts angeht.
„Du bist mir keine Rechenschaft schuldig“, kommt prompt ihre Antwort. „Aber ich würde es schon bevorzugen, wenn mein Partner nicht einfach in der Welt herumbumst.“
„Soll ich Sonja absagen?“, frage ich neuerdings.
„Nein, das ist keine Lösung. Was für eine Figur würdest du dann machen und als was würde ich dastehen? Sonja ist nicht blöd. Wenn du sie jetzt versetzt, ist ihr sofort klar, dass du es meinetwegen tust. Dann bin ich die eifersüchtige Hexe und du bist der Pantoffelheld. Keine gute Idee also.“
„Bist du eifersüchtig?“, frage ich sie ganz direkt.
„Habe ich ein Recht dazu?“, kontert sie. Ihre ausweichende Antwort bestärkt mich in der Annahme und macht mich mutig.
„Ich habe heute Nacht von dir geträumt“, gestehe ich in einem Anflug von Ehrlichkeit.
„Und was hast du geträumt?“, will sie wissen. Ihr Gesichtsausdruck zeigt, dass die pure Neugier in ihr wütet.
„Das kann ich nicht gut sagen“, weiche ich aus.
„Du hast A gesagt, also musst du auch weitermachen“, fordert sie mich auf. Pia hat ein süffisantes Lächeln, das ihr um die Mundwinkel spielt. Ihr Blick ist fordernd und mir wird klar, dass ich aus der Nummer nicht so einfach rauskomme.
„Ich habe geträumt, dass du mich gestern Abend in dein Zimmer gezogen hast und wir miteinander geschlafen haben“, antworte ich zögerlich. Ich weiß schon wieder nicht, wie sie drauf reagieren wird. Das Geständnis ist mir auch irgendwie peinlich.
„Aha“, meint sie nur.
„Aha, was?“, frage ich, irritiert von ihrer schwachen Reaktion.
„Ich habe heute Nacht auch geträumt. Du bist über mich hergefallen und hast mich richtig durchgefickt“, kichert sie verlegen. Ihr Gesicht bekommt dabei einen leicht rosa Schimmer.
„Du hast also auch geträumt …. „, frage ich nach.
„Ja“, unterbricht sie mich verschämt.
„Dann verbringen wir doch heute den Abend zusammen“, schlage ich vor.
„Das könnte dir so passen. Du hast Sonja eingeladen und ziehst das jetzt durch. In deiner Position muss man zu dem stehen, was man versprochen hat.“
„Aber wenn es dich stört“, wehre ich ab.
„Da müssen wir wohl durch. Mach dir nicht zu viele Sorgen. Ich arbeite in einem Hotel und vermittle Mädchen, die mit den Gästen bumsen. Ich bin nicht prüde. Überleg dir bitte das nächste Mal schon vorher, mit wem du in die Kiste hüpfen willst“, antwortet sie. „Übrigens, in diesem Anzug siehst du verdammt heiß aus.“
Pia haucht mir einen flüchtigen Kuss auf den Mund und ist auch schon weg. Es ist kaum eine Berührung und doch breitet sich ein unglaublich wohliger Schauer in meinem Körper aus. Diese Frau ist die menschgewordene Versuchung.
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Verdammt, was soll ich jetzt tun? Meint sie es ernst, dass ich den Abend mit Sonja verbringen soll oder will sie mich wieder nur auf die Probe stellen? Sie hat Recht damit, dass es dumm aussehen würde, wenn ich jetzt einen Rückzieher mache. Vor allem, da mich Sonja auf das Problem bereits aufmerksam gemacht hat und ich ihr großspurig versichert habe, dass mit Pia alles easy sei. Dabei scheint Pia tatsächlich etwas für mich zu empfinden. Die Frage im Moment ist aber auch, erwartet sie trotz allem, dass ich doch einen Rückzieher mache?
Ich habe Pia als sachliche, nüchtern überlegende Frau kennengelernt. Sie ist nicht die Emotionale, die mir eine Szene macht. Sie hätte genau genommen auch gar nicht das Recht dazu. Obwohl unser Gespräch andererseits doch sehr intim war und wir uns bestätigt haben, am anderen interessiert zu sein. Doch bei Frauen weiß man am Ende doch nie, was sie erwarten. Gerade deshalb ist die Situation für mich unglaublich schwierig.