Siehe Teil 1 und 2 für die Vorgeschichte, die nötig zum Verständnis ist.
Die Serie ‚Der Cousin‘ ist nichts für ‚Einhand-Leser‘. Wer schnellen Sex erwartet, sollte lieber eine andere Geschichte lesen. Ich habe Gefallen an der tapfer auf ihre Rückkehr hoffenden, vollschlanken Heldin der kleinen Serie gefunden, und schreibe eine Fortsetzung, auch wenn die Bewertungen bis dato mich eigentlich nicht zum Weiterschreiben ermuntern. Dieser Teil beinhaltet auch detailliertere Beschreibungen von Gewalt — also bitte nicht weiterlesen, wen das stört. Ich glaube, dass ich nicht betonen muss, dass diese Geschichte nicht einer Verherrlichung von Gewalt dienen soll, sondern die Eigendynamik von Abhängigkeiten beleuchtet.
Der Cousin – Teil 3
Vor dem Verhör
Ich wachte am Morgen wieder etwas zuversichtlicher auf. Bald würde ich hoffentlich wieder in Deutschland sein. Jayant hatte am Abend vorher noch ein wadenlanges Nachthemd besorgt sowie einen opaken Gesichtsschleier für das Verhör am heutigen Tag. Er hatte argumentiert, dass es damit leichter wäre zu verheimlichen, dass ich keine Türkin sei. Gesichtsregungen wären mit dem Schleier praktisch nicht mehr ablesbar, da nur noch meine Augen freibleiben würden. Ich sah das Argument zwar ein, aber ich war nicht begeistert.
Gentlemanlike hatte er auf der Couch geschlafen — und mir das Doppelbett überlassen. Auf meinem Bett lagen die Anziehsachen von gestern und ich stöhnte, als ich schon wieder den Hüftgürtel sah und dieselbe Unterwäsche sah.
„Ich brauche neue Unterwäsche und vernünftige Ware. Das geht doch nicht, dass ich die noch all die Tage trage, bis wir in Deutschland sind!“
Jayant runzelte die Stirn, aber er nickte zustimmend. Er überlegte einen Moment:
„Du hast Recht. Ich werde die Mutter von dem Rezeptionisten bitten, Dir behilflich zu sein. Du kannst auch gleich Schuhe einkaufen, die türkischer Herkunft sind. Das erspart irgendwelche Fragen, die auftauchen könnten, wenn deine bisherigen Pumps vom Schiff dem Kommissar auffallen. Ich werde ihr Anweisungen geben, sie kann nur Türkisch. Sie bekommt mein Portemonnaie, sie kann gut feilschen, hat mir ihr Sohn erklärt.“
Wenn wir erst einmal in Ankara waren, dann würde in der Großstadt vieles einfacher sein. Zumindest würde es Geschäfte geben, in denen ich selber ohne Probleme einkaufen konnte. Hier schickte er mich mit einer türkischen Oma in Geschäfte, wo ich kein Wort verstand. Die Alte war total in schwarz gekleidet und sehr wohlbeleibt, wenn man das nett ausdrücken wollte. Sie watschelte auf Türkisch schnatternd mit mir in eine Einkaufsstraße. Der erste Stop war ein Schuhgeschäft. Die Verkäuferin brachte mir ein Paar High Heels, die einfach unmöglich waren, so hoch und schmal waren die Absätze. Auf den hohen Dingern konnte ich nur balancieren und bei meinem Gewicht hatte ich Bedenken bezüglich der Haltbarkeit der Absätze. Ich versuchte mich in Pantomime, um kürzere und dickere Absätze anzudeuten. Die beiden schnatterten miteinander — und die alte Mutter schüttelte energisch den Kopf. Immerhin hatte es minimal etwas bewirkt. Sie kam mit zwei ausgesuchten Paaren zurück, von denen eines immer noch bleistiftdünne Absätze hatte, die aber nur noch drei Zentimeter höher waren als meine Pumps. Das andere Paar hatte daumendicke Absätze mit Strasssteinen geschmückt, die aber praktisch genauso hohe Absätze aufwiesen wie das erste Paar.
Ich schüttelte energisch den Kopf, aber sie kam immer wieder nur mit denselben Variationen wieder, in allerdings vielen unterschiedlichen Farben und Ausschmückungen. Irgendwann gab ich es auf und suchte ein dunkelblaues Paar mit Strasssteinen am Absatz und ein schwarzes mit silbernen , filigranen Metallabsätzen aus und bekam die Tüte ausgehändigt.
Im nächsten Shop mit Unterwäsche war es noch schwieriger. Sie steuerte mich geradewegs auf den Stand zu, den ich vermieden hätte, weil es nur Oma-Schlüpfer dort gab. Das mochte ja für sie gut sein, aber so alt war ich ja nun garantiert nicht! Weiße und geblümte Baumwollware, wo die Schlüpfer halbe Zelte waren oder eine Variante von fleischfarbenen Miederhosen, die die Taille einschnürten. Ich versuchte ihr und der kleinen, aber stämmigen Verkäuferin begreiflich zu machen, dass die modischeren Stände meine Wahl wären, aber ‚Oma‘ deutete auf die Preisschilder und schnatterte etwas. Wobei modisch relativ zu sehen war bei der sehr betulichen Auswahl in diesem Laden. Ich musste mir eine Reihe von den Dingern ansehen, aber ich schüttelte, insbesondere bei den grässlichen geblümten, nur den Kopf. Die rein weißen Schlüpfer waren noch am ehesten verkraftbar innerhalb der Scheußlichkeiten. Sie diskutierten kurz auf Türkisch und die resolute Verkäuferin nahm meine Maße.
Dann sah wohl auch ‚Oma‘ ein, dass sie mich schlecht überreden konnte — sie lotste mich in den hinteren Teil des Ladens, der durch einen Vorhang abgetrennt war. Hier dominierte auf einmal rot als Farbe. Es gab Lingerie, die alles andere als betulich war. Ich staunte regelrecht. Als ich das sah. Die Türken schienen die Farbe Rot und Goldelemente über alles zu lieben. Und von zurückhaltender Mode war auch nichts mehr zu spüren. Einige Modelle waren sogar mehr als ausgesprochen sexy. Aber auch hier steuerte mich die Alte wieder auf eine Ecke zu, die absolut nicht zu meinen Favoriten gehörte. Sie versuchte mir zunächst bordeauxrote, offene Hüfthalter mit hoher Taille schmackhaft zu machen, indem sie mir das Exemplar auffordernd entgegenhielt. Ich wollte keine Hüfthalter. Dann versuchte sie es mit einem knallig kirschroten Hüfthalter mit Strapsen. Als sie ihn von allen Seiten zeigte, erkannte ich, dass er so tief herabging, dass Po und sogar ein Teil der Oberschenkel halbtransparent waren. Ich wurde rot und schüttelte heftig meinen Kopf. Als das nicht so richtig klappte, ergriff sie zwei Büstenhalter in ähnlichen Farben. Einer davon war mit einer Art von Troddeln ausgestattet waren, die am Vorderteil herabhingen und mit kleinen goldfarbenen Münzen beschwert waren. Die Verkäuferin kicherte und deutete einen Bauchtanz an, als sie auf das gute Stück deutete. Ich wurde rot und schüttelte vehement meinen Kopf. Das nächste war auch nicht besser, es hatte bordeauxrote Fransen. Ich schüttelte den Kopf und hielt ihr zwei ohne jedweden Anhang hin. Sie schüttelte den Kopf, hielt mir dann aber die beiden Hüfthalter wieder hin. Ich musste lachen – war das als ein Versuch gedacht, um einen Kompromiss zu erzielen? Ich konnte nur seufzen — der Austausch funktionierte so gar nicht.
Sie schien gar nicht so unzufrieden zu sein. Sie fasste die Verkäuferin an den Arm und die beiden debattierten hin und her, her und hin. War das die Preisverhandlung? Und wenn es diese war, um welche Artikel ging es dann? Ich hasste es, so gar nicht in der Lage zu sein zu verstehen was hier vor sich ging.
Die dralle Verkäuferin hatte auf einmal einen schlauen Ausdruck auf dem Gesicht. Sie stand auf und kam dann mit ein paar Nylons wieder zurück. Das Gesicht der Alten verzog sich auch zu einem runzeligen Lächeln und die lautstarke Debatte verstummte. Sie öffnet das Portemonnaie und gab der Verkäuferin ein Geldschein. Dann bedeute sie mir aufzustehen und zum Ausgang zu gehen. Am Ausgang erhielt sie das Wechselgeld und eine große geschlossene Tüte. Was hatte sie denn da bloß gekauft? Wir hatten doch praktisch in keinem Punkt eine einvernehmliche Meinung gehabt.
Im Hotel zurück erzählte sie Jayant aufgeregt über den Einkaufstrip. Ich verstand natürlich wieder einmal überhaupt kein Wort. Ich sah ihn nur manchmal die Stirn runzeln und manchmal amüsiert grinsen. Nur hatte ich keine Ahnung, was sein Missfallen erregte oder was ihn amüsierte. Zum Schluss schien er sich bei ihr zu bedanken und drückte ihr einen Geldschein in die Hand zum Abschied. Als sie gegangen war, drehte er sich um und sah mich einen Moment an, bevor er erklärte:
„Fatima hatte einen Auftrag von mir. Sie hat es nicht leicht mir Dir gehabt. Aber sie hat alles erledigt. Sie hatte den Auftrag, bestimmte Stücke zu besorgen, aber auch Deine Reaktion mit zu berücksichtigen. Wenn du bei einem Stück errötet bist, dann sollte sie es nehmen. Wenn du nur den Kopf geschüttelt hast, dann sollte sie das nehmen, was am wenigsten Kopfschütteln auslöst. Ich möchte, dass du heute zum Verhör folgendes davon trägst. Den kirschroten Hüft…“
„Warum soll ich das denn tun? Unter dem Tschador und dem Kleid kann man doch soundso nichts sehen! Und ich will dieses verdammte Nuttending nicht tragen!“
„Anjuli, auf das Sehen kommt es nicht an. Du sollst Dir bewusst sein, was Du unter Deinem Kleid und dem Tschador trägst, damit Du in jedem einzigen Moment darauf achtest, dass Du keinen einzigen Flecken davon in der Öffentlichkeit entblößt. Nur ich darf es sehen, ist das klar? Genau aus diesem Grunde wirst Du es tragen, genau wie die dunkelblauen, hochhackigen Schuhe, die Dich vorsichtig und sehr weiblich bewegen lassen werden. Genau dann wirst Du auch gar nicht erst versuchen, in dem Verhör irgendwie einzugreifen. Und wir wollen doch beide, dass Du und ich gut aus dem Verhör herauskommen…“
Das Verhör
Dem konnte ich eigentlich wenig entgegensetzen. Ich konnte nun einmal nicht türkisch, aber nach meinem Pass müsste ich es eigentlich können. Und er wollte das überspielen dadurch, dass er mich in die absolut passive Rolle hinein drängte. Diese passive Rolle verlangte von mir aber auch kein Türkisch. Da hatte er nun einmal Recht. Ich konnte mich also schlecht gegen seine Anweisungen stemmen, ohne alternative Vorschläge zu haben.
Leise grummelnd nahm ich von ihm also das entgegen, was ich zum Verhör tragen sollte. Es gefiel mir nicht, aber was sollte ich machen? Ich zog mich in das Badezimmer zurück. Der weiße Schlüpfer im Omaformat war da noch das kleinste Übel. Der knallig kirschrote Büstenhalter mit den münzbesetzten Troddeln war da schon schwerer zu verkraften, da er sofort Erinnerungen an Bauchtanz und Harem hervorrief. Der ebenso bunte Hüfthalter mit den Strapsen war da noch unangenehmer. Er erinnerte sofort an die billigen, fülligen Nutten auf dem Landstraßenstrich in ihren Wohnanhängern. Ich schämte mich, als ich die Nylons in die Strapse einhakte. Jetzt war es eine Erleichterung, dass bald sackförmige Kleid überzustreifen. Dann zog ich die tiefblauen Schuhe mit den hohen, strassbedeckten Absätzen an und drapierte den Tschador samt dem Gesichtsschleier so, dass nur noch meine Augen frei waren. Als ich in den Spiegel schaute, schien mir eine Fremde in die Augen zu schauen. Das war nicht ich. Von außen war ich eine Art Nonne — und unter dem Kleid fühlte ich mich wie eine billige Hure. Diese gegensätzlichen Gefühle waren verwirrend.
Wir fuhren mit einer Taxe zum Verhör. Im Polizeigebäude angekommen, nahm Jayant meinen Arm, damit ich mit den hohen Absätzen die engen Flure und Treppenfluchten navigieren konnte. So hohe Absätze hatte ich noch nie gehabt und ich war dementsprechend leicht unsicher auf meinen Beinen. Auf den Treppen war der Zug der Strapse an den Nylonstrümpfen an jeder Stufe deutlich zu spüren und erinnerte mich unablässig an das, was ich unter dem Kleid trug. Es machte mich befangen. Der Kommissar begrüßte uns beide höflich aber kühl. Als Jayant sofort antwortete, schien er keine Antwort mehr von ihr zu erwarten. Ich durfte mich auf einen Stuhl setzen und schweigend zuhören, wie das Frage- und Antwortspiel auf Türkisch zwischen dem Kommissar und ihm hin und her ging. Selten schien der Kommissar eine Frage an mich zu richten, die aber sofort von Jayant beantwortet wurde. Der Kommissar schien das ohne weiteres zu akzeptieren.
Ich hatte keine Ahnung, was dort verhandelt wurde. Beide hatten ausdrucklose Mienen — nur ab und zu konnte man am Tonfall erraten, dass die Frage bedeutsamer war oder nicht. Nach einer Weile wurde sogar regelrecht langweilig. Das Ganze zog sich eine knappe Stunde hin. Zum Schluss stand Jayant auf, verbeugte sich kurz und nahm meinen Arm, um mich aus dem Raum zu führen. Er sagte kein Wort, bevor wir nicht in der Taxe waren.
„Anjuli, es ist alles o. k., aber wir dürfen nicht noch ein zweites Mal hier in der Türkei auffallen. Die Polizei ist hier extrem misstrauisch gegenüber Fremden.“
Ich war erst einmal erleichtert, dass es keine Maleschen gab, die unsere Weiterreise behindern würden. Jetzt konnte es ja nicht mehr lange dauern, bis wir in Deutschland waren.
Nach dem Verhör
Jayant hatte Recht behalten, wie erhofft. Die Vernehmung durch die Polizei hatte praktisch keine Unannehmlichkeiten gebracht, da Anjuli glücklicherweise in ihrem Aufzug keinerlei Fragen geweckt hatte. Sie hatte sich schlussendlich an seine Weisungen gehalten. Ihm war aber auch klar geworden, dass sie ihm nur ohne offene Opposition folgte, weil sie hier keine andere Möglichkeit hatte. Der rebellische Widerspruch wegen der Unterwäsche hatte ihm das gezeigt, auch wenn sie sich letztlich seinen Wünschen dann gefügt hatte. Er konnte sie inzwischen gut genug einschätzen, um sagen zu können, dass sie sich von ihm in ihrer eigenen Heimat dies nicht mehr bieten lassen würde. Seine ursprüngliche Hoffnung, dass er seinen Plan für das Tal viel früher umsetzen könnte, geriet wohl auf die schiefe Ebene, wenn sie beide in Deutschland ankamen. In Deutschland wäre er eher von ihr abhängig als umgekehrt. Er musste sich etwas einfallen lassen.
Vor allen Dingen durfte er nicht innerhalb von zwei Tagen in Deutschland ankommen. Er brauchte Zeit zum Überlegen, Zeit zum Planen, Zeit um seine Strategie zu überdenken. Anjuli war so ganz anders, als er sich das gedacht hatte. Sie war eigentlich zu nett, um sie nur für das Visum und das Tal auszunutzen und sie dann fallen zu lassen, sobald er Seta in seinem Haushalt als Zweitfrau hatte. Aber sie war zu attraktiv, um sie nicht sobald als möglich im Bett ausnutzen zu wollen. Sie war jedoch als Frau zu rebellisch — das war er nicht gewohnt. In Afghanistan hatte er auch bei älteren Frauen nur vereinzelt Widerspruch angetroffen. Gut, vielleicht lag es ja daran, dass er hauptsächlich eher die ungebildeten kennengelernt hatte. Er war es trotzdem nicht gewohnt. Er musste sie dazu bringen, dass sie seinen Plänen folgte, aber wie?
Sie brachte auch eine Seite in ihm zum Klingen, die er beinahe vergessen hatte. Beim Tanzen auf dem Schiff hatte er sich in ihren Armen wohlgefühlt, ja sogar in gewisser Hinsicht geborgen gefühlt. Das hatte lang zurück liegende Erinnerungen in ihm geweckt.
Die Weiterreise
Ich war überrascht gewesen, als er im Hotel für eine kurze Weile verschwand und dann mit einem Auto wiederkam, mit der abrupten Ankündigung nach dem Ort Tasucu zu fahren. Hatte er nicht Identifikationen per Ausweis bei Flügen und Mietwagen vermeiden wollen? Auch war plötzlich das Ziel Ankara nicht mehr auf der Tagesordnung. Was ging hier vor?
Ohne meine Fragen richtig zu beantworten, fuhr er los, nachdem wir unsere Sachen in dem alten Renault verstaut hatten. Der Wagen war nämlich kein Mietwagen, sondern ein klapperalter Renault, den er mit Bargeld gekauft hatte. Der Ort Tasucu stellte sich als Fährhafen nach Nordzypern heraus. Am nächsten Morgen kamen wir auf der Insel an. Ich war halb euphorisch und halb besorgt. Euphorisch, weil es praktisch schon EU-Gebiet war, jedenfalls zum Greifen nah. Etwas besorgt, weil eine Einreise in die EU durch Nordzypern ungewöhnlich war und Jayant normalerweise Aktivitäten vermied, die Aufmerksamkeit erregen konnten. Meine Sorge war nicht unberechtigt, wie seine Worte bewiesen, als wir bei einem kleinen Häuschen ankamen, das er gemietet hatte:
„Anjuli, hier sind wir erst einmal sicher. Offiziell sind wir schon in der EU, weil Nordzypern administrativ dazu zählt. Sobald ich mich hier im Konsulat melde, zählt es für unsere Ehe als Aufenthalt in der EU. Gleichzeitig sind wir nicht über eine Grenzkontrolle der EU eingereist und tauchen also in keiner Liste auf. Meine Verfolger können weder Dich noch mich auffinden. Spätestens nach ein paar Monaten werden sie die Suche in der EU aufgeben.“
Er klang unendlich befriedigt. Das galt nicht für mich. Ich war frustriert und erschreckt. Da war die EU so nahe — und ich konnte doch nicht herein. Diese Idee der Scheinehe erwies sich als eine Schnapsidee von mir. Es fühlte sich immer mehr als Zwangsheirat an, denn als die strategisch günstige Allianz, die mir mein Vater angepriesen hatte. Niemand hatte mir gesagt, dass es Monate sein sollten, bis ich wieder bei mir war.
„Monate?! Ich muss bald wieder zur Arbeit, Jayant! Wie stellst Du Dir das denn vor? So geht das nicht!“
Er zuckte mit den Schultern. Er sah kein bisschen besorgt aus. Er sah anscheinend überhaupt kein Problem darin:
„Anjuli, Dein Vater ist der Boss der Firma. Was soll die Aufregung? Wir müssen ihn nur informieren über die etwas längere Reise.“
Etwas längere Reise — ein paar Monate länger, nach seinen Worten! Ja, ich musste meinen Vater erreichen, damit er mich aus dieser Situation befreien konnte. Er musste meine Gedanken gelesen haben — oder vielleicht kam es durch das Wort informieren.
„Anjuli, ich werde Dir einen Brief diktieren, den Du dann in Deiner besten Handschrift auf schönes Briefpapier schreibst. Er wird dann beruhigt sein.“
„Ich kann selber schreiben, Jayant!“, ich hätte bald aufgebracht aufgestampft, aber ich konnte mich grade noch zusammenreißen. Er runzelte die Stirn, als er meinen Ärger wahrnahm. Er öffnete die Tür, schob mich hinein und schloss die Tür hinter sich wieder.
„Willst Du mir etwa offen widersprechen, Anjuli?“, seine Stimme klang leise, aber sehr präzise formuliert und leicht erstaunt. Später würde ich lernen, genau auf den Klang seiner Stimme zu achten, aber an diesem Tag war mir das noch nicht bekannt.
„Es ist schließlich mein Vater, Jayant, und nicht Deiner.“
Waff, plötzlich bekam ich eine saftige Ohrfeige, die er mir mit seiner rechten Hand erteilte — und gleich danach bekam ich eine von seiner linken. Ich wusste gar nicht wie mir geschah, als mein Kopf von einer Seite zur anderen flog. Ich konnte es einfach nicht begreifen. Das dürfte doch nicht wahr sein!
„Anjuli, macht das nie, nie wieder! Eine Frau widerspricht hier einem Mann nicht auf offener Straße und stampft schon gar nicht mit den Füßen — Punktum! Willst Du vielleicht gleich schon am ersten Tag unseren Nachbarn aufzeigen, dass wir anders als sie sind? Ich habe keine Lust, auffällig zu wirken, solange noch meine Verfolger auf meinen Fersen sein können. Und das wirst Du gefälligst lernen. Zieh‘ Dein Kleid hoch und bück Dich!“
Ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen. Er hatte mir Ohrfeigen verpasst und wollte mich jetzt auch noch auf den Po schlagen? Ich war wie gelähmt. Er knurrte ungeduldig und Schwups, schon hatte er mich gebeugt und mit der anderen Hand mein Kleid auf meine Hüften befördert. Eine Sekunde später landete seine rechte Hand auf meinem Po, der durch den Baumwollschlüpfer und den Hüfthalter nicht schlecht geschützt war. Er grummelte leise und zog mir den Schlüpfer grob soweit herunter, wie es ging. Und es klatschte dann noch zweimal weniger gedämpft, bevor er mich losließ. Es war demütigend, wie er mich behandelte.
„Anjuli, jetzt wirst Du den Brief schreiben, den ich Dir diktiere, verstanden? Dein Vater braucht sich keine Sorgen zu machen. Ich werde auch hier Geschäftsbeziehungen aufbauen. Du brauchst nur den Haushalt zu machen. Du brauchst nicht zu arbeiten. Alles wird gut sein, solange Du nicht versuchst, Deinem Vater eigenmächtig zu schreiben oder gar eigenmächtig zu reisen. Das werde ich strikt unterbinden.“
Ich konnte nur ungläubig starren und ihn anschauen, als ob er von einem anderen Planeten käme. Das konnte er nicht mit mir machen! Jetzt hatte ich wirklich genug!
„Was bildest Du Dir ein? Ist das Dein Dank dafür, dass ich quasi Dein Leben rette? Hast Du sie nicht mehr alle, Du grüner Junge? Bildest Du Dir etwa ein, dass ich Deine Sklavin bin? Jetzt habe ich wirklich genug von Dir. Ich reise nach Hause — und Du kannst sehen, wo Du bleibst!“
Weitere Geschichten zum Thema