Für einen Moment standen die fünf sich im Innern des Geschäfts gegenüber, während draussen der Regen gegen die Strohdächer prasselte und die Harpyen wilde Flüche durch das Dorf kreischten. Der Gardist reagierte als erster und reckte sein gezogenes Schwert den beiden entgegen, die mit prallen Beuteln voller Diebesgut durch die Hintertür hereingestürmt waren.
«Noch mehr Gesindel,» sagte der Gardist, doch er wirkte nicht beunruhigt, in der Unterzahl zu sein. «Aber dieses von ehrlichen Bürgern geführte Geschäft werdet ihr nicht auch noch ausrauben, bei meiner Ehre. Legt die gestohlenen Sachen hin und euch wird ein fairer Prozess gemacht, streckt auch die Waffen nieder, denn nur Kleinwaffen sind im Dorfinneren erlaubt.»
Der Zwerg liess seinen Sack fallen, aber nur um seine dicke Keule mit beiden Händen zu packen. Die Gnollfrau knurrte den Gardisten herausfordern an. Ihre Zunge hing aus dem Mundwinkel und sie hechelte heftig.
Es waren keine Worte mehr nötig, eine friedliche Lösung war ausgeschlossen und so begann der Kampf. Die Keule des Zwergs zerschmetterte ein Regal, als der Gardist dem Schlag auswich und in der Bewegung der Gnollfrau einen Stich gegen die Brust gab. Diese machte einige Schritte zur Seite und umkreiste den Gardisten, damit sie ihn von beiden Seiten angreifen konnten.
So geriet sie aber in Reichweite von Minoa und diese zögerte nicht ins Kampfgeschehen einzugreifen, wurde aber aufgehalten bevor sie den ersten Streich führen konnte. Zwei Hände, deren Haut scharlach-rot war, hatten sie von hinten gegriffen und zogen sie zurück.
«Halte dich raus, das ist nicht deine Angelegenheit und du kannst mit deinem Level onehin nicht viel ausrichten» sagte der Dämon.
«Ich will mir zurückholen was, mein ist und du solltest auch nicht tatenlos dastehen, schliesslich ist es dein Laden, den sie bestehlen wollen,» sagte Minoa und versuchte freizukommen, aber der Dämon hatte sie fest gepackt, wobei sie eng an ihn gedrückt wurde.. Er trat mit ihr weiter nach hinten, sorgte für einen Abstand zu den Kämpfenden und verharrte mit dem Rücken an der Wand. Zwar blieb er nun stehen, dennoch bewegte er sich, denn seine Körpermitte ruckte immer wieder vor und zurück und Minoa spürte, wie er seinen Schritt gegen ihre Rückseite rieb. Es dauerte nicht lange, da wuchs die Beule in seiner Hose an, die durch den dünnen Stoff von Minoas Kleid zwischen ihre Hinterbacken glitt.
Der Gardist schien währenddessen die Oberhand zu gewinnen, er liess den Zwerg mit einem Tritt gegen die Brust nach hinten stolpern, noch mehr Mobiliar zerbrach und Minoa spürte, wie der Dämon wegen der Zerstörung verärgert zusammenzuckte.
«Seid doch vorsichtig, ich bitte euch,» sagte er an den Gardisten gerichtet. Dieser griff gerade an der Achsel unter das Ledergewand der Gnollfrau und zerriss mit einem Ruck einen der Träger, sodass eine Brust entblösst wurde.
Mit drei Fingern kniff er in den freiliegenden Nippel, verdrehte ihn, sodass die Gnollfrau wimmernd in die Knie sank. Mit einem wütenden Schrei wollte sich der Zwerg mit erhobener Keule auf ihn werfen, doch der Gardist verpasste ihm mit der flachen Seite des Schwertes einen Klapps in den Schritt, der auch ihn auf den Boden sinken liess. Doch die beiden waren noch nicht besiegt und erhoben sich wieder, Tüpfel mit der Absicht einen der teuren Teppiche unter dem Gardisten wegzuziehen, und Romus griff nach einem gläsernen Artefakt, um ihn als Wurfwaffe zu missbrauchen.
Da entstanden gelb-leuchtende Symbole in der Luft, Minoa hörte den Dämon in ihrem Nacken einige Worte murmeln und der Gardist, der gerade wieder Kampfhaltung eingenommen hatte, erstarrte, breitbeinig dastehend und mit einer blonden Locke die ihm ins Gesicht hing.
Er war kampfunfähig und konnte sich nicht mehr verteidigen, aber als Racheakt schlug Romus ihm dennoch das Glas über den Kopf, der Gardist kippte nach vorne und knallte, die Nase voran, auf den Teppich.
«Schluss jetzt, ihr habt genug Schaden angerichtet. Geht, und lasst es euch nicht in den Sinn kommen irgendwas von hier mitgehen zu lassen!», knurrte der Dämon mit leiser, aber eindringlicher Stimme. Minoa hielt er immer noch gepackt, wohl für den Fall, dass er sie nochmals nutzen musste um, Mana zu sammeln.
Tüpfel hob beschwichtigend die Hände. «Wir haben alles was wir wollten und machen uns gleich aus dem Staub, keine Sorge. Mach uns nur die Tür zum Keller auf und dann sind wir weg. Danke übrigens für den netten Zauber, ich habe das Gefühl, dass meiner noch nicht ganz so effektiv ist.» Dabei sprach auch Tüpfel den Zauber, sodass auch Minoa in eine Starre verfiel, denn Tüpfel hatte sie wiedererkannt.
«Kleine Elbin aus dem Wald, zwar ohne Fesseln und mit Kleidern, aber immer noch eine Kettenrasslerin,» sagte Tüpfel kichernd und trat mit freiliegender Brust und hart abstehendem Nippel auf sie zu. «Du hast noch nicht viel gelernt seit dem letzten Mal, wie enttäuschend.» Zur Demütigung krempelte sie Minoas Rocksaum hoch, sodass sie unten entblösst dastand, dann schulterte sie ihre Beute und trat von ihr weg und Romus übernahm ihren Platz. «Zu dünn und zu flach, wie alle Elben,» sagte er abschätzend, griff nach Minoas Hut, wobei er sich auf die Zehenspitzen stellen musste und setzte ihn sich selbst auf. «Danke dafür, Mädchen,» sagte er und gab ihr einen Klapps mit der flachen Hand auf die Scham.
Dann musste sie tatenlos zusehen, wie die beiden durch die Tür verschwanden, wobei ihnen der Dämon assistierte und in den Keller folgte, denn er wollte sie wohl so schnell wie möglich aus seinem Laden haben.
Der Gardist lag immer noch wie ein Mannequin auf dem Boden und zu Minoas Überraschung war es ihr Bann, der zuerst brach, wahrscheinlich weil Tüpfels Zauber schwächer war. Sie liess den anderen liegen und beeilte sich in den Keller zu gelangen, wo sie gerade noch den Rücken von Romus sah, der in einem Loch in der Wand verschwand. Ohne zögern ging sie auf das Loch zu und wollte den beiden durch den Tunnel folgen, der Dämon stand aber noch davor, den Rücken zu ihr gewandt.
«Geh zur Seite. Ich habe keinen Zwist mit dir, auch wenn du mich nun bereits zum zweiten Mal als Mittel zum Zweck benutzt hast. Aber mit diesen beiden habe ich noch eine Rechnung offen,» rief sie energisch, da sie keine Zeit verlieren wollte. Er fuhr zu ihr herum, in der Hand einen hölzernen Hammer. Bevor aber einer von ihnen noch etwas tun konnte, tauchte trampelnd der Gardist auf, und er war sichtlich sauer. «Schaut, dies sind Komplizen der Diebe. Gemeines Gaunerpack, allesamt.» rief er, und hinter ihm erschien der alte Benji auf der Treppe, der sich noch schläfrig die Augen rieb und nur eine Hose trug. «Mumpitz, das ist mein Geselle,» meinte dieser mit dröhnender Stimme.
Der Gardist aber wollte davon nichts hören. Mit einem Satz sprang er vom Geländer genau auf die beiden zu, das Schwert nach vorne gestreckt, sodass sie zur Seite hechten mussten, wollten sie nicht aufgespiesst werden. Dem Dämon entglitt der Hammer, als er gegen einen Kohlehaufen prallte und nun war es der Gardist, der vor dem Eingang des Tunnels stand.
«Hier sind die Halunken entkommen. Euer Geselle muss diesen Fluchtweg vorbereitet haben, keinen Zweifel, aber weit werden sie nicht kommen. Zuerst nehmen wir diese beiden fest und dann folgen wir den anderen durch diesen Gang,» sagte er mit entschiedener Miene, zog ein Horn vom Gürtel und blies hinein. Das Dröhnen musste im ganzen Dorf zu hören sein, und gleich darauf kam auch die Antwort in Form von wildem Harypengekreische.
Aber während der Gardist auf Minoa und den Dämon konzentriert war, griff der alte Benji nach dem hölzernen Hammer und rief, «Nicht solange ich da noch ein Wort mitzureden habe.» Mit einem gewaltigen Hieb schlug er eine hölzerne Strebe weg.
Ein Zittern ging durch den Keller, als der Kohlehaufen ins Rollen geriet, und einer Lawine gleich den Eingang des Tunnels und den Gardisten unter sich begrub. Der wütende Schrei des Gardisten ging unter und als die schwarzen Steine still lagen, war die halbe Wand verdeckt. Dieser Weg war abgeschnitten.
Als der Staub sich legte, erkannte Minoa den Dämon, der den alten Benji ungläubig anfunkelte.
«Du Narr, wieso hast du das getan? Jetzt werden sie auch auf dich Jagd machen.»
Dieser lachte aber nur und warf den Hammer zur Seite. «Mir können sie nichts anhaben, ich lebe schon lange hier und jeder im Dorf kennt mich und wird für mich bürgen. Aber ihr müsst nun gehen, die Harpyen werden gleich hier sein und nochmals werde ich meinen Kopf nicht für euch hinhalten. Geht schon, Kinder und beweist eure Unschuld.» Er sah sie beide gutmütig an.
Minoa lief zur gegenüberliegenden Wand, wo die Kohlerutsche nach oben führte. «Komm schon, du kannst deinem Meister deine Dankbarkeit am besten damit zeigen, dass du diese Gauner zur Strecke bringst und die Wahrheit ans Licht bringst,» rief sie dem Dämon zu, der dem alten Bären noch einen Moment gegenüberstand und ihr dann folgte, aber offensichtlich unglücklich über diese Rolle war, wurde er doch ungewollt in die ganze Sache hineingezogen.
Gemeinsam kletterten sie die Rutsche hoch und verharrten oben, lugten durch die Öffnung nach draussen. «Wie wollen wir die beiden überhaupt finden?», fragte sie leise, denn sie hatte keine Ahnung, wo der Tunnel hinführte. «Es gibt einen Ort, nicht weit von hier, wo sich schon öfters Verbrecherbanden niedergelassen haben. Dahin werden sie gehen,» sagte der Dämon mit zerknirschtem Gesicht, während er immer wieder leise Flüche ausstiess.
«Und wie sollen wir dahin kommen?», fragte Minoa. Der Dämon antwortete nicht, sondern stieg aus der Rutsche und schlich zum Überdach neben dem Haus, wo der Schimmel an einer Tränke stand und fröhlich wieherte.
Rasch sattelte er das Pferd und stieg auf, Minoa war erst unschlüssig, bis er ihr eine Hand entgegenstreckte, an der sie sich in den Sattel ziehen liess. Hinter ihm sitzend hielt sie sich an seiner Hüfte fest, als er den Schimmel langsam und möglichst leise nach vorne trieb.
Schon nach wenigen Metern wurde aber die erste Harpye auf sie aufmerksam und forderte sie auf anzuhalten. Sofort ging das Pferd in einen Galopp über, wurde schneller, bis sie nur so durch das Dorf flogen. Minoa musste sich nun an ihn klammern, um nich abgeworfen zu werden und die Harpyen rannten ihnen hinterher, warfen mit Schleudern und Speeren. Auf der Brücke stoben die Wache haltenden Harpyen zur Seite, um nicht unter die Hufe des Pferds zu geraten.
Erst als das Dorf nicht mehr zu sehen war und auch das Kreischen und Gackern verstummte, verlangsamten sie den Ritt und gingen in leichtem Trab weiter. Minoa liess die Arme um den Dämon gelegt und es schien ihm nichts auszumachen.
Sie vermisste ihren Hut, denn der Regen wurde nicht schwächer, während sie einen Trampelpfad entlang durch den Wald ritten. Zu ihrer Rechten hörten sie das Rauschen des Flusses, sie folgten seiner Fliessrichtung.
Es dunkelte bereits ein, als sie an einer Böschung anhielten und vom Pferd stiegen. Von dort konnten sie den Wachturm sehen, der in den Fluss hinein gebaut worden war und nur über eine Brücke zu erreichen war.
Die Harpyen standen in einer Schaar am Flussrand und überlegten scheinbar, wie sie den Turm stürmen konnten, denn die Zugbrücke war hochgezogen und an der Aussenseite des Gemäuers waren nur einge schmale Schiessscharten zu erkennen
«Dort sind der Zwerg und die Hyäne? An den Harpyen kommen wir niemals vorbei, oder hast du vor dich durchzukämpfen?», sagte Minoa. «Nein, es sind zu viele und auch wenn wir sie besiegten, wäre da immer noch die Zugbrücke,» sagte der Dämon und wandte sich um, um tiefer in den Wald zu laufen, den Schimmel hinter sich herführend. «Komm, es gibt noch einen anderen Weg in den Turm. Einen versteckten Tunnel, den die Verteidiger im Falle einer Belagerung nutzen konnten.»
Minoa fragte sich, wie er an diese Informationen gekommen ist, und während sie durch den Wald liefen, sank die Sonne unter den Horizont und irgendwann bekam sie das Gefühl, dass sie im Kreis liefen.
«Du weisst auch, wo der Eingang zu dem Tunnel ist?», sagte sie und es dauerte. bis er eine Antwort gab. «Er sollte irgendwo in diesem Waldstück sein.» Er liess den Blick schweifen, zwischen den Bäumen war Licht zu erkennen, die Umrisse einer Hütte. «Es sollte eine Höhle sein oder etwas in der Art. Wo genau diese sein könnte weiss ich nicht, das haben geheime Tunnel nun mal an sich.»
«Zwar macht mir das Wetter nichts aus, aber die ganze Nacht möchte ich nicht hier draussen im Wald mit Suchen verbringen. Vielleicht kann uns dort drüben jemand Weiterhelfen,» sagte Minoa und übernahm die Führung, indem sie auf die Hütte zuging.
Als sie sich näherten, öffnete sich deren Tür und im Licht erkannten sie eine gebeugte Gestalt.
«Auf der Suche nach einer Bleibe für die Nacht?», hörten sie die krächzende Stimme sagen, es war ein alter Mann, der sich auf einen Stock stützte und sie durch den Regen hindurch ansah.
«Nein, Väterchen. Aber wir suchen nach etwas, einer Höhle oder einem Felsspalt, einer Öffnung die unter die Erde führt, und sich hier irgendwo befinden sollte,» sagte der Dämon und zog dabei die Zügel des Schimmels zu sich, denn dieser hatte den Kopf nach unten gesenkt und im Garten des Alten gestöbert, wo neben Kräutern und Gemüse auch Pilze wuchsen.
«Ein Portal in die Tiefe, ja von der Sorte gibt es eine, ganz in der Nähe. Doch welche Absichten habt ihr, damit ich euch guten Gewissens den Weg deuten kann? Es gibt manche, die in die Tiefe gehen um Schlechtes zu tun, ohne Respekt für das Lebende und Vergangene, und die Natur in Verderbnis verwandeln. So geschah es auch mit dem alten Tümpel, oben bei Rübweiler und seitdem wohnt eine dämonische Kreatur in dem einst schönen Gewässer. Betrüblich, wie schönes zu schlechtem verkommt,» sagte der Alte kopfschüttelnd.
«Wenn ihr von der Kröte sprecht, die in dem Tümpel hauste, ich bin ihr begegnet und mein Name ist Minoa,» sagte Minoa und hielt ihre Waffe hoch, «dies Schwert habe ich aus ihrem Schädel gezogen, nichts ist mehr von ihr übrig als eine trübe Erinnerung und das Wasser des Tümpels wurde wieder klar, und die grüne Dame herrscht nun dort.»
«Ist das so?», sagte der Alte aufgeregt und machte einen jauchzenden Hopser, den man ihm gar nicht zugetraut hatte und schlug die Fersen zusammen vor Freude. «Bitte, kommt herein und erzählt mir alles genau.»
«Verzeiht, aber dafür haben wir keine Zeit. Es eilt und wir müssen gleich weiter,» insistierte der Dämon und der Alte nickte verstehend. «Junge Leute, immer so hastig. Zumindest weiss ich nun dass du, Mädchen, nichts Schlimmes im Sinn hast. Doch wer bist du, mein ungeduldiger Freund?»
Und der Dämon sah, dass der alte sich weder mit einer Lüge noch mit einer unbefriedigenden Antwort würde überzeugen lassen. «Bis vor kurzem war ich Geselle eines Krämers, drüben in Rübweiler,» sagte er, hatte aber sein Gesicht abgewandt und fügte nach kurzem zögern hinzu, «und ich hoffe dass ich es bald wieder sein werde. Ihr könnt mich Rix rufen, denn alle tun das.» Der alte sah ihn immer noch abwartend an, sodass der Dämon seinen ganzen Namen nannte. «Orgetorix ist mein Name.» Minoa hatte das Gefühl, den Namen schon mal gehört zu haben.
Nun zeichnete sich ein Lachen im faltigen Antlitz des Alten ab und er sagte, «Gut, das genügt mir und ich werde euch den Weg zum Eingang weisen, aber davor will ich euch noch etwas geben, als Dank dafür, dass ihr den Tümpel gereinigt habt.» Damit verschwand er in seiner Hütte und sie warteten einige Momente im Regen, bis er zurückkam.
«Hier, nehmt das. Diese Tasche ist aus der Seide von Drachenraupen gesponnen, selbst ein Troll wäre nicht in der Lage sie zu zerreissen. Ich habe auch noch einige Pilze hineingepackt, als kleiner Wegproviant, wobei manche davon nur zu gewissen Zeitpunkten und für bestimmte Umstände verzehrt werden sollten,» sagte er mit vielsagendem Blick, und schaute von Minoa zu ihrem Begleiter. «Die Höhle befindet sich Westlich von hier, ein Riss im Gestein führt hinein, ihr werdet es nicht übersehen. Dann gut Glück auf eurem Weg.»
Sie verabschiedeten sich, Minoa winkte ihm noch zu, als sie wieder in den Wald traten und in die angegebene Richtung liefen. Die Tasche hatte sie sich umgelegt, sie war leicht und würde auch im Kampf kaum eine Behinderung sein. «Syri wird sich freuen,» dachte sie.
Der Alte hatte recht behalten, denn wenig später standen sie vor der Spalte, die sich vertikal durch den Fels zog. Den Schimmel mussten sie zurücklassen, Orgetorix schickte ihn mit einem Klapps in den Wald, er würde von selbst zurück nach Rübweiler zum alten Krämer finden, dann gingen sie nacheinander in die Höhle, ins Erdinnere.
Der Regen wurde leiser, je tiefer sie eindrangen. Auch in der Höhle war es sehr feucht, Flechten und Moos wuchsen hier und verschiedene Arten von Pilzen. Manche waren Korallenartig und hingen an Wänden und an der Decke. Sie strahlten bläuliches Licht aus, und da sie keine Fackeln dabei hatten, war dies ihre einzige Lichtquelle. Orgetorix nahm sich einen dieser Pilze um damit ihren Weg zu erleuchten, denn dieser führte nun abwärts in weitläufigere Tropfsteinhöhlen.
Es herrschte eine unheimliche, aber auch angenehm beruhigende Stille, umgeben von kaltem Stein.
Sie kamen zu einem kleinen See, er schien nicht tief zu sein und Minoa wollte ihn gerade durchqueren, da hielt Orgetorix sie zurück. «Nicht, wir gehen aussen rum. Das ist kein Wasser.»
Er hielt den Pilz nah an die Oberfläche und sie sahen, dass es eine schwarze Flüssgkeit war. Minoa stach mit ihrem Schwert hinein und fuhr dann mit dem Finger über die Klinge, an der die Masse kleben blieb. «Scheint eine Art von Öl zu sein,» mutmasste sie und stimmte ihm zu.
Sie fanden noch weitere dieser Seen und Minoa dachte darüber nach, später hierher zurückzukommen und das Öl in Fässer zu pumpen und es dann irgendwo zu verkaufen. Damit würde sich bestimmt ein Vermögen machen lassen.
Sie wurde in ihren geschäftlichen Nachdenkungen unterbrochen, weil sie vor sich Schritte hörten. Schritte nackter Füsse, vieler Füsse und eine gebrabbelte Sprache, in der sich die Gestalten miteinander verständigten. Hinter Stalagmiten schlichen sie sich näher, doch dann gab Orgetorix Entwarnung. «Das sind Falmer, Goblinwesen die nur in Höhlen hausen. Sie sind beinahe blind und ihre Ohren sind auch unterentwickelt. Wir können also einfach an ihnen vorbeigehen, solange wir nicht direkt in einen hineinlaufen,» sagte er und sie gingen hinter einer Reihe von Felsen vorbei.
Durch Lücken konnte Minoa ein Lager erkennen, wo die Falmer etwas aufgestellt hatten, das nach kleinen Käfigen aussah, die aus Knochen gebaut waren. In den Käfigen steckten Pilzlinge, zusammengedrückt, denn sie hatten kaum Platz und schrien mit ihren schrillen Stimmen im Chor.
Einer der Falmer trat gerade an einen Käfig, in dem nur ein einzelner Pilzing gefangen war. Dieser war grösser als seine Artgenossen und hatte einen Bart aus braunem Moos und einen gezackten Pilzhut. Er reagierte kaum, als der Falmer ihn durch die Käfigstäbe hindurch pikste und grunzend am Käfig rüttelte. Dafür tauchten nun aus der Dunkelheit noch mehr Pilzlinge auf und eilten auf den Gefangenen zu, denn er war ihr König und sie konnten nicht tatenlos zusehen.
Darauf hatten die anderen Falmer nur gewartet, sie griffen nach den Pilzlingen, stülpten Taschen über sie oder beförderten sie mit Fusstritten in die noch freien Käfige.
«Sie benutzen den Bärtigen um die anderen anzulocken, so viel Intelligenz hätte ich den Falmern gar nicht zugetraut,» sagte Orgetorix, «aber umso besser für uns, denn sie sind abgelenkt und achten nicht auf uns, wir sollten ohne Probleme vorbeikommen. Geh du voraus, ich werde…» Er hatte den Kopf zu Minoa gewandt, diese hatte gerade noch neben ihm hinter dem Stalaktit gestanden, doch nun war sie fort.
Von Fels zu Fels huschend näherte sie sich den Falmern, einer stand etwas abseits und hatte einen Pilzling in der Hand, der vor sich hin jammerte, denn er wurde gezwickt und befingert.