Glooris de disuu! (Ehre den Göttern! – welchen auch immer, sucht euch die/den geeigneten aus, Menschen haben da ja, je nach Stimmung und Züchtung, ihre Vorlieben. :-D)
Erneut voraus: Schön, dass ihr wieder hergefunden habt und meinen Dank an die vergnüglichen Kommentare zum letzten Kapitel, ihrer zwar recht übersichtlich, aber dafür sehr erheiternd. (Drollig auch, dass Honeybutt Hardy die Story mag. Freut mich, dass tatsächlich einige MX’ler unter den Leserinnen und Lesern sind)
Da keine Beschwerden eingegangen sind, scheint der Part um das Labor (inkl. Fesselspielchen und Lovetoys) mit seinen robotorisierten (Anti-)Masters of Sex wohl ganz gut angekommen zu sein.
Nunmehr wird dieses düster erotische Pulp-Szenario fortgeführt, allerdings befasst sich dieser Teil vornehmlich mit dem charakterlichen Vorspiel und wartet am Anfang sogleich mit einer kleinen Überraschung auf. Anschließend nimmt die Geschichte wieder ein bisschen menschlichere Züge an, zumindest soweit dies möglich ist, in jener künstlichen, durchweg kommerziellen, übertechnisierten und total überwachten Welt von Ma’bellar, bevor das hernach anstehende Finale den (Handlungs-)Höhepunkt beschließen wird.
Viel Spaß! The Comuna is watching you! :-)
Anmerkung: Die Inhalte dieser Geschichte sind ein reines Produkt der Fantasie. Das Copyright der Charaktere und einiger Handlungselemente liegen bei den entsprechenden Inhabern.
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Aruula von den Dreizehn Inseln – Dunkle Zukunft der Erde
Die Tiefen von Ma’bellar – Teil 5
– 9 –
Das Tablett mit dem Menü flog durch den Raum und prallte gegen die verspiegelte Fensterscheibe. Der undefinierbare Saft aus dem Kunststoffbecher malte ein Tropfengemälde aus Hellgrün auf das Glas, während die unappetitliche Pampe vom Plastikteller — wahrscheinlich irgendeine Art von Nahrungsbrei — sich beigefarben hinzugesellte und zähflüssig an dem glatten Untergrund hinabrutschte.
„Hey! Und nochmal: Ich bin wach! Und ich wette, dass ihr das bereits gecheckt habt… wer immer ihr auch seid! Heeey! Hört ihr mich? Versteht ihr mich?“
Einen Moment später folgte der Klapptisch, auf welchem das Essen gestanden. Es knallte laut, dann fiel auch er klappernd zu Boden.
„Hallo? Was soll dieses Einsperr- und Versteckspiel? Gebt euch endlich zu erkennen! Merduu! Verdammte Scheiße! Mir reicht es langsam!“
Nicht zum ersten Mal in den vergangenen zwei Stunden stampfte der junge, drahtige Mann mit dem dunkelblonden Haar durch die modest eingerichtete Kammer, die den sauberen und sterilen Charme eines Klinikzimmer früherer Zeit mit der beklommenen Ambiance einer Gefängniszelle vereinte. Wände, Boden und Decke; alles war in schlichtes, seidenglänzendes Weiß gehalten, selbst die wenigen Möbel, wie Bettstatt, Schrank, zwei Sitzgelegenheiten, ein Ecktisch und eine futuristisch anmutende Ausstattung für die Notdurft. Wohingegen, zu seinem Verdruss, all jene Dinge fest vernietet waren und sich nicht zum Frustabbau eigneten — sprich: Umherschleudern ließen. Das hatte er beileibe schon ausprobiert und sich — zum Teil — daran verausgabt.
„Euren Fraß esse ich nicht! Hört ihr? Das Zeug könnt ihr meinetwegen euren Doggars in die Näpfe füllen, aber ich schlinge davon keinen Bissen runter! Lieber hungere ich! Vielleicht wollt ihr mich auch vergiften? Woher soll ich das wissen?“, rief er frondierend und schritt, brodelnden Gemüts, einen Kreis nach dem anderen ab.
Das nicht näher klassifizierbare Gericht rann und sickerte mit der Konsistenz von Schleim von der Scheibe und bildete eine geruchslose Lache.
„Ganz ehrlich: Ihr seid die mit Abstand idiotischsten Entführer, die mir untergekommen sind! Wäret ihr Barbaren, dann wüsste ich schon längst, was mir blühen würde: Kochtopf, Spieß durch den Arsch, Kopf auf den Spieß oder — aber das eher seltener der Fall — ein freudiges Gelage mit Brabeelenwein und Schmauchkraut im Überfluss! Was könnt ihr mir bieten?“
Und wieder hallte… und verhallte seine bemüht provozierende Einsprache.
„So ein verfluchter Mist! Ich drehe hier noch durch!“, fluchte er weitaus stiller und zu sich selbst. Aufgebracht schaute er sich um!
Natürlich hatte sich nichts in seiner unspektakulären Umgebung verändert, aber die Bewegung für die Augen half ihm beim Nachdenken. In der Westwand, gegenüberliegend zu der verspiegelten Fläche, zeichneten sich die schmalen Linien einer Türöffnung ab. Gleich nach seinem Erwachen, hatte er sich bereits daran begeben und versucht den Durchgang zu benutzen, doch leider war dieser verriegelt. Dennoch schien dies der einzige Ausweg aus seinem Ungemach zu sein.
Also lief er wieder einmal hin, hämmerte darauf ein, tastete die Wandbereiche neben der Tür ab und warf sich — als alles suchen aufs Neue nichts einbrachte — wütend mit dem ganzen Körpergewicht dagegen, bis seine Schultern schmerzten. Die paar zusätzlichen blauen Flecke, die er sich dabei zufügte, machten keinen Unterschied mehr, unter den übrigen Blessuren, die seine helle Haut färbten.
Erzürnt zog er sich zurück, starrte den Türausschnitt an, wie das Objekt-gewordene Böse, ein Tor, dass es niederzureißen galt, weil es ihn von seiner Freiheit trennte. Schließlich entfernte er sich heftig keuchend von dem Türumriss, sein Blick bekam etwas finsteres und in sich gekehrtes. Für die Dauer von dreißig trommelnden Herzschlägen stierte er das Viereck in der Wand an, als könne er es mit der puren Kraft seines Blickes bezwingen. Je länger er starrte, umso schwerfälliger wurde er und umso mühseliger fiel es ihm. Schweiß trat auf seine Stirn, seine angespannte Haltung wankte, die Pupillen begannen zu irrlichtern. Er musste aufgeben.
Ächzend und schnaufend brach er ab und sank erschöpft auf ein Knie.
„Das gibt’s doch nicht… was ist los mit dir? Du lässt mich im Stich…?“, brabbelte er und es hörte sich wie ein Zwiegespräch an.
Da glitt unerwartet die Tür beiseite und ein Geschöpf — wenn dieser Begriff überhaupt legitim war – verschaffte sich Zutritt zu seiner Räumlichkeit, dass ihn stutzen und einmal ungläubig den Kopf schütteln ließ.
„Guten Tag, Sujeto XY-777! Bitte zügeln sie ihr impulsives Temperament! Bitte verzichten Sie auf sogenannte Wutausbrüche! Bitte unterlassen Sie die Sachbeschädigung von Eigentum der Comuna! Abschließend unterlassen Sie bitte die Verschwendung von Nahrungsmitteln! Leisten Sie diesen Forderungen bitte Folge, ansonsten werden Konsequenzen Sie dazu ermutigen, ein angemesseneres Verhalten zu erlernen!“, begrüßte ihn ein aufleuchtender Schallmembran unter der Glaskugel, in der ein menschliches Gehirn feuchtfröhlich auf und ab trieb, von Drahtgeflecht umwoben.
„Oh Shit! Was bist du denn für einer? Und wo bin ich hier?“, platzte es unvermittelt aus dem jungen Humanoiden heraus, der immer noch leicht baff war.
„Sie können mich als Bitores de Quiros bezeichnen, Sujeto XY-777! Ich habe die Aufsicht über Ihre Wohnparzelle und bin für Ihr Allgemeinwohl zuständig! Obwohl Sie erst seit kurzer Zeit in unserem Refugio weilen, legen Sie bereits ein hohes Maß an Aufruhr an den Tag! Dies kann so nicht weitergehen! Ungehöriges Verhalten wird nicht toleriert! Sie befinden sich in einer unterirdischen Anlage, die seit dem Kometeneinschlag einer auserwählten Elite der Menschheit das Fortleben sichert!“, informierte ihn der tonnenförmige Besucher und die elektrische Sprechweise klang, als spulte man eine Audiodatei ab.
„Okay, Bitores! Jetzt, wo du dich vorgestellt hast und ich weiß, wo ich mich befinde, sind wir schon mal ein Stück weiter! Mein Name ist Juefaan und ob du es glaubst oder nicht — das heißt, wenn du fähig bist zu glauben, ach, ist auch egal — also, ich habe geahnt, dass es hier irgendwo in Marbella einen Bunker geben muss! In einer der Ruinen an der Oberfläche bin ich auf einen verhungerten, äh, inaktiven Roboter gestoßen, der gehörte bestimmt zu eurem Inventar hier!“, bekannte sich nun auch Juefaan zu seiner Identität und sprudelte an Worten buchstäblich über. Er erhob sich und boxte Bitores kameradschaftlich gegen seine metallene Tonne.
„Übrigens… ähm, danke, dass ihr mich gerettet habt. Das letzte an das ich mich erinnere, nun ja… ist, dass ich ziemlich tief gefallen bin. Muss mir auch schlimm was getan haben. Der Schock steckt mir noch immer ein wenig in den Gliedern… eigentlich unglaublich, dass ich noch stehe und alles bewegen kann. Ich hätte schwören können, dass ich mir…“
„Weitere Ausführungen sind nicht notwendig, Sujeto XY-777! Sie haben eine schwere Verletzung hinter sich, doch unsere medizinische Ausstattung konnte sie erfolgreich heilen! Akzeptieren Sie bitte, dass sie vollständig regeneriert und wiederhergestellt wurden! Ihre Erinnerungen wurden therapiert, dass Sie durch den erlittenen Schock keine nachhaltigen Beeinträchtigungen zu fürchten haben!“, klärte ihn der Maschinenmensch gleichgültig auf.
„Oh…“, entfuhr es Juefaan daraufhin nur. Sein Mund fühlte sich auf einmal sehr trocken an.
Dann stand es doch sehr arg um mich…. Der Sturz hätte mich beinahe das Leben gekostet. Den Göttern sei Dank, dass diese Techno-Enklave mich auf dem Schirm hatte!
„Allerdings scheinen Sie von einem parasitären Organismus befallen zu sein, wie unsere Scans angezeigt haben! Es ließ sich nicht genau feststellen, auf welche Weise der Parasit die Verbindung zu ihrem Körper aufrecht erhält, aber jegliche Versuche ihn abzuspalten, ließen ihre Werte auf einen beängstigenden Zustand fallen. Offensichtlich okkupierte die Lebensform sie vor einigen Wochen oder Monaten. Uns fehlt im Moment noch die geeignete Behandlungsmethode diese Symbiose aufzulösen, aber Doctoral Palafox ist sehr interessiert an dieser parasitären Mutation! Für die Dauer ihres Aufenthalts, und bis der Parasit in Quarantäne gegeben werden kann, wurde er zunächst einmal mit einem Sedativum ruhiggestellt!“, überrollte Bitores seinen menschlichen „Gast“ mit einer weiteren Textflut.
Juefaan brauchte einen Augenblick, der Situation Herr zu werden, aber dann schritt er hastig ein:
„Schon in Ordnung, ich habe mich an diesen… Organismus gewöhnt. Er ist ein… Teil von mir geworden, ähnlich wie, ja, wie das bei dir deine künstlichen Komponenten sind! Ihr müsst uns nicht voneinander trennen, sag das deinem Doktor Pafalox, ja? Wir kommen gut zu zweit klar… wirklich! Ist eine tolle Symbiose, äußerst nützlich! Die hilft mir an der Oberfläche zu überleben! Nur seine geradezu absurde Abneigung gegen alles Siragippenartige ist etwas anstrengend! Woher das auch immer rühren mag…“
„Die Sekretion des Parasiten ist beschlossene Sache, Sujeto XY-777! Sehen Sie es als Reparation für den Kapitalaufwand, der mit ihrer Rettung einhergegangen ist! Sie stehen in des Principals Schuld!“, erläuterte Bitores de Quiros kategorisch und die Tonart schien keinen Widerspruch zu dulden.
„Was? Nein! Das könnt ihr nicht einfach von mir verlangen! Oder einfordern!“, protestierte Juefaan trotzdem.
„Ihr versteht das nicht! Wenn ihr mir den Symbionten gewaltsam entfernt… könnte ich sterben! Wir sind abhängig voneinander!“
„Ein bedauerliches Opfer, doch aufgerechnet ist der Parasit das einzigartigere und damit wertvollere Lebewesen von ihnen beiden! Ihr Verlust wäre natürlich tragisch, aber hinnehmbar, wenn wir damit diesen außergewöhnlichen Organismus für unsere Forschungen gewännen! Als wir Sie retteten, taten wir dies in der Annahme, dass Sie – in dankbarer Kooperation – uns diesen Eingriff gestatten würden! Eine Fehlberechnung, wie sich nun offenbart! Leider zwingen Sie uns hierdurch, unsere Ausgaben konsequent wiedereinzustreichen!“, tönte es unerbittlich aus dem Modulator und an dem tonnenförmigen Leib schoben sich Verdeckklappen zurück, aus denen Teleskop-Arme wuchsen, mit gezackten Sägeblättern und Spitzen.
Juefaan vermochte kaum mitzukommen, so schnell war das Gespräch zu seinen Ungunsten gekippt. Und ohne Waffen und einen agierenden Symbionten, war eine Flucht aus diesem Hochsicherheitstrakt sicher so dumm wie aussichtslos.
„Warte! Moment! Stopp! Nichts überstürzen, ja?“, riss er seine Hände zu einer besänftigenden Geste hoch, um den Synthetischen aufzuhalten.
„Okay! Ich habs kapiert! Ich bin dir und deiner Community, und deinem Prinicpal erst recht, was schuldig! Ich gehöre euch mit Haut und Haaren, wie es scheint… beziehungsweise so habt ihr es errechnet oder berechnet! Und ihr fühlt euch jetzt von mir… betrogen, weil ich mit dem Preis nicht einverstanden bin…äh, gibt es denn keine Alternative? Kann ich denn nicht etwas anderes tun, um meine Schulden abzugelten? Bitte, Bitores, schmeiß deinen Prozessor und deine Logikschaltkreise an, da muss es doch noch einen anderen Verwendungszweck für mich geben!“, beschwor er den Geist in der Maschine.
Und der, hielt wahrhaftig inne, als überlege er — was er selbstverständlich nicht wirklich tat, sondern stattdessen die aktualisierten Datenpakete aus dem Refugio-Netzwerk abglich, mit dem, was der Mensch von sich gab — ehe er zu Juefaans grenzenloser Überraschung sagte:
„Der existiert tatsächlich, Sujeto XY-777! Du wirst an einem äußerst wichtigen Projekt teilnehmen und es sei dir angeraten, dich diesem mit vollem Eifer, Einsatz und gesammelter Konzentration hinzugeben, damit es gelingt! Andernfalls werden wir den Parasiten für die entstandenen Kosten und dein Unvermögen einfordern, ob du gewillt bist oder nicht!“
– 10 –
Zögernd verharrte seine Hand vor dem Entsperrungs-Touchscreen des Zugangs. Juefaan schluckte. Sein Blick geisterte zu der rot beleuchteten Kontrolltafel neben sich, dann zu dem dreieckigen Fenster der hellgrauen Tür vor sich, welches eine Einsicht in den Raum dahinter bot, schließlich schaute er in den Korridor zurück, aus dem er gekommen war. In seinem Kopf herrschte vollkommenes Chaos. Da rang Vernunft mit Pragmatismus, moralische Werte mit Rationalität, Wunschgebilde und Träumereien mit reellen Erfahrungen und Zuständen, Sehnsüchte und Hoffnungen mit Desillusionierung und Ablehnung und nicht zuletzt; Begierde mit Zurückhaltung.
Ihm waren Eindrücke suggeriert worden, die seine kühnsten Vorstellungen übertroffen hatten. Ein Teil von ihm hatte es gar nicht glauben wollen — vielleicht tat er es auch jetzt noch nicht, weswegen er so gelähmt, ja, geradezu konsterniert hier stand und nicht weiterwusste mit sich und der Welt -, doch ein anderer Teil vom ihm, der wollte es glauben… und wie er es glauben wollte! Juefaan war sich relativ sicher, dass er es diesem Teil seiner selbst zu verdanken hatte, dass er überhaupt einen Fuß vor den anderen hatte setzen können, nachdem er seine Zustimmung zu jenem ominösen „Projekt“ gegeben hatte.
Mit vielem hatte er gerechnet, war von einigen der aberwitzigsten Möglichkeiten ausgegangen; beispielsweise, dass er, als Original-Vorlage zum Organklonen dienen müsse, knifflige Reparaturarbeiten zu erfüllen habe, die die künstlichen Bewohner dieses Ortes nicht mehr ausführen konnten oder eine Lagerhalle von Plastex-fressenden Ratzen säubern, die zu flink für die Behäbigkeit der Maschinen waren, doch niemals hatte er eine Herausforderung erwartet, wie jene, mit der er sich jetzt konfrontiert sah.
Eine Prüfung, die nicht nur seine Physis beanspruchen würde, sondern auch seine Psyche auf eine der wohl gewaltigsten Proben stellte, derer sie bislang in seinem Leben ausgesetzt worden war.
Juefaan wähnte sich in einem Tagtraum. Er fühlte sich, als wandle er durch eine Irrealität, derart abstrakt und unwirklich erschien im seine gegenwärtiger Gemüts- und Daseinsverfassung. Zig tausend Gedanken wirbelten vor seinem inneren Auge umher; vermischten sich zu einem unübersichtlichen Kaleidoskop von Erinnerungen, Wunschvorstellungen und Alpdrücken.
Immer noch schwebten seine Finger tatenlos über dem Paneel.
Dann stiegen plötzlich die Bilder, diese bestimmten Bilder, wieder auf, rückten sich in den Vordergrund und verdrängten Gewesenes. Ihre Macht war ungeheuerlich, Juefaan spürte richtiggehend, wie sich sein Verstand leerte und etwas anderes ihn füllte. Fast schmerzhaft füllte, und eine Woge heißen Verlangens durch sein Blut peitschte.
Die Zweifel, die an ihm genagt hatten, die die Unsicherheit in ihm genährt hatten, wurden von dieser Welle erfasst und fortgetragen. Und irgendwie, war er dankbar dafür. Er wusste, dass dieser inwendige Zwiespalt berechtigt war – vor allem in Hinblick auf das, was er zu tun gedachte — und verzehrte sich nach einer endgültigen Absolution, die ihn freisprach von allen potenziellen Verfehlungen, die er womöglich begehen mochte. Doch darauf konnte er wahrscheinlich warten, bis ihm der Mond auf den Kopf fiel.
Er musste sich jetzt entscheiden.
Schlussendlich, beruhigte er sich selbst, ging es nicht nur um sein Leben. Vielleicht konnten sie einfach das Beste aus der Situation machen und sogar davon profitieren.
Juefaan schloss kurz die Augen, atmete tief den gefilterten Sauerstoff der Techno-Enklave ein und wieder aus, öffnete die Lider und drückte seine Hand auf den Entsperrer. Das Kontrollfeld schaltete auf grün und die Tür verschwand leise zischend in der oberen Wand.
Ein, zwei Sekunden zögerte er noch, dann durchschritt er den Türrahmen und betrat die abgedunkelte Räumlichkeit, die von den Abmessungen recht großzügig und von der Einrichtung wie eine Wohneinheit wirkte. Die Abdunkelung ringsum war allerdings beabsichtigt, dass merkte Juefaan sofort, denn es brannte nur ein Strahler – exakt in der Mitte – hell von der Decke und unter dessen Lichtkegel stand eine Art flächige Konstruktion, die wie eine Kreuzung aus stählernen Diwan und gezierter Streckbank aussah.
Es war nicht zu leugnen, dass seine Aufmerksamkeit dorthin gelenkt werden sollte. Und je näher er der sonderbaren Konstruktion kam, desto mehr beschleunigte sich sein Puls.
Er wusste natürlich schon längst, was ihn erwartete, er hatte sich — seit er sich von Bitores aus auf den Weg gemacht hatte — schon geschätzte hundert Mal diesen einen Moment in seinem Verstand vorgestellt, um nun, wo es soweit war, nicht völlig unvorbereitet zu sein und wie ein törichter Jüngling zu wirken.
Doch alle Vorstellungskraft half ihm letztlich nicht gegen die Wucht der Fleischgewordenen Fantasie, die jetzt vor ihm auf eben jenem Konstrukt lag; friedlich auf den Rücken ruhend und in ausgestreckter Pose, schlummerte sie da: Aruula.
Und wie, als hätte die Kriegerin der Dreizehn Inseln — selbst im Schlaf — bereits einen Bann über ihn geworfen, stakste er mit rauer Kehle und großen Augen vorwärts. Juefaans Sichtfeld verengte sich, wurde zu einem Tunnel, an dessen Ende sich nur die Barbarin befand, gebadet in Licht. Gleich einem kitschigen Märchen, wie sie sich Menschen immer schon, durch alle Zeitalter hinweg erzählten.
Plötzlich flammten weitere Lichtquellen am Rande seines Tunnelblickes auf und zwangen ihn seinen Fokus zu erweitern. Verwirrt schaute Juefaan sich um und erkannte, dass keine weiteren Lampen angesprungen waren, sondern eine Vielzahl an Monitoren, die wie ein Spalier den Weg zu der anbetungswürdigen Frau markierten, zu der er zu gelangen trachtete und deren bemalte Haut im Schein des Strahlers wie Elfenbein schimmerte.
Mit zusammengekniffenen Augen ließ er seinen Blick über die Bildschirme schweifen und nachdem ihm bewusst wurde, was er da sah, schüttelte er den Kopf. Aber schon einen Moment darauf, fragte er sich was ihn dazu veranlasste und er guckte neuerlich hin.
Jedes einzelne Display, welches in der Finsternis leuchtete, zeigte Aufnahmen von Aruula, oder zumindest von einer Frau, die Aruula wie aus dem Gesicht geschnitten war oder ihre leibhaftige Zwillingsschwester hätte sein können.
Der einzige, markante optische Unterschied zwischen jener Person auf den Schirmen und der Frau, die Juefaan seit Jahren kannte, waren die geweihten Linien, mit denen sie ihren Körper schmückte. Aber davon abgesehen… diese neue Bilderflut bestürmte ihn noch massiver, als die paar Eindrücke anregenden Verhaltens, die Bitores de Quiros ihm schon im Vorfeld vorgeführt hatte.