Für die folgende kurze Erzählung beanspruche ich nicht das Copyright, da sie schon älter als 600 Jahre ist. Damals wütete in Italien nicht das Corona-Virus, sondern die Pest, worauf sich sieben Damen und drei Herren in eine zehntägige Quarantäne begaben. Sie nutzten die Zeit, um sich an jedem Tag zehn erotische Geschichten zu erzählen, die inzwischen als Giovanni Boccaccios Dekameron zur Weltliteratur gehören. Diese Erzählung ist die zehnte des dritten Tages.

Man sieht also, dass man eine Quarantäne auch sehr angenehm und abwechslungsreich überstehen kann.

Bis auf Alibeks konkrete Altersangabe (Ü18-Restriktion, die damals noch keine Rolle gespielt hat), entspricht die hier aufgeschriebene Geschichte dem Original: (https://www.gutzitiert.de/decameron-giovanni_boccaccio-kapitel_8.html)

Alibek

In der Stadt Capsa in der Berberei lebte einmal ein steinreicher Mann, der verschiedene Kinder hatte und unter andern eine sehr schöne, anmutige , namens Alibek. Diese, die keine Christin war, hörte oft von den Christen, die in ihrer Stadt wohnten, den christlichen Glauben und den Gottesdienst der Christen so sehr rühmen, dass sie einst einen von ihnen fragte, wie man denn am besten und ungestörtesten Gott dienen könnte. Man sagte ihr, diejenigen dienten Gott am besten, die den Lockungen dieser Welt am weitesten entfliehen, zum Beispiel die Einsiedler, die sich in die thebaische Wüste zurückgezogen hätten. Alibek, ein unschuldiges Mädchen, nicht von einem vernünftigen Antrieb, sondern von einer gewissen kindischen Lust getrieben, machte sich sogleich am folgenden Tage heimlich, ohne einem Menschen ein Wort zu sagen, auf den Weg nach der thebaischen Wüste, wo sie auch, nachdem sie in ihrem ersten Eifer alle Beschwerden mutig überstanden hatte, glücklich ankam. Hier ward sie in der Ferne eine kleine Hütte gewahr und näherte sich ihr. Ein frommer Klausner stand an der Pforte, der sich verwunderte, sie zu sehen, und fragte, was sie suche.

Sie antwortete: sie fühle sich von Gott berufen und wünsche sich seinem Dienste zu weihen und jemand zu finden, der sie darin unterrichte.

Der ehrwürdige Einsiedler, der das Mädchen so jung und hübsch fand, fürchtete, der Teufel möchte ihm einen Streich spielen, wenn er sie bei sich behielte. Er lobte ihr frommes Vorhaben, bewirtete sie mit Wurzeln, wilden Baumfrüchten, Datteln und mit einem Trunk Wasser und sagte:

„Meine , nicht weit von hier wohnt ein heiliger Mann, welcher in demjenigen, was du suchst, ein weit größerer Meister ist, als ich es bin. Zu ihm rate ich dir zu gehen.“

Er zeigte ihr auch den Weg zur nächsten Klause. Hier erhielt sie denselben Bescheid, und auf diese Weise ward sie von einem zum andern weiter gesandt, bis sie endlich zu der Zelle eines frommen, andächtigen, aber jungen Einsiedlers namens Rustico kam, dem sie ebenso wie den anderen ihr Anliegen vortrug.

Rustico glaubte eine Gelegenheit gefunden zu haben, seine Selbstverleugnung auf eine große Probe zu stellen. Er schickte also nicht, wie die anderen getan hatten, das schöne Mädchen weiter, sondern behielt sie bei sich in seiner Zelle. Als der Abend herankam, bereitete er ihr in einem Winkel ein Lager von Palmblättern. Kaum war dies geschehen und sie hatten sich niedergelegt, so fing der Geist der Versuchung an, seiner Standhaftigkeit eine Schlacht anzubieten. Da er ihn lange Zeit in Ruhe gelassen hatte, so ließ sich Rustico jetzt bei einem so plötzlichen Überfall von ihm desto leichter überwinden. Er vergaß alle seine frommen Gedanken, Gebete und Bußübungen und beschäftigte seine Einbildung nur mit der Jugend und Schönheit des Mädchens und mit Anschlägen, wie er es beginnen wollte, seinen Zweck bei ihr zu erreichen, ohne sich der Unkeuschheit verdächtig zu machen. Er legte ihr demnach zuerst einige Fragen vor und überzeugte sich bald durch ihre Antworten, dass sie in den Geheimnissen der Liebe völlig neu und unerfahren und so unschuldig war, wie sie aussah. Daher kam er auf den Einfall, sie unter dem Scheine eines verdienstlichen Werkes seiner Absicht willig zu machen. Er fing also an, ihr weitläufig zu erklären, welch ein geschworener Feind Gottes der Teufel wäre, und ihr hernach zu bedeuten, dass man dem lieben Gott keinen größeren Dienst leisten könne als wenn man den Teufel in die Hölle schicke, die er ihm zum Verdammungsort bestimmt hätte.

„Wie geschieht denn das?“ fragte das Mädchen.

„Das sollst du bald erfahren“, sprach Rustico. „Tu nur, was du mich tun siehst.“

Er warf die wenigen Kleidungsstücke, die er trug, ab und warf sich völlig nackt auf die Knie, als wolle er beten. Das Mädchen ahmte ihm in allem nach. Er befahl, dass sie ihm gegenüber knie. Als er sie so verlockend schön sah, ward seine Begierde immer brünstiger, und schließlich zeigte sich die Auferstehung des Fleisches, welches Alibek gewahr ward und fragte:

„Was ist das, Rustico, was Ihr da vorne habt und ich nicht?“

„Ach, meine Tochter“ sprach Rustico, „Das eben ist der Teufel, von dem ich dir gesagt habe. Und wie du siehst, so beunruhigt er mich so sehr, dass ich es fast nicht aushalten kann.“

„Nun, gottlob“, sprach Alibek. „Mir geht es besser als dir, denn ich habe keinen solchen Teufel wie du.“

„Da ist wahr“, sprach Rustico. „Dafür hast du aber etwas, das ich nicht habe, und das ist ebenso schlimm.“

„Was wäre denn das?“ fragte Alibek.

„Du hast die Hölle“ sprach Rustico, „und ich glaube, Gott hat dich zum Heile meiner Seele zu mir gesandt. Wenn du so viel Barmherzigkeit mit mir hättest, dass du mir vergönntest, den Teufel jedes Mal, wenn er mir arg zusetzt, in die Hölle zu schicken, so könntest du mir eine Wohltat und dem Himmel einen großen Dienst tun, wenn das wirklich die Absicht ist, in der du hergekommen bist wie du mir sagtest.“

Das Mädchen antwortete ihm treuherzig: „Ehrwürdiger , wenn ich die Hölle habe, so mögt Ihr den Teufel nur hineinschicken, sobald Ihr wollt.“

„Gott segne dich, meine Tochter!“ sprach Rustico. „Lass uns nicht säumen, den Teufel in die Hölle zu schicken, dass er mich hernach in Ruhe lässt.“

Damit führte er sie zu einem ihrer Palmblätterbetten und lehrte sie, diesen hartnäckigen Feind Gottes einzukerkern. Und da sie den Teufel sonst noch nie gekannt hatte, konnte sie sich nicht enthalten zu sagen: „, der Teufel ist doch wohl ein rechter Bösewicht und Gottesfeind, dass er sogar der Hölle weh tut, von anderem zu schweigen, wenn er hineinkommt.“

„Das tut er aber nicht immer«, sprach Rustico, und um es dahinzubringen, schickten sie, bevor sie vom Bett aufstanden, ihn noch sechsmal in die Hölle, so dass der Hochmütige am Ende den Kamm sinken ließ und Ruhe gab. Er erhob sich allerdings hochmütig in der Folgezeit des Öfteren wieder, und stets war Alibek willig, ihm den Hochmut auszutreiben. Nach und nach fand sie an dem Spiel Gefallen und sagte öfter zu Rustico:

„Die guten Christen in Capsa hatten doch wohl recht, als sie sagten, Gott zu dienen sei süß. Ich kann mich nicht entsinnen, je etwas getan zu haben, was mir so viel Freude und Vergnügen bereitete, als den Teufel in die Hölle zu schicken. Jeder, der sich nicht nach Kräften bemüht, Gott zu dienen, ist weiß Gott ein Esel.“

Sie kam also oft zu Rustico und drängte ihn:

„Ehrwürdiger Vater, ich bin hierhergekommen, Gott zu dienen, nicht aber müßig zu gehen. Kommt, wir wollen den Teufel in die Hölle schicken.“

Bei dieser Beschäftigung meinte sie zuweilen:

„Rustico, ich begreife nicht, warum der Teufel aus der Hölle wieder herausgeht. Wäre er so gern darin, als die Hölle ihn gern einlässt und festhält, er ginge nie wieder heraus.“

Sie ermunterte auf diese Weise den jungen Rustico, und lud ihn zum Dienste Gottes ein. Schließlich hatte sie ihm die Wolle derart von der Jacke gezupft, dass er fror, wo ein anderer geschwitzt hätte. Deshalb ermahnte er denn das Mädchen, man dürfe den Teufel nur dann geißeln und in die Hölle schicken, wenn er voll Hochmut sein Haupt erhöbe. Durch Gottes Gnade hätten sie ihm seine Hoffart genommen, und er wäre nun so zerknirscht, dass er Gott bitte, in Frieden gelassen zu werden. Das verstummte eine Weile. Als sie aber sah, dass Rustico keine Anstalten machte, den Teufel wieder in die Hölle zu schicken, sagte sie eines Tages zu ihm:

„Rustico, dein Teufel mag gezüchtigt sein und dir nichts mehr zu schaffen machen. Jetzt lässt mir meine Hölle aber keine Ruh. Du wirst ein gutes Werk verrichten, wenn du mit deinem Teufel mir die Glut meiner Hölle löschen willst, so wie ich dir mit meiner Hölle geholfen habe, den Stolz deines Teufels zu demütigen.“

Rustico, der von Kräuterwurzeln und Wasser lebte, konnte dieser Aufforderung nicht mehr Folge leisten. Er sagte, dass viele Teufel dazu gehörten, die Hölle zu beschwichtigen. Doch wolle er tun, was er irgend könne, und befriedigte sie noch dann und wann, aber so selten, dass es nicht mehr besagte, als wenn man einem Löwen eine Bohne in den Rachen wirft. Hierüber maulte das Mädchen, das Gott zu dienen bestrebt war. Der Streit zwischen Rusticos Teufel und Alibeks Hölle dauerte wegen übermäßigen Verlangens einerseits und allzu geringen Vermögens andererseits noch an, als in Capsa ein Feuer ausbrach und Alibeks Vater samt seinen Kindern und sonstigen Angehörigen in den Flammen seines brennenden Hauses umkam und Alibek die Erbin des ganzen Gutes wurde.

Wie ein gewisser junger Mann namens Neerbal, der das seinige vertan hatte, hörte, dass sie noch am Leben sei, machte er sich auf, sie zu suchen, und war eben zu rechter Zeit glücklich genug, sie zu finden, ehe der Hof die Erbschaft wegen Mangel rechtmäßiger Erben an sich nahm. Er führte sie wider ihren Willen zur hellen Freude Rusticos nach Capsa, heiratete sie und ward Besitzer ihres Vermögens. Ehe er bei ihr lag, ward sie von den anderen Frauen gefragt, womit sie Gott in der Wüste gedient hätte. Sie antwortete, sie hätte den Teufel in die Hölle geschickt, und Neerbal hätte nicht wohl getan, sie von diesem Dienste abwendig zu machen. Als die Frauen darauf fragten, wie man den Teufel in die Hölle schicke, und sie es ihnen erklärte, halb mit Worten, halb mit Zeichen, mussten sie herzlich lachen und lachen wohl noch heute, und versicherten ihr:

„Liebes Kind, sorge dich nicht, das kann man hier auch. Neerbal wird schon fleißig auf die gleiche Weise mit dir dem lieben Gott dienen.“

Eine erzählte es der andern in der Stadt, und es wurde zum Sprichwort: Der lustigste Gottesdienst sei, den Teufel in die Hölle zu schicken. Dieses Sprichwort ist übers Meer gekommen und noch heute im Schwange. Darum, ihr hübschen Mädchen, die ihr der Gnade Gottes bedürftig seid, lernt den Teufel in die Hölle schicken, denn das heißt Gott wohlgetan. Die Beteiligten haben lebhaftes Vergnügen davon, und viel Gutes kann daraus erwachsen und auf die Welt kommen.

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