Ändert sich was – Aufgebot und Angebote
Kapitel I
Die ersten warmen Tage Anfang Mai Zweitausendundsechs ließen die Natur in einem zarten Grün leuchten. Wie ein hauchdünner Vorhang legten sich die frisch geöffneten Knospen der Pflanzen um dunkelgrünes Blattwerk, das immer Grün den Winter überstanden hatte. Reste von Herbstlaub, die nicht der Witterung zum Opfer fielen, hingen wie kleine Tupfer zwischen den Ästen und wehrten sich immer noch zu Boden zu fallen. Die Morgensonne stand an einem wolkenlosen Himmel und schimmerte über die Häuserzeilen, gegenüber der Wohnung von Familie Neumeyer.
Isabella Neumeyer suchte in ihrer Handtasche nach ihrem Personalausweis. Dieses Dokument war für den heutigen Tag sehr wichtig und durfte nicht fehlen. Erfreut hielt sie ihn nach einigem Gewühl in der Hand und rief in die Wohnung: „Ich habe ihn gefunden!“
„Das ist schön. Ich habe meinen auch hier in der Hand. Dann können wir ja endlich losgehen.“, antwortete eine weibliche Stimme aus einem Zimmer der Wohnung.
Aus der Küche meldete sich eine männliche Stimme und rief: „Manja und ich haben alles beieinander. Können wir?“
„Ja. Los geht’s. Bin gespannt was uns erwartet und ob wir alles dabei haben.“, antwortete Isabella und ging, von der Flurgarderobe neben der Wohnungstür, zurück in Richtung Küche.
In der Küche kamen ihr Norbert und ihre Tochter Manja entgegen und kurz danach stand Mathilde neben Isabella im Türrahmen. Die Frauen trugen unterschiedlich pastellfarbene Kostüme, bestehend aus Blazer und knielangen Röcken. Passend zur Oberbekleidung der Damen ergänzten sich die Blusen, Strümpfe bzw. Strumpfhosen und Schuhe. Ihr Schmuck war von schlichter Eleganz und betonte die Weiblichkeit sehr dezent.
Norbert hatte einen blauen Anzug an und war kein Freund von Krawatten. Er trug den dunkelblauen Schlips, von zweifarbig diagonal durchzogenen schmalen Streifen in Gelb und Rot, mit Widerwillen. Sein beigefarbenes Hemd war am obersten Knopf nicht geschlossen und der Binder nicht ganz zugezogen. Der doppelte Windsorknoten schien ihm sehr gut gelungen zu sein und wäre bei einer Korrektur der Kleiderordnung schnell gerichtet. Der Zweireiher war geschlossen und er machte insgesamt einen sehr würdevollen Eindruck.
Alle Blicke ruhten auf ihm und es war den Frauen anzumerken, dass ihnen Norbert ausgesprochen gut gefiel. Manja strahlte über das ganze Gesicht und hatte sich bei ihrem Verlobten in den linken Arm eingehakt. Sie trug ein himmelblaues Kostüm mit sehr feinen Goldstickereien an den Ärmelaufschlägen, die bei näherem Hinsehen zwölf Sternbilder darstellten. Ihr Dekolleté war nur leicht zu sehen, weil ihre Bluse mit einem schmalen V- Ausschnitt versehen war. Der schmale Stehkragen vom Blazer und der zwei Zentimeter breite Rand am Revers waren ebenfalls mit dieser Stickerei verziert. Um die Hüften war ein sehr schmaler dunkelblauer Gürtel locker gelegt und wurde von zwei Schlaufen an den Hüften gehalten. Die goldfarbene Schnalle zog den Gürtel leicht nach unten, wodurch sich ebenfalls ein V- Muster auf ihrem Unterbauch bildete. Sie trug keinen Schmuck, hatte aber ihre schulterlangen braunen Haare wundervoll mit geflochtenen Strähnen als Kopfschmuck nach hinten gebunden. Dieser Bund wirkte wie ein Kranz auf ihrem Kopf.
Nachdem sich alle gegenseitig gemustert und für gut befunden hatten rief Isabella, mit einem Blick in Richtung des Zimmers, wo die vier wirklichen Mieter der Wohnung sich aufhielten: „Carina, Piadora, Kathja, Monika, kommt ihr bitte. Wir wollen gehen.“
Es dauerte noch einen Moment bis sich die Zimmertür langsam am anderen Ende des Flurs öffnete.
Der Anblick, der sich den vier Personen vor der Küche bot, verschlug ihnen die Sprache.
Vier wunderschöne junge Frauen traten in den Flur und waren ziemlich identisch in Statur und Aussehen. Sie hielten sich an den Händen und lächelten den Flur hinunter.
Schlank und groß gewachsen, schwebten sie mit ihren ähnlich geflochtenen braunen Haaren, wie Manja, den Flur entlang.
Alle vier hatten türkisfarbene Kleider an, die handbreit über dem Knie endeten und sich hauteng an ihre Figuren schmiegten. Schon der erste Blick verriet, dass sie nichts weiter unter ihrem Kleid trugen. Kein BH, keine Schlüpfer und keine Strümpfe oder Strumpfhosen. Nichts zeichnete sich an ihren Körpern ab oder bedeckte sichtbare Hautflächen. Lediglich hautfarbene Füßlinge schützten die Füße in den flachen Schuhen, die den gleichen Farbton wie ihre Kleider hatten. Der einzige Schmuck an ihnen waren kupferfarbene Ohrringe mit perlmutterner Perle am unteren Rand. Je näher sie kamen, desto deutlicher wurde, dass sie keine Kosmetik aufgetragen hatten und absolut natürlich strahlten.
Monika war mit ihrer Körperhöhe von einem Meter und fünfundsiebzig Zentimeter die größte und überragte alle um knapp fünf Zentimeter.
Norbert konnte kaum den Blick wenden und Manja begann beglückt zu lächeln.
„Ihr seht zauberhaft aus.“, entfuhr es Mathilde. „Lasst uns gehen.“
Bei dieser Anmerkung sahen alle zu Mathilde und mussten schmunzeln. Ihr Blick war nicht nur liebevoll und bewundernd. Es schimmerte noch etwas durch, was mehr ausdrückte. Pia war die einzige, dicht vor ihr stehend, die es leise aussprach.
„Mathilde, du duftest betörend und es ist nicht dein Parfüm.“
Ein Schmunzeln huschte über alle Gesichter, mit Blick auf Pia.
Freudig gespannt verließ die Gruppe die Wohnung, trat aus dem Haus auf die belebte Straße und ging zum PKW von Mathilde. Sie hatte einen Van Ford Galaxie und so kamen alle bequem zum Rathaus. Vor dem Büro des Standesbeamten angekommen, mussten sie noch neun Minuten warten, bis sie für das Aufgebot den vereinbarten Termin wahrnehmen konnten.
„Aufgebot Redouté/ Neumeyer und Neumeyer/ Sengel, bitte eintreten.“, forderte eine Frauenstimme und es erschien kurz ein Kopf in der geöffneten Tür vor ihnen.
Innerlich aufgeregt und angespannt traten alle ein und wurden freundlich mit einem Händedruck von der Standesbeamtin begrüßt.
„Nehmen sie bitte Platz. Das erste Paar bitte hier am Tisch vor mir und die zukünftigen Trauzeugen links und Rechts daneben.“, bat sie mit einer einladenden Handbewegung auf die Stühle deutend. Dabei nahm sie selbst auf ihrem Stuhl platz.
„Ich sehe“, fuhr sie fort, „dass alle anwesend sind. Darf ich fragen wer zu wem gehört?“
Isabella ergriff sofort das Wort.
„Ich bin die Mutter der Braut und möchte ebenfalls das Aufgebot mit meiner Lebensgefährtin bestellen. Die zwei jungen Frauen sind meine beiden anderen Töchter, Kathja und Piadora. Das hübsche Mädchen ist die Tochter meiner Lebensgefährtin und zukünftigen Frau, Monika. Das Brautpaar vor ihnen und wir möchten am selben Tag heiraten.“
„Gut. Beginnen wir mit dem Wunsch des ersten Paares und ich fange mit dem Abgleich der Daten für das Aufgebot an. Bitte geben sie mir ihre Personalausweise und die Abstammungsurkunden des Brautpaares.“
Mathilde holte eine in Leder gebundene schwarze Mappe hervor und überreichte sie der Standesbeamtin. Mit kurzen Worten erläuterte sie die Aufteilung der Dokumente in der Mappe für beide Eheschließungen und versicherte, dass alle Dokumente, inklusive der Scheidung von ihr, vorhanden wären.
„Beginnen wir mit der Abfrage“, eröffnete die Beamtin den Ablauf und wandte sich an Norbert.
„Sie sind Herr Norbert Redouté, geboren am vierundzwanzigsten Juni neunzehnhundert dreiundachtzig in Berlin?“
„Ja, der bin ich.“, antwortete Norbert.
Die Beamtin legte seine Abstammungsurkunde beiseite und reichte den Personalausweis zurück.
„Sie sind Frau Manuela Janina Neumeyer, geboren am zweiundzwanzigsten Oktober neunzehnhundert zweiundachtzig in Berlin?“
„Ja, die bin ich.“, antwortete Manja.
Auch Manjas Papiere wurden entsprechend geordnet und die Standesbeamtin wandte sich an die Trauzeugen.
„Wie ich sehe, möchten sie mit Trauzeugen heiraten. Dies ist heute nicht mehr notwendig, aber durchaus noch weit verbreitet. Ich bitte um die Personalausweise der Schwestern der Braut.“
Alle nickten lächelnd und sahen zu den bildhübschen Frauen links und Rechts des Paares.
„Frau Katharina Jeanette Neumeyer, geboren am neunzehnten August neunzehnhundert vierundachtzig in Berlin. Ist das richtig?“
Kathja strahlte und antwortete laut: „Ja, das ist richtig.“ Sie bekam, nach einer Aufnahme der Daten, ihren Ausweis zurück.
„Frau Piadora Marianne Neumeyer, geborene Reuster, geboren am elften September neunzehnhundert vierundachtzig in Berlin. Ist das richtig?“, fuhr die Beamtin fort.
Freudig erregt und mit einem stolzen Unterton antwortete Pia: „Ja, die bin ich.“
Auch sie bekam nach der Datenerfassung ihre Papiere wieder.
„Dann kommen wir zum Termin der Eheschließung. Wann möchten sie heiraten?“
Alle sahen gespannt zum zukünftigen Brautpaar und Manja ergriff das Wort.
„Ich möchte Norbert gerne am sechsten Juni diesen Jahres heiraten und wenn möglich genau um zwölf Uhr das Ja Wort sagen.“
Die Standesbeamtin sah in ihr dickes Buch und blickte traurig zu Manja.
„Dieser Tag ist sehr ausgebucht. Ich habe nur noch einen Termin um zehn Uhr dreißig. Mit dem Ja Wort um Zwölf kann ich ihnen nicht behilflich sein. Wäre es trotzdem Recht?“
Wir sahen wieder gespannt zu Manja und Norbert, die breit grinsend reagierten.
„Ja, unbedingt. Mit zwölf Uhr wäre natürlich wunderbar gewesen, aber dass wir an diesem Tag heiraten können ist schon eine große Freude für uns.“, platzte Norbert heraus.
„Gut, dann notiere ich alles und möchte nur noch wissen, welchen Namen sie tragen wollen.“
„Unser gemeinsamer Name wird Neumeyer sein. Das wäre unser Wunsch. Ich nehme den Namen meiner Frau an.“, antwortete Norbert sofort.
Alle lächelten ihn an. Manja und Isabella schienen förmlich hinzuschmelzen, als Norbert das sagte.
Dann wurden die Plätze getauscht und Isabella saß mit Mathilde vor der Beamtin, die beide sehr liebevoll anlächelte. Kathja und Pia hatten sich bereits Wochen vorher geeinigt und Pia sollte für Isabella die Trauzeugin sein. Deshalb wechselte sie ebenfalls den Platz, weil sie neben ihrer Mutter sitzen wollte. Monika erhob sich von ihrem Stuhl an der Wand hinter dem zweiten Paar und setzte sich neben ihre Mutter. Die Beamtin blätterte in der schwarzen Mappe, schlug die Seite auf in der die Dokumente der beiden Frauen lagen und entnahm sie der Akte.
„Sie möchten sich als Lebenspartnerschaft eintragen lassen? Benötigen sie dazu noch Informationen oder liegen ihnen diese vor.“, fragte die Beamtin.
„Uns sind die Bedingungen und Voraussetzungen bekannt.“, antwortete Isabella.
„Gut. Ich beginne mit den Dokumenten von Frau Mathilde Sengel, geborene Schneider, geboren am vierzehnten Juli Neunzehnhundert Achtundsechzig in Berlin. Bitte geben sie mir noch ihren Personalausweis.“
Mathilde suchte ihren Ausweis, fand ihn in der linken Tasche ihres Blazers und reichten ihn über den breiten Tisch zur Beamtin.
Diese notierte alles und fragte Mathilde: „Sind die Angaben richtig?“
Mathilde sah sie an und antwortete: „Ja.“
Dann erhielt sie den Ausweis zurück und die Abstammungsurkunde und eine Kopie des Scheidungsurteils landeten auf den anderen Dokumenten.
„Dann möchte ich mit Frau Isabella Neumeyer fortfahren, geborene Helmert, geboren am siebzehnten Juli Neunzehnhundert Achtundsechzig in Berlin. Sind diese Angaben richtig?“
Isabella antwortete ebenso kurz, wie Mathilde: „Ja.“
Sie erhielt den Ausweis zurück, der schon am Anfang bei der Standesbeamtin lag.
Nachdem die letzte Abstammungsurkunde auf dem anderen Stapel lag, wurden die Trauzeugen erfasst. Von Pia war bereits alles vorhanden und so musste nur Monika abgefragt werden.
„Sie sind Monika Sengel, geboren am neunundzwanzigsten Oktober neunzehnhundert zweiundachtzig in Berlin?“
Monika sah die Standesbeamtin länger als erwartet an, lächelte und antwortete: „Das bin ich.“
Abschließend wurde der Name und der Termin besprochen.
„Darf ich sie fragen welchen Namen sie tragen möchten?“
Mathilde sah uns alle an, lächelte beglückt in die Runde und sprach sehr leise und schüchtern.
„Ich möchte den Namen meiner Frau tragen und Neumeyer heißen.“, dabei wurde sie leicht Rot im Gesicht und sah verschämt nach unten.
„Kein Problem Frau Sengel. Es freut mich besonders, dass ich zwei Frauen in die eingetragene Lebenspartnerschaft begleiten darf. Wann möchten sie ihre Eintragung vollziehen? Wenn ich das richtig verstanden habe, möchten sie ebenfalls am sechsten Juni ihre Lebenspartnerschaft begründen.“
Isabella ergriff das Wort und sprach fast so leise wie Mathilde und schien dabei etwas unsicher zu sein, weil sie schon Probleme erahnte. Denn allen war jetzt bekannt, dass der letzte Termin bereits vergeben war.
„Wir würden gerne mit unseren Kindern gemeinsam hier das Ja Wort abgeben, wenn das möglich ist.“
Die Standesbeamtin sah kurz in die Runde und erhob sich.
„Warten sie bitte einen Moment. Ich muss ohnehin die Urkunden kopieren und kläre ab, ob ich eine Eheschließung abgeben kann. Wir werden an diesem Tag mehr Standesbeamte im Einsatz haben, wie sie sich sicherlich zu diesem Datum denken können. Bitte haben sie einen Moment Geduld. Dort hinten links können sie sich vielleicht schon ein Familienstammbuch aussuchen, wenn sie möchten.“
Alle saßen erwartungsvoll und hofften, dass es eine Lösung geben würde, die wenige Minuten später auch bekannt gegeben wurde. Niemand war in der Lage sich um die Stammbücher zu kümmern. Die Beamtin kam zurück, reichte die Originaldokumente an Kathja, die bereits die Mappe hielt, und ging zu ihrem Platz.
„Ich kann ihnen mitteilen, dass ich ihre Eheschließung und die Gründung der Lebenspartnerschaft persönlich nacheinander durchführen werde und bitte beide Paare um zehn Uhr dreißig hier zu erscheinen. Es ist mir eine große Freude eine „Doppelhochzeit“ umzusetzen, was nur sehr selten vorkommt.“, informierte die Beamtin alle Anwesenden und machte mit den Fingern das Anführungszeichen.
Allen war klar, dass es sich bei Isabella und Mathilde eben nicht um eine Hochzeit handelte, aber dieser ähnlich war.
Das Strahlen zog sich von einem Gesicht zum nächsten und während sich alle erhoben, entbrannte ein sehr lebhaftes Abküssen und Umarmen untereinander. Die Standesbeamtin lächelte und man verabschiedete sich von ihr mit einem sehr herzlichen Dankeschön und Händedruck, bis zum Termin.
Nach knapp einer dreiviertel Stunde war das Aufgebot bestellt und zusätzlich Familienstammbücher ausgesucht worden.
Anschließend gingen alle zu einem gemeinsamen Mittagessen in das Restaurant in dem später die Hochzeitsfeier stattfinden sollte, um die Bestellung gleich vornehmen zu können. Es sollte zu Fuß erreichbar sein und befand sich tatsächlich knapp zehn Minuten vom Rathaus entfernt in einer kleinen Seitenstraße. Sonja hatte es ausgesucht und wartete bereits auf alle. In ausgelassener Stimmung übernahm Isabella den Rest der anstehenden Planung und Aufgaben mit Mathilde, machte eine Anzahlung zur Bestellung im Restaurant und ging mit ihr hinüber zu einem Blumenladen, der dort ansässig war. Sie blieben fast eine Stunde weg und als sie zum Rest der Gruppe zurück gekehrt waren, mussten alle lachen.
Alle hatten die zwei Frauen vorher schon länger im Restaurant beobachtet und sahen, wie Mathilde neben Isabella stand, als sie die Bestellung mit dem Gastwirt besprachen und sich die Räumlichkeiten zeigen ließen. Heimlich streichelten sie sich gegenseitig immer wieder über den Po und gaben sich vermeintlich unbeobachtet Küsse an Hals und Nacken. Sie konnten sich auch nicht das heimliche Streicheln ihrer Schamregion verkneifen.
Als sie vom Blumenladen zurück waren fiel allen auf, dass sie wohl unterwegs etwas mehr organisiert hatten, als nur Blumen. Isabella hing hinten die Bluse aus dem Rock und schaute unter dem Blazer hervor. Susanne hatte keine Strümpfe mehr an und unter ihrem linken Absatz ihres Schuhs hing ein größeres Stück Rasen. Dass auch noch etwas weißes aus der Tasche vom Blazer bei Isabella heraus schaute, gab dem ganzen den endgültigen Beweis, dass sie sich amüsiert hatten.
Das Restaurant lag, mit festen Wegen umgeben, in einem kleinen Gewerbepark, der sehr wenig Grünflächen hatte, die frei einsehbar waren. Erst außerhalb des Gewerbegebietes begann ein dicht bewachsener Park mit vielen Gebüschen, in denen kleine Lichtungen vorhanden waren.
Mir war klar, dass sie sehr risikoreich vorgegangen sein mussten, denn noch war nicht alles dicht begrünt.
Verschämt und leicht errötet setzten sie sich, zwischen Monika und Pia, auf ihre Plätze. Weil Pia neben Isabella saß, kümmerte sich Pia, bemüht unauffällig, um die Bluse ihrer Mutter und schob den weißen Stoff tiefer in die Tasche.
Belustigt flüsterte Pia mir ins Ohr: „Das war ein Slip!“
Wir grinsten uns an.
„Verstehe nicht, warum sie überhaupt einen tragen.“, flüsterte ich zurück. „Die können doch nie die Finger voneinander lassen, die zwei.“ Ich kicherte leise. Pia schüttelte sich tonlos vor lachen.
Nach dem Essen fuhren wir nach Hause. Der Tag wurde noch sehr amüsant und fröhlich fortgesetzt und es ging in ein ausgelassenes Familienwochenende.
Die nächsten vier Wochen, bis zur Hochzeit, nutzte ich für mich und schrieb mir einiges aus meiner Erinnerung auf, was bis zu diesem Aufgebot geschehen war und unsere Familie erheblich verändert hatte. Dieser grobe Rückblick ist meine Sicht der Dinge und eng an mein Leben mit meiner Frau Pia geknüpft. Es diente mir später für die Hochzeitsbücher, die wir Töchter gemeinsam gestalteten. Ausgenommen das Hochzeitsbuch von Manja und Norbert. Manja war selbstverständlich nicht an ihrem beteiligt.
Zwei Jahre zuvor
Zweitausendundvier war für mich ein sehr ungewöhnliches Jahr. Ich kam Sonntagnachmittag mit meiner Schwester Pia von Oma Linde im ersten Stock und rechtzeitig zu dem alles entscheidenden Ereignis, das mich in meiner Art zu fühlen und zu leben bestätigen und verändern sollte. Es war nicht nur Veränderung, weil es in mir schlummerte. Um mich herum existierte etwas, das meine Liebe zu einer Frau und meinen Blick auf die eigene Sexualität endlich freisetzte. In diesem Jahr bekam ich die geballte Ladung von Gefühlen anderer und mir zu spüren und wurde erwachsen.
Auf dem Weg in den vierten Stock unseres Wohnhauses, indem unsere Wohnung lag, hörten wir lauten Streit. Wir hatten Oma Linde, wie jeden Sonntag, Kuchen von uns gebracht. Es kam aus der Wohnung, die sich genau unter uns, in der dritten Etage, befand. Ich kannte die Familie gut, denn sie war mit unserer Familie locker befreundet und bestand aus drei Personen. Er hieß Georg und sie Mathilde. Eine gemeinsame Tochter namens Monika hatten beide auch, die mit ihren einundzwanzig Jahren etwas schüchtern und zurückhaltend war und den Beruf einer Krankenschwester erlernte.
Unsere Familie bestand eigentlich aus vier Personen. Meiner Mutter, meiner Schwester Pia, meiner Schwester Manja und mir. Doch seit knapp zwei Jahren ebenfalls aus drei Personen. Meine damals zwanzig jährige Schwester Manja war zweitausendundzwei ausgezogen und lebte mit ihrem Freund Mike knapp fünfzig Kilometer von uns entfernt.
Die Kontakte zwischen unseren Familien war locker und freundlich. Gelegentlich trafen wir uns zu gemeinsamen Aktivitäten, weil Mam sie zu unseren Familienfeiern einplante und einlud. Manja war nie dabei, kannte aber alle Mitglieder der Familie Sengel flüchtig.
Pia und ich flitzten die Treppe hinauf.
Vor der Wohnungstür blieben wir stehen und vernahmen eine männliche Stimme, die den Vorwurf des Betrugs lautstark aussprach und von Ehebruch redete. Pia und ich sahen uns verschwörerisch in die Augen und lauschten an der massiven Wohnungstür. Wir begriffen umgehend, dass wohl die Ehefrau fremdgegangen sein musste und ihr liebender Ehemann das nicht so lustig fand.
Neugierig verfolgten wir das Getöse und vernahmen plötzlich lautes Weinen. Ob Mathilde, Monika oder beide weinten, hätten wir nicht sagen können. Irgendwie sorgte das laute Weinen für einkehrende Ruhe bei Georg und wir konnten keine weiteren Streitigkeiten hören oder Worte erfassen, die uns mehr Aufklärung verschafft hätten. Lediglich ein hektisches hin und her laufen war noch zu hören und eine Tür knallte zu. Deshalb setzten wir erschrocken von dem Knall den Aufstieg in unsere Etage fort und schlossen die Wohnungstür auf. Kaum die Tür geöffnet, erblickten wir unsere Mutter, die meine Schwester sofort umarmte und an sich drückte. Beide sahen mich an und deuteten mir zu ihnen zu kommen. Ich folgte ihrer schweigenden Aufforderung, die sie mit ausgestreckter Hand machten, und wurde von ihnen gleichfalls umarmt. Unter herzlichen Küssen auf Stirn und Wangen von Mam hörte ich, wie unsere Wohnungstür ins Schloss fiel.