Originaltitel: Descent into ChaosCopyright © 2008 by sr71pltAll rights reserved
Ich hatte drei Wochen gebraucht, um den wahren Grund ausfindig zu machen, aus dem ich, wie ich wußte, nach Rhodesien entsandt worden war. Aber hier war ich, in der Lobby von Salisburys Meikles Hotel, und wartete auf Sektionsoffizier Gavin Coetzer, um von Morris Depot über The Avenues heran- und mich herauszufahren zu Alisters Farm.
Ich zupfte so diskret als möglich an meinen Kniestrümpfen, der Kunst, kurze Hosen als Alltagstracht zu tragen, mir nach wie vor nur allzu bewußt, während die gut geölte Maschinerie des noblen alten Hotels um mich herum ihren Dienst tat, wie sie ihn über ein Jahrhundert lang getan hatte und wie sie ihn dem Anschein nach ein weiteres Jahrhundert lang zu tun gedachte.
Aber ich wußte es besser.
Das war vorgeblich der Grund, aus dem das Foreign Office in London mich hierher entsandt hatte. Sie konnten sich keinen Reim auf das abtrünnige Ian-Smith-Regime machen. Versuchte er tatsächlich, Großbritanniens Interessen hier zu retten, oder war Rhodesien, wie er behauptete, in einem Abstieg ins Chaos begriffen, weil er isoliert wurde. Ein Körnchen Wahrheit in allem, mußte ich feststellen, wiewohl kaum in Frage stand, daß Rhodesien auf einem Weg war, der nach Lage der Dinge noch vor Anbruch der 80er Jahre ins Chaos führen würde. Die Rufe nach urafrikanischer Unabhängigkeit waren schlicht zu laut. Keine ökonomische Vernunft würde sich gegen den Drang nach Freiheit und Unabhängigkeit durchsetzen.
Aber der wahre Grund, aus dem ich entsandt worden war, lag in der Einflußnahme des Earls von Devon. Für Lord Clarence stand bereits fest, wohin Rhodesiens Weg führen würde, und er wollte seinen Sohn nicht in dieses Verderben sinken sehen. Dazu kam die unglückliche Verquickung der Umstände, daß ich meinen Dienst in der Afrika-Abteilung tat und zur Schule gegangen war mit besagtem Sohn, Alister Cullingworth. Das war eine Erfahrung, auf die ich gut und gerne hätte verzichten können.
Alister war unerträglich, weil er der Sohn eines Earls war; und er war noch unerträglicher, weil er der dritte – »außer acht gelassene« – Sohn eines Earls war. Sein Schulleben war ein einziger Versuch gewesen, diese Scharte auszuwetzen und den Rest von uns in seine Entourage zu zwingen. Und ihm eigneten wahrlich zum Wahnsinn treibende – und wahnsinnige – Gewohnheiten, dies unter Beweis zu stellen. Ich hatte mich von ihm erlöst gefühlt am Ende des letzten Schuljahrs.
Aber ich irrte.
»Bereit zu gehen, Sir?« sagte der blondschopfige, bullige, weidliche Afrikaaner Gavin Coetzer von der unteren Veranda der Eingangsfront des Meikles zu mir nach einer scharfen Ehrenbezeigung und dem professionellen Klacken seiner hochglanzpolierten Absätze.
»Ja, natürlich, Gavin«, antwortete ich, »und nenn mich Brian. Ich bin schließlich nicht allzu offiziell hier.«
»Ja, Sir … Brian.« Und dann bekundete mir Gavin durch sein Grinsen, daß er nicht um jeden Preis auf den diplomatischen Feinheiten bestehen würde während dieses kleinen Ausflugs unsererseits – eines Ausflugs, der mir in Gedanken auf dem ganzen Weg von London wie Zahnschmerzen mitgespielt hatte.
»Ich hoffe, du hast nichts dagegen, raus zur Cullingworth-Farm zu fahren, Gavin. Ich weiß, das hält dich ab von deinen Aufgaben bei der Polizei.«
»Ja, das tut es ganz bestimmt«, sagte Gavin mit einem weiteren Grinsen, als wir in den dunkelgrünen Land Rover stiegen. Ich flachste herum, natürlich. Ich wußte, er würde froh sein, der militärischen Zucht und Ordnung der Kasernen der Britischen Südafrika-Polizei für die drei Tage zu entkommen, die ich plante, in Beatrice zu bleiben.
Beatrice – gut fünfzig Meilen südlich von Salisbury auf dem Weg nach Johannesburg und am Ufer des zeitweisen Umfuli River gelegen – war die der Cullingworth-Farm nächste Stadt, die über so etwas ähnliches wie ein Hotel verfügte. Ich hegte nicht die Absicht von Alister beherbergt zu werden, und ich benötigte einen Ort, an dem ich mich für zwei Nächte verschanzen konnte, während ich in Angriff nahm, einen entfremdeten Sohn zu erweichen, das zu tun, was er niemals tun würde, wenn er wüßte, daß sein Vater es von ihm verlangte. Und dies, obgleich für jeden mit Augen und gesundem Menschenverstand ersichtlich war, daß Rhodesien sich am Rand eines Chaos befand, das wahrlich nichts Gutes ahnen ließ für einen übergesiedelten britischen Landbesitzer.
Als wir von der Fernstraße nach Johannesburg abbogen und in die Spring- und Schüttelbewegungen der harten Schotterpiste zur Cullingworth-Heimstatt gerieten, konnte ich die Anspannung in Gavin spüren, ungeachtet seiner freifließenden, gelösten Worte. Dies war eine Dichotomie, auf die ich wiederholt während meiner Nachforschungen in Salisbury gestoßen war und die an jeder Ecke mich fortan aufs neue überfiel: der scheinbar zwanglose, langsame Fluß des Lebens in endloser Regelmäßigkeit in einem Rhodesien, das im selben Augenblick ein Streichholz entfernt war von einer Explosion.
Ich gewahrte, daß ein Streichholz dieser Art auch Gavin an der Ferse kitzeln mußte, als er mich auf nicht allzu kluge Weise ausfragte über meine Beziehung zu Alister Cullingworth und seiner Frau, Pamela, der zarten Schönheitskönigin, die Alister übermannt, den Fünfuhrtees in britischen Palästen entrissen und fortgenommen hatte in ein rauheres, viehzüchtendes Leben im Staube Afrikas.
Ich erinnere mich meiner jahrelangen Verblüffung, daß Pamela Cullingworth weder auf eigene Faust nach London zurückgekehrt noch in der afrikanischen Steppe verendet war. Wir waren, wie die feine Gesellschaft sagen würde, einander »zugetan« gewesen, einstmals, das heißt, wir waren ein stürmisches Liebespaar gewesen für eine sehr kurze Zeit. Und das, mehr als irgendein anderer Grund, war, weshalb Alister entschieden hatte, daß er sie besitzen mußte – weil ich sie hatte. Ich wüßte keine schmeichelhaftere Umschreibung für Alisters Akquisen als »besessen«.
»Also, du und Alister, ihr seid dann nicht so gute Freunde?« sagte Gavin, nachdem ich meine Ansichten zu Alister soweit kundgetan hatte, wie ich es für opportun hielt.
»Oh, nein, Alister war immer schon ein Arsch. Und er war eine ziemliche Plage in der Schule.«
»Stimmt«, sagte Gavin, ebenfalls einen prägnanten Schlußpunkt unter seine Ansichten zu Alister setzend. »Und Lady Pamela?«
»Oh, wir kannten einander en passant. Aber ich erinnere mich nicht allzugut an sie. Ich bin hier, um Alister zu sehen. Und ich setze keine großen Hoffnungen in den Erfolg der Worte, die ich ihm zu sagen habe.« Ich hegte nicht die Absicht, irgend jemandem hier zu erzählen, was Pamela und mich einstmals verband.
Und damit schien Gavins Anspannung sich zu verflüchtigen, und wir freundeten uns ziemlich gut an, während wir über jene Piste holperten.
Als wir auf Devon Cottage trafen, wie Alister seine weitläufige Stuckvilla, die im typisch britischen Kolonialstil erbaut und zur Abwehr der afrikanischen Sonne allseitig mit breiten Veranden versehen war, treffend benannt hatte, holte ich tief Luft und bestaunte einmal mehr den Abglanz der rhodesischen Dichotomie. Wir fuhren aus dem staubigen Weideland heraus, wo die einzige Farbe von Leben das der Hereford-Rinder des Cullingworth-Bestands war – sogar die Blätter der Eukalyptusbäume bezeugten das triste Braun einer dicken Deckschicht Sommerstaub –, zum Farbaufstand der in Flor stehenden Hibiskus-Hecken, die die Veranden des Cottage begrenzten, und dem farbprächtigen Ziergarten, der, übervoll mit zauberhaftem Schmetterlingsgeflatter, strategisch, wenngleich ziemlich einsam und verlassen, zwischen dem Auffahrtsrund und den Stufen der Veranda platziert war.
Alister stand oben am Ende der Stufen der Veranda – und lächelte mokant, die Haltung, in der ich ihn am klarsten erinnerte.
»Also, ich sehe: häßlich wie immer, Kennelly«, sagte er, das maliziöse Überlegenheitsfunkeln unverändert in seinen Augen – die Unbilden der afrikanischen Steppe hatten es ihm nicht ausgetrieben. »Und mein Lieblingspolizist, Gavin Coetzer. Komm unseren alten Freund und unseren jüngeren, sehr guten Freund begrüßen, Pamela. Sind den weiten Weg aus London beziehungsweise Salisbury hergekommen, nur um uns die Ehre zu erweisen.« Das war nicht im Entferntesten freundlich gesagt.
Derselbe alte Alister Cullingworth. Das würden drei unerquickliche Tage werden.
Dann sah ich Pamela, wie sie langsam aus den Schatten auftauchte, ihre Augen zu Boden gerichtet, nicht zu mir. Ihre Erscheinung war erschütternd. Sie war so schön wie ehedem, aber der rosige Teint, den sie in England gehabt hatte, war einer chinaweißen Blässe gewichen, unvereinbar mit all den verlebten Jahren unter der afrikanischen Sonne, und sie wirkte so dünn und zart, daß ich nicht begreifen konnte, wie Alister es nicht vordem gelungen war, sie mit seiner scharfen Zunge entzweizubrechen.
Sie murmelte irgend etwas zur Begrüßung, und Alister, der ebenfalls dünner war als in meiner Erinnerung, allerdings in der sonnengegerbten, drahtig-muskulösen Weise eines für seinen Ertrag hart schuftenden Farmers, legte seine Hand auf Pamelas Arm und führte sie zurück in die Schatten. Er hob seine andere Hand zu einer halbherzigen Einladung an uns, ihnen auf der Veranda Gesellschaft zu leisten.
Als ich das Ende der Stufen erreichte, stellte ich fest, daß eine weitere, bislang unvermeldete Person über die andere Seite des runden Rauhholztisch gebeugt in einem der sechs lederbespannten afrikanischen Rundsessel saß, die das Tischrund umlagerten.
»Brian, das ist Doktor Nicholls, unser lokaler Medizinmann«, sagte Alister in einer nachgerade widerwillig erteilten Vorstellung. »Angus … hallo, Angus. Willst du das Glas abstellen und unsere Gäste begrüßen? Angus, das ist mein alter Schulkamerad, Brian Kennelly, derzeit britischer Spion, und unterwegs, um Londons letzten Nagel in unseren kollektiven Sarg hier in Rhodesien zu schlagen. Gavin, bin ich sicher, kennst du. Obschon vielleicht nicht so gut, wie du es gerne wolltest.«
In dieser knappen, säuerlichen Vorstellung witterte ich allerlei Innuendos umherfliegen. Aber alle anderen ignorierten, was immer für ein idiomatischer Elefant sich in den Schatten verbarg, und so tat ich es ebenfalls.
Ich beugte mich vor und schüttelte Doktor Nicholls‘ schweißige Hand, dabei in die nicht geringe Schwierigkeit geratend, mich wieder aus seinem überraschend kräftigen Händedruck zu lösen, und trat zurück, als Alister und Gavin eine kleine Reise nach Jerusalem veranstalteten, um auszumachen, wer diesseits von Pamela sitzen würde. Sie war in den Sessel neben dem Doktor gesunken und schien im Sitzen weiter in sich selbst zu versinken. Ich ertappte mich in Gedanken augenblicklich bei der Frage, ob sie unter Drogeneinfluß stand. Ihre Augen schienen Kontinente weit weg zu sein, wenn nicht restlos tot. Nicht im entferntesten die lebensfreudige Pamela, die zu lieben die Freude meines Lebens gewesen war.
Während Gavin und Alister um den Sessel neben Pamela stritten, mit Alister als letztlichem Sieger, zogen Summ- und Klickgeräusche aus dem Inneren des Cottage meine Aufmerksamkeit auf sich. Die Eingangstür lag unweit rechts der Stelle, wo ich stand. Das Innere war duster, aber ich machte allmählich einen hübschen, gutgebauten Shonajungen von ungefähr zwanzig Jahren aus, der – unvereinbar in einen bunten sarongähnlichen Rock und das steife weiße Jackett eines Butlers gekleidet – auf dem Holzparkett des Hauptwohnraums des Cottage barfuß auf Putzlappen umherschlitterte. Er bohnerte den Boden und hatte ihn bereits auf einem ansehnlichen Glanz gebracht.
Ich war am Kopfschütteln über die neuen Erinnerungen, die ich im südlichen Afrika sammelte, als ich mich niederließ in den Sitzplatz zwischen dem Doktor und Gavin, der irgendwie verletzt wirkte nach seiner Niederlage im Positionskampf mit Alister. Ich las aus der versonnenen Weise, in der er über den Tisch zu Pamela blickte, jedoch, daß er ihr verfallen war und sich nicht sonderlich sorgte, ob Alister davon wußte. In einem fairen Kampf konnte es der stattliche blonde Afrikaaner mit Alister aufnehmen, wußte ich. Aber ich wußte auch, daß ein jeder Kampf unter der Beteiligung Alisters kein fairer Kampf sein würde.
»Sollen wir unsere Besucher auf dem trockenen sitzen lassen, Pamela? – Nein, nicht du, Angus; ich habe dich noch nie auf dem trockenen sitzen sehen, und du bist schwerlich ein Besucher. – Oder erinnerst du dich an die Rolle der Gastgeberin?«
Pamela hob ihre Augen zum ersten Mal, seit wir angekommen waren, und ich konnte ein kurzes Aufblitzen von Leben in ihnen erkennen. Aber dann verflüchtigte es sich, und sie nahm eine Messinghandglocke vom Tisch und läutete sie mit zwei schnellen Schnalzern ihres Handgelenks.
Der lächelnde weißjackettierte Shonajunge erschien auf der Stelle im Türdurchgang.
Ein Moment hochgespannter Stille folgte, und dann forderte Alister: »Also, Pamela?«
»Tee und Whisky, Penny. Sofort … bitte«, platzte Pamela heraus, ein vorweggenommener und abschätziger Befehl an den Hausdiener und eine verspätete und anscheinend widerwillige Höflichkeit der Form halber am Ende. Ich gewann den distinkten Eindruck, daß das bitte allein der ungewöhnlichen Gegenwart von Gästen geschuldet war. Trotzdem, es war dieselbe rauchige, melodiöse Stimme, die ich aus meinen Erinnerungen an vergangene Nachtspaziergänge kannte. Und ich befürchte, sie reizte mich, zuinnerst, wie sie es damals getan hatte. Ich begann sodann mir Gedanken zu machen. War ich gekommen, um Alister zu sehen … oder Pamela?
Der Rest des Besuchs verlief in derselben Art und Weise wie der allgemeine Umgang mit Rhodesiens Zukunft. Unverfängliche und scheinbar endlose Kleinkonversation in einer schwunglosen Debatte, die zur Nachmittagshitze paßte, die auf den einsamen und verlassenen Ziergarten niederbrannte, Innuendos, die die Wirklichkeit streiften und dann zügig umschifften, und eine unterschwellige Spannung, mit der jeder spielen, aber die niemand entzünden wollte – zumindest nicht die drei von uns, die redeten. Das Gespräch führten Alister, Gavin und ich, wobei ich versuchte, die Gefahr, unter der diese Leute lebten, herauszustellen, Gavin sich zumeist ungläubig und nichts akzeptierend und Alister sich bezüglich allem, was ich sagte, sarkastisch gab – und mitnichten höflich zu irgendeinem von uns beiden.
Die ganze Zeit über saß Pamela dort, Hände in ihrem Schoß, den Blick auf die Handflächen gerichtet, und augenscheinlich vorgebend weit, weit weg zu sein. Man würde annehmen, sie hätte irgend etwas zu sagen oder zu fragen gehabt, was mich anging, ihren einstigen Geliebten. Aber ich war mittlerweile nicht mehr sicher, daß sie sich überhaupt an mich erinnerte. Sie gab mir wahrlich nicht zu verstehen, daß sie es tue.
Doktor Nicholls, was ihn anging, volltrunken und zerknautscht dreinblickend in seinen Buschhosen und dem Khakihemd, das beinahe über seine abgesunkene Brust und den Ansatz eines Bierbauchs reichte, schenkte mir mehr Aufmerksamkeit als dem Gespräch. Seine Augen waren zu Schlitzen verengt, als würde er in Gedanken einer sensationellen Operation aus vergangenen Jahren nachgehen, aber seine Knie und Schenkel rieben an meinen, und irgendwann legte er eine Hand auf meinen Oberschenkel. Aber unbesehen nahm ich sie und legte sie zurück in seinen Schoß. Ich war diesen Typ Mann gewohnt. Ich galt in der Schule gewissermaßen als Schönling, und ich hatte gelernt, mich Mitschülern wie Tutoren zu erwehren.
Nach einer Ewigkeit des Wenig-Sagens-und-viel-mehr-Meinens unterbrach Alister abrupt ein freundliches Streitgespräch zwischen Gavin und mir über die Frage, ob die Britische Südafrika-Polizei als ein Überbleibsel des Kolonialismus aufgelöst werden sollte.
»Ich bin sicher, du bist müde, Gavin. Und du mußt sicherstellen, daß unser Spion hier das beste Bett in unserer luxuriösen kleinen Klitsche in Beatrice bekommt. Also, hau ab jetzt. Es gibt etwas, das ich ihm zeigen will. Und nimm Angus mit. Und sorg dafür, daß er ein Bad erhält.«
Das war ziemlich auf den Punkt – und mit großer Wahrscheinlichkeit an ihm vorbei –, aber Gavin war ohnehin bereit zu gehen. Ein letzter verweilender Blick zu Pamela, die nicht von ihrem Schoß aufsah, dann brachte Gavin Doktor Nicholls mit größerer Behutsamkeit in eine aufrechte Position, als Alister, da war ich mir sicher, jemals für ihn aufgewandt hätte, faltete ihn in den Land Rover und rollte in einer großen Wolke Staub langsam davon.
»Ich will einen Drink und ich will ihn nicht hier«, sagte Alister, als wir dem fortfahrenden Land Rover nachblickten.
Ich hatte nichts dagegen. Ich mußte mit Alister reden, um zu sehen, ob irgend etwas von dem, was ich über Rhodesiens Zukunft gesagt hatte – insbesondere über die Zukunft der weißen Farmer in Rhodesien –, bei ihm angekommen war, und ich vermeinte, daß das, was ich ihm zu sagen hatte, etwas sei, das ich nicht in Pamelas Gegenwart sagen könne. Ich schuldete Lord Clarence zumindest den Respekt, zu seinem unverbesserlichen dritten Sohn rückhaltlos und brutal ehrlich zu sein.
»Wir könnten uns nach Beatrice aufmachen«, sagte ich, als wir in einen rostigen alten VW Sedan stiegen. »Ich hörte, daß es eine Bar im Hotel gebe.«
»Eine Bar des weißen Mannes«, sagte Alister mit Degout. »Nein, es gibt etwas, das ich dir zeigen will.«
Wir fuhren nahezu die gesamte Strecke zurück nach Salisbury, aber in den südlichen Randbezirken der Stadt bog Alister nach Westen ab.
»Bist auf deiner Spionagemission jemals in Epworth gewesen?« fragte Alister.
»Nein. Und ich bin kein Spion, Alister«, antwortete ich mit einem Anflug von Ungeduld. Alister machte mir zu schaffen. Er wußte stets, wie man mir zu schaffen machte. »Ich bin bloß hier, um die Stimmung zu kontrollieren, bloß eine unabhängige Kontrolle der Berichte, die über die hiesige Situation nach London gesendet werden.«
»Und du bist nicht hier auf Geheiß meines Vaters?« fragte Alister. »Du brauchst nicht zu lügen.«
»Werde ich auch nicht. Ja, ein Teil meiner Weisung stammt direkt von Lord Clarence. Er wollte, daß ich feststelle, ob Rhodesien den Punkt zu erreichen droht, an dem es für die weißen Einwohner gefährlich werden könnte. Und falls ja, wollte er, daß ich versuche, dich zu überzeugen, nach Hause zu kommen. Um deiner und Pamela willen zurück nach England zu kommen. Ist das so schwer für dich zu verstehen und zu akzeptieren?« Ich sah keinen Grund, einen Hehl aus Lord Clarences Besorgnis und seinen Auftrag an mich zu machen. Alister konnte einwilligen oder ablehnen.
»Er hat seit fünf Jahren nicht mit mir gesprochen«, murmelte Alister im Flüsterton.
»Und ich wette, auch du hast nicht mit ihm gesprochen«, gab ich zurück. »Aber er zeigt seine Besorgnis jetzt. Und es geht ja nicht um dich allein, Alister. Es geht auch um Pamela. Ich sah sie heute. Afrika zehrt sie auf.«
»Ah, allerliebste Pamela«, murmelte Alister in mokantestem Tonfall. »Deine selbstlose Sorge um meine Frau ist wirklich rührend.« Er stoppte den VW dann abrupt in einem Gestöber aus Steinchen und Staub neben einer verwitterten Holzhütte am Rand eines Shonakrals. Das umfriedete Dorf bestand aus einer großen Anzahl runder afrikanischer Häuser mit Strohdächern, die, war mir erzählt worden, Rondavels genannt werden. Diese waren wie nach dem Zufallsprinzip innerhalb eines niedrigen Steinwalls angeordnet.
»Willkommen in Epworth«, warf Alister über die Schulter, als er die Fahrertür des VWs öffnete und sich ins Freie wälzte. »Zeit, unsere Kehlen zu befeuchten. Und dann zu dem, was ich dir zeigen wollte.« Alister stand bereits in der Tür zur Hütte, ehe ich aus dem Sedan stieg und ihm folgte.