Eine widerwärtig promiskuitive Geschichte.

Und außerdem die reine, lautere und absolute Wahrheit. Genau so isses passiert. Bis ins kleinste Detail wahrheitsgetreu wiedergegeben. Unbeschönigt, ungeschminkt und ohne etwas zu verschweigen.

Oder gar hinzuzudichten.

Würde mir niemals einfallen. Nienicht!

*****

Kapitel Eins

Gelegenheiten

‚Das Leben besteht aus Gelegenheiten.

Aber manchmal ist nicht klar, dass eine Situation eine ganz besondere Gelegenheit ist, bis man mitten in ihr steckt.‘

Mike Stone

Ich mied normalerweise Veranstaltungen wie die Party meines Freundes Jens, weil sie die Tendenz hatten, zu viel Alkohol und zu wenig interessante Unterhaltung zu bieten.

Dieser Fete konnte ich allerdings schwer aus dem Weg gehen, weil ich ohnehin gerade zu Besuch war und im Gästezimmer wohnte. Und mich im Haus zu verstecken, während alle anderen feierten, war nun wirklich nicht mein Stil.

Ich kannte die Mehrheit der Gäste und hatte auch einige lustige Gespräche, bevor der Pegel meiner Gesprächspartner mir zu hoch wurde. Dann suchte ich mir allerdings lieber ein ruhiges Plätzchen. Unterhaltungen mit Betrunkenen nervten einfach.

Zufällig suchte ich mir einen der Bierzelttische am Rand aus, neben dem ein junges Pärchen angeregt diskutierte.

Sie besprachen sich mit gedämpfter Stimme und das Mädel – nebenbei bemerkt eine echte Schönheit – schien nicht gerade glücklich mit dem Thema. Weswegen schnappte ich auf, als ich die beiden passierte.

Ich zuckte mit keiner Miene, als das Wort ‚Analsex‘ fiel. Aber innerlich musste ich schmunzeln. Und gleich darauf verdrehte ich unwillkürlich die Augen.

„Alle meine haben es schon gemacht“, argumentierte er.

‚Und wenn alle deine ihre von der Brücke stoßen, schmeißt du deine hinterher?‘, lag mir auf der Zunge. Aber ich biss mir drauf und hielt die Klappe, denn jede Einmischung würde die Diskussion nur weiter eskalieren lassen.

Und hätte ich mich eingemischt, wäre es nicht bei dem Spruch geblieben. Ich hätte seine Argumentation mit Freunden als völlig blödsinnig entlarvt. Gerne unter Einbeziehung all dieser Kumpels. Ihrer aller Bloßstellung als Märchenerzähler vor ihren Partnerinnen und der Gesamtheit der Anwesenden eingeschlossen.

Sicherlich war ich auch mal jung gewesen und hatte so einiges als Überredungsmittel ausprobiert, aber so armselig war ich nie.

So – also armselig – fand es dann wohl auch die Hübsche, denn sie schnaubte abfällig und ungläubig. Ihre Worte waren aber eindeutig auf Deeskalation ausgerichtet.

„Ich hab schon gesagt, dass ich drüber nachdenke“, verkündete sie leise. „Mehr kannst du nicht verlangen.“

„Du könntest einfach Ja sagen“, hielt er dagegen.

‚Sie könnte auch einfach Nein sagen‘, dachte ich mir. Wobei sie das ja eigentlich schon getan hatte. Zwischen den Zeilen jedenfalls.

„Ich will das nicht hier diskutieren“, beendete sie das Gespräch und wandte sich ab.

Sie ließ ihn stehen. So wie er es aus meiner Sicht auch verdiente. Wenn auch nicht so endgültig, wie ich es eigentlich für angemessen hielt, nachdem er seine Unreife so deutlich unter Beweis gestellt hatte.

Müde setzte sie sich mir gegenüber auf die Sitzbank am Tisch und ließ den Kopf hängen. Es war ziemlich offensichtlich, wie enttäuscht sie von der Situation war. Und vermutlich auch von ihrem Macker.

Von ihr unbemerkt setzte ich mich ebenfalls an den Tisch. Ich hielt allerdings etwas Abstand.

Irgendwie war mir, als könne sie vielleicht jemanden gebrauchen, mit dem ein vernünftiges Gespräch möglich war. Und ich war so ein ‚Jemand‘.

Außerdem war sie wirklich hübsch. Dementsprechend wenig Opferbereitschaft war nötig, um mich auf eine Unterhaltung einzulassen. Also… Wenig wie in ‚gar keine‘.

Sie war ein eindeutig südländischer Typ mit etwas dunklerem Teint und langen, braunen Haaren. Meiner ganz persönlichen Einschätzung nach hatte sie einen leicht arabischen Einschlag. Ich hätte eine Wette darauf gehalten, dass mindestens einer ihrer Elternteile aus der Türkei oder dem Nahen Osten stammte.

Als kritischer Beobachter fiel mir aber auch auf, wie vorteilhaft sie dahingehend beerbt worden war. Die Nachteile wie beispielsweise dunkler Flaum auf Armen oder gar Oberlippe fehlten ihr völlig.

Stilistisch war sie ganz klar ein Kind der westlichen Welt. Modisch und durchaus elegant mit einem guten Sinn für Stil präsentierte sich sowohl ihr Outfit als auch ihre Frisur. Ein Kopftuch trug sie ganz bestimmt höchstens gegen starken Wind.

Außerdem war ihr Gesichtsausdruck bei ihrer Diskussion zum Thema Analsex nicht schockiert gewesen. Sie sprach nicht zum ersten Mal mit einem Mann über sexuelle Praktiken. Soviel war sicher.

Alles in allem war sie ganz einfach… interessant.

Ich fragte mich gerade, wie ich sie am besten aus ihrer Nachdenklichkeit reißen konnte, als der der Kleinen noch einmal vorbei gerauscht kam und ein großes Glas vor ihr abstellte.

„Hier“, fauchte er.

Sie griff mit ihrer süßen kleinen Hand nach dem Glas, hob es etwas an und roch am Inhalt, nur um sofort zurückzuzucken und angewidert das Gesicht zu verziehen.

„Das ist purer Alkohol“, entrüstete sie sich. „Bist du bescheuert?“

„Vielleicht macht dich das ja locker“, gab er sauer zurück.

„Oh, du meinst, dass es dir vielleicht einen Weg in meinen Arsch öffnet“; erwiderte sie mit einem Mal sehr kontrolliert und eisig.

Der Wechsel im Tonfall war so klar und eindeutig und so abrupt, dass sie auch eine Fliegeralarm-Sirene hätte aufstellen können. Im Grunde hatte er damit schon verloren. Und nur eine sofortige, bedingungslose Kapitulation hätte ihn vor der vollständigen Vernichtung retten können.

Ich sah es deutlich kommen. Er allerdings nicht…

„Wäre einen Versuch wert“, schnappte er. „Ist schließlich mein Geburtstag. Da könntest du ja wenigstens einmal…“

Es war beinahe zum Lachen. Aber nur beinahe. Tatsächlich machte ich ganz schön große Augen, weil ich mir mit all meiner Fantasie keine Möglichkeit ausdenken konnte, wie er diese Sache noch schlimmer hätte verkacken können. Und sie sah das sehr offensichtlich ganz genauso.

„Wenn ein Arschfick so toll ist“, setzte sie ganz ruhig an und ergriff das Glas, „warum steckst du dir dann nicht mal das hier hinten rein?“

Mit diesen Worten kippte sie ihm den Inhalt vor die Füße und blickte ihn ziemlich provozierend von unten herauf an. Die Kleine hatte jedenfalls Schneid und eine spitze Zunge. Ich hätte beinahe applaudiert.

Der Komplettversager in Sachen Diplomatie erkannte das allerdings nicht. Er sprang zurück, um seine Schuhe und seine Hose zu retten und schnauzte sie an:

„Ey! Du bist echt so verklemmt! Frigide Zicke!“

Obwohl er bei diesem kleinen, geistigen Duell offenbar unbewaffnet und nackt ihrer Panzerdivision gegenüberstand, konnte man ihr ansehen, wie sehr sie die dämlichen Worte verletzten. Sie verbarg es hinter einer fast unbewegten Miene und ich glaube nicht, dass er helle genug war, es in ihren Augen zu entdecken. Aber es war da. Und hätte er sich nicht abrupt abgewendet und wäre irgendwohin verschwunden, dann hätte sie es ihm vielleicht auch auf ziemlich eindeutige und unmissverständliche Weise erklärt.

So konnte sie ihm allerdings nur hinterher starren und nicht verhindern, dass ihr die Kinnlade leicht hinunter klappte. Und mir ging es erneut ähnlich.

Ein Zugeständnis musste ich dem Helden des Abends machen: Einen überraschenderen und unglaublicheren Abgang hatte noch keine geschlagene Armee vor ihm hingelegt. So ziemlich jeder zufällige Beobachter musste den Eindruck gewinnen, dass da gerade ein Macker seine ziemlich zickige abgekanzelt hatte.

Und natürlich war ihr das auch bewusst. Frauen haben ungefähr so viele Antennen für diese Art von nach außen wirkendem Schein, wie sie Haare haben.

Sie blickte sich um, bemerkte, wie viele Leute sich schnell wieder auf ihre eigenen Gespräche konzentrierten und sah dann mich, wie ich sie anblickte. Das gab ihr den Rest.

Mit gespanntem Kinn und einem Zug um die Augen, der ankommende Tränen verriet, suchte sie nach ihrer Handtasche und wollte aufstehen. Ich dachte nicht nach, sondern rutschte einfach auf der Bank bis auf ihre Höhe, bevor ich ihr die Hand auf den Arm legte, der sich gerade fortbewegen wollte.

In ihrem Gesicht zeichnete sie erst Überraschung ab, dann kämpfte sie erfolgreich gegen die Tränen und kramte ihre Wut hervor. Ihr Blick wechselte einmal von meiner Hand zu meinem Gesicht und wieder zurück und sagte mir in drei Meter großen Leuchtbuchstaben, dass ich gleich einhändig sein würde, wenn ich sie nicht losließe.

Ich tat es nicht.

Und ich tat auch sonst nichts, als sie einfach ganz ruhig und freundlich anzusehen.

Im Gegensatz zu Mister Imperfect, der offenbar irgendeinen Deal mit dem Teufel abgeschlossen hatte, um an eine Beziehung mit einer Frau wie ihr zu kommen, war ich durchaus in der Lage, Körpersprache zu lesen. Ich war sogar ziemlich stolz auf meine diesbezüglichen Fähigkeiten.

Und was ich auch beherrschte war, meine Augen und mein Gesicht sprechen zu lassen. In diesem Fall lautete die Aussage, dass ich mich weder über sie amüsierte, noch die oberflächliche Einschätzung der zufälligen Zeugen des Endes der Auseinandersetzung teilte.

Ich sah sie einfach an, verurteilte sie nicht und überließ es ihr, eine Entscheidung zu treffen.

Sie hatte sich bereits halb auf der Bank gedreht und war unmittelbar im Begriff gewesen, loszustürmen. Ihr ganzer Körper war angespannt und der Arm unter meiner Hand vibrierte leicht. Als sie ihn probehalber ein wenig anhob, machte ich die Bewegung mit und zeigte ihr, dass ich sie nicht mit Gewalt aufhalten würde.

Sie zögerte noch eine Sekunde und sackte dann zusammen. Alle Spannung verließ ihren Körper und ihr Kinn sackte ihr auf die Brust. Für einen langen Moment war sie ziemlich hilflos.

Und in dieser Hilflosigkeit wirklich ganz besonders hinreißend, wie ich einfach hinzufügen muss.

„Sagt er manchmal auch ‚Boah‘ vor seinem ‚Ey‘?“, fragte ich ruhig.

Sie stöhnte leise und atmete zweimal tief durch. Dann fing sie an zu lachen und ich wusste, dass die Tränen erst einmal abgewendet waren. Womit der eher schlechte Witz seine Bestimmung erfüllt hatte.

Nebenbei musste ich meine Liste an Beobachtungen ergänzen. Bislang hatte ich sie selbstbewusst-süß und niedergeschlagen-süß erlebt. Nun lernte ich ihre amüsiert-süße Seite kennen. Und die war zum Verlieben.

Die Unbekannte gehörte zu den seltenen Menschen, bei denen das ganze Gesicht mitlachte. Jeder Teil ihrer Mimik hatte seine eigene Rolle in der Darbietung ihres Lachens, mit dem sie sich sichtlich von der Situation befreite.

Ihre Stirn kräuselte sich ein klein wenig, ihre Augen bekamen ganz leichte Lachfältchen, ihre Nase zog sich etwas zusammen und ihr Kinn entwickelte zwei Grübchen, für die sie einen Waffenschein brauchte. Ihr Lachen war offen und ungehemmt. Nicht verhalten oder affektiert, wie man es leider nur zu oft bei modebewussten jungen Damen erlebte.

Am Wichtigsten war aber, dass es ihre Augen erreichte und zum Funkeln brachte. Und dass es ansteckend war, weswegen ich gar nicht versuchte, mir ein Grinsen zu verkneifen.

Als sie den Druck losgeworden war und nur noch leise gluckste, traf sie ihre Entscheidung zum Bleiben. Ihr außen von der Bank befindliches Bein schwang sich zurück unter den Tisch und sie wandte sich mir zu, um mich ein wenig genauer in Augenschein zu nehmen.

Sie musterte kurz mein Gesicht, meine Frisur und meine Kleidung und bewies dann, dass sie ein festerer Bestandteil des Freundeskreises um meinen Kumpel Jens war.

„Du bist Mike, nicht wahr?“

„Was hat mich verraten?“, fragte ich lächelnd. „Wirkt meine Faltencreme nicht mehr?“

Zugebenermaßen gehörte meine Neigung, Witze über mein Alter zu machen, zu den Gewohnheiten, die ich wie eine Jacke anlegte, wenn ich mich unter das Jungvolk mischte. Jeder hatte schließlich seine Macken. Und das war eben eine von meinen.

Sie runzelte die Stirn über meine Worte und schüttelte leicht den Kopf.

„Faltencreme? Nein…“ Sie stockte kurz. „Ach ja. Du bist schon etwas älter als Jens, stimmt’s?!“

„Etwas“, bestätigte ich den winzigen Vorsprung von zehn Jahren zu den fünfundzwanzig meines Kumpels und zeigte mit den Fingern meiner freien Hand einen Abstand von maximal einem halben Zentimeter an.

„Nein“, erklärte sie. „Ich habe davon gehört, dass deine Augen unterschiedliche Farben haben.“

Whoops!

Das erwischte mich unerwartet. Und für einen Moment starrte ich sie daher auch ziemlich erstaunt an.

Um in der nicht gerade optimalen Beleuchtung im Garten den Unterschied zwischen meinen beiden Augen zu erkennen, musste sie schon ziemlich genau hingesehen haben. Und sie musste auch einen wirklich scharfen Blick besitzen.

Für mich ergab sich aus dieser unerwarteten Wendung eine Frage, die ich wirklich schnell entscheiden musste, bevor es in irgendeiner Form zu spät war.

„Ich bin Meral“, sagte sie inzwischen.

Das gab den Ausschlag. So bescheuert das klingen mag.

Eine brünette Schönheit vom Stamme Niedlich mit bernsteinfarbenen Augen und dem Namen Rehkitz – und mit einem Freund, der sich mit Leichtigkeit für den ersten Preis bei der Wahl zum größten Vollidioten qualifizierte – war einfach zu viel. Meine ohnehin mehr als flatterhafte Bereitschaft zu gesellschaftlich richtigem Verhalten fuhr auf null zurück.

Anstatt die Hand von ihrem Arm zu nehmen, wie es eigentlich langsam höchste Zeit war, ließ ich sie liegen. Und ich hörte auch damit auf, ihrem Blick nur kurz zu begegnen und sie vor dem zu bewahren, was ich als Effekt eines intensiven Blickkontaktes mit mir zur Genüge kannte.

Oder um es vereinfacht zu sagen: Ich war bereit, es bei ihr darauf ankommen zu lassen.

„Freut mich sehr, Meral“, erwiderte ich und brachte meine Hand auf ihrem Handgelenk in Erinnerung, indem ich damit einmal kurz ein wenig zudrückte.

Ihr Blick zuckte kurz hinab zu der Stelle, an der sich unsere Körper berührten. Dann sah sie forschend in meine Augen und suchte nach einem Hinweis auf meine Absichten.

Mir war klar, was sie fand: Nichts und Alles. Ich hatte noch keine Absichten. Aber ich war nun offen für so ziemlich jede denkbare Schandtat.

Falls ihr auffiel, dass ich nicht mehr auswich, bemerkte ich in ihrem Blick nichts davon.

„Das war ziemlich peinlich gerade“, suchte sie nach einem nicht zu verfänglichen Thema.

Ich erfasste durchaus, dass sie mit keinem Wort darauf hinwies, dass der Macker ihr Freund war. So wie sie es ohne jeden Zweifel getan hätte, wenn sie auf mehr Distanz aus gewesen wäre. Ebenso wie sie mir dann ihren Arm entzogen hätte, was auch nicht geschah.

„Extrem“, bestätigte ich nickend und verunsicherte sie damit ein wenig. „Ich habe selten… Nein. Ich habe noch nie so einen Vollidioten in Aktion gesehen.“

Es dauerte einen kleinen Moment, bis sie verarbeitet hatte, dass ich schon bei meiner Bestätigung von ihrem Macker besprochen hatte. Und ich setzte noch einen drauf:

„Aber dafür durfte ich eine eloquente Traum-Retoure von dir genießen. Und allein dafür hat es sich schon gelohnt, heute hierher zu kommen.“

Ich beobachtete, wie das Kompliment sein Ziel erreichte. Ihre Mundwinkel zuckten ganz leicht und sie löste sich lange genug von meinem Blick, um verlegen auszusehen, bevor sie wieder bei mir war.

„Ist er wirklich so groß?“, fragte ich mit einem Nicken in Richtung des Glases.

Sie folgte dem Wink und lachte dann.

„Ganz bestimmt nicht. Wenn er so groß wäre, würde ich nicht einmal darüber nachdenken, ihn…“

Sie kam erstaunlich weit in dieser Ausführung, bevor sie bemerkte, wohin der Satz führen würde. Und neben einem milden Schrecken und einem Hauch Scham war da in ihrem Blick auch ein eindeutiges, herausforderndes Glitzern, als sie verstummte.

„Ihn in deinen Arsch eindringen zu lassen“, vollendete ich mit neutraler Stimme.

Aber ganz bestimmt nicht mit neutralem Ausdruck in meinen Augen.

Sie zuckte ein ganz klein wenig zusammen. Aber sie wich meinem Blick nicht aus, und als sie sich kurz die Lippe befeuchtete, wusste ich, dass dieses Gespräch weitergehen würde.

Vielleicht spielte mein Ruf mir in diesem Fall in die Hände. Ich war bekannt dafür, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Und auch dafür, sehr offen mit dem Thema Sexualität umzugehen. Und ich tat das auch unter völlig Fremden, die noch nie von mir gehört hatten, ganz unbefangen. Aber vielleicht war es auch einfach die Offenheit in meinen Augen, die ihr über diese Hürde hinweghalf.

Oder aber – und ich hätte noch nicht darauf gewettet, war jedoch guter Hoffnung – sie dachte zumindest insgeheim auch schon einmal einen Schritt weiter.

„Ich bin froh, dass du ihn nicht gelassen hast“, fuhr ich fort.

Diesmal runzelte sie deutlicher die Stirn und sah mich fragend an. Das konnte sie nicht wechseln.

„Wieso?“

„Weil jemand, der sowas als Geburtstagsgeschenk haben will, es ziemlich sicher so schlecht gemacht hätte, dass du es niemals wieder probieren würdest“, erklärte ich.

„Und…“, setzte sie an und blickte ein Mal zwischen dem Tisch und meinem Gesicht hin und her, bevor sie sich entschloss, ihre Frage tatsächlich auszusprechen. „Wäre das ein Verlust?“

Es gab etwa drei Arten, wie diese Frage verstanden werden konnte. Zunächst mal als rhetorisch. Aber dafür war ihr Tonfall nicht der Richtige. Sie hatte weder eine erfahrungsbasierte Abneigung gegen diese Sache, noch war sie wirklich verklemmt – wie ihr Macker es behauptet hatte – und lehnte etwas ab, was sie nicht kannte. Jedenfalls nicht mir gegenüber.

Die anderen beiden Varianten, in denen man diese Frage gestellt bekommen konnte, waren wissbegierig und provokant. Und wenn überhaupt, dann hatte ich mit Ersterem gerechnet. Was ich bekam, war aber eine eindeutige Mischung aus diesen beiden Optionen.

Und das bedeutete, dass sie sehr wohl interessiert war. Nur eben auf eine sehr gesund vorsichtige Weise.

„Auf lange Sicht und für dich sicherlich“, erwiderte ich. „Aber in seinem Fall nicht.“

„Für mich?“, fragte sie ein wenig ungläubig und überging die Andeutung in Richtung des Idioten, weswegen ich beschloss, ihn auch nicht mehr zu erwähnen. Stattdessen nickte ich.

„Darum geht es doch beim Sex, oder nicht? Um die Dinge, von denen beide etwas haben.“

„Außer beim Blasen“, schoss sie zurück.

Ich lächelte und schüttelte den Kopf.

„Findest du es nicht reizvoll, die Lust eines Mannes völlig in der Hand zu haben?“, widersprach ich. „Ein wenig Macht über ihn zu besitzen und zu wissen, dass es ausschließlich das ist, was du tust oder zulässt, was ihn zum Abspritzen bringen wird?“

Sie starrte mich an und ihr Mund öffnete sich ein klein wenig.

Ich kannte den Ausdruck. Ich erlebte ihn nicht nur bei dieser Art von Gespräch, sondern auch dann, wenn ich nicht schreiend weglief, sobald das Thema Menstruation auch nur angedeutet wurde. Es war der Beweis dafür, dass einfach viel zu wenig Männer auf der Welt sich auch nur die geringste Mühe gaben, sich in eine Frau hineinzudenken.

„Und davon mal abgesehen“, fügte ich hinzu, „schließe ich jetzt einfach mal von mir auf die Frauenwelt und behaupte, dass es ganz schön ist, sich mit den intimen Stellen eines Körpers zu beschäftigen, den man anziehend findet. Oder?“

Satan…!

Ich kannte auch den Ausdruck, der nun auf ihr Gesicht trat. Es war der Ausdruck einer Frau, die nur wenige oder noch gar keine Männer gehabt hatten, die das Konzept vom gegenseitigen Geben und Nehmen auch nur vom Hörensagen her kannten.

Ich nahm mir ganz fest vor herauszufinden, wie dieses Rehlein an das dämliche Stinktier geraten war, mit dem sie hoffentlich bald schon nicht mehr zusammen sein würde. Oder von dem sie sich bestenfalls bereits vorhin in einer Art lautstarkem ‚stillschweigendem Einvernehmen‘ getrennt hatte.

„Mit dem Analverkehr ist es nicht anders“, führte ich das Gespräch weiter. „Wenn nur der Mann dabei seinen Spaß hat, dann läuft etwas sehr, sehr falsch.“

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