»Ihr 17 Uhr Termin ist hier Herr Doktor von Mörlen«, flüsterte meine Assistentin durchs Telefon. Ich wusste nicht, warum sie flüsterte und wollte nicht fragen. Es war Freitag 16:59 Uhr, der letzte Termin vor dem Wochenende.
»Soll reinkommen.«
»Kann ich Feierabend machen?«
»Ja und schönes Wochenende, Gabi«, sagte ich und legte den Hörer auf.
Als sich die Tür öffnete, sah ich eine Erscheinung, die auf eine ausgesprochen ästhetische Art unanständig aussah. Das vordere Plateau der High-Heels war mindestens sieben Zentimeter hoch und bestand aus schwarz glänzendem Kunststoff, dessen Oberfläche mit Glitzersteinen verziert war. Die hauchdünnen Chromabsätze schätzte ich, vom Boden bis zu ihren nackten Fersen, auf über zwanzig Zentimeter. Diese extrem promiskuitiven Schuhe wurden durch je ein transparentes Kunststoffbändchen, oberhalb der Zehen an den nackten Füßen gehalten.
Nachdem sie zwei Schritte in mein Büro gelaufen war, blieb sie stehen und präsentiere sich in einem seitlichen Profil, während sie die Tür hinter sich schloss. Ihre gepflegten Fußnägel waren grell pink lackiert. Von da an sah ich, lange und schlanke Beine, auf deren gebräunter Haut ein florales Muster in gedeckten Farben tätowiert worden war.
Das untere Ende des Latex-Minirocks bedeckte die straffen Pobacken geradeso. Das elastische Material glänzte genauso grell pink, wie die Fußnägel und war nicht vollkommen blickdicht. Ich erkannte den weiteren Verlauf der Tattoos schemenhaft. Lediglich zwischen ihren Beinen, wo sich das Latex nicht stramm über die Schenkel spannte, wurde der Blick diffus.
Der Rock saß stramm auf den definierten Konturen ihrer Hüfte. Darüber war eine Handbreit gebräunte, tätowierte Haut zu sehen. Im Bauchnabel trug sie ein Piercing, das die kleine Kuhle vollständig mit einem rosafarbenen Schmuckstein füllte, an dem ein silbernes Kettchen herunterhing.
Das langärmelige Netz-Top aus schwarzem Nylon endete knapp unterhalb der Brüste. Der BH, der in Farbe und Material dem Rock entsprach, schimmerte hindurch und wurde von außergewöhnlich großen und symmetrischen Brüsten ausgefüllt. Es mochte Frauen geben, die von Natur aus mit solch einer opulenten Oberweite bedacht worden waren, aber dafür war ihre Gestalt zu sportlich und die Taille zu schmal. Es sah unnatürlich perfekt aus und passte zum Rest ihrer Erscheinung, die in jeder Hinsicht jenseits des Natürlichen lag.
Durch die Maschen der Ärmel sah ich den weiteren Verlauf ihrer Tattoos, die sich bis zu den Handgelenken rankten. Die Hände und Finger, sowie das Gesicht, waren die einzigen, sichtbaren Stellen ihres Körpers, an denen sie keine Tattoos trug. Die Fingernägel waren außergewöhnlich lang, tiefblau und mandelförmig geschliffenen.
Frauen mit derartigen Proportionen und in solch einem Styling verortete man unwillkürlich in den Bereich der Prostitution oder in die Pornoindustrie. Dennoch wehrte sich ein Teil meines Verstandes, sie dort einzuordnen. Ihr Outfit war ein fein abgestimmtes Statement und mit Sicherheit nicht billig gewesen. Für solch eine Figur musste man, trotz chirurgischer Eingriffe, hart trainieren und sich diszipliniert ernähren.
Vor allem war es ihre würdevolle Kopfhaltung, die einen gewissen Stolz ausdrückte, ohne herablassend zu wirken. Sie trug ein breites Lederhalsband, das sich eng um den schlanken Hals schloss und gar nicht zuließ, dass die den Kopf übermäßig hängen lassen konnte. Dennoch hielt sie den Kopf aus eigener Kraft hoch. Ihr silberblondes Haar floss über ihre Schultern und reichte bis zum Steiß.
Die vollen Lippen glänzten in einem Farbton, der an geschmolzenes Karamell erinnerte. Nach außen wurde der Farbton dunkler. Als sie mich mit ihren aufwendig geschminkten Augen anschaute, hoben sich die Lider und die überlangen, dichten Wimpern schwangen langsam, wie Fächer empor. Sie spannte die Unterlippe leicht an, wodurch sich ihre Oberlippe etwas vorschob.
»Guten Abend.«
Die schwere Tür zu meinem Büro fiel hinter ihr ins Schloss. Sie stand auf den podestartigen High-Heels und schaute mich mit einer Aufrichtigkeit an, die meinen Verdacht erhärtete, dass sie mehr sein musste als das, was man auf den ersten Blick vermuten mochte.
Ich überwand den Zustand des erstaunten Starrens und kam in großen Schritten auf sie zu. Ihr Händedruck war fest. Sie hielt meine Hand zwei Atemzüge länger, als es bei dieser Geste unter Fremden üblich war und schaute mir in die Augen. Ich musste zu ihr aufblicken. Ohne Schuhe, wäre es umgekehrt gewesen.
»Sie wurden mir von jemandem empfohlen, der Sie sehr gut kennt, Herr Doktor von Mörlen.«
»Darf ich fragen, von wem?«
»Vielleicht später. Können wir uns setzen?«
Ich bot ihr den gepolsterten Stuhl an, der vor meinem Schreibtisch stand und setzte mich auf meinen Platz hinter dem Schreibtisch. Sie schlug die Beine übereinander und schaute mich an, während ich diese geschmeidige Bewegung ihrer Beine beobachtete.
»Soll ich es nochmal machen?«
»Nicht nötig«, sagte ich mit einem distanzierten Lächeln und schaute auf meinen Bildschirm, um zu lesen, was meine Assistentin zu diesen Termin eingetragen hatte.
»Sie haben meine Kanzlei wegen einer Beratung zu einer Vorsorgevollmacht aufgesucht, Frau Porn — spricht man das so aus?«
»Nein.«
»Entschuldigen Sie, das hat meine Assistentin so eingetragen. Hier steht: Frau Bella Porn.«
»Das ist mein Künstlername. Es heißt BellaPorn, ohne Leerzeichen und mit großem P.«
Ich schaute sie nachdenklich an. Vielleicht war sie doch nur das, wonach es auf den ersten Blick ausgesehen hatte.
»Glauben Sie, eine Pornodarstellerin läuft in ihrer Freizeit so herum?«, fragte sie mich. Sie hatte meinen Gedankengang erraten.
»Nein.«
»Ich bin Performance-Künstlerin. Was ich aus meinem Körper gemacht habe und was ich damit mache, verstehe ich als künstlerische Arbeit.«
Ich zog die Augenbraue hoch und pustete die Backen auf.
»Frau BellaPorn. Ich habe weder die Pflicht, noch das Recht, ein Urteil über Ihren Lebensstil zu fällen, aber wenn Sie meine Kanzlei zu einer Showbühne machen wollen, hätte ich einen triftigen Grund, das Gespräch zu beenden.«
»Ich halte es für notwendig, dass sie mehr über mich erfahren, bevor wir zum eigentlichen Grund des heutigen Termins kommen«, sagte sie und holte einen Tablet-Computer aus ihrer Handtasche. Ihre Finger, mit den extrem langen Nägeln, bewegten sich treffsicher über das Display, dann drehte sie das Gerät in meine Richtung.
»Das ist meine Internetseite.«
Die Startseite war eine Collage aus Bildern mit viel nackter Haut, die sich nicht sonderlich von den Darstellungen unterschieden, die auf deftigen Pornoseiten geboten wurden. Meine Mandantin lebte ihre „Kunst“ in vielen Spielarten sowohl mit Männern als auch mit Frauen aus.
»Ich gebe Ihnen ein Passwort für einen zehntägigen Test-Account. Sie können sich in Ruhe einen Eindruck verschaffen, wenn Sie das möchten.«
Sie notierte einen Usernamen mit Passwort auf einem Notizzettel. Ich bewunderte ihre Fingernägel, die aufgrund der Länge, fast so dicht über das Papier glitten, wie die Feder meines Füllfederhalters, den sie ungefragt benutzte. Sie hatte eine schöne, geschwungene Handschrift.
Ich klickte auf das Video des Tages, mit dem Titel „Hure Gottes“ und sah meine Mandantin in spe breitbeinig auf dem Rücken liegen. Sie trug nichts außer weißen, halterlosen Strümpfen und einem bestickten Kopftuch, das ihr Haar verdeckte. Ihre nackten Brüste standen selbst in dieser Pose unnatürlich perfekt von ihrem schlanken Körper ab. Um sie herum standen zahlreiche Männer in braunen und dunkelgrauen Bademänteln. Durch die tief ins Gesicht hängenden Kapuzen, war die Assoziation mit Mönchen sehr naheliegend.
Frau BellaPorn räkelte sich wollüstig, während sie von einem der Mönche gefickt wurde. Sie hielt in jeder Hand einen Schwanz und öffnete ihre Lippen bereitwillig, als ihr ein weiterer Mann sein Glied in den Mund schob.
»Erkennen Sie den Altar, auf dem ich liege? Wir mussten ein Podest drumherum bauen, damit die Männer hoch genug stehen konnten, um an mich heranzukommen. Wir haben es in einer Kirchenruine aufgezeichnet, die ein paar Wochen später abgerissen wurde. Ich hätte die Session gerne auf dem Altar einer geweihten Kirche gedreht, aber mein Team hatte Bedenken, verklagt zu werden.«
Während sie mir das erzählte, spritzte ihr der erste Mönch auf ihren nackten Bauch und machte den Platz zwischen ihren Beinen für den nächsten Kuttenträger frei. Ich klickte auf der Zeitachse des zweistündigen Films in hintere Drittel. Sie lag fast unverändert auf dem Altar, allerdings war ihr Körper, vom Gesicht, über die Brüste und bis zwischen ihre Beine, glasiert von Sperma. Dennoch rückten neue Männer nach, die sie mit frischen Kräften ungezügelt fickten und sich von ihrem Mund und ihren Händen bedienen ließen.
»Glauben Sie, Ihre Kunden — wenn ich das so sagen darf — interessieren sich für den künstlerischen Aspekt, Ihrer Arbeit?«
»Fragen Sie sich das auch bei den Werken eines Landschaftsmalers oder eines Kammermusikers?«
Ich blickte sie schmallippig an.
»Kunst muss sich nicht rechtfertigen. Darüber hinaus, kann ich mich nicht über mangelndes Interesse beklagen«, sagte sie und drehte mir, auf dem Stuhl sitzend, den Rücken zu. Sie schob ihr Haar aus dem Nacken, bis ich sah, dass ihr martialisches Halsband von drei übereinander angeordneten Vorhängeschlössern zusammengehalten wurde.
»User können sich bei mir für eine Performance bewerben. Allerdings entscheide ich, wen ich haben will und welche Performance es sein wird. Ich habe die Schüssel für die Schlösser an drei Männer geschickt, die Sex mit mir haben wollen und nach eigener Aussage verheiratete Familienväter sind. Sie wissen nichts voneinander. Im Idealfall treffen sie mich heute Abend alle zur gleichen Zeit in einem Hotelzimmer und bekennen sich voreinander zu ihrer Fantasie, indem jeder sein Schloss öffnet.«
»Haben Sie keine Angst, dass so etwas in eine falsche Richtung laufen könnte?«
»Es gibt kein Richtig oder Falsch, wenn Emotionen aufeinanderprallen«, sagte sie, ließ ihr Haar fallen und wandte sich mir zu, »aber ich weiß was Sie meinen. Ich habe immer ein Kameramann im Hintergrund, der gut auf mich aufpassen kann. Mein Ziel ist es, authentische Emotionen einzufangen um sie anschließend zu überwinden. Am Beispiel des heutigen Abends, möchte mit allen drei Usern gleichzeitig ins Bett gehen. Wobei ich auch mit jedem anderen Verlauf zufrieden wäre, solange die Authentizität nicht verloren geht.«
»Wie bereits erwähnt, liegt es nicht an mir, Ihren Lebensstil zu beurteilen«, sagte ich und schloss das Video mit der Kirchenorgie.
»Muss ich noch mehr über Ihre Arbeit wissen, bevor wir zu Ihrem Anliegen kommen?«
»Es wird Ihnen, im Anbetracht meines Körpers, vielleicht widersprüchlich vorkommen, aber mir ist Authentizität wichtiger als alles andere. Ich spiele nichts vor und ich möchte nichts vorgespielt bekommen«, sagte sie und unterstrich ihre Aussage mit einem eindringlichen Blick.
Ich stützte mich mit den Ellenbogen auf der Tischplatte ab und öffnete die Hände mit fragendem Blick. Nach dem Vermerk zu ihrem Termin, ging es um eine Beratung bezüglich einer Vorsorgevollmacht, aber in mir reifte der Gedanke, dass sie für ihren nächsten Orgasmus vor laufenden Kameras, eine notarielle Beglaubigung haben wollte.
»Um wirklich authentisch zu sein und um mich von dem unterscheiden zu können, was alle tun, steht mir mein Verstand im Weg. Vernunft ist eine Last, die ich jeden Tag zu überwinden versuche.«
»Sie sollten diesbezüglich mit einem Psychologen reden.«
»Das habe ich mehrmals getan«, sagte sie und zog einen Brief aus ihrer Handtasche. Sie schob das Kuvert über die Tischplatte und warf mir ein verlegenes Lächeln zu.
Mir wurde bewusst, dass dieses Gespräch, trotz seines skurrilen Inhalts, gepflegter verlief, als so manch anderer Beratungstermin mit Menschen in seriöseren Outfits. Sie legte eine fast klassische Eleganz an den Tag und widerlegte durch ihr Verhalten jedes Klischee, dass man ihrer äußerlichen Erscheinung zuordnen könnte.
»Was steht in dem Brief?«, fragte ich, ohne ihn zu berühren.
»Es ist ein Attest, das mir vollkommene Zurechnungsfähigkeit bescheinigt. Ich akzeptiere, dass Sie sich meinen Geisteszustand von einem Gutachter Ihrer Wahl und auf meine Kosten bestätigen lassen, aber ich akzeptiere es nicht, auf eine monatelange Warteliste gesetzt zu werden.«
»Erklären Sie mir erst einmal, warum Sie mich überhaupt aufgesucht haben.«
Sie hob den Kopf. Ihre überlangen Wimpern schwangen empor und sie schaute mich mit festem Blick an.
»Ich werde mich in absehbarer Zeit einem Eingriff unterziehen, der meine höheren Hirnfunktionen grundlegend verändern wird, damit ich das sein kann, was ich sein will.«
»Und was soll das sein?«
Sie lehnte sich im Stuhl zurück, rutschte mit ihrem knackigen Hintern an die vordere Kante der Sitzfläche und spreizte ihre Schenkel, bis ich ihre nackte, blank rasierte und mehrfach gepiercte Muschi sehen konnte.
»Sehen Sie das bitte nicht als profane Provokation«, sagte sie und zog ihre Schamlippen mit ihren langen Fingernägeln auseinander.
»Sehen Sie den feuchten Glanz?«
»Ich denke, das reicht jetzt!«
»Es hat nichts mit Ihnen zu tun — noch nicht«, hauchte sie.
»Ich beende das Gespräch an diesem Punkt.«
»Warten Sie bitte«, sagte sie und schlug die Beine übereinander. Ich atmete tief durch und wartete auf ihre Erklärung.
»Es gibt Menschen, die wissen im Kindesalter, dass sie in einem Körper mit dem falschen Geschlecht geboren wurden. Ich habe mein Geschlecht nie angezweifelt, ich wusste schon sehr früh, dass ich eine geile, devote Fotze bin. Je älter ich wurde, je interessanter mein Körper für mich und meine Mitmenschen wurde, desto weniger tolerierte man mein unvernünftiges und triebhaftes Verhalten.«
Sie neigte den Oberkörper vor, bis ihre gewaltigen Brüste über ihre Seite der Schreibtischplatte ragten.
»Ich habe irgendwann geglaubt, mich Konform verhalten zu müssen, bis ich fast daran zerbrochen wäre. In den letzten Jahren habe ich alles ausprobiert, was man ohne bleibende Schäden mit einem weiblichen Körper machen kann und ich habe das Paradies mehr als einmal sehen dürfen, aber ich bin jeden Morgen wieder in dieser kalten verstandes-basierenden Welt aufgewacht.«
»Wenn ich das richtig verstanden habe, beabsichtigen Sie, sich einen dauerhaften geistigen Schaden zufügen zu lassen und möchten sich deswegen über eine Vorsorgevereinbarung beraten lassen?«, sagte ich und versuchte so sachlich wie möglich zu bleiben.
»So wie Sie das sagen, klingt es nicht so, wie ich es meine.«
»Wie meinen Sie es denn?«
»Ich möchte mich von den Fesseln meines Verstands befreien lassen und ich möchte sicherstellen, dass ich bei den Menschen leben darf, denen ich grenzenloses Vertrauen schenke. Niemand sonst soll in mein willenloses Schicksal eingreifen dürfen.«
Ich räusperte mich und versuchte die zahlreichen Argumente, die gegen ihr Vorhaben sprachen, nach dem juristischen Schweregrad zu ordnen. Ohne mich hinter Paragrafen zu verstecken, sagte ich frei heraus: »Ich werde Ihnen, unabhängig von allen Gesetzen und Vorschriften, nicht helfen, sich selbst zu schaden.«
»Das erwarte ich nicht, ich möchte lediglich einen Hieb- und Stichfesten Vertrag ausarbeiten lassen, der mich und die Menschen meines Vertrauens gegen eine Einmischung von Dritten schützt.«
Ich holte tief Luft, weil mir die nächste Frage nicht leicht über die Lippen kam, aber ich wollte nicht akzeptieren, was mir diese selbsternannte Künstlerin erzählte.
»Haben Sie es mit Drogen versucht, anstatt ihren Verstand dauerhaft zu opfern?«
»Jeder Rausch endet irgendwann und dann schlägt die Realität härter zu, als zuvor. Ich strebe einen dauerhaften Zustand der willenlosen Enthemmung an«, sagte sie ruhig und sachlich, so als hätte sie das schon oft erklären müssen.
»Ich verstehe mich als Kunstwerk. Ich habe zahlreiche Operationen über mich ergehen lassen, ich trage etliche Piercings und über siebzig Prozent meiner Haut sind tätowiert. Abgesehen von einigen Kleinigkeiten, hat mein Körper einen Zustand erreicht, dem mein Geist nun folgen muss. Ich bin gerne bereit, ausführlich darüber mit Ihnen zu diskutieren, aber Sie dürfen sich meinem, noch vorhandenen Willen nicht versperren und ich erwarte, dass Sie Ihren Teil dazu beitragen, dass ich mein zukünftiges Leben authentisch führen kann.«
»Was verstehen Sie unter einer authentischen Lebensführung?«
»Die Menschen meines Vertrauens, werden mir weiterhin ein sexuell ausschweifendes Leben ermöglichen und dies derart vermarkten, dass ich niemandem finanziell zur Last falle.«
»Das kann Ihnen kein Vertrag der Welt garantieren. Die Vorstellung, dass sich ein unzurechnungsfähiger Mensch mit Zustimmung und Unterstützung seines rechtlichen Vertreters prostituiert, wird früher oder später einen Staatsanwalt beschäftigen.«
»Das wäre schrecklich«, hauchte sie betroffen und schaute mich mit großen Augen an.
»Es muss bestmöglich abgesichert sein und dafür benötige ich Ihre Hilfe«, sagte sie kleinlaut.
»Ich bin mit Ihrem Vorhaben nicht einverstanden und ich habe genug gehört, um Ihre Bitte mit triftigen Gründen ablehnen zu können.«
»Denken Sie wenigstens noch einmal darüber nach?«
»Sie können sich sicher sein, dass mir dieses Gespräch noch einiges zu denken geben wird, aber ich glaube nicht, dass sich meine Meinung ändert.«
Sie notierte eine Mobilfunknummer auf dem Zettel, unter den Zugangsdaten für ihre Seite.
»Sie können mich jederzeit anrufen. Sollte ich nicht erreichbar sein — rufe ich zurück«, sagte sie, stand auf und reichte mir die Hand.
»Danke für ihre Zeit. Ich finde den Ausgang alleine.«
Sie ging zur Tür meines Büros. Mir fiel auf, wie galant sie sich auf ihren exklusiven Schuhen bewegte und wie lang ihre schlanken Beine durch die extrem hohen Absätze wirkten. Die Spitzen ihres Haars schwangen knapp über ihren strammen Pobacken, die sich unter dem hautengen Rock abzeichneten.
Mir kam in den Sinn, dass sie mir die Hand gegeben hatte, mit der sie vor wenigen Minuten ihre Schamlippen auseinandergezogen hatte. Ich wartete, bis die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen war, roch an meiner Hand und nahm die Spuren eines blumigen Damenparfums wahr. Mich beschlich der Verdacht, die Gelegenheit für spontanen Sex mit einer Fremden verpasst zu haben.
Auf meinem Schreibtisch lag der Notizzettel, mit den Zugangsdaten zu ihrer Seite und ihrer Mobilfunknummer. Es war Freitagabend, meine Assistentin war längst im Feierabend und ich war noch nie im Besitz eines Accounts für eine Pornoseite gewesen. Vielleicht war es in Ihren Augen Kunst, für mich war es Pornografie in Reinform.
*
Mit dem Notizzettel in der Tasche fuhr ich nachhause, nahm mir bei einem chinesischen Schnellrestaurant etwas zu Essen mit und parkte in der Garage meines Hauses. Das Einfamilienhaus in bester Lage war eigentlich zu groß für meine Bedürfnisse. Ich lebte alleine. Nach zwei kinderlosen Langzeitbeziehungen war ich mit Anfang vierzig an einem Punkt angelangt, an dem ich mich mit meinem Leben als Junggeselle arrangiert hatte.
Durch meinen Beruf war ich täglich im Kontakt mit zahlreichen Menschen und ich genoss die Abende alleine oder im Fitnesscenter, dass ich mindestens zweimal die Woche aufsuchte. An den Wochenenden ergaben sich oft Möglichkeiten, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Für den Fall von aufkommender Langeweile lagen genug Akten in meinem privaten Arbeitszimmer. Gerade an den Wochenenden fand ich tagsüber die Ruhe, um schwierige Vertragsentwürfe und komplexe Fälle zu studieren.
Nachdem ich meinen Anzug gegen legere Kleidung getauscht hatte, machte ich es mir auf dem Sofa bequem und startete meinen privaten Laptop. Ich fand die Seite von BellaPorn und gab meine Zugangsdaten ein. Die Seite war meiner Meinung nach, eher unübersichtlich gestaltet. Es gab keine Möglichkeit nach Schlagworten zu suchen und die unterschiedlichen Beiträge waren, jenseits der Startseite, derart ineinander verschachtelt, dass es kein Zufall sein konnte. Oft waren weiterführende Links unkenntlich in Texten versteckt oder nur bestimmte Bereiche eines Bilds ließen sich anklicken, um einen Videobeitrag ansehen zu können.
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