Vorwort

Dieser Text ist inspiriert, von den ersten zwei Teilen, der mehrteiligen Geschichte „Zur Domina gemacht“ von Sena78. Basierend auf diesem Grundkonzept, greife ich Charakterzüge und Schlüsselszenen auf, um eine andere Geschichte zu erzählen — nennen wir es Hommage.

*** Dominant veranlagt ***

Lea trug Hand- und Fußfesseln über der grauen Knastkluft und saß in einem fensterlosen Raum an einem Metalltisch. Sie war in Untersuchungshaft und sollte einen Pflichtverteidiger zugeteilt bekommen. Ein Justizbeamter ließ einen Mann mittleren Alters in den Raum eintreten und schloss die Tür hinter ihm.

»Guten Tag. Mein Name ist Dr. Jano, ich bin Anwalt.«

»Du siehst nicht aus, wie ein Pflichtverteidiger«, sagte Lea herausfordernd. Dr. Jano trug einen Maßanzug. Sein dunkles, kurzes Haar mit den grauen Schläfen, war akkurat frisiert. Er setzte sich und schaute Lea an. Sie war zwanzig und attraktiv. Ihre angespannten Gesichtszüge ließen ihn ahnen, welches Misstrauen sie ihm entgegenbrachte. Die Kraft in ihren Augen war beeindruckend.

»Was ist?«, fragte Lea.

»Wie sie festgestellt haben, bin ich kein Pflichtverteidiger. Mein Schwerpunkt liegt im internationalen Wirtschaftsrecht und nicht im deutschen Strafrecht.«

»Was willst du von mir?«

»Ihnen ein Angebot machen.«

»Kann ich mir nicht leisten.«

»Mein Angebot besteht darin, dass ich ihnen die juristischen Leistungen meines Teams unentgeltlich anbiete und sie mir zwei Jahre ihres Lebens schenken.«

»Verpiss dich!«

»Nach der aktuellen Aktenlage blühen ihnen mindestens zwei Jahre Gefängnis, ich bin mit meinem Team der Auffassung, dass wir die Haftstrafe mindestens in eine Bewährungsstrafe umwandeln können — soll ich mich verpissen?«

»Bleib!«

Lea kaute nervös auf ihrer Unterlippe.

»Willst du mich zur Belohnung, zwei Jahre lang mit deiner Anwaltsgang ficken?«

Dr. Jano lächelte milde.

»Im Gegenteil. Ich möchte aus ihnen eine Domina machen. Ihr Rohmaterial zu einem Brillanten schleifen, sofern sich die Informationen bewahrheiten, die mir über ihre Person zugespielt wurden.«

»Bist du krank?«, fragte sie ihn und neigte den Kopf verächtlich zur Seite.

»Ja, in gewisser Hinsicht bin ich krank und ich kenne einige wohlhabende Männer, die ähnlich veranlagt sind.«

»Do-mi-na«, sagte Lea verächtlich, »Das sind auch nur Nutten.«

»Dem möchte ich widersprechen, aber im Prinzip ist jede Lohnarbeit eine Form von Prostitution.«

»Warum ich?«

»Weil aus ihrer langen Strafakte und ihrem sozialen Hintergrund, Merkmale zusammentreffen, die mich hoffen lassen. Unsere vorläufige Vereinbarung wird Vorbehaltsklauseln enthalten. Nach dem Gerichtsurteil sehen wir weiter.«

»Ich habe den Typ nicht umgebracht.«

»Das steht nicht in der Anklage. Der Tatbestand des Raubs ist nicht abzustreiten. Unklar ist, inwieweit sie mit dem Tod des Opfers in Zusammenhang stehen.«

»Gar nicht?«, schlug Lea vor und zog eine Augenbraue arrogant hoch.

»Die Sachlage wird erschwert, weil sie derartige Raubüberfälle in zahlreichen Fällen verübt haben.«

Lea lachte abgeklärt.

»Dafür bin ich zigmal mit Sozialstunden und Jugendarrest bestraft worden — das ist Jahre her.«

»Das Gericht könnte zu dem Schluss kommen, dass sie sich weiter Radikalisieren.«

»Nee«, widersprach Lea trotzig, »Mit fünfzehn war ich nicht besser.«

»Wie war das mit fünfzehn?«

»Wir waren ein Mädchen mit großen Träumen und null Bock auf Schule. Wir haben uns am Bahnhof so gelackte Typen wie dich ausgesucht. Die waren aufgeschlossen, wenn sie von einer Gruppe Schulmädchen angesprochen wurden. Es war mein Ding, ihnen schöne Augen zu machen, um mein Knie ohne Vorwarnung in ihre Eier zu rammen. Die anderen haben sie in dem Schockmoment ausgenommen. Das ging sekundenschnell. Manchmal waren dicke Scheine dabei oder ne teure Uhr.«

Lea schüttelte ihren Kopf und machte eine abwertende Geste.

»Der Moment, wenn denen das Lächeln eingefroren ist und die Augen fast herausquollen. Dieser flehende Blick, mit einem lautlosen „Warum?“ auf den Lippen, bevor der Kopf demütig nach unten ging — das war fast geiler als die Beute.«

Dr. Jano sah in Leas Mimik einen Anflug von Freude und empfand eine ähnliche Faszination.

»Ich habe einen Vorvertrag ausgearbeitet«, sagte der Anwalt und zog einen Umschlag aus seiner Aktentasche, »Wenn sie unterschreiben und einwilligen, dass sie sich, bis zur Gerichtsverhandlung auf meinem Anwesen aufhalten, kann ich mich um die Kaution kümmern und sie sind morgen hier raus.«

Lea sah ihm skeptisch in die Augen, während sie die Vertragsunterlagen aus dem Umschlag zog. Sie begann den Vertragstext zu lesen.

»Wir haben den Vertragsinhalt im Wesentlichen besprochen, beim Rest handelt es sich um Vorformulierungen, die vorerst nicht zum Tragen kommen«, merkte Dr. Jano an, als er erkannte, dass Lea beabsichtige, den mehrseitigen Text zu lesen.

»Hol dir en Kaffee und lass mich in Ruhe«, schlug sie ihm vor, ohne vom Text aufzublicken. Dr. Jano blieb sitzen und wartete.

»Das ist ja wie Knast«, murmelte Lea bei einer Passage und las weiter.

»Wesentlich luxuriöser«, merkte Dr. Jano an. Er wusste, dass Lea auf keinem hohen Ast im Baum des deutschen Bildungssystems saß. Seine Menschenkenntnis sagte ihm, dass sie über Durchsetzungskraft und Gerissenheit verfügte, womit man es zu mehr bringen konnte, als es die reine Anhäufung von Zeugnissen und Titeln vermochte.

»Was ist mit Körpermodifikationen gemeint?«, hakte Lea nach.

»Im weiten Sinn, alles, was die plastische Chirurgie zu leisten vermag, die Details sind in einem eventuellen Folgevertrag separat zu verhandeln«, erklärte Dr. Jano mit gönnerhaftem Lächeln. Leas Blick bereitete ihm Unbehagen. Er vermochte nicht zu sagen, wie sie zu diesem Absatz stand.

Am Ende des Textes fragte sie: »Weißt du, worauf du dich einlässt?«

Er grinste und entgegnete: »Ich hoffe, sie verstehen, worauf sie sich einlassen.«

»Das kann für dich verdammt teuer werden.«

»Wenn sie meine Erwartungen erfüllen, spielt Geld keine Rolle«, sagte Dr. Jano amüsiert.

»Stift!«

Ihr Handrücken lag auf dem Tisch und ihre Finger winkten ungeduldig.

Dr. Jano gab ihr seinen Füllfederhalter. Lea unterschrieb den Vorvertrag und notierte einige Zeilen unter dem Unterschriftfeld.

»Wenn diese Zusatzbedingungen morgen erfüllt sind, kommen wir ins Geschäft«, sagte Lea. Dr. Jano las die Zeilen ihrer ungeübten Handschrift und nickte nachdenklich.

Auf dem Weg zur Tür drehte er sich um und fragte: »Hat sie ihr Vater oft geschlagen?«

»Nie. Er schlug meine Mutter regelmäßig, bis kurz vor ihrem Krebstod«, sagte Lea, »Luke und mich fasst er nicht an, weder im Guten noch im Bösen.«

»Welches ihrer Elternteile war der größere Star Wars Fan?«, fragte Dr. Jano, als ihm der Justizbeamte die Tür öffnete.

»Lass mich in Ruhe, mit der Scheiße!«

Mit dem Vertrag in der Tasche und ohne seinen Montblanc Füllfederhalter, marschierte Dr. Jano aus der JVA und setzte sich in sein Auto. Er erkannte, wie angespannt und zugleich euphorisch er war und blieb einen Moment sitzen, um sich zu beruhigen. Auf seinem Smartphone war ein Mitschnitt von Leas jüngster Tat, die eine öffentliche Überwachungskamera aufgezeichnet hatte.

Dr. Jano holte das Gerät aus seiner Tasche und sah sich die Szene erneut an: Nach dem Tritt in die Eier, verpasste Lea ihrem knienden Opfer zwei deftige Ohrfeigen mit der linken Hand, dann kooperierte der Mann und gab ihr sein Portemonnaie. Lea zog das Bargeld raus und warf ihm den Rest zwischen die Beine. Sie war im Begriff zu gehen, als er eine Sprühflasche mit CS-Gas aus seiner Innentasche zog und abdrückte. Der Sprühkegel ging überwiegend an ihrem Gesicht vorbei. Sie entwaffnete ihn mit einem gezielten Schlag auf sein Handgelenk und gab ihm einen Tritt in die Rippen.

Im entscheidenden Moment blickte der Mann entsetzt zu ihr auf. Sie zeigte mit ihrem ausgestreckten Arm von sich weg und schrie ihm drei Worte ins Gesicht. Der Mann sprang hoch und drehte sich in die Richtung ihres Arms. Wenige, gestolperte Schritte später, verschwand sein Gesicht im Kühlergrill eines vorbeifahrenden LKWs. Er war bei seiner kurzen Flucht nicht von Lea berührt worden. Die Aufnahme zeigte, wie Lea ihren Kopf geschockt von der Unfallstelle abwandte und sich widerstandslos von Passanten festhalten ließ, bis die Polizei eintraf.

Aus dem Film ging hervor, dass sich Lea auf ihr Opfer konzentrierte und den Verkehr nicht beobachtete — sie zeigte mit ihrem Arm in eine willkürliche Richtung, zumal sie bereits von ihm abgelassen hatte, als er sie mit dem CS-Gas attackierte — das war ein entscheidendes Detail bei der Schuldfindung vor Gericht.

Der Inhalt ihrer gebrüllten Worte blieb unklar, sie machten auf den Mann derart Eindruck, dass er unverzüglich die Flucht ergriff. Nach unzähligen Durchläufen dieser Szene mutmaßte ein Kollege von Dr. Jano, dass Lea, »Bring dich um!«, schrie. »Dreh dich um!«, war eine weitere Option. Die Aufnahme war zu unscharf, um ihre Lippen lesen zu können. Es waren Vermutungen, die vor Gericht nicht verwertbar waren.

Dr. Jano zog die Zeitleiste auf dem Display zurück und pausierte den Film an der Stelle, die ihm nicht mehr aus dem Kopf ging: Lea schaute zu dem knienden Mann hinab und zeigte mit ihrem ausgestreckten Arm von sich weg. Von der Stellung ihrer Füße über die Kopfhaltung, bis zur Spitze ihres ausgestreckten Zeigefingers, demonstrierte diese Pose absolute Dominanz, in seinen Augen.

»Ja, Herrin«, hauchte er.

*

Um die Mittagszeit des nächsten Tages stand Dr. Jano in der Nähe einer Bushaltestelle. Nebenan war eine Grundschule, aus der scharenweise strömten. Auf dem Display seines Smartphones war das Bild eines achtjährigen Jungen. Er erkannte Leas Bruder in der wilden Schar und sprach ihn an: »Hey! Bist du Luke — Leas Bruder?«

Der Junge blieb stehen und schaute unsicher zu ihm auf.

»Bist du Luke?«

»Ich darf nicht mit Fremden reden.«

»Das ist schlau«, sagte Dr. Jano und ging in die Hocke, um auf Augenhöhe mit ihm zu reden, »Deine schickt mich. Ich soll dir das hier geben.«

»Lea?«

»Ja«

»Wer bist du?«

»Ihr Anwalt.«

Dr. Jano reichte ihm ein robustes Handy mit Ladegerät und sagte: »Du sollst es unter deinem Bett verstecken. Dein Vater darf nichts wissen, soll ich dir von Lea sagen.«

»Kommt Lea zurück?«, fragte Luke.

»Ich kann es nicht versprechen. Mit dem Handy kannst du sie in Notfällen erreichen. Du musst nur die Taste mit der Eins drücken. Es kann sein, dass sich eine Frau Schneider meldet. Du kannst ihr alles sagen, sie wird es deiner erzählen.«

Der Junge schaute nachdenklich auf das Handy.

»Hast du alles verstanden?«, fragte Dr. Jano. Luke nickte und nahm das Geschenk.

»Und das soll ich dir geben«, sagte Dr. Jano und gab ihm ein Kuvert, »Das sind 10 Euro Scheine, für jeden Tag in der Woche einer. Du sollst morgens beim Bäcker ein belegtes Brötchen kaufen und mittags in der Schulkantine essen. Sag deinem Vater nichts von dem Geld, sonst versäuft er es. Wir lassen dir jede Woche Essensgeld zukommen, solange Lea nicht bei dir sein kann.«

Luke nahm das Kuvert und wirkte unsicher.

»Darf ich ein Foto von Dir und den Geschenken machen, um es Lea zu zeigen?«

Luke hielt still. Dr. Jano machte ein Bild mit seinem Smartphone. Luke rannte los, um seinen Bus nicht zu verpassen.

»Hoffentlich geht das gut«, murmelte Dr. Jano. Er wusste, dass der Vater von Lea und Luke, nach dem Tod der Mutter, noch tiefer in seinem Alkoholismus versunken war, und Dr. Jano wusste aus eigener Erfahrung, dass die beschissenste besser war als das beste Kinderheim.

Am Nachmittag stimmte der Richter dem Kautionsantrag zu, nachdem Dr. Jano mit seinem renommierten Namen für Lea bürgte und die Kaution per Sofortüberweisung beglich. Die einzige Auflage bestand darin, dass Lea Dr. Janos Anwesen, bis zur Gerichtsverhandlung nicht verlassen durfte.

Mit einem zufriedenen Grinsen wartete Dr. Jano am Hauptausgang der JVA, bis Lea in Begleitung eines Uniformierten erschien. Sie trug schwarze Sportleggings mit hohem Taillenbund, weiße Turnschuhe und ein schwarzes Sportbustier. Auf dem Unterschenkel der Leggings stand in weißer Schrift „Just do it“. Ein Haargummi hielt ihr langes, schwarzes Haar in ihrem Nacken zusammen. Mit der Sporttasche in ihrer Hand sah sie aus, wie eine junge, sportliche Frau auf dem Weg ins Fitnessstudio. Dr. Jano kannte das Outfit vom Video der Überwachungskamera.

Bevor Lea die Entlassungspapiere mit ihrem Luxusfüllfederhalter unterschrieb, ließ sie sich das Bild von Luke zeigen, auf dem er das Handy und den Umschlag in Händen hielt. Fünf Minuten später saß Lea in Dr. Janos Auto und stemmte ihre Schuhe gegen die Wurzelholzapplikation des Handschuhfachs. Auf seine Bitte schnallte sie sich an.

»War ich teuer?«

»Noch nicht«, sagte Dr. Jano, »Ich erhalte die Kautionszahlung zurück, wenn sie zur Gerichtsverhandlung erscheinen. Bis dahin dürfen sie mein Anwesen nicht verlassen. Sollten sie das ohne mein Wissen tun, zeige ich sie unverzüglich bei der Polizei an und beauftrage zusätzlich einen Kopfgeldjäger mit Eiern aus Stahl — in diesem Fall sollten sie beten, dass sie von der Polizei schneller gefunden werden.«

»O-kay«, sagte Lea mit einem amüsierten Grinsen, »Warum duzt du mich nicht, nachdem ich in deinem goldenen Käfig sitze?«

»Ich muss diese Distanz wahren. Sie dürfen mich duzen«, erklärte Dr. Jano knapp und startete den Wagen.

Dr. Janos Anwesen war ein Gutshof mit weißen Kieswegen, einem verschwenderisch großen Hauptgebäude und mehren Nebengebäuden. Er parkte seinen Wagen neben weiteren teuren Autos und führte sie zu einem kleinen Bungalow, schloss die Tür auf und gab ihr den Schlüssel.

»Das ist eine meiner Ferienwohnungen, sie gehört vorerst ihnen.«

»Sie müssen nicht kochen. Im Haupthaus ist ein Restaurant«, erklärte Dr. Jano an der Küchentür. Lea war weitergelaufen und stand im Schlafzimmer.

»In den Schränken befindet sich alltägliche Kleidung und Unterwäsche«, sagte Dr. Jano, »Die Auswahl an Kleidung und deren Exklusivität wird sich im Laufe ihrer Entwicklung zur Domina deutlich steigern.«

Lea hörte ihm zu, ohne zu reagieren. Sie durchschritt das Wohnzimmer und ging auf die Terrasse. Von dort sah sie eine Pferdekoppel, Stallungen und noch mehr Häuser, die hinter dem Haupthaus lagen. Eine Gruppe junger Mädchen kam von einem Ausritt zurück.

»Urlaub auf dem Ponyhof — wie toll!«, stellte Lea spöttisch fest.

»Das Ferienresort mit dem Reiterhof ist ein Hobby von mir, um mein Anwesen mit Leben zu füllen«, sagte Dr. Jano. Lea zog eine Augenbraue hoch und fragte: »Wann fangen wir mit dem kranken Scheiß an?«

»Das entscheiden sie, ich kann es kaum erwarten, ihrem Ruf zu folgen.«

»Wenn ich mit dem Finger schnippe, stehst du auf der Matte?«, lachte Lea.

»Wir müssen grundlegende Dinge klären«, sagte Dr. Jano, »Ein Verhältnis zwischen einer Domina und ihrem Untergebenen folgt klaren Regeln und Abmachungen. Solange sie mit diesen Gepflogenheiten nicht vertraut sind, werde ich das Geschehen vorgeben. In dem Maß, wie sie die Grundlagen verinnerlichen, übernehmen sie die Kontrolle, bis alle Macht von ihnen ausgeht.«

»Sag mal: Schwitzt du?«, fragte Lea und kam auf Dr. Jano zu. Sie griff nach seiner Krawatte unterhalb des Knotens. Dr. Jano trat auf der Terrasse einen Schritt zurück, entzog sich ihrem Griff und sagte: »Erste Regel: Sie verhalten sich mir gegenüber distanziert höflich und bringen mich nicht in kompromittierende Situationen, solange wir nicht in eine Session eintreten, die vorzugsweise in einem geschützten Raum stattfindet.«

»Und wo ist dieser Raum?«

»Darf ich das als eine Einladung auffassen?«

»Ja«, sagte Lea mit sorgloser Gelassenheit.

»Folgen sie mir bitte.«

Sie erreichten das Haupthaus zu Fuß. Das Erdgeschoss war öffentlich zugänglich für die Tages- und Feriengäste des Ferienressorts. Es gab ein Restaurant mit Cafeteria und einen Souvenirshop für Pferdebegeisterte. Dr. Jano schloss eine Tür zu seinen privaten Räumen auf und blieb mit Lea in einem Foyer aus weißem Marmor stehen. Hinter einer Empfangstheke saß eine Blondine.

»Das ist Bettina Schneider, meine persönliche Assistentin«, sagte er.

Frau Schneider sprang auf und kam zu ihnen gelaufen. Sie besaß den Körper einer Barbiepuppe. Ihr kurzer Rock, die knappe Bluse und die hohen Schuhe wirkten in Stil und Farbkonzept hochwertiger als die Varianten aus den Spielwarenläden. Ihr Gesicht weckte den Anschein, als sei sie Make-up-Beraterin, die ihren Kunden die volle Bandbreite der Beauty-Industrie präsentieren wollte. Bei allem Zynismus musste Lea anerkennen, dass dieses Zuviel-von-allem-Konzept von Kopf bis Fuß stimmig war. Leas Neid stand einer uneingeschränkten Bewunderung im Weg.

»Sie müssen Lea sein«, sagte Frau Schneider mit einem herzlichen Lächeln, »Schön, sie kennenzulernen. Ihr Mobilteil ist empfangsbereit«, sagte sie und hielt ein Smartphone in der Hand.

»Hat sich Luke gemeldet?«, fragte Lea und nahm das Gerät.

»Nein«, antwortete Frau Schneider und schaute fragend zu ihrem , »Sollte er das?«

»Sollte er anrufen, geht das über die Telefonzentrale«, erkläre Dr. Jano zu Lea gerichtet, »Dann klingelt es bei Frau Schneider und auf ihrem Gerät. Ich gab ihm das Handy für Notfälle, wie sie es wünschten.«

»Und wie sollen wir wissen, dass er mit dem Handy in einem Notfall zurechtkommt, wenn er es nicht ausprobiert?«, fragte Lea ungeduldig.

Dr. Jano blickte ratlos und hielt Leas Blick mit Mühe stand. Sie schimpfte: »Du solltest ihm ein Handy geben, mit dem er nichts anderes machen kann, als mich anzurufen, und stattdessen gibst du ihm ein Handy und sagst ihm, er soll nur in Notfällen anrufen — was stimmt nicht mit dir?«

»Mir ist ein Fehler unterlaufen«, räumte Dr. Jano ein.

»Wenn du Glück hast, spielt Luke mit den anderen Kindern vor unserem Wohnblock, bis es dunkel wird. Bring das in Ordnung — jetzt!«, sagte Lea zu Dr. Jano und schaute mit sanftem Blick zu Frau Schneider: »Betty, wir müssen reden, ich habe Hunger.«

Frau Schneider folgte Lea auf dem Fuß ins Restaurant. Dr. Jano schaute ihnen nach und sammelte sich. Leas Zurechtweisung vor seiner Mitarbeiterin, löste ambivalente Gefühle in ihm aus. Die Unerbittlichkeit, mit der sie auf die Einhaltung von Absprachen pochte, gab ihm ein erregendes Gefühl von Sicherheit. Er wollte ihr endlich dienen dürfen. Sie waren auf dem Weg in den Keller gewesen und jetzt musste er zurück in die Stadt, in das Viertel mit den hässlichen Plattenbauten.

»Fuck!«, schrie Dr. Jano im zähfließenden Feierabendverkehr. Er sehnte sich nach rituell verabreichtem Schmerz, der sich wohldosiert ins Unerträgliche steigerte. Lea war noch nicht so weit und die erste Unterrichtsstunde war wegen seiner Inkompetenz ausgefallen.

*

Lea aß mit Bettina Schneider im hauseigenen Restaurant zu Abend. Sie waren von der ersten Minute an, beim persönlichen du. Betty sagte: »Dr. Jano ist ein Machtmensch. Er ist es gewohnt, zu bekommen, was er will. Ich habe noch nie erlebt, dass jemand mit ihm spricht, wie du.«

»Was ist mit dir?«, fragte Lea, »Fickt er dich oder arbeitest du wirklich für ihn?«

»Beides«, sagte Betty gelassen, ohne durch die Frage gekränkt zu wirken.

»Ich bin seine private Assistentin — rund um die Uhr. Für diesen Service werde ich fürstlich entlohnt. Schönheitsbehandlungen und Kleidung, nach seinen Vorstellungen, gibt es gratis. Abgesehen vom Managen seines Alltags, stehe ich für seine normalen Bedürfnisse zur Verfügung«, erklärte sie selbstbewusst, »Ein Bow-Job unter dem Schreibtisch, eine schnelle Nummer von hinten — zur Entspannung zwischen zwei Terminen.«

Leas skeptischer Blick rang Betty eine Erklärung ab: »Ich gehe steil auf die Dreißig zu. Früher oder später tauscht er mich gegen ein Nachfolgemodell aus. Ich habe genug Geld gespart, um ein unabhängiges Leben führen zu können — Nein, ich bereue es nicht.«

»Hat er mich gegen ein altes Modell eingetauscht?«, fragte Lea.

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