Kapitel 1

„Sie wollen sich also bei Software auskennen?“

„Warum nicht?“, antworte ich gereizt. „Etwa, weil ich eine Frau bin?“

Diesem Vorurteil begegne ich ständig. Ich habe es wirklich satt. Dabei möchte man doch meinen, dass die Zeiten endgültig vorbei sind, in denen man Frauen nicht zugetraut hat, sich in diesem Bereich auszukennen.

„Nein, nein, doch nicht darum? Wir haben sogar viele Frauen im Betrieb“, kontert der Personalchef.

„Was dann?“

„Sie sind jung, hübsch und sehen überhaupt nicht, wie ein Nerd aus.“

„Aha“, bin ich überrascht von seiner Aussage. Ich verstehe die Welt nicht mehr. „Um bei Ihnen arbeiten zu dürfen, muss man also alt und hässlich sein und zudem wie ein Nerd aussehen?“

Ich bin sauer, stinksauer sogar. In diesem Betrieb zu arbeiten würde mich wahnsinnig reizen. Das Unternehmen „Voyager“ plant nämlich eine private Mission zum Mars. Da sind Softwareentwickler nicht nur ein ganz wichtiger Teil des Unterfangens, es kommen auch ganz neuen Anwendungsbereichen und Problemfelder auf sie zu. Man kann — im übertragenen Sinn — in ganz neue Galaxien des Programmierens vordringen. Und genau diese Aufgabe wäre für mich genau die richtige Herausforderung. Ein völlig neuer Weg, das wäre genau Meins. Ich habe mich erst vor kurzem von meinem getrennt und suche nun eine Veränderung für mein Leben, auch um mich etwas abzulenken.

Was heißt, vom Freund getrennt? Ich habe ihn zum Teufel gejagt, nachdem ich ihn mit meiner besten im Bett erwischt habe. So ein Schweinehund! Er lag auf ihr drauf und meinte, es sei nicht so, wie es aussieht. Hält der mich für völlig bescheuert? Er steckte in ihr drinnen. Was kann man da noch falsch verstehen?

Da ich also bis auf weiteres von Männern und Beziehungen die Nase voll habe, bin ich beruflich auf der Suche nach etwas Neuem. Eine Marsmission verspricht dabei, in neue Welten vorzustoßen zu können. Natürlich wäre ich dazu bereit, mich voll einzubringen. Ich muss nicht auf Arbeitszeiten achten. Ich bin ungebunden, deshalb wäre das ganz sicher kein Problem.

„Nun ja, so war es auch wieder nicht gemeint“, druckst der Mann herum.

Neben dem Personalchef sitzt ein echter Nerd. Der ist tatsächlich alt und hässlich. Er entspricht voll den Anforderungen und hat sich zu Beginn des Gesprächs als der Softwareabteilung vorgestellt. Er hat bisher aber nur gegrüßt. Darüber hinaus hat er kein einziges Wort gesprochen. So wie ich die Lage einschätze, ist er ein hervorragender IT-Mann, aber ein grauenvoller . Deshalb muss ihm der Personalchef bei den Vorstellungsgesprächen Händchen halten.

Während ich den Mann genauer betrachte, stelle ich mir die Frage, ob ich wirklich für so einen Vorgesetzten arbeiten möchte. Seine Sozialkompetenzen tendieren gegen Null und es dürfte schwierig sein, mit ihm zu kommunizieren. Wie soll man sich mit ihm etwas ausdiskutieren oder sich von ihm Rat holen. Eine Quelle der Inspiration ist dieser Mann mit Sicherheit nicht. Wie soll da Arbeit funktionieren und Spaß machen?

„Ich denke, wir können es bleiben lassen“, sage ich.

Bei diesen Worten erhebe ich mich von meinem Sessel. Ich bin mir zu schade, mich von solchen Typen mit faulen Ausreden abspeisen zu lassen. Sie wollen mich nicht und das nehme ich zur Kenntnis. Vermutlich soll die Stelle mit einer bestimmten Person besetzt werden, die einem der höheren Tiere genehm ist. Mir fehlt eben das nötige Vitamin B. Noch lange um den Brei herumzureden hat keinen Sinn. Ich finde sicher einen anderen Job, der mich genauso interessiert. Ich bin nicht auf diese beiden Idioten angewiesen. Schließlich ist mir das Arbeitsumfeld auch wichtig. Bei solchen Kleingeistern kann man sich nicht wohlfühlen und damit auch keine gute Arbeit leisten. Das wird sowieso nichts.

„Moment!“, meldet sich plötzlich der Software-Heini zu Wort.

Überrascht drehe ich mich noch einmal um. Ich bin verwundert darüber, dass er überhaupt etwas sagt. Aber offenbar geht es nicht nur mir so. Auch der Personalchef schaut ihn ungläubig an.

„Was noch?“, frage ich.

Ich bin dabei etwas schroffer, als ich wollte. Er hat mich in einem Moment erwischt, in dem ich mich geärgert habe. Warum soll ich das verbergen? Das ist nicht meine Art. Ich lasse mich aber trotzdem zurück auf den Stuhl nieder.

„Wären Sie mit einer Probeaufgabe einverstanden?“, fährt der Nerd fort. „Statt einer Probezeit.“

„Wie stellen Sie sich das vor?“

„Sie bekommen von mir eine Aufgabe gestellt und haben — sagen wir mal — vier Wochen Zeit, um die entsprechende Softwarelösung zu entwickeln. Wenn Sie mir innerhalb dieser Frist die Lösung präsentieren, haben Sie den Job, sonst trennen wir uns wieder.“

„Bei Bezahlung? Für die vier Wochen.“

„Natürlich, mit dem Einstiegsgehalt“, schlägt er vor. „Schlecht ist das Angebot nicht. Wenn sie es schaffen, haben Sie eine hervorragende Verhandlungsposition für die Zeit danach.“

„Einstiegsgehalt und bei Erfolg eine Prämie, wie sie vermutlich jeder in diesem Haus bekommt, wenn er eine knifflige Aufgabe erfolgreich löst“, halte ich dagegen.

„Wie kommen Sie dazu anzunehmen, dass es sich um eine knifflige Aufgabe handelt?“

„Vier Wochen Zeit? Da muss es knifflig sein.“

„Sie denken mit.“

„Muss ich wohl, um nicht übers Ohr gehauen zu werden.“

„Das war nie meine Absicht. Also Einstiegsgehalt und Erfolgsprämie?“

„Ok, das klingt nach einem fairen Angebot. Wann kann ich anfangen?“

„Von mir aus morgen. Punkt 8 Uhr in meinem Büro?“

„Wie war nochmal Ihr Name?“, erkundige ich mich. Bei der Vorstellung hat er so stark genuschelt, dass ich seinen Namen nicht richtig verstanden habe.

„Hismann, Herbert Hismann“, antwortet er.

„Gut, Herr Hismann, dann bis morgen.“

Ich stehe auf, reiche zuerst Hismann, dann dem Personalchef die Hand und wende mich zum Gehen. An der Tür bleibe ich kurz stehen und höre noch, wie die beiden sich miteinander unterhalten.

„Ich dachte, du willst keine Frau mehr?“, meint der Personalchef. „Hast nicht du dich beklagt, dass du nur noch Zickenkrieg hast.“

„Die Kleine hat etwas an sich, das mir sagt, dass sie genau die Richtige für uns ist. Sie ist entschlossen und selbstbewusst. Hast du schon einmal gesehen, dass ein Bewerber aufsteht und gehen will? Das machen nur Leute, die gut sind. Ich will ihr eine Chance geben, wenn auch eine kleine.“

„Warum eine kleine?“

„Die Aufgabe, die ich ihr geben werde, hat noch keiner knacken können. Sogar ich habe mir bisher die Zähne daran ausgebissen. Wenn sie es tatsächlich schafft, dann hat sie sich den Job mehr als verdient“, antwortet Hismann.

Ich höre, wie beide lachen. Doch das spornt mich erst so richtig an. Ich werde es den beiden Affen schon zeigen. Wenn wir uns das nächste Mal gegenübersitzen, dann habe ich tatsächlich eine gute Verhandlungsposition. Ich werde die Aufgabe lösen. Davon bin ich felsenfest überzeugt. Und dann diktiere ich die Bedingungen.

Kapitel 2

„Guten Morgen Herr Hismann“, grüße ich meinen neuen Chef.

Es ist fünf Minuten nach acht Uhr. Ich warte schon geschlagene zehn Minuten auf ihn. Dabei hätte ich fast verschlafen. Ich bin es nicht mehr gewohnt, so früh aufzustehen. Ich musste mich ganz schön beeilen.

„Guten Morgen Frau Schnürl. Kommen Sie bitte mit“, empfängt er mich.

Er führt mich in sein Büro und überreicht mir einige Unterlagen. Diese muss ich unterschreiben. Es sind der Arbeitsvertrag, eine Verschwiegenheitsvereinbarung, einige Anmeldungen und noch einiges mehr. Ich darf jeweils eine der drei Kopien behalten. Danach bekomme ich von ihm eine Mappe. Darauf steht `Sauerstoffversorgung`.

„Hier drinnen finden Sie alle Informationen, die Sie brauchen. Analysieren Sie alles ganz genau. Von diesem Bereich hängt sehr viel ab. Im Ernstfall geht es um Menschenleben“, erklärt er fast feierlich.

„Das kann ich mir vorstellen.“

„Kommen Sie, ich bringe Sie an Ihren Arbeitsplatz“, bietet er an.

Hismann führt mich in ein nahegelegenes Büro. Es ist mit einem großen Schreibtisch und einem Aktenschrank recht nüchtern eingerichtet. Ich bin überrascht, dass ich in einem abgeschlossenen Raum und nicht in einem Großraumbüro arbeiten soll. Mehrere Softwareentwickler arbeiten oft in einem einzigen Raum, um besser Ideen austauschen zu können.

„Sie werden sich vermutlich fragen, warum ich Ihnen ein Büro zuweise. Wir haben uns dazu entschlossen, den Entwicklern einen abgeschiedenen Raum zur Verfügung zu stellen, in dem sie in Ruhe arbeiten können, wenn Sie die Abgeschiedenheit brauchen. Es gibt aber auch einen Gemeinschaftsraum, in den sie gehen können, wenn Sie Gesellschaft wünschen. Kommen Sie!“, erklärt er. Offenbar hat er meine Gedanken erraten.

Mein Chef führt mich einen langen Gang entlang, vorbei an weiteren Büros anderer Mitarbeiter, öffnet am Ende eine Glastür und wir betreten einen riesengroßen Raum. Dort stehen Schreibtische aber auch bequeme Sitzgelegenheiten scheinbar planlos im Raum verteilt. Ein Bereich ist wie ein Freizeitclub gestaltet. Neben einer Theke mit allem, was das Herz begehrt, stehen auch Tischtennistische, Tischfußballspiele und einiges andere mehr herum. Etwa zwölf Frauen und Männer schauen zu uns herüber, als wir den Gemeinschaftraum betreten. Sobald sie uns sehen und erkennen, dass ich neu bin, haben wir ihre volle Aufmerksamkeit. Ich gehe davon aus, dass sie sich die Neue genauer anschauen wollen.

„Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen unsere neue Amy Schnürl vorstellen“, informiert Hismann die Anwesenden.

„Hallo, freut mich“, sage ich verlegen.

Die Anwesenden grüßen, manche recht freundlich, andere brummen nur ein „Hallo“, wieder andere sagen gar nichts. Der Teamgeist scheint in diesem Betrieb nicht besonders ausgeprägt zu sein. Das finde ich schade. Ich bin kein Ellbogentyp und mag keine Grabenkämpfe. Ich schätze es, wenn man sich gegenseitig hilft und Ideen austauscht. Als Gruppe kommt man auf diese Weise viel schneller und leichter zum Erfolg. Aber meist hängt es von der Teamführung ab, ob sich alle als Einzelkämpfer fühlen oder zusammenarbeiten.

Hismann zeigt mir die Theke, wo jeder ganz nach Belieben Getränke und kleine Speisen nehmen kann. Alles ist kostenlos. Offenbar ist dies der einzige Versuch der Firmenleitung, einen positiven Beitrag zum Betriebsklima zu leisten.

Nach einer kurzen Einführung in die übrigen Betriebsräume, die für uns IT-Leute wichtig sind, kehren wir in mein Büro zurück. Hismann zeigt mir den Laptop, mit dem ich arbeiten werde und gibt mir Passwörter, erklärt mir meine Berechtigungen und alles andere, was noch wichtig ist.

„Wenn Sie die Probeaufgabe zu meiner Zufriedenheit erledigen und fix zu uns kommen, können wir gerne auch darüber sprechen, welche technische Ausstattung Sie haben möchten. Vorerst muss das reichen, was wir haben“, eröffnet er mir.

„Das passt schon. Ausschlaggebend ist weniger die Technik als der Programmierer. Es kommt auf die Ideen an.“

Hismann schaut mich einen Moment überrascht an. Dann erkundigt er sich, ob ich noch Infos bräuchte. Da ich aber keine weiteren Fragen habe, lässt er mich allein. Die Situation kommt mir irgendwie surreal vor. Ich sitze in einem kleinen Büro, besitze einen Laptop, habe eine Mappe mit Infos vor mir und kein Gefühl für die Arbeit, die ich erledigen soll. Das erste wird also sein, mich mit meiner Aufgabe vertraut zu machen.

Ich schnappe mir deshalb die Unterlagen und gehe in den Gemeinschaftsraum. Ich fläze mich auf eine recht bequeme Couch und studiere die Unterlagen. Für mich ist das Ganze völliges Neuland. Ich habe keine Ahnung von einem Raumschiff und kann mir nicht viel darunter vorstellen. Deshalb kann ich mit den meisten Informationen, die ich in der Mappe vorfinde, zunächst so gut wie nichts anfangen.

Ich versuche im Internet zu recherchieren, kann aber auch dort nur wenig Brauchbares finden. Das ist zwar blöd aber andererseits auch verständlich, denn wir arbeiten an der Zukunft. Das, was wir erschaffen sollen, gibt es noch nicht. Also kann es noch nicht im Netz zu finden sein. Es ist aber trotzdem frustrierend. Ich soll an etwas arbeiten, von dem ich nicht den blassesten Schimmer habe, wie es aussieht, wie es funktioniert und wie ich das Problem lösen könnte

So vergeht mein Tag mit der vergeblichen Suche nach Informationen. Ich mache zwischendurch auch Pausen und trinke Mineralwasser. Zweimal folgt mir einer meiner männlichen Kollegen zur Theke und versucht ein Gespräch in Gang zu bringen. Doch die Versuche, mich anzubaggern, sind äußerst plump und ich lasse die Kerle abblitzen. Ich mag keine Männer, die ohne Fantasie durchs Leben gehen.

Draußen wird es allmählich dunkel und ich liege wieder einmal auf meiner Couch und versuche mich im Internet über Lebenserhaltungssysteme in Raumschiffen schlau zu machen. Plötzlich reißt mich eine aus meinen Gedanken.

„Hallo, ich bin Kerstin. Ich gehe jetzt nach Hause. Schaltest du das Licht aus, wenn du gehst? Du bist die Letzte“, meint sie.

„Oh schon so spät?“, bin ich völlig überrascht.

„Die Zeit vergeht“, antwortet sie lapidar.

„Ich hätte eine Frage: Gibt es irgendwo ein Modell oder Pläne von diesem Raumschiff. Wie soll ich ein System und die entsprechende Steuerung planen, wenn ich keine Ahnung davon habe, was ich steuern soll?“

„So etwas gibt es vermutlich nicht. Ich habe noch nie ein Modell gesehen. Auch hat uns niemand einen Plan oder sonst etwas gezeigt. Man ist in der Firmenleitung der Meinung, dass alles absolut geheim bleiben muss. Das bereitet uns allen große Probleme“, antwortet sie. „Willkommen in unserer Top-secret-Welt.“

„Na dann schönen Abend!“, wünsche ich.

„Dir auch“, antwortet sie freundlich.

Ich bin echt frustriert, da mir die elementarsten Informationen fehlen. Kein Wunder, dass bisher niemand das Problem hat lösen können. Wie auch, wenn man nicht weiß, was man steuern soll. Ich habe keine Informationen darüber, wie das System zur Sauerstoffversorgung funktionieren soll und für wie viele Personen es ausgelegt sein muss. Ich bin im absoluten Blindflug und das mag ich nicht. Trotzdem sammle ich jede Information, die ich im Netz finden kann. Nur leider arbeiten wir an einem Projekt, das es so noch nicht gegeben hat. Deshalb sind die Informationen äußerst spärlich.

Als plötzlich die Tür aufgerissen wird und ein Mann um die Dreißig hereinkommt, schrecke ich aus meinen Gedanken hoch. Ich dachte, ich wäre die Letzte, die noch hier ist! Mein Hochschrecken bleibt ihm natürlich nicht verborgen. Aber auch er scheint nicht erwartet zu haben, noch jemanden anzutreffen.

„Oh Verzeihung“, meint er. „Ich wusste nicht, dass noch jemand im Haus ist. Ich wollte Sie ganz bestimmt nicht erschrecken.“

„Wie du siehst, wird immer noch gearbeitet“, stelle ich klar.

Ich sage einfach du, weil wir sonst auch alle per du sind. Außer mit Hismann natürlich. Doch wenn er um diese Zeit noch im Haus ist, kann er kein höheres Tier. Spät abends schuften nur noch die armen Schweine.

„Fleißig, fleißig“, kontert er. Er hat ein unsicheres aber ausgesprochen süßes Lächeln. „Ich bin übrigens Fred.“

„Freut mich, ich bin Amy.“

„Dich habe ich noch nie hier gesehen. Bist du neu?“

„So neu bin ich auch wieder nicht“, gebe ich Kontra. Dabei lache ich, um zu zeigen, dass ich scherze.

„Nun ja, noch sehr jung zumindest und neu bei uns“, korrigiert er sich. Auch er lächelt.

„So kann man es ausdrücken. Ich habe heute angefangen.“

„In der IT-Abteilung?“, erkundigt er sich. „Wie läufts?“

„Beschissen!“, antworte ich ehrlich.

Fred schaut mich überrascht an. Mit dieser Antwort und mit dieser Ehrlichkeit hat er offenbar nicht gerechnet. Aber warum soll ich ihm gegenüber, die Sache beschönigen. Er ist einer von uns.

„Wie das?“

„Ich soll eine Steuerungssoftware entwickeln und habe keine Ahnung, vom System, das ich steuern muss. Mir fehlen alle wichtigen Angaben, die ich aber unbedingt brauche.“

„Was hat dir Hismann übertragen?“, will er wissen.

„Die Sauerstoffversorgung.“

„Das alte Schlitzohr.“

„Was arbeitest du? In der IT-Abteilung scheinst du nicht zu sein, kennst dich aber recht gut aus.“

„Ich bin in der Verwaltung. Da hat man Einblick in fast alle Bereiche“, antwortet er. „Lass mal sehen.“

Ich gebe ihm die Mappe und beobachte, wie er den Inhalt studiert. Wenn ich nur Bahnhof verstehe, warum sollte er dann wissen, worum es geht. Aber schaden kann es auch nicht. Schließlich arbeitet er in der Verwaltung und hat Einblick in verschiedene Bereiche.

Ich finde, Fred ist ein interessanter Mann. Er hat wache Augen, ein hübsches, wenn auch kantiges und damit sehr männliches Gesicht und seine Statur wirkt muskulös. Ich wette, er macht regelmäßig Fitness. Er strahlt aber auch Ruhe aus und vermittelt Kompetenz. Wenn er nicht so jung wäre, würde ich ihn für einen der führenden Mitarbeiter halten.

„Das sind ja völlig unzureichende Informationen. So kann das nie etwas werden. Kein Wunder, dass unsere IT-Abteilung nicht funktioniert. Ich werde morgen mit dem Chef des Bereiches Konstruktion sprechen. Den kenne ich. Mal sehen, ob er dir helfen kann“, meint er. „Amy heißt du, hast du gesagt.“

„Genau, Amy Schnürl.“

„Na dann, Amy Schnürl, darf ich dich auf ein Feierabendbier einladen?“, erkundigt er sich höflich. „Du kannst auch etwas anderes trinken. Etwas für Mädchen.“

„Bier passt!“, antworte ich. „Lass mich nur schnell meinen Kram wegräumen.“

In Windeseile packe ich meine Sachen zusammen, lege sie in meinem Büro auf den Schreibtisch und eile zurück in den Gemeinschaftsraum, wo Fred geduldig auf mich wartet. Ich bin froh, dass ich ihn getroffen habe. Außer meinem kurzen Gespräch mit Kerstin und der plumpen Anmache der beiden Kollegen, hatte ich den ganzen Tag über nur spärlich Kontakt zu Kollegen. Alle haben mich recht freundlich gegrüßt, sind aber auf Distanz geblieben. Umso wohltuender ist nun das freundliche Verhalten von Fred, der sich jedoch ansonsten zurückhält und keine Versuche unternimmt, mich anzubaggern.

Kapitel 3

„Warum hast du dich ausgerechnet bei uns beworben?“, will Fred wissen.

Wir sitzen in einer Bar auf halbem Weg zu meiner Wohnung. Er hat mich freundlicherweise mit seinem Wagen mitgenommen, weil um diese Zeit kein Bus mehr fährt. Erst beim Verlassen des Büros ist mir bewusst geworden, dass es bereits nach zweiundzwanzig Uhr ist und ich damit die letzte Fahrt verpasst habe.

„Ich fand es cool“, antworte ich ehrlich. „Wer kann schon bei einer Marsmission dabei sein — wenn auch nur indirekt.“

„Wurden deine Erwartungen bisher erfüllt?“

„Ehrlich?“

„Natürlich! Ich verrate dich ganz bestimmt nicht bei Hismann“, meint er lächelnd.

„Sie haben mich nur probeweise eingestellt. Wenn ich dieses Projekt erfolgreich zu Ende bringe, dann habe ich den Job, sonst nicht.“

„Genau dieses Projekt, das bisher niemand geknackt hat?“, ist er verwundert. Ich habe den Eindruck, einen leicht verärgerten Unterton in seiner Stimme zu hören. Ich kann mir den aber nicht erklären.

„Nun ja, fair ist anders“, antworte ich. „Du kannst dir aber sicher sein, dass ich alles daransetzen werde, sie zu überraschen.“

„Das imponiert mir!“, meint er. „Und sonst? Wie ist das Betriebsklima?“

„Ehrlich?“

„Ja, natürlich!“

„Beschissen!“

Fred schaut mich erstaunt an. Er kann kaum glauben, was ich sage. Auf jeden Fall hat er sich eine andere Einschätzung erwartet.

„Bei der coolen Firma?“

„So cool ist sie in Wirklichkeit gar nicht.“

„Was würdest du anders machen?“

„Du hast die Aufgaben gesehen. Nicht nur ich habe keine Ahnung, woran wir arbeiten. Angeblich haben auch die anderen noch nie einen Plan oder ein Modell vom Raumschiff gesehen. Unter solchen Bedingungen kann man unmöglich arbeiten und vor allem, kann man sich nicht mit seiner Arbeit identifizieren. Ich weiß zwar, dass ich an einem Raumschiff arbeite, aber ein wirkliches Bild davon habe ich nicht vor Augen. Ich weiß nicht einmal ob es am Ende rund oder eckig, oval oder sonst wie aussieht. Von Details wie Größe, Besatzung, Geschwindigkeit und vielem anderen mehr ganz zu schweigen.

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