Dies ist die erste Episode einer neuen Serie, die derzeit 4 Episoden umfasst, aber noch im Wachsen begriffen ist.

In der ersten Episode gibt es noch fast keinen Sex, aber das wird sich ändern. Versprochen.

Alle an sexuellen Handlungen beteiligten Personen in dieser Serie sind volljährig.

Aus gegebenem Anlass: Copyright© 2020 Phiro Epsilon Das Posten dieser Geschichte, auch auszugsweise, auf einer anderen Webplattform oder unter einem anderen Namen ist nicht gestattet.

01 Klassentreffen

1

Patrick

Ich saß im Auto vor dem Gemeinschaftshaus, das mit „Klasse von 2007“ geschmückt war. Die Einladung zum zehnjährigen Abijubiläum war vor einem Monat angekommen. Ich hatte sie gleich wegwerfen wollen, doch Lola, meine Lebensabschnittsgefährtin, wollte unbedingt dorthin. Warum genau, konnte ich nicht aus ihr herausbringen, und inzwischen war sie meine Ex-LAG.

Da ich mich aber auch bei meinen Eltern angesagt hatte, konnte ich schlecht einen Rückzieher machen. Aber jetzt, auf dem Parkplatz, hätte ich am liebsten den Rückwärtsgang eingelegt.

„Patrick“, sagte ich mir, „du bist ein Feigling. Du gehst jetzt da rein und hast Spaß.“

Ich holte tief Luft und stieg aus.

Drinnen angekommen, blickte ich mich erst einmal um. Eine durchdringende Stimme überbrückte einen Abstand von mindestens zehn Metern. Fritz Leonhart, der schon damals nicht leise reden konnte, unterhielt eine Gruppe von Kerlen mit seinen Geschichten. Im Abiturjahr war er mit Svenja gegangen, dem wunderschönen Mädchen, in das ich insgeheim verschossen gewesen war.

Ich war gleich nach dem Abitur umgezogen und hatte alle Kontakte abgebrochen. Doch ich brauchte nur zwei Minuten, um zu erfahren, dass Fritz im Autohaus seines Vaters arbeitete, verheiratet war und vier Kinder hatte.

„Hallo?“, sagte jemand zu meiner Rechten.

Ich drehte mich um. „Äh … ja?“ Es war ein Mädchen, Teeny, zu alt um die eines Klassenkameraden zu sein. Sie stand an einer Art Tresen. „Ich heiße Frieda“, sagte sie lächelnd. „Wie ist dein Name?“

„Name? … Äh … Wegner“, stammelte ich, „Patrick Wegner. Warum willst du das wissen?“

„Unser Jahrgang ist für die Organisation zuständig.“ Tonfall und Gesichtsausdruck verrieten mir, dass sie das wohl schon dutzende Male hatte erklären müssen.

„Sorry“, sagte ich und meinte es auch so. „Ich hätte dich nicht so anfauchen sollen.“

„Schwamm drüber.“ Sie suchte kurz auf dem Tisch und hielt mir dann ein Namensschild hin. „Du bist doch der Computerfreak?“, fragte sie grinsend.

„Ja“, gab ich kurz angebunden zurück und wandte mich ab. Meine „Heldentaten“ waren wohl selbst bei dieser Schülergeneration noch bekannt.

Ich warf noch einen Blick auf die Gruppe, die sich um Fritz geschart hatte. Svenja war nicht dabei. Musste sich wohl zu Hause um die vier Kinder kümmern.

„Wegner!“, hörte ich plötzlich eine Stimme hinter mir.

Ich wandte mich um. „Herr Doktor Wienert?“ Mein damaliger Informatiklehrer war in die Jahre gekommen.

„Frank“, sagte er und reichte mir die Hand. „Einfach nur Frank. Freut mich, dass du gekommen bist, Patrick.“

„Beinahe nicht“, murmelte ich.

„Wie geht es dir?“

„Wie es so geht, wenn einem die Frau davongelaufen ist“, sagte ich schroff. „Fritz und Svenja haben damit wohl keine Probleme.“

„Svenja? Die beiden haben sich doch schon vor dem Abitur getrennt. Fritz hat die Tochter eines Geschäftsfreunds seines Vaters geheiratet. Eine Art Firmenfusion wie ich höre.“

„Oh?“

„Svenja ist immer noch Single.“ Wienert lächelte wissend. „Hat wohl den Richtigen noch nicht gefunden.“

Scheiße! Dann hatte unser Abenteuer auf der Skihütte die beiden auseinandergebracht?

Am letzten Abend unserer Abi-Fahrt hatte Fritz Schnaps hereingeschmuggelt, und alle — auch die Lehrer — waren mehr oder weniger angeheitert.

Ich habe mir nie viel aus Alkohol gemacht und stolperte nach dem zweiten Schluck aus der Flasche in Richtung Schlafsaal. Als ich im Halbdunkel am oberen Ende der Treppe ankam, stand da Svenja … mit verheultem Gesicht.

„Was ist?“, fragte ich.

Sie zuckte zusammen, und blickte mich dann verzweifelt an. „Ich hasse es, wenn er das tut.“

Ich weiß nicht, was mich damals ritt, doch ich breitete einfach die Arme aus. Sie blickte mich an und warf sich geradezu an mich. Ich hielt sie fest und sie küsste mich wild. Dann schnappte sie meine Hand und zog mich in einen kleinen Raum.

Wir waren beide nicht mehr nüchtern, und an das, was dann folgte, erinnere ich mich nur noch verschwommen. Berührungen, Küsse, nackte Haut, und dann rhythmisches Stöhnen.

Danach versuchte ich, mit ihr zu reden, doch die Zeit bis zum Abitur ging zu schnell vorbei.

„Da ist sie ja“, sagte Wienert in meine Gedanken.

Ich zuckte zusammen. „Wer, was?“

Er blickte über meine Schulter. Ich wandte mich um und fiel in ein Paar himmelblaue Augen. „Svenja“, keuchte ich.

Zehn Jahre hatten aus dem Mädchen eine wunderschöne Frau gemacht. Allerdings sahen ihre Augen traurig aus.

„Hallo, Patrick“, sagte sie, als hätten wir uns gerade gestern zuletzt gesehen.

„G-gut s-siehst du aus.“

Sie lachte auf. „Immer noch flink mit der Zunge?“

Mir wurde heiß. „Wie geht es dir so?“

„Naja. Man kämpft sich halt so durch. Und dir?“

„Ihm ist die Frau davongelaufen“, sagte Wienert von hinten.

Ich zuckte wieder zusammen. „Wir haben eh nicht zusammengepasst.“

„Soso“, machte Svenja. Irrte ich mich, oder zeigte ihr Gesicht plötzlich Interesse?

Irgendetwas in mir trieb mich, unseren One-Night-Stand zu erwähnen. Ich öffnete den Mund …

„Mama?“, sagte eine Mädchenstimme hinter mir.

„Patrizia?“, sagte Svenja. „Was machst du denn hier?“

Ich drehte mich um. Das Mädchen vor mir war wohl neun oder zehn Jahre alt. Patrizia?

2

Svenja

Die leichte Brise ließ die Tränen auf meinen Wangen gefrieren. Ich stand auf dem Balkon und starrte in die Nacht, über die im Mondlicht schimmernden Schneefelder. „Warum nur?“, murmelte ich. „Warum?“

Dieser Abend hätte der schönste meines Lebens werden sollen. Endlich hatte ich meinen überzeugt, mich von meiner Jungfräulichkeit zu befreien. Trotz seiner großen Klappe hatte er es das ganze Jahr, das wir miteinander gingen, nicht gewagt.

„Wir können das noch nicht tun“, hatte er gesagt. „Du bist noch keine achtzehn“

„Wir können das hier nicht tun“, hatte er an meinem achtzehnten Geburtstag gesagt. „Wenn deine Mutter reinkommt …“

Ich hätte ihn beinahe angeschrien, dass meine Mutter uns garantiert nicht stören würde, weil sie es genauso sehr wollte wie ich, mich aber gerade noch zurückgehalten.

„Wir können das hier nicht tun“, hatte er jedes Mal gesagt, wenn wir auf seinem Zimmer waren. „Wenn meine Eltern reinkommen …“

Doch dann kam unsere Abiturfahrt. Dort auf der einsamen Almhütte würde es passieren — hatte er mir zumindest versprochen. Doch seine Abende hatte er lieber mit seinen Saufkumpanen verbracht als mit mir, denn „Wir können das hier nicht tun. Wenn einer der Lehrer reinkommt …“

Aber am letzten Abend, hatte er mir versprochen, würden wir es tun … „Scheiße, Scheiße, Scheiße“, murmelte ich vor mich hin, während ich die Balkontür hinter mir schloss und in die Nacht starrte. Meine Zeit lief ab. Heute plus neun Monate war noch gerade vor meinem neunzehnten Geburtstag, und nur eine Tochter, die ich bis dahin gebären würde, könnte die Familientradition fortsetzen.

Mit Patrick wäre das sicher nicht passiert. Mit dem hatte ich schon im Sandkasten gespielt, und ihn immer um den Finger wickeln können. Aber Mama hatte an meinem sechzehnten Geburtstag den Kopf geschüttelt. „Du kannst das nicht tun“, hatte sie gesagt. „Du magst ihn doch zu sehr. Nette Jungs mögen es gar nicht, so früh zum Vater gemacht zu werden.“

Wie recht sie hatte. Ihm konnte ich keine uneheliche Tochter zumuten.

„Such dir einen potenten Kerl“, fuhr Mama fort, „bei dem es dir nichts ausmacht, ihn fallen zu lassen, sobald du schwanger bist. Schmeiß dich an ihn ran, lass ihn zum Schuss kommen, um den Rest kümmere ich mich.“

Fritz war das optimale „“. Ein Großmaul, wie es im Buche stand, der überall herumerzählte, dass er seine letzte abserviert hatte, weil „sie ihn nicht drangelassen hätte“. Ich nahm mir vor, nach dieser Fahrt mal ernsthaft mit Michaela zu reden. So wie er mit mir umging, konnte das nicht der Grund gewesen sein.

Ich merkte, dass ich nervös kicherte. Wo war ich eigentlich mit meinen Gedanken? Statt mir zu überlegen, wie ich mein Problem in den Griff bekam, erging ich mich in Selbstmitleid.

Die Kälte der Nacht biss in meine Haut. Ich holte tief Luft, und versuchte mich zu konzentrieren. Langsam wurde mir wärmer. Ein wenig Kraft hatte ich schon, doch sie würde erst mit der Geburt meiner Tochter zu voller Blüte kommen.

Das war das Geschenk von Herne, dem gehörnten Gott, an meine ferne Vorfahrin. Die Kraft der Magie, weitergegeben von der Mutter auf die Tochter, doch nur vor dem neunzehnten Geburtstag.

Wir waren Magierinnen, Hexen, Zauberfrauen. Ohne einen Pakt mit dem Teufel. Ohne schwarze Beschwörungen. Nur weil Eleana damals dem Gott einen Dienst erwiesen hatte.

Aber mit mir würde die Kette brechen. Weil ich mich gescheut hatte, Fritz ernsthaft zu verführen. Weil … weil ich den Pragmatismus meiner Mutter nicht verinnerlicht hatte. Weil ich an jedem Schultag Patrick sehen musste, den ich immer noch liebte, der mir verstohlene Blicke zuwarf, die mir sagten, dass er das Gleiche für mich fühlte.

Welche Möglichkeiten hatte ich jetzt noch? Wieder hinuntergehen, mich vor allen anderen an Fritz anschmiegen wie eine billige Schlampe? Ich warf noch einen Blick auf die schneebedeckte Landschaft. „Gott Herne“, murmelte ich, „gib mir die Kraft…“

Ich raffte mich auf, lief aus dem Schlafraum … und rannte fast in Patrick.

„Was ist?“, fragte er mit einem Blick auf mein wohl sehr verheult aussehendes Gesicht.

Das konnte doch nicht wahr sein. Zwei Jahre lang war ich ihm aus dem Weg gegangen und jetzt — es konnte gar nicht anders sein — hatte der Gehörnte Gott uns zusammengeführt. Zu einem einzigen Zweck. „Ich hasse es“, murmelte ich, „wenn er das tut.“

Patrick blickte mich erstaunt an und breitete die Arme aus.

* * *

„Hmmm“, meinte Mama, als ich ihr die Geschichte erzählt hatte. „Du magst den Kerl? Und er mag dich?“

Ich nickte. „Er ist ein hoffnungsloser Romantiker. Ich glaube nicht, dass er auch nur im Entferntesten ahnt, …“

Sie blickte mich ernst an. „Dann ist es das Beste, wenn er es nie erfährt. Er muss dich vergessen.“

Ich holte tief Luft, wollte protestieren, doch dann nickte ich stumm.

Wir zogen das Ritual noch in derselben Nacht durch. Patrick merkte nichts davon. Für ihn verschwand die Nacht mit mir zwar nicht völlig aus seinen Erinnerungen, verlor aber an Bedeutung. Glücklicherweise zog er direkt nach dem Abitur um und studierte. Ich natürlich auch — Physik und Chemie, um meine magischen Fähigkeiten auf eine wissenschaftliche Basis zu stellen — doch im Gegensatz zu ihm kam ich nach dem Studium zurück, um meine Tochter mit Mutters Hilfe großzuziehen.

Ich wurde Lehrerin an unserer alten Schule, und das Leben lief seinen ruhigen Gang zwischen meinem Beruf und meiner Berufung. Ich merkte gar nicht, wie schnell die Zeit verging, bis mich Kollege Wienert — mein alter Klassenlehrer — ansprach.

„Svenja, dieses Jahr ist euer zehnjähriges Abiturjubiläum.“

Ich runzelte die Stirn. „So schnell?“

„Ja, ja, die Zeit vergeht. Es wäre doch das einfachste, wenn deine Klassenstufe die Organisation für den Abend übernimmt.“

Ich nickte. Die Durchführung eines solchen Events spülte immer einen netten Betrag in die Klassenkasse.

„Dann“, grinste er mich an, „kannst du ja auch deine alten Klassenkameraden wiedersehen.“

Ich zuckte zusammen. Fritz hatte die Art und Weise, wie ich ihn abserviert hatte, nicht so einfach weggesteckt, wie er immer tat. Klar hatte er sich gleich eine andere geangelt, doch er blickte mich immer argwöhnisch an, wenn er mich mal auf der Straße traf, vor allem, wenn ich Patrizia bei mir hatte. Aber das konnte ich aushalten …

Patrick … Am liebsten hätte ich die Einladung an ihn aus dem Stapel genommen und in den Mülleimer geworfen, aber so etwas lag mir nicht. Er würde wohl nicht kommen, nachdem er zehn Jahre lang nicht aufgetaucht war. Er war sicher inzwischen glücklich verheiratet. Er mit seinem gewinnenden Lächeln, seiner offenen Art, hatte keine Probleme, eine Freundin zu finden.

3

Patrizia

Ich lief in meinem Zimmer auf und ab. Was sollte ich nur tun? Mama war eine ganz andere, seit sie zum ersten Mal von ihrem Klassentreffen gehört hatte.

Ich wusste genau was — oder genauer gesagt, wer — der Grund dafür war.

Mein Vater würde möglicherweise kommen. Patrick Wegner, der Mann, den Mama immer noch liebte. Der sie wohl für alle anderen Männer verdorben hatte.

Es war ja nicht so, dass ein Leben in einem Frauenhaushalt schlimm war. Oma Tamara war meine beste Freundin. Uroma Sabine erzählte immer schlüpfrige Geschichten aus ihrer Jugend und Ur-Uroma Susanne drohte ihr dafür Schläge an.

Aber wenn man mit vier Generationen Vorfahrinnen zusammenwohnt, und selbst die Älteste aussieht, als wäre sie keinen Tag über vierzig, kann man einfach keine Freundinnen mit nach Hause bringen, ohne Verdacht zu erregen oder sich beim Lügen in Widersprüche zu verwickeln. Und Lügen liegt mir nun gar nicht.

Nur gut, dass Ur-Ur-Uroma Waltraud ihre Tochter und damals aus dem Haus mitten im Wald geworfen hat. Mama und ich haben sie einmal besucht. Kein Strom, kein Fernsehen, kein Internet. „Ich hab‘ das in meiner Jugend auch nicht gehabt“, hatte sie grinsend erklärt. „Das stört doch nur meine Kreise.“

Und ihre Mutter, Großmutter und Urgroßmutter hatten wissend genickt. Pah! Die hätten mal sehen sollen, wie wenig magische Energie es brauchte, um sich in den „absolut sicheren“ Server einer Bank zu hacken. Das waren meine Kreise. Wenn ich gewollt hätte, wäre ich inzwischen Multimilliardärin.

Aber auch das würde mir keinen Vater bringen. Oder?

Ich erstarrte in meiner Wanderung. Wenn ich es schaffte, dass er zum Klassentreffen kam und dort auf Mama traf und auf mich, dann … „Gott Herne“, murmelte ich. „Ich habe Dich nie um etwas gebeten. Doch wenn es Dein Wille ist, dass nicht in unser Leben kommt, gib mir ein Zeichen.“

Okay, vom Gott ein Zeichen zu erbitten, war angeblich nutzlos. Insofern war ich mir schon ziemlich sicher, dass er mir nicht widersprechen würde.

Ich setzte mich also an meinen Computer, öffnete den Webbrowser und tippte „Patrick Wegner“ ein. Dann schloss ich die Augen, ließ meine Gedanken schweifen und klickte mit der Maus ein paarmal blind auf dem Bildschirm herum.

Als ich meine Augen wieder öffnete, blickte ich direkt in seine. Und sie waren genauso traurig wie die meiner Mutter. Nichts von „glücklich verheiratet“. Das Foto stammte von einer Schickeria-Party in München. Die Bildunterschrift erwähnte noch nicht einmal seinen Namen.

„Supermodel Lola Ramirez hat diesmal einen gutaussehenden unbekannten Verehrer im Schlepptau“, stand da. „Ob jetzt wohl bald wieder die Kirchenglocken für sie läuten?“

Was hatte mein Papa mit so einer Frau zu schaffen? Ich tippte „Lola Ramirez“ ein, schloss die Augen, konzentrierte mich und klickte herum. Was ich dann sah, ließ mich die Luft anhalten. Das grobkörnige Foto stammte aus einem spanischen Zeitungsarchiv. Mein Blick fiel auf das Datum. „Febrero 1, 1926“ Fast hundert Jahre alt.

Ich markierte den Text auf der Seite und ließ ihn mir von Google übersetzen. Spanisch stand ziemlich weit hinten auf meiner „Dinge, die ich im Leben lernen will“-Liste.

„Marguerita de Vargas trauert um den Verlust ihres vierten Mannes Alfonso, von dem sie ein stattliches Vermögen erbt.“

Lola war eine Hexe! Eine uralte. „Scheiße!“ Ich sprang auf. Wenn sie die Fühler nach Papa ausstreckte, hatte ich keine Chance. Und Mama auch nicht. „Scheiße, Scheiße, Scheiße.“ Doch warum umgarnte sie Papa überhaupt? Um der Wahrheit die Ehre zu geben, sah er nicht wirklich gut aus für einen knapp Dreißigjährigen. Nur seine Augen leuchteten himmelblau. Es war wie ein Blick in den Spiegel.

„Hmmm.“ Ich setzte mich wieder. Nochmal „Patrick Wegner“. Konzentration. Ein Stoßgebet, drei Klicks.

„1. Mai 2000: Ein Neugeborenes wurde auf den Stufen von St. Patrick in Mayen gefunden. Pfarrer Frank Wegner hat erklärt, dass er und seine Frau den Jungen adoptieren wollen. Wir wünschen ihnen viel Glück auf dem Lebensweg.“

„Patrick Wegner“ war adoptiert. Und er war in der Walpurgisnacht des Jahres 2000 geboren. Meine Finger trommelten auf der Tischplatte. Konnte das Zufall sein oder hatte Gott Herne seine Finger im Spiel? Kein Zufall. Auf gar keinen Fall.

Ich nahm mein Handy und tippte blind auf der Nummerntastatur herum. Es klingelte.

„Patrizia! Was ist, Kleines?“, meldete sich die sympathische Stimme von Ur-Ur-Uroma Waltraud, der Frau in der Waldhütte ohne Strom.

„Hallo Oma“, sagte ich. „Ich habe ein klitzekleines Problem —“

4

Patrick

Die Augen, die mich vergnügt anblickten waren ein Spiegelbild meiner eigenen. Ich brauchte kein Wort der Erklärung. Mit einem Mal war die Erinnerung wieder ganz klar. Die Nacht auf der Skihütte, Svenja, die irgendwelche seltsamen Worte vor sich hin murmelte, während sie auf mir ritt. Gefühlt stundenlang. Ich kam zum Höhepunkt, doch sie hörte nicht auf, ritt weiter und ich kam erneut und noch einmal, bis ich das Bewusstsein verlor.

Nie wieder danach war Sex auch nur entfernt ähnlich gewesen.

„Patrizia“, murmelte ich. „Ich bin dein Vater?“

Sie brach in Gelächter aus. „Cool!“, sagte sie. „Bin ich dann Prinzessin Leia?“

„Patrizia!“, kam Svenjas Stimme von hinter mir.

Ich wandte mich um. „Warum?“, fragte ich. „Warum hast du mir das verheimlicht?“

Sie wandte den Blick ab.

„Was zur Hölle?“, fuhr ich auf. „Du verführst mich, lässt dich von mir schwängern und dann —“

Ja, was dann? Was genau war damals geschehen, das mich fast vergessen ließ, was geschehen war?

Patrizia stellte sich neben uns. „Du musst es ihm erzählen“, sagte sie. „Alles! Er hat ein Recht darauf.“

Svenja riss die Augen auf. „Was?“, rief sie. „Wie kommst du dazu—“

Patrizia legte ihr den Finger auf den Mund. „Mach keine Szene, Mama.“ Es war ein Tonfall, in dem eine Neunjährige auf keinen Fall mit ihrer Mutter reden sollte. Nicht bittend, sondern befehlend.

„Was genau geht hier ab?“, meldete sich eine zu laute Stimme. Fritz natürlich! Der musste sich doch immer einmischen.

Patrizias Blick schwenkte von ihrer Mutter zu Fritz. Sie sagte nichts, sondern kniff nur die Augen zu.

Ich wandte mich um, wollte ihm einmal im Leben sagen, dass er den Mund halten solle. Doch ich erstarrte. Es fühlte sich an, als ob die Luft um mich herum elektrisch geladen war.

Plötzlich klingelte ein Handy. Fritz griff verwirrt in seine Hosentasche. „Ich hatte das doch auf stumm —“, murmelte er. „Was ist?“, herrschte die Person am anderen Ende an. „Was ist passiert? Wo?“

Er setzte sich in Bewegung, rannte durch den Saal und stieß alle möglichen Leute aus dem Weg.

Ich runzelte die Stirn. Was hier geschah, fühlte sich nicht im Entferntesten normal an.

Ich drehte mich wieder zu Patrizia um. „Was zur Hölle ist da passiert?“

„Kommt mit, ihr beide“, sagte sie ernst. „Wir müssen reden.“

Ich blickte Svenja fragend an. Sie zuckte die Schultern. „Unsere Tochter hat recht“, sagte sie.

* * *

Ich schüttelte den Kopf. „Ich kann es einfach nicht glauben.“

„Aber es ist die Wahrheit“, sagte Svenja leise.

„Hexen? Hexen!“

„Hexen“, sagten sie und Patrizia wie aus einem Mund.

„Genauer gesagt“, fuhr Patrizia fort, „bin ich ein eher ein Computer-Magier. Eine Elektronik-Zauberer. Ein Technomancer. Ein—“

„Was?“

Das Wort hatten Svenja und ich im Chor ausgestoßen. Wir blickten uns verwirrt an.

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