Der Simulator der Dritten Art
Teil 1
Er war auf dem Weg in die Firma. Es war nichts besonderes für ihn, dass die Chefin am Wochenende anrief und ein Treffen im Büro vorschlug, und es war nicht seine Sache, das abzulehnen.
Zumal es in seinem Projekt Fortschritte gab, die den Bericht, den Sie von ihm erwarten würde, durchaus zu einer angenehmen Sache für ihn machen würde. Und es hatte sich sowieso eingebürgert, dass die Termine für die Treffen von Ihr vorgegeben wurden.
Das Tor öffnete sich automatisch als er vor fuhr. An den Wagen auf dem Parkplatz konnte er ablesen, dass praktisch die gesamte Mannschaft heute hier war. Gut gelaunt hielt er seine Karte vor das Lesegerät und gab seine Kennzahl ein. Er durchquerte die modern und etwas protzig in Glas und Marmor gehaltene Vorhalle und den Besucherbereich, um sich durch zwei weitere Türen mit unterschiedlichen Passworten den Zugang zu seinem Büro zu verschaffen. Die Firma war, mit etwas Understatement, ungewöhnlich.
Er war nun seit einigen Jahren hier beschäftigt, und nachdem er sich als Programmierer einen gewissen Namen gemacht hatte, war er von der Chefin zu einem zweiten Vorstellungsgespräch geladen worden. Es ging etwas strenger zur Sache. Sie wollte eindeutige Beweise seiner Loyalität und seines außergewöhnlichen Leistungswillen.
Schritt um Schritt hatte er sich dem unterworfen, und nach jedem dieser Schritte hatte sich ihm ein wenig mehr von dem offenbart, was die Firma tief im inneren wirklich ausmachte und wie sie funktionierte.
Irgendwann gab es kein zurück mehr. Es hätte aber eigentlich gar nicht der Schritte bedurft, die dann folgten, die ihm ein Aussteigen wirklich unmöglich gemacht hatten – er war so fasziniert von der Welt, die sich da vor ihm öffnete, dass er gar nichts anderes mehr wollte als in diesem „System“ mitarbeiten. Dienen, zur Verfügung stehen, wie auch immer man es bezeichnen sollte – er war gefügig, wollte erfahren, wo es hin ging.
Vielleicht, überlegte er kurz, war es Hörigkeit. Aber es hatte ihm auch den Himmel auf Erden eröffnet – sozusagen einen kleinen, privaten Programmiererhimmel. Hinter den verschlossenen Türen des internen Bereichs, in dem nur die „auserwählten“ ihre Laboratorien und Büros hatten, herrschte eine andere Welt. Sie war zu seiner Welt geworden, außerhalb derer er gar nicht mehr lebensfähig gewesen wäre, auch gar nicht hätte leben wollen.
Es war eine doppelte Hörigkeit – eine persönliche, um nicht zu sagen sexuelle, und eine inhaltlich, fachliche. Nirgends sonst hätte er die Möglichkeit erhalten, an etwas zu arbeiten, das so genau seiner Begabung entsprach, ihn bis an die Grenzen seiner Fähigkeiten forderte, gleichzeitig alle Möglichkeiten der Welt gehabt, Budgets, die keinen Wunsch offen ließen.
Dass hier für das Militär und die „Behörden“ von Ländern gearbeitet wurde, die er eigentlich nicht wirklich hätte unterstützen mögen, interessierte ihn nicht mehr, zumal er nur erahnen konnte, von wem und wo die Dinge eingesetzt wurden, die hier so spielerisch entwickelt und dann in die Welt entlassen wurden. Und offensichtlich interessierte es die Kunden auch wenig, unter welchen Bedingungen hier gearbeitet wurde – wohl, weil die erwarteten Ergebnisse erzielt wurden, und überraschende Dinge das Labor verließen, die von niemandem vorher überhaupt angedacht oder angefordert worden waren.
Wie üblich begab er sich in sein Büro und nahm, um die Wartezeit zu überbrücken, seine „normale“ Tätigkeit auf. Er wusste, dass sowohl die Chefin als auch die Sicherheitszentrale jeden seiner Schritte hier im Gebäude, alles, was er an seinem Terminal tat, jederzeit überwachen konnte. Es war ihm zu seiner zweiten Natur geworden und längst nichts mehr, was ihn beklommen machte.
Es war dies aber auch die Arbeitsweise hier im Inneren Team, dass niemand „für sich“ arbeitete. Auch wenn er keinen Zugriff auf die Cams in den anderen Büros oder die Daten der anderen Mitarbeitet hatte. Sie redeten untereinander offen über das, was sie taten, worüber sie nach grübelten, welche Ideen sie hatten oder wo ihnen Ideen fehlten.
Das machte die Zusammensetzung der Teams zu einer Sache, die sich von innen heraus von alleine steuerte, und schuf eine Atmosphäre, in der jeder frei beitragen konnte und wollte, soviel er zu leisten wie er irgend in der Lage war – und noch wesentlich mehr. Und dann war da noch das andere… die kleinen Spielchen, die sie nebenher miteinander und mit der Chefin spielten.
Er wusste längst nicht mehr, ob diese Spielchen nun ein kleines nebenher waren, die die Sache noch angenehmer machten – oder ob dies nicht der eigentliche Kern des Erfolges dieser Firma und dieses Teams waren.
Er hatte gerade angefangen, eine längst ausstehende Zusammenfassung von langweiligen Tatsachen in einen kurzen Bericht zu fassen, als das Tackern von Absätzen auf dem Flur zu hören war und die Chefin ohne anzuklopfen den Raum betrat und sich neben ihn auf die Schreibtischkante setzte. Sie spontan zu berühren, und sei es auch nur leicht und wie zufällig, hatte er nur einmal gewagt – um definitiv zu bemerken, was ihm zustand und was nicht.
Die Versuchung aber war immer da. Sie war nicht wirklich jung, aber sportlich und herrisch gekleidet wie immer. Zu einem schwarzen Top trug sie einen mega knappen Minirock, schwarze Strümpfe und rote Pumps. In der Hand wippte die Gerte – die sie nicht mit nach „draußen“ nahm, aber die hier im inneren Bereich genauso selbstverständlich zu ihrer Accessoires gehörten wie die Handschellen, das sie ab und an am Gürtel trug (um sie dann auch zu benutzen).
„So, mein Lieber, sind wir soweit, wie geplant? Ich möchte keine Überraschungen erleben, wenn wir jetzt in der großen Runde besprechen, wie es weitergehen soll…“
Er nickte.
„Ja, Herrin“.
Sie so anzusprechen hatte er gelernt, nachdem er testweise zum inneren Kreis gekommen war, auf Widerruf und mit einer Probezeit von einem Jahr. Wenn er diese Zeit nicht „überlebt“ hätte, dann hätte er ganz gehen müssen… und niemand hätte ihm die Geschichte geglaubt, die er dann zu erzählen gehabt hätte.
Aber das zählte nun alles nicht mehr. Eifrig begann er, ihr zu berichten. Aber sie winkte ab.
„Das höre ich mir nachher in der Runde an. Mariella ist nicht soweit, wie sie hätte sein sollen, und hat um eine kleine Motivationspause gebeten, die ich ihr gewähren werde – bist du bereit, ihren Part im Projekt mit zu übernehmen?“
Er grinste. Es war üblich, dass Mitarbeiter, die irgendwie eine vorübergehende Kreativitätspause hatten, um ‚Motivation‘ baten, und damit für einige Zeit aus dem jeweiligen Projekt, aber nicht aus dem sonstigen Geschehen ausschieden.
„Ja, im Prinzip schon… es war ja abzusehen. Aber ich könnte mir denken, dass es auch andere Lösungen gibt“.
Sie winkte ab.
„Darüber reden wir nachher“.
Sie gab ihm neckisch einen leichten Schlag mit der Gerte über die Brust, der ziemlich zwirbelte – auch und gerade, weil sie exakt die Piercings traf, die er sich auf ihr Geheiß und unter ihren Augen in die Brustwarzen hatte stechen lassen.
„Gute dann. Ab in den Besprechungsraum mit dir“.
Gehorsam trabte er los, hinter sich das Klackern ihrer Absätze.
„Wie ein Pony…“ dachte er, eingedenk der Gerte, die locker in ihrer Hand schwang.
Im Besprechungsraum waren schon alle versammelt – ein allgemeines Grinsen und Hallo. Auch der Besprechungsraum war anders – sie hatten irgendwann beschlossen, den großen runden Tisch nicht mehr zu benötigen, es hemmte einfach die gedanklichen Beweglichkeit, über Stunden an einem Platz zu sitzen.
Der große Raum war deshalb im wesentlichen leer, auf einer großen Knautschledergarnitur flätzten sich Herb und Karl, das Testteam, beide in schlichtem schwarz – die anderen standen oder saßen locker im Raum verteilt: Irina, die Designerin, die hinter etwas sprödem Aussehen eine flippige Künstlerseele gut verbarg, Frank, der Biologe, wie immer schlicht und sachlich in T-Shirt und Jeans, und Jennie, die „gute Seele“ des Projekts, die eigentlich nichts zu tun hatte, als Seelenmassage zu betreiben und die Mitglieder des Teams mit allem zu versorgen, was sie irgend benötigten, um in Ruhe ihre Arbeit zu tun.
Auf der Stirnseite stand der schwere Ledersessel, in den sich nun die Chefin warf und, mit der Gerte spielend, leicht amüsiert in die runde blickte. Mariella saß geknebelt und mit hinter dem Rücken gebundenen Händen auf einem schlichten Hocker direkt neben dem ‚Thron‘ der Chefin – nun, sie hatte um Motivation gebeten, und es war allen klar, dass dies ihre Art war, Energie zu tanken.
Dass die Chefin ihr dabei sehr gerne behilflich war, war ebenfalls allen klar.
Jennie hatte Irina mit einem Glas versorgt und wuselte dann zur Herrin, um sich neben ihr auf der Sessellehne in bequemer Pose und in Reichweite der spielenden Hände niederzulassen, die nun begannen, ganz nebenbei ihre festen Pobacken zu schmeicheln. Jennie war als ‚Die Zofe‘ bekannt und hatte ihr äußeres allmählich diesem Spitznamen angepasst, was sie in der Gunst der Chefin auf eine besondere Position gebracht hatte – wobei jeder der Anwesenden eine ‚besondere Position‘ innehatte, sonst wäre er nicht mehr hier gewesen.
Ihm fiel auf, dass Erwin, ‚Der Hacker‘ noch fehlte, dann wären sie komplett.
Ruhe kehrte ein, die nur durch ein Schnaufen von Mariella untermalt wurde – sie hatte einen Ballknebel im Mund, der ihr wohl nicht allzu bequem saß. Alle schauten erwartungsvoll die Chefin an, die zur Fernbedienung griff und den Projektor anschaltete.
Es erschien das Bild der Cam an Erwins Arbeitsplatz, der entspannt in seinem speziellen Bürostuhl lümmelte. Soweit das möglich war – die Füße mit schweren Ketten an Ringen im Boden befestigt, die Hände an einer Kette, die vom Deckenhaken herab lief und ihm gerade erlaubte, zur Tastatur und der Tasse Kaffee zu reichen, die daneben auf seinem Schreibtisch stand.
Die Chefin lächelte süffisant.
„Erwin hat darum gebeten, seine Klausur nicht zu unterbrechen – ich habe ihn mit etwas Betriebsstoff versorgt und ihn gebeten, wenigstens virtuell bei uns zu sein“.
Alle lachten, Erwin grinste in die Cam und winkte, soweit möglich. Ein leises Kettenklirren verriet, dass die Chefin auch die Bildübertragung aktiviert hatte. Sie richtete sich auf.
„Gut, ihr lieben, dann wollen wir mal. wir haben einige Monate am Projekt abgeschuftet, wie ihr seht, sind nicht alle soweit fertig geworden, aber ich habe schon andeutungsweise gehört, dass wir etwas vorzuweisen haben. Morgen kommt, wie ihr wisst, ein Vertreter des Kunden, und ich würde gerne wissen, ob und was wir ihm schon vorzeigen können – und natürlich würde ich auch gerne wissen, wie es hier für uns weitergehen soll.“
Teil 2
Am nächsten Morgen saßen sie zu dritt dem Kunden im Besprechungsraum gegenüber – die Chefin und Irina bieder und geschäftsmäßig im grauen Kostüm, er selbst hatte sich doch zur Krawatte, wenn auch einer ziemlich poppigen, durch gerungen.
Dass sich die Militärs, mit denen sie es zu tun hatten, nicht über einen Kamm scheren ließen – das hatte er schon gelernt. Die farbige Frau in Uniform, die da herein gesegelt kam, nahm ihm jedoch den Atem.
Es fiel ihm jedenfalls schwer, von den etwas unzüchtigen Hintergedanken Abstand zu nehmen, die sich sofort in seinem Hirn breit gemacht hatten – und die dieser wundervollen Frau zu den anderen Qualitäten, sie sie sicher in ihrem Job haben musste, eine ausgeprägte sadistische Tatkraft und Handgreiflichkeit hinzu dichteten. Hinzuzudichten? Oder zu erkennen?
Sie wurde von der Chefin, die mit ihr schon mehr als einmal getagt hatte, als Lt-Cmd-Cmd. Strasser vorgestellt.
„Ich habe mir erlaubt, gleich die entscheidenden Leute von der Firma mitzubringen, mit der ich sie zusammen koppeln möchte“.
Nach dem allgemeinem Händeschütteln hatte er Zeit, sich während des etwas trockenen Statusbericht, den seine Chefin nun abgab, die Gäste genauer an zusehen. Sie hatten gestern beschlossen, dass das Projekt genug gereift war, um es praktisch vorstellen zu können, und sie hatten auch eine gute Lösung für die Probleme gefunden, die ihnen Mariella bereitet hatte, indem sie mit der Programmierung der ihr anvertrauten Testsimulation nicht rechtzeitig fertig geworden war.
Er musste innerlich grinsen, wie einfach die Lösung gewesen war, und fieberte nun, präsentieren zu können, was sie in der Nacht noch einmal durchgespielt hatten, bevor er am Morgen die Chefin angerufen hatte und grünes Licht für die Präsentation gegeben worden war.
Er hatte gar nicht gemerkt, wie seine Augen auf der wundervollen Frau hängen geblieben waren, die ihm gegenüber saß, als seine Chefin ihn sanft ‚aufweckte‘ und ihn bat, ein paar Worte zum technischen Teil der aktuellen Entwicklung vorzutragen.
Er hatte eigentlich damit gerechnet, dass er in dieser Besprechung als technischer Ansprechpartner für den Kunden benannt würde, entsprechend war er vorbereitet und spulte seinen Vortrag ab. Keine Regung in den Gesichtern der Gegenüber, keine Rückkopplung, ob das nun das war, was sie erwartet hatten. Ein wenig mehr Begeisterung hätte er sich schon gewünscht. Lt-Cmd-Cmd. Strasser tauschte mit seiner Chefin einen viel sagenden Blick.
„Wir haben die Daten, die Sie uns freundlicherweise überlassen hatten, an die Herren hier weitergegeben, und sie haben einige Szenarien adaptiert! Vielleicht sollten wir sie jetzt in Ruhe die letzten Fragen ausräumen lassen, die einer Zusammenarbeit vielleicht noch im Wege stehen“.
Seine Chefin nickte und sah in etwas strenger, als er nach seinem Vortrag erwartet hatte, an.
„Gute Idee. Dann geht ihr zu Erwin hinüber und schaut, ob die Schnittstellen passend implementiert sind, wir haben hier noch ein paar Interna zu besprechen“.
Irina, die sich auch erhoben hatte, hielt sie zurück.
„Moment, Dich brauchen wir hier.“
Er war enttäuscht, aber das konnte er sich nicht anmerken lassen. Also bat er die beiden Herren, ihm zu folgen, und ging mit ihnen zu Erwins Arbeitszimmer hinunter – der heute die Ketten beiseite geräumt hatte und sie mit einem aufmunternden Lachen empfing.
Er hatte schon die einschlägigen Diagramme und Flusspläne an der Flipchart befestigt, die eine Seite seines Büros einnahm.
„Dann wollen wir mal“.
Er allerdings war – irgendwie nicht ganz bei der Sache. Auch wenn es gut gestellte Fragen zu beantworten gab, und sie ziemlich schnell zu den erwarteten Ergebnissen kamen. Die ganze Zeit waren seine Gedanken bei dieser Frau, dieser Lt-Cmd-Cmd. Strasser, die so unnahbar schön und fern für ihn war!
Ich Idiot, dachte er, sie einfach nur an zu starren. Das gibt bestimmt noch Ärger, schoss es ihm durch den Kopf, als auch schon die Stimme der Chefin durch den Lautsprecher kam.
“ … bitte sofort in mein Büro“.
Er schaute die anderen halb entschuldigend an – sie verstehen, da muss ich mich rühren.
So schnell hatte er den Weg ins Büro seiner Chefin noch nie zurückgelegt. Als er etwas außer Atem eintrat blieb er in der Tür stehen – das hatte er nun wirklich nicht erwartet. Lt-Cmd-Cmd. Strasser stand breitbeinig vor dem Fenster und grinste ihn an, die Chefin und Irina hatten es sich auf dem Sofa offenbar in bester Laune bequem gemacht, ein Glas in der Hand.
Und Jennie… Jennie stand, in aufregend pralles Gummi mehr eingeschnürt denn gekleidet, direkt neben ihm an der Tür. Sie hielt ein Paar mit einer kurzen Kette verbundener Fesseln in der Hand.
Was sollte das alles? Die Chefin war wirklich bester Laune.
„Gut! Lt-Cmd-Cmd. Strasser hat darum gebeten, Irina als direkten Ansprechpartner zu bekommen und mit ihr zusammen die weitere Entwicklung zu koordinieren – eine Bitte, der ich gerne entsprechen werde. Außerdem haben wir Lt-Cmd-Cmd. Strasser erklärt, wie wir hier arbeiten, und es gefällt ihr. Sehr sogar!“
Er stand da, geschockt, unfähig sich zu rühren. Lt-Cmd-Cmd. Strassers Gesichtsausdruck war etwa dem nahe gekommen, den er sich heute in der Besprechung in seinen Träumen gewünscht hatte – herrisch und dominant, etwas sadistisch, aber immer noch irgendwie aufmunternd. Jetzt aber war es kein Spiel und kein wonniger Gedanke – er hatte einfach nur Angst!
„Tut mir Leid für Sie“.
Es klang fast echt, sollte es ihn trösten?
„Du bist ins Testteam Zwei versetzt! Zu Mariella“.
Fassungslos starrte er nun seine Chefin an, die, kühl wie immer, unnahbar, ihre Entscheidung niemals korrigieren würde. Er hatte verloren, das wusste er sofort.
Auf einen Wink der Chefin trat Jennie an ihn heran, zwang ihm die Hände vor dem Körper zusammen und ließ die Fesseln klicken. Er ließ den Kopf sinken, als unerwartet einen Tritt in die Kniekehlen ihn zu Boden gehen ließ.
„Los, ab ins Labor“.
Das war die Stimme seiner Herrin. Oder die von Lt-Cmd-Cmd. Strasser? Alles begann sich vor ihm zu drehen. Er wollte sich auf rappeln, aber ein Stoß von Jennie machte ihm klar, dass eine andere Fortbewegungsart für ihn vorgesehen war. So musste er, wohl oder übel, auf den Knien vor den drei Frauen den Gang entlang kriechen, auf allen Vieren, mit hochrotem Kopf, von Jennie an der Kette geführt, keines Gedankens fähig.
Als sie in das Labor kamen, war alles so, wie sie es heute Nacht vorbereitet hatten. Nur seine Position war eine andere gewesen. Und er hatte sich so auf die Präsentation gefreut, mit einer gewissen Gehässigkeit – oder war es ein klein wenig Sadismus?
Mariella saß – wenn man es so nennen kann – auf einem Stuhl in der Mitte des Raumes, mehr einem Gestell aus Aluminiumprofilen. Ihre Arme und Beine waren mit Riemen fixiert, und Elektroden waren überall auf ihrem Körper befestigt. Ein Ballknebel steckte in ihrem Mund, die Haare ab rasiert, die Oberschenkel gespreizt.
Ein dickes Bündel Kabel lief in zwei Dildos aus, die in ihr steckten. Das war die Lösung, auf die sie am Sonntag gekommen waren – wenn Mariella die Simulation nicht fertig bekommen hatte, dann musste sie selber das Testobjekt abgeben – womit sie sich auch schlussendlich einverstanden erklärt hatte, von der Chefin mit der eindeutigen Zusage geködert, im nächsten Projektabschnitt dann wieder ins Entwicklungsteam aufgenommen zu werden.
‚Testteam Zwei‘ hatten sie spaßeshalber ihre neue Position genannt, und nun war er ein Mitglied dieses Teams geworden.
„Mach ihn drüben an dem zweiten Testplatz fest, wir brauchen ihn erstmal ja nicht. Er kann ja schon mal schauen, wie es sich so anfühlt!“
Jennie griff in die Kette und zerrte ihn zu einem Träger der Hallenkonstruktion, um die Kette über seinem Kopf an einem Haken ein zu rasten. Nur nebenbei nahm er wahr, dass sie zu einem Wandschrank ging und eine Spreizstange holte, seine Füße auseinander trat und die Stange fixierte.
Denn er war von dem fasziniert, was nun vor sich ging. Erwin war eingetreten, während die drei Damen es sich auf Sesseln bequem gemacht hatten, die man für sie bereit gestellt hatte. Erwin schaute ihn nur kurz an – grinsend, er hätte an seiner Stelle auch nicht anders gehandelt, und machte es sich am Terminal des Simulators zu schaffen.
Zwei Projektoren liefen an und zauberten zwei großflächige Bilder auf die Wand, rechts und links von dem Gestell, auf dem Mariella festgemacht war. Die Raumbeleuchtung ging langsam aus, ein Spot war auf Mariella gerichtet, rechts und links von ihr war zunächst das Firmenlogo zu sehen.
Mariella regte sich, zerrte an den Fesseln, sie wusste was nun kommen würde. Während er abwechselnd auf seine Chefin und Lt-Cmd-Cmd. Strasser starrte, die locker und erwartungsvoll von ihren Sesseln aus zusahen, und mit der sich windende Mariella mitfühlte, bekam er gar nicht mit, wie Jennie ihm die Elektroden anzulegen begann.
Erwin begann etwas metallen durch das Mikrophon zu sprechen. „Meine Damen , ich freue mich, Ihnen den Prototypen des Universellen Simulators der Dritten Generation präsentieren zu dürfen“.
Teil 3
Dieser Satz hatte sich im ins Hirn eingebrannt. Denn danach war nur ein bunter Reigen von Bildern, Worten, Gerüchen, Farben. Schmerzen. Vor allem Schmerzen. Er bekam kein Schema in seine Erinnerungen.