Kapitel 23
Mein Gott, war der Analsex mit Andreas gestern Abend geil. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich schon doch Angst, es könnte wehtun. Vor allem die zweite Szene in dem Pornofilm, den ich damals mit meiner Freundin angeschaut habe, war eher abschreckend.
Aber bei Andreas bin ich in guten Händen, das wusste ich von Anfang an. Er hat mir alles genau erklärt, er ist so wunderbar vorsichtig gewesen und es war schlussendlich einfach nur geil. Nicht einen Augenblick lang hat es wehgetan.
Ich lasse den gestrigen Abend nochmals Revue passieren. Es war einfach nur schön. Es war natürlich auch ein wenig Abenteuer und ein wenig verrucht. Analsex ist bei uns in Tschechien als pervers verpönt, im sogenannten anständigen Tschechien. Aber ich wollte es ausprobieren und ich bin froh, dass ich es getan habe.
Da fällt mir ein, dass wir etwas laut gewesen sind. Sicher haben mein Vater und meine Geschwister uns gehört. Hoffentlich verstehen sie den Zusammenhang nicht, das wäre mir mehr als peinlich.
Auch Andreas schlägt die Augen auf und schaut mich verschlafen und liebevoll an. Er grinst von einem Ohr zum anderen.
„Guten Morgen, meine Prinzessin. Gut geschlafen?“
„Gut geschlafen und vorher noch besser gefickt“, antworte ich.
Andreas grinst nur und küsst mich sanft und weich auf meine Lippen. Wir habe nicht mehr viel Zeit – leider. Wir machen uns frisch, ziehen uns an und gehen zum Frühstück.
„Guten Morgen, ihr hattet gestern wohl Euren Spaß“, meint meine Schwester, die wieder einmal ihre freche Seite zeigen muss.
Andreas überspielt es recht gekonnt, nur ich laufe mit Sicherheit knallrot an. Ansonsten ignoriere auch ich ihre Anspielung und mache mich mit einem Löwenhunger über das Frühstück her. Helga hat wie immer das volle Programm aufgefahren und heute bin ich ihr wirklich dankbar dafür. Sex macht definitiv hungrig.
Ich bin aber auch nervös, weil ich nach Prag muss. Bisher habe ich geschickt ausnützen können, dass man mich völlig unterschätzt hat. Von den Bereichsleitern in unserer Firma bis hin zum italienischen Ministerpräsidenten, alle haben mich als „ragazzina“, als das kleine Mädchen, gesehen. In Prag aber muss ich mit Selbstbewusstsein und Kompetenz punkten. Genau das Gegenteil! Und genau das wird mit meinen 19 Jahren schwierig.
Nach einem kurzen Besuch bei meiner Mutter, die inzwischen gut drauf ist, erreichen wir pünktlich um 10 Uhr den Flughafen und bekommen auch gleich danach die Startfreigabe. Wir sind zu acht und damit die höchstzulässige Passagierzahl. Trotzdem ist es noch nicht eng im Flieger und die Stunde überstehen wir locker.
Andreas hat den Makler zum Flughafen bestellt, um gleich nach Ankunft die Unterschrift unter die Verträge setzen zu können. Als er meint, wir bräuchten eine Haushälterin, meldet sich meine Schwester. Eine Freundin von ihr würde eine Stelle suchen und käme dafür in Frage.
„Wenn du nichts dagegen hast, könnten Greta und ich mit der Freundin sprechen. Es wäre doch super, wenn wir auch dieses Problem gleich. Dann wäre alles geregelt und wir könnten herkommen, wann immer wir wollen. Ist das ein Vorschlag?“, meint Andreas.
„Kann ich dich mit zwei hübschen Mädchen alleine lassen?“, frage ich neckisch.
„Es ist Renate, die kennst du ja. So hübsch ist die auch nicht“, verteidigt sich Greta, die meinen Scherz für bare Münze hält.
„Ob sie hübsch ist, ist mir eher egal. Hat sie die Voraussetzungen?“, frage ich sachlich.
„Sie ist deutlich älter als ich, ich glaube sie ist so um die 25 Jahre alt und hat die Haushaltungsschule mit Auszeichnung abgeschlossen. Sie kann super kochen, putzt zu Hause immer fleißig und wohnt noch bei den Eltern“, ereifert sie sich.
„Das klingt gut. Schaut sie Euch an. Ich verdiene inzwischen das Geld“, scherze ich.
Andreas, der mich inzwischen schon recht gut kennt, hat sich schmunzelnd aus der Diskussion heraus gehalten. Greta hingegen schaut mich überrascht an. Sie kennt sich mit mir nicht mehr ganz aus.
„Du weißt, wie sehr ich dich liebe“, flüstert mir Andreas ins Ohr.
„Ich weiß“, antworte ich und küsse ihn leidenschaftlich. „Ich vertraue dir voll und ganz!“
Die Unterschrift für das Haus ist reine Formsache. Der Makler ist sehr formell und mir gegenüber schon fast unterwürfig. Vermutlich hat er nicht so viele Kunden, die nur mal so nebenbei eine Villa kaufen. Auf der Durchfahrt, so zu sagen.
Anschließend teilen wir uns auf. Andreas fährt mit meinem Vater, Greta und Bruno die neue Haushälterin treffen, die meine Schwester noch vom Flughaben aus angerufen und mit ihr einen Termin beim Haus vereinbart hat.
„Ich sehe gleich Euer Haus. Ich bin schon ganz neugierig“, ist meine Schwester aufgeregt.
Noch beim Hangar zeigt mir Andreas mein neues Auto. Ich falle aus allen Wolken, denn da steht ein Hammer. Ein ganz neuer, schwarzer Hammer, ein echt geiles Gefährt.
„Du hast einfach mal ein Auto gekauft? Du hast mich gar nicht gefragt!“, werde ich etwas trotzig.
„Gefällt er dir nicht?“, meint Andreas kleinlaut. „Ich dachte das Auto soll sicher sein. Und außerdem habe ich dir bei unserem letzten Besuch gesagt, dass wir hier ein Auto brauchen.“
„Aber Andreas, gleich einen so teuren Wagen?“, werfe ich schon etwas weniger verärgert ein.
„Mein Schatz, inzwischen müsstest du verstanden haben, dass Geld keine große Rolle spielt. Ich verdiene mehr, als ich ausgeben kann. Aber deine Sicherheit hat für mich einen unschätzbaren Wert“, erklärt er mir mit großem Nachdruck.
Was soll ich da noch sagen? Ich falle ihm um den Hals und küsse ihn leidenschaftlich. Ja, er liebt mich und meine Sicherheit ist ihm sehr wichtig. Das verstehe ich, denn umgekehrt ist es genau gleich.
„Danke!“, hauche ich ihm ins Ohr.
Ich fahre mit Anny, Hübner und Noah zur Handelskammer. Zuerst will Noah, ganz der Sicherheitsmann, den Hammer steuern. Das lasse ich mir aber doch nicht nehmen, schließlich ist es mein Auto und dazu noch ganz neu. Außerdem kenne ich die Straße und die Fahrweise meiner Landsleute. Es genügt dann auch nur ein entschlossener Blick und der recht kräftig gebaute Sicherheitsmann begnügt sich mit dem Beifahrersitz.
In der Handelskammer lasse ich mich als Geschäftsführerin der Stahlwerke eintragen und alle anderen Manager löschen. Von diesem Moment an haben sie keinerlei Befugnisse mehr. Die Macht liegt nun bei mir. Kaum dass der Beamtin klar wird, dass es um die Stahlwerke und damit um einen der wichtigsten Betriebe in ihrem Bereich geht, verständigt sie ihre Vorgesetzten, die alle aufmarschieren, um mich zu begrüßen.
Sie zeigen sich erfreut, dass sich bei den Stahlwerken endlich etwas bewegt. Da sie meine Unterlagen nicht gesehen haben und mich für eine Ausländerin halten, sprechen sie unter sich Tschechisch. Dabei zeigen sie sich skeptisch, dass so ein junges Mädchen sich in dieser Männerdomäne behaupten wird. Sie schließen sogar Wetten ab, wie lange ich durchhalte. Die Meinung der Herren ist nicht berauschend. Zwei Monate sind das Längste, was sie mir zutrauen. Die Herren der Schöpfung geben aber auch etliche Anspielungen auf mein Aussehen zum Besten und meinen, ich sollte lieber ficken, als so ein Unternehmen leiten.
Die Beamtin neben mir wechselt im Minutentakt die Farbe. Von tomatenrot bis kreidebleich sind alle Schattierungen dabei. Sie kennt meine Daten und ist sich darüber im Klaren, dass ich jedes Wort verstehe, was ihre Vorgesetzten bis hinauf zum Handelskammerpräsidenten zum Besten geben.
„Ich schätze ihre Offenheit, was meine Person betrifft. Aber glauben Sie mir, ich bin durchaus in der Lage, das Unternehmen zu leiten“, erkläre ich auf Tschechisch.
Nun wechselt auch die fünf Herren ihre Gesichtsfarbe. Ich kann ihnen deutlich ansehen, dass sie am liebsten im Erdboden versinken würden.
„Geben sie nicht ihrer Beamtin die Schuld. Sie hatte keine Möglichkeit, sie zu warnen“, grinse ich die Beamtin an, die mich dankbar anschaut.
Auf der Fahrt zu den Stahlwerken erzähle ich die Geschichte auch den anderen. Sie sprechen ja alle kein Tschechisch und haben deshalb weder die fünf Männer, noch meine Reaktion darauf verstanden. Hübner ist schockiert, Noah bleibt ernst und lässt sich keine Regung ansehen und Anny amüsiert sich köstlich.
„Deshalb haben die so betreten dreingeschaut wie Dackel, die man ausgesetzt hat“, grinst sie von einem Ohr zum anderen. Sie kennt mich inzwischen bereits recht gut und weiß, dass ich mich bei solchen Dingen köstlich amüsieren kann.
Wir erreichen schon nach kurzer Fahrt das Firmengelände, wo wir schon von den vier Managern erwartet werden. Es handelt sich um den Geschäftsführer, den Chefbuchhalter, den Verkaufsleiter und den Produktionschef. Als wir aussteigen, sieht man ihnen an, dass sie sich nicht auskennen, wer von uns welche Funktion hat.
Da Anny und ich Frauen sind, ich noch dazu mit dem Wagen fahre und Noah eindeutig als Sicherheitsmann zu erkennen ist, wird Hübner umworben. Anny und ich werden eher links liegen gelassen. Ich flüstere Hübner zu, er solle mitspielen und so gelangen wir in einen großen Sitzungssaal.
Die vier Herren haben sich bereits auf einer Seite die vier mittleren Plätze an dem relativ langen Konferenztisch reserviert, indem sie dort bereits Unterlagen liegen haben. Also gehe ich um den Tisch herum und setze mich auf der anderen Seite genau in der Mitte nieder. Hübner, Anny und Noah nehmen links und rechts von mir Platz. Wir sitzen uns damit genau gegenüber.
Die Dynamik beim niedersitzen hat unser Gegenüber etwas irritiert. Dass ich dabei die Initiative ergriffen habe, kommt ihnen sonderbar vor. Ihre Blicke wandern irritiert zwischen mir und Hübner hin und her.
„Meine Herren, meine Damen, herzlich willkommen hier in den Stahlwerken von Prag. Es freut uns, dass wir endlich die Vertreter der neuen Eigentümer kennen lernen“, begrüßt uns der Geschäftsführer.
„Guten Tag, meine Herren, ich darf Ihnen mitteilen, dass ich in meiner Eigenschaft als Vizepräsidentin der neuen Eigentümergesellschaft, der Grüner Holding, ab sofort die Geschäftsführung in diesem Werk übernehme. Wir kommen gerade von der Handelskammer, wo die entsprechenden Formalitäten durchgeführt wurden. Ab sofort sind sie nicht mehr zeichnungsberechtigt.
Ich würde Sie nun bitten, uns einen ersten Überblick über die Lage im Werk zu geben. Anschließend würde ich gerne das Unternehmen besichtigen“, erkläre ich sachlich.
Unserem Gegenüber fällt bei meinen Worten die Kinnlade herunter. Nicht nur, dass nicht Hübner, wie von ihnen erwartet, der neue starke Mann sein wird, sondern ein blutjunges Mädchen das Ruder übernimmt, kommt für sie auch die Mitteilung ihrer Entmachtung völlig überraschend.
Wie der Generaldirektor uns daraufhin erklärt, wie schwierig die Lage am Stahlmarkt ist und mit welch heldenhaften Bemühungen sie bisher das Werk am Leben erhalten haben, kommt mir eine Idee. Hauptabnehmer und das zu Schleuderpreisen ist ein Unternehmen mit dem Namen ´4man´. Ich lasse Anny telefonisch prüfen, wer hinter diesem Unternehmen steht.
Wenig später kommt die Antwort, dass genau die vier uns gegenübersitzenden Herren zu genau gleichen Teilen die Anteile an diesem Unternehmen halten. Ich weise daraufhin Anny an, den Staatsanwalt von Prag zu verständigen, damit er so schnell wie möglich mit der Polizei anrückt.
Das alles ist abgelaufen, während uns die vier über die angebliche Lage im Stahlwerk informieren. Ich lasse sie noch ein wenig weiter reden. Im Grunde ist es aber nur eine Lobeshymne auf ihre angeblichen Leistungen. Sie ahnen offenbar nichts davon, dass ich die Lage anhand der Bilanzen recht gut kenne. Vermutlich trauen sie es mir nicht zu.
„Ich glaube, mir reicht, was ich gehört habe. Meine Herren, sie sind fristlos entlassen. Was ich aus den Unterlagen ersehe, haben Sie sich jahrelang unerlaubt an dieser Firma bereichert und mit solchen Leuten will und kann ich nicht zusammenarbeiten“, erkläre ich dem verblüfften Quartett.
„Das können Sie nicht tun“, springt der Geschäftsführer auf.
„Soll ich Ihnen erklären, was ich alles tun kann?“, frage ich ihn ganz ruhig.
In diesem Moment kommt die Sekretärin des Produktionschefs herein. Es ist ein junges, sehr schüchternes Mädchen. Sie schaut sich hilfesuchend um. Deshalb rufe ich sie zu mir herüber. Sie schaut zwischen mir und dem Generaldirektor hin und her. Sie weiß im ersten Moment nicht, was sie tun soll, kommt aber schließlich doch herüber auf meine Seite des Tisches. Ich stehe auf und gehe mit ihr zu einem Fenster, das sich etwas abseits vom Verhandlungstisch befindet.
„Wie ist Ihr Verhältnis zu ihrem Chef?“, frage ich sie.
„Darf ich ehrlich sein? Ich habe nämlich gehört, dass sie die neue Chefin sind und diese vier Herren gerade gefeuert haben.“, kommt es schüchtern von ihr.
„Wenn Sie ehrlich sind, dann können wir recht gut zusammenarbeiten, denke ich“, kommt prompt meine Antwort. „Ich schätze vor allem Ehrlichkeit.“
„Er ist ein Arsch. Er arbeitet wenig, lebt auf großem Fuß und mich baggert und grabscht er ständig an. Ich finde ihn eklig“, flüstert sie.
„Möchten Sie meine Sekretärin hier in Prag werden?“, frage ich.
„Das wäre toll“, meint sie ganz schüchtern. „Was habe ich da zu tun?“
„Gut, dann sind sie ab sofort meine Sekretärin. Sie werden mir eine vertrauliche Liste aller Führungskräfte und aller Sekretärinnen anfertigen und ihren Kommentar zu jeder Person abgeben. Mich interessiert vor allem, auf wen kann ich mich verlassen und auf wen nicht. Aber vorher zeigen sie uns das Werk“, bitte ich sie höflich.
„Danke für das Vertrauen“, antwortet sie kurz.
Ich kann nicht sagen warum, aber dieses junge Mädchen macht auf mich einen verlässlichen Eindruck. Mit ihren 19 oder 20 Jahren erinnert sie mich an Anny. Ich gehe davon aus, dass sie eher als Lustobjekt angestellt worden war, denn sie ist ausgesprochen hübsch. Die eigentliche Sekretärin des Geschäftsführers ist eine ganz andere. Die führt das Regiment.
„Mein Herren, wir werden uns jetzt das Werk zeigen lassen. Sie können ihre Sachen packen und verschwinden“, erkläre ich den vier Managern.
Als der Geschäftsführer aufgebracht auf mich zukommt, stellt sich Noah demonstrativ vor mich. Andreas hatte Recht, es ist ein gutes Gefühl, in so einem Fall diesen Mann neben sich zu haben.
„Wie heißt du?“, frage ich bewusst ungerührt meine neue Sekretärin.
„Ich heiße Alina und spreche halbwegs gut Deutsch und Englisch“, antwortet sie.
„Gut Alina, dann gehen wir zuerst in die Kantine. Es ist Essenzeit“, sage ich zu ihr auf Deutsch.
„In die Kantine?“, antwortet sie überrascht.
„Ja, warum nicht?“
„Das Essen dort ist nicht besonders.“
„Dann schauen wir, was wir da machen können“, bleibe ich hart. „Irgendwo müssen wir mit den Veränderungen anfangen.“
Alina bringt uns in die Kantine, die um diese Zeit recht gut besucht ist. Auf dem Weg dorthin erklärt sie uns, dass die vier Manager immer in ein Restaurant gehen und das auf Firmenkosten. Deshalb wundert sie sich, dass ich mich mit der Kantine begnüge.
Da ich keine Sonderbehandlung will, reihe ich mich in die Schlange der wartenden Arbeiter ein. Anny und Alina stellen sich gleich hinter mir an und Noah sichert uns von hinten. Hübner bildet das Schlusslicht und man sieht ihm an, dass er unsicher ist.
„Aber sie müssen sich doch nicht hier in der Schlange anstellen?“, meint Alina ganz aufgeregt.
„Und warum nicht?“, gebe ich trocken zurück.
„Sie sind die Geschäftsführerin!“
„Na und? Ich arbeite hier, wie jeder andere.“
„Wie Sie meinen, aber wie soll ich sie nennen?“, wird Alina jetzt bewusst, dass wir das in der Eile noch nicht geklärt haben.
„Ich bin Kim. Tut mir leid, dass ich mich noch nicht vorgestellt habe“, entschuldige ich mich.
Wir haben Deutsch gesprochen und werden nicht nur deshalb von allen beobachtet. Die Arbeiter sind neugierig, wer sich da in die Reihe stellt und in der Kantine essen will. Vermutlich kennen sie sich untereinander und neue Gesichter fallen auf.
Als ich endlich an der Reihe bin, nehme ich mir einen Teller, Besteck, Serviette und was man sonst noch so braucht.
„Was darf es sein, meine Hübsche? Dich habe ich hier noch nie gesehen“, meint der Mann hinterm Tresen, der das Essen ausgibt.
Ich höre Alina neben mir schon erschrocken Luft holen und gebe ihr deshalb schnell ein Zeichen, sich zurück zu halten. Die anderen haben die Worte nicht verstanden und reagieren erst gar nicht.
„Was haben Sie zu bieten? Ich bin heute den ersten Tag hier“, antworte ich recht gelassen.
„Es gibt heute Gulasch, wenn du das magst. Und was machst du hier?“, macht er mit seiner Anmache weiter.
„Dann geben Sie mir Gulasch. Und ich bin die neue Geschäftsführerin“, antworte ich, als sei nichts dabei.
„Du verarschst mich! Als ob die Bosse hier in der Kantine essen würden“, lacht er über meinen vermeintlichen Witz. „Wenn überhaupt, bist du die neue Sekretärin vom Chef.“
„Halts Maul, das ist wirklich die neue Geschäftsführerin“, platzt nun Alina doch der Kragen.
Der Mann hinter dem Tresen und alle Umstehenden schauen entgeistert drein. Sie wissen nicht, ob sie es glauben sollen oder nicht. Die Vehemenz, mit der Alina aber den Mann zurechtgewiesen hat, bringt sie ins Zweifeln.
„Ich setze mich dort hinten hin und koste das Essen. Ich möchte, dass der Koch und der Leiter der Kantine nachher zu mir kommen. Ich würde mich gerne mit ihnen über das Essen unterhalten“, sage ich sehr geschäftsmäßig. Anschließend gehe ich mit meinem Gulasch auf den Tisch zu, auf den ich gedeutet habe.
Von da an wird uns großer Respekt entgegen gebracht. Alina weise ich an, nach dem Essen die Arbeiter zu einer Versammlung einzuladen. Dafür gibt es, so erklärt sie mir, einen größeren Saal auf dem Gelände. Beginn soll in etwa einer Stunde sein.
Als wir alle am Tisch sitzen und gegessen haben, kommen zwei Männer auf uns zu und stellen sich als Koch und Leiter der Kantine vor. Ich weise sie an, sich einen Stuhl zu nehmen und sich zu uns zu setzen.
„Meine Herrn, das Essen hier ist nicht gerade als köstlich zu bezeichnen. Ich bin weiß Gott nicht verwöhnt, aber so zu kochen ist schon fast eine Beleidigung. Woran liegt es? An der fehlenden Organisation oder am Geld?“, frage ich rund heraus.
„Wollen Sie uns beleidigen?“, fragt der eine.
„Wir bekommen von der Geschäftsleitung zu wenig Geld für die Lebensmittel und zu wenig Geld für ausreichend Personal. Mit dem, was uns zur Verfügung steht, kann man kein besseres Essen zubereiten“, meint der andere.
„Meine Herrn, ich will Sie ganz bestimmt nicht beleidigen und ja, ich habe mir so etwas schon gedacht. Mir ist klar, dass man in einer Kantine nicht so kochen kann, wie man es zu Hause tut. Wenn man aber die richtigen Gerichte wählt und die nötigen Mittel hat, dann ist es machbar, dass die Leute gerne herkommen, um zu essen.
Ich möchte Euch beide bitten, mir bis übermorgen einen Speiseplan auszuarbeiten, der für drei Woche gilt und dann wiederholt wird. Es soll schmecken und auch der Arbeit und dem Energiebedarf der Männer entsprechen. Dazu würde ich Euch um einen Kostenplan bitten, wobei Ihr vor allem darauf achten sollt, dass die Leute lieber und öfter hier essen. Das ist das Ziel.
Was das Personal angeht, brauche ich eine Übersicht, was es braucht und welche Personen noch angestellt werden müssen, um die ideale Besetzung zu erreichen. Ich würde mir wünschen, dass die Kantine richtig gut funktioniert.“
Die beiden Männer und auch die Umstehenden schauen mich entgeistert an. So eine Ansage haben sie vermutlich noch nie gehört.
„Aber das genehmigt der Geschäftsführer nie!“, wirft der Koch ein.
„Die Geschäftsführerin hat Ihnen diese Anweisung genehmigt und wenn Ihr mir einen vernünftigen Vorschlag macht, dann werde ich ihn auch genehmigen“, stelle ich klar.
„Sie sind die neue Geschäftsführerin? Sind sie dafür nicht zu jung? Die Bosse essen nie in der Kantine“, wirft nun einer der Umstehenden ein.
„Ich glaube, in diesem Betrieb wird sich noch einiges ändern“, erkläre ich trocken.