Ein Worte zuvor: In dieser Geschichte geht es um eine Beziehung, nicht um Sex, da sie ursprünglich nicht für Literotica geschrieben wurde. Erotische Szenen, wenn man so will, werden höchstens angedeutet, daher eignet „Rapunzel“ sich absolut nicht als WV! Warum ich diesen kleinen Roman trotzdem in dieses Forum stelle? Weil es auch hier Leser gibt, die sich gerne auf eine längere Handlung einlassen, selbst wenn diese nur unterschwellige Erotik bietet und sich auf anderweitige zwischenmenschliche Konflikte konzentriert.

So viel zur „Zielgruppe“. Falls jemand „Beautiful Loser“ gelesen haben sollte, wird er oder sie sich vielleicht wundern, warum die männliche Hauptperson dieser sowie der vorliegenden Geschichte den gleichen Namen haben. Das liegt daran, dass der „Loser“ schon etwas länger auf meiner Festplatte geruht hat und Mickey Foster eine Art ungeschliffenen Prototypen für die Figur des Mick Steffen darstellt. Die Handlungen beider Geschichten haben jedoch nichts weiter miteinander zu tun — aber lest selbst ;-)

*

Es war kein Mehl mehr da. Milch, Eier, Zucker, sie hatte alles da, was sie brauchte, nur kein Mehl.

„So ein Mist.“

Sie hatte die spontane Idee gehabt, Pfannkuchen zu machen, na gut, eher so eine Art Kaiserschmarrn, weil sie es nie hinbekam, die Dinger ordentlich zu wenden.

„Dann gibt ’s heute wohl was anderes zum Abendessen.“

Unschlüssig stand sie in der kleinen Küche. Jetzt hatte sie sich so auf die Pfannkuchen eingeschossen, dass sie sich fast schon ärgerte. Heute war Micks letzter Arbeitstag vor seinem Urlaub, da war ihr die Idee gekommen, ihm mit seinem Lieblingsessen eine Freude zu machen. Und jetzt scheiterte ihr Vorhaben an diesem dämlichen Mehl.

„Ich könnte ihn anrufen, dass er auf dem Heimweg welches kaufen soll.“

Aber dann war ihre kleine Überraschung dahin und außerdem wollte sie das Essen schon fertig haben, wenn er kam. Sie zog eine Packung Nudeln aus der Schublade, füllte einen Topf mit Wasser und stellte ihn auf den Herd. Dann zögerte sie wieder und bearbeitete ihre Unterlippe nervös mit den Zähnen. Eine gute Dreiviertelstunde dauerte es sicher noch, bis Mick zu Hause war, wenn nicht sogar etwas länger.

„Der Supermarkt ist ja gleich um die Ecke…“

Hin- und Rückweg nahmen zusammen vielleicht zehn Minuten in Anspruch, wenn sie sich beeilte, weniger. Im Laden würde sie sich gezielt ihr Mehl greifen, damit zur Kasse gehen, wo selten viel Andrang war — das wären dann noch mal ungefähr fünf Minuten.

„Alles in allem eine Viertelstunde. Das ist doch wohl kein Problem.“

Bevor sie wieder von ihrem Vorhaben abkommen konnte, hatte sie sich schon ihre Jacke übergeworfen. So, was brauchte sie alles — Geld natürlich, aber nicht viel, fünf Euro reichten. Hm, ihren Personalausweis? Konnte jedenfalls nicht schaden. Okay, also schnell die Schuhe an und los!

Halt! Sie brauchte ja einen Schlüssel. Mick hatte einen Ersatzschlüssel unter dem Blumentopf vor der Wohnungstür deponiert, für den Fall, dass sie unterwegs waren und sich aussperrten. Den nahm sie, schloss die Tür ab und ging mit weichen Knien die Treppe hinunter. Als sie die schwere Haustür aufzerrte und auf die Straße trat, hielt sie einen Moment inne. Sie hatte das Gefühl, als müssten die wenigen Passanten, die unterwegs waren, sich nach ihr umdrehen, als müssten die Autofahrer auf die Bremse treten und sie anstarren.

„Jetzt hör auf!“, wies sie sich selbst zurecht. „Wer soll sich denn für dich interessieren? Du gehst nur schnell was einkaufen, genau wie jede Menge andere Leute auch. Das ist völlig normal und in Ordnung.“

Zügig machte sie sich auf den Weg. Bis Mick da sein würde, hatte sie noch jede Menge Zeit.

„Fahr zu, du Armleuchter!“

Normalerweise benutzte er wesentlich derbere Ausdrücke beim Autofahren, aber heute war er guter Stimmung. Die nächsten zwei Wochen musste er keinen Gedanken an diesen Saustall von einer Werkstatt verschwenden. Zwei Wochen Freiheit, die ihm mit Tanita sicher nicht langweilig werden würden. Er grinste in sich hinein. Die Arbeit der letzten Zeit steckte ihm ziemlich in den Knochen, dagegen musste sein Mädchen dringend etwas unternehmen. Wahrscheinlich würden sie die ersten Tage nicht oft aus dem Bett kommen.

Eigentlich könnte er ihr mal wieder etwas Schönes mitbringen. Aus Blumen machte sie sich nichts, aber mit Schokolade konnte er ihr zwischendurch immer eine kleine Freude machen. Kurzentschlossen bog er rechts ab und fuhr auf den Parkplatz des kleinen Supermarkts, einen Block von ihrer Wohnung entfernt. Er würde ihr eine große Schachtel Pralinen kaufen, vielleicht eine etwas teurere Sorte. Sollte sich ja lohnen.

Er mochte den Laden im Grunde genommen nicht besonders, er wirkte so wie eine kleine heruntergekommene Klitsche auf dem Land, wo die letzten Heuler arbeiteten und jeder jeden kannte. Aber extra zum Einkaufen in die Innenstadt zu fahren, dafür war er erstens zu faul und zweitens war ihm das Benzin zu schade.

Zum Glück fand er schnell, was er suchte. Mit der Schokolade unter dem Arm trat er zwischen den Regalen hervor — und stieß mit jemandem zusammen. Automatisch murmelten beide eine Entschuldigung. Im nächsten Moment erstarrten sie und er riss ungläubig die Augen auf.

„Ich glaub, ich spinne“, knurrte er schließlich die junge Frau an, die allem Anschein nach am liebsten im Boden versunken wäre.

„Mick“, sagte Tanita mit schwacher Stimme und versuchte ein Lächeln. „Was machst du denn hier?“

„Das sollte ich besser dich fragen!“ Ganz von allein wurde seine Stimme lauter, der Tonfall schärfer.

„Mehl kaufen“, kam es noch zaghafter von ihr zurück und sie hielt die kleine Packung hoch.

„Wofür zur Hölle brauchst du Mehl?“

„Ich…“

„Warum rufst du mich nicht an, wenn du irgendwas haben willst? Ist das so schwer, hm?“

„Guten Tag, Herr Steffen“, grüßte der Marktleiter ihn auf seine übliche schleimige Weise. Mick zuckte fast zusammen. Er war so wütend, dass er den alten Sack gar nicht bemerkt hatte.

„Tag“, gab er kurz angebunden zurück und wartete, bis diese Nervensäge in Richtung Fleischtheke verschwunden war. Dann griff er Tanita fest am Oberarm und zog sie mit sich zur Kasse.

„Wir sprechen uns zu Hause!“, zischte er ihr ins Ohr und spürte, wie sie sich neben ihm kleiner machte.

Er bezahlte das Mehl und die Schokolade, obwohl er nicht mehr wirklich in der Stimmung war, Tanita etwas zu schenken, anschließend verließ er mit dem Mädchen ohne einen Gruß an die Kassiererin den Laden. Sie schwiegen, bis sie in der Wohnung waren, dann legte Mick los.

„Was hast du dir dabei gedacht?“, schnauzte er sie an. „Hab ich dir gesagt, dass du abhauen sollst? Was? Mach den Mund auf, verdammt!“

Sie setzte ein Mal an, etwas zu sagen, brachte aber kein Wort heraus. In ihren dunklen Augen schimmerte es, als würde sie jeden Augenblick losflennen.

„Stell dich nicht an“, knurrte er, immer noch aggressiv, aber nicht mehr so laut. „Hast du etwa Angst vor mir? Denkst du, ich schlag dich oder was?“

Tanita antwortete nicht, sondern hängte ihre Jacke auf um seinem Blick auszuweichen.

„Das wird ja immer besser! Guck mich gefälligst an, du Feigling!“

Endlich drehte sie sich wieder zu ihm um, er fasste sie am Kinn und zwang sie, ihm in die Augen zu sehen.

„Bist du plötzlich stumm geworden?“, fragte er gefährlich ruhig.

„Ich… wollte… ich wollte doch nur ein bisschen Mehl haben“, sagte sie mit zitternder Stimme. „Mehr war doch nicht. Sind doch nur… nur fünf Minuten von hier. Was soll denn da passieren?“

Sie musste sich sehr zusammenreißen um nicht zu weinen, aber er wollte noch nicht einlenken.

„Dämliche Frage! Was denkst du denn, was einem Mädchen wie dir so passiert, hä? Und dann“, er ließ ihr Kinn los und griff ihr in die vollen, schwarzbraunen Locken, die ihr bis zum Po reichten, „dann rennst du auch noch so auf der Straße rum!“

„Ich hab nicht dran gedacht, mir ’nen Zopf zu flechten“, rechtfertigte sie sich verzweifelt. „Aber mich hat niemand beachtet, verdammt! Warum auch?“

Mick warf ihr einen scharfen Blick zu. „Denkst du“, sagte er bloß. Er wandte sich von ihr ab, kickte seine Schuhe von den Füßen und warf seine Lederjacke über einen Garderobenhaken.

„Und was wolltest du jetzt überhaupt mit dem Mehl?“, fragte er ruppig.

Ein Seufzen. „Pfannkuchen backen.“ Tanitas Stimme klang wieder etwas fester, als sie hinzufügte: „Ich wollt dir eigentlich eine Freude machen.“

Er schnaubte fast belustigt. „Ist dir ja gut gelungen.“

„Erst hab ich überlegt, ob ich dich anrufen soll. Aber dann dachte ich mir, dass das eigentlich Schwachsinn ist, wo ich doch in fünf Minuten…“

Mick fuhr zu ihr herum und packte sie an den Schultern. „Es ist scheißegal, ob irgendetwas eine Stunde, fünf Minuten oder dreißig Sekunden weit weg ist! Du fragst mich gefälligst, wenn du irgendwohin willst und machst so einen Scheiß nicht noch mal! Haben wir uns verstanden?“

„Ja…“

„Na schön“, brummte er und gab ihr einen Klaps auf den kleinen festen Hintern. „Dann verzieh dich in die Küche, wo du hingehörst.“

Milch, Eier, Zucker und das verwünschte Mehl. Tanita gab sich die größte Mühe mit dem Pfannkuchenteig. Wenn Mick in so einer Stimmung war, konnte man ihn nur mit zwei Dingen wieder besänftigen: gutem Essen und Sex. Wobei sie sich bei der Reihenfolge manchmal nicht ganz sicher war.

Während sie die erste Portion Teig in die Pfanne goss, dachte sie daran, wie sie als kleines Mädchen immer in der Küche neben ihm gestanden und beim Kochen zugeschaut hatte. Für sie war er damals der beste Koch der Welt gewesen, vor allem deshalb, weil er Pfannkuchen in der Luft wenden konnte. Mit solchen Tricks war ein Kind natürlich leicht zu beeindrucken und sie hatte sich eifrig alle möglichen Arbeitsschritte von ihm abgeschaut, bis sie es eines Abends war, die das Essen auf den Tisch brachte. Nur das Pfannkuchenwenden klappte immer noch nicht richtig, also wurde mal wieder eher ein Kaiserschmarrn daraus.

Dann verzieh dich in die Küche, wo du hingehörst. Solche Sprüche meinte er zum Glück nicht ernst, aber trotzdem ärgerte sie sich irgendwie darüber. Sie taugte zu mehr als bloß zur Hausfrau. Schließlich hatte sie letztes Jahr ihr Abi gemacht, mit 1,6 sogar. Und was fing sie jetzt damit an? Sie hing Tag für Tag zu Hause rum und wartete darauf, dass Mick von der Arbeit kam. Toll.

Tanita schüttelte den Kopf. In letzter Zeit kamen ihr immer öfter solche Gedanken. Sie liebte Mick, sie mochte die Gespräche mit ihm, hatte Spaß am Sex und an ihren gemeinsamen Unternehmungen. Aber die meiste Zeit musste sie allein totschlagen — und putzen, kochen und lesen war ihr dann doch ein bisschen zu wenig.

Sie erinnerte sich an die Schulzeit. Seit Mick sie zu sich genommen hatte, war es selbstverständlich für sie gewesen, dass er sie morgens zur Schule brachte und nachmittags pünktlich bereit stand um sie wieder abzuholen. Verlässlich wie ein Uhrwerk, von der zweiten bis zur dreizehnten Klasse. Immer war er da, um auf sie aufzupassen. Dieses Beschützerverhalten wurde fast noch stärker, als sie kein Kind mehr war und sich ihr kumpelhaftes Verhältnis wandelte. Trotzdem, auch wenn sie in ihrer Freizeit keine Kontakte zu Mitschülern gepflegt hatte, war die Schulzeit interessanter gewesen als ihr jetziger Alltag. Die geistige Herausforderung fehlte ihr. Sie war ein Mensch, der Spaß am Lernen hatte — das wurde ihr erst jetzt so richtig bewusst — aber irgendwie hatte sie nie den richtigen Moment gefunden, Mick zu sagen, dass sie eine Ausbildung machen wollte. Oder noch besser, studieren! Warum nicht die Möglichkeiten nutzen, die sich ihr boten?

Tanita nahm die Pfanne vom Herd und lud die letzte Pfannkuchenruine auf den großen Teller um. „Ich sag ’s ihm“, nahm sie sich fest vor. „Heute noch, dann hab ich es hinter mir.“

Wenn Mick erst wieder gute Laune hatte, würde sie ihm schon klar machen, dass er ihr ruhig mehr zutrauen konnte.

Er saß im Wohnzimmer auf dem Sofa, die Füße auf dem Tisch und blätterte im Rolling Stone. Als sie mit dem Geschirr hereinkam um den Tisch zu decken, würdigte er sie keines Blickes, aber wenigstens nahm er die Füße runter.

Tanita holte das Essen aus der Küche, für Mick brachte sie sogar eine Flasche Bier mit. Er trank nur gelegentlich Alkohol, auch ihr zuliebe, weil sie es nicht besonders mochte, wenn er nicht mehr nüchtern war. Als sie ihm die Flasche hinstellte, zog er leicht die Augenbrauen hoch, sagte aber immer noch nichts.

Zufrieden stellte Tanita fest, dass ihr die Pfannkuchen gut gelungen waren. Verstohlen warf sie ihrem Gegenüber einen Blick zu. Der verzog keine Miene.

Wir werden ja sehen, dachte sie. Unauffällig öffnete sie einen Knopf ihrer Bluse, sodass sie Mick, je nachdem, wie weit sie sich vorbeugte, Einblick in ihr Dekolleté gewährte. Keinen zu tiefen, wohlgemerkt. Weniger war manchmal gerade in diesen Dingen mehr, das hatte sie schnell gelernt.

Es dauerte nicht lange, bis sie seinen Blick auf sich spürte, fast so verstohlen, wie sie ihn vorhin angeschaut hatte. Diesmal war sie es, die sich unbeteiligt gab. Gleichmütig aß sie weiter, nicht ohne ihn dabei ein bisschen zu ärgern, indem sie sich scheinbar zufällig ein Stück zurücklehnte, sodass es nichts mehr zu sehen gab. Als sie merkte, dass er wieder wegschaute, veränderte sie ihre Position erneut. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie er sich ein Grinsen verkniff. Natürlich hatte er gemerkt, was sie im Sinn hatte und ging auf das Spiel ein. Bis sie mit dem Essen fertig waren, knisterte die Luft zwischen ihnen regelrecht vor Spannung.

Beim Abräumen streifte Tanita leicht Micks Hand und sah, wie er eine Gänsehaut bekam.

Ihr Herzschlag beschleunigte sich, aber sie tat ungerührt und brachte das schmutzige Geschirr in die Küche. Sie hasste es zwar, wenn er sie so anfuhr wie vorhin, aber andererseits mochte sie es irgendwie auch, wenn er ein bisschen gereizt war. Das verlieh dem Ganzen ein gewisses… Prickeln.

Sie ließ Wasser in die Spüle laufen um die Teller einzuweichen, drehte sich um und fuhr zusammen, weil Mick plötzlich im Türrahmen lehnte. Seine grünen Augen funkelten, als er sie fragte: „Und was gibt ’s als Nachtisch?“

Allein dieser gewisse Unterton in seiner Stimme sorgte dafür, dass sie ein angenehmes Ziehen im Unterleib spürte.

Tanita warf ihre Haare zurück und stemmte die rechte Hand in die Hüfte. „Womit hättest du dir denn wohl einen Nachtisch verdient?“, gab sie mit einem spitzbübischen Lächeln zurück.

Er grinste nur. „Du freches Biest gehörst mal wieder übers Knie gelegt.“

Sie löste sich von der Spüle, schlenderte auf ihn zu und legte ihm die Arme um den Nacken.

„Nicht doch. Bist du immer noch sauer, Pa?“

Das war in Kindertagen oft ihr Spitzname für ihn gewesen, auch wenn er sich ihr gegenüber eher wie ein großer oder bester benahm. Schließlich war er nur gut fünfzehn Jahre älter als sie.

Mick fasste sie an der Hüfte und zog sie fest an sich. „Nenn mich noch mal so und ich mach ’s wirklich.“

Tanita küsste ihn nur und danach gab es nicht mehr viel zu sagen.

Eine ganze Weile später fühlte Mick sich so entspannt wie schon seit längerem nicht mehr. Tanitas Kinn ruhte auf seinem Kopf, ihre schmalen Finger kraulten sein dunkles Haar. Er hatte die Nase in der Grube an ihrem Schlüsselbein vergraben und sog tief den Duft ihrer schweißfeuchten Haut ein. So geliebt und vertraut, aber gerade deswegen immer wieder erregend. Allein das Wissen, dass dieses wunderbare Mädchen nur ihm gehörte, war mehr als Gold wert. Er stieß einen tiefen Seufzer aus, seine Augenlider senkten sich langsam. Heute war ein absolut ätzender Tag gewesen, er hatte fast nichts anderes getan als Autoreifen und Karosserieteile herumzuwuchten. Die letzten Stunden mit Tanita hatten ihn das zwar beinahe vergessen lassen, aber jetzt machte sich eine rechtschaffene Müdigkeit in seinem Körper breit.

„Mick?“ Ihre sanfte Stimme ließ ihn aus seinem Dämmerzustand aufschrecken.

„Hm?“

„Hältst du mich eigentlich für dumm?“

Schlagartig war er wieder hellwach. „Was?“

Tanita zupfte ihn leicht an den Haaren. „Anders ausgedrückt, glaubst du, dass ich noch zu etwas anderem gut bin außer zum Küchendienst?“

Er löste sich von ihr und sah ihr prüfend in die Augen. Sie erwiderte seinen Blick offen und ohne eine Miene zu verziehen. Anscheinend meinte sie die Frage ernst.

„Na hör mal“, sagte er ein bisschen spöttisch. „Seit wann nimmst du dir meine blöden Sprüche denn so zu Herzen? Natürlich hast du was auf dem Kasten, und zwar nicht zu knapp.“Sie drehte sich auf den Rücken und faltete die Hände über der Brust. „Na ja, seit letztem Jahr mach ich ja nicht besonders viel daraus.“

Ach, daher wehte der Wind. „Mit anderen Worten, dir ist langweilig.“

„Stimmt. Mick…“, sie wandte ihm wieder den Kopf zu, ihre Augen glänzten eigenartig.

„Los, raus damit“, forderte er sie ungeduldig auf. „Was willst du?“

„Studieren!“, platzte sie heraus und setzte fast lauernd hinzu: „Oder traust du mir das nicht zu?“

„Quatsch. Aber…“

„Was aber?“

Mick stützte sich auf den Ellenbogen und rieb sich die Stirn. Irgendwie kam er sich gerade überrumpelt vor. Und aus irgendeinem Grund wurde er das Gefühl nicht los, dass sie genau das beabsichtigt hatte.

„Wie stellst ’n du dir das vor?“

Jetzt klang sie spöttisch. „Na, wie wohl. Ich werd mich für ’nen Studiengang bewerben und wenn man mich annimmt, werde ich studieren.“

„Und wenn du hier an der Uni keinen Platz kriegst?“

Tanita zögerte und richtete den Blick wieder in Richtung Zimmerdecke. „Ich könnte mich ja auch an Unis anderswo bewerben…“

Er lachte auf. „Ja, sicher. Und ich werd in irgendeiner andern Stadt auch natürlich sofort ’nen Job finden.“

Sie biss sich auf die Lippe, schien mit sich zu ringen. „Na ja, du musst ja nicht… ich meine, ich könnte ja auch…“

Er ahnte, was sie sagen wollte. „Du könntest was?“ Unwillkürlich klang er gereizt. Heute hatte das Mädchen Talent dafür, ihn auf die Palme zu bringen.

„Ich…“ Unvermittelt warf sie sich herum und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Ich kann es ja auch einfach erst mal an unserer Uni probieren. Und wenn es nicht gleich klappt, dann… dann such ich mir hier halt einen Ausbildungsplatz. Ich möchte was Richtiges machen, Mick“, sagte sie fast bettelnd. „Was Ordentliches lernen und dann später einen guten Job haben, Geld verdienen… irgendwann können wir uns dann eine richtig schöne große Wohnung leisten!“

Mick musste grinsen. „Soll das heißen, du hast was gegen meine Bude? Na, von mir aus versuch dein Glück.“

Vor Begeisterung fiel Tanita ihm um den Hals und drückte ihm fast die Luft ab. Lachend ließ er sich zurück in die Kissen fallen und von ihr abküssen. Wenn ihr diese Sache so wichtig war, wäre es gemein von ihm, sie davon abzuhalten. Aber tief in einem versteckten Winkel seines Kopfes warnte ihn etwas, dass ihre heile Welt in Gefahr war.

***

„Nach dem Präpkurs hab ich irgendwie immer Hunger“, sagte der lange Blonde mit den modisch verwuschelten Haaren. Die anderen am Waschbecken lachten.

„Ich hab noch frischen Darm vom Regenwurm im Angebot, wenn du möchtest“, frotzelte Tanita und hielt ihm einladend ihre Wachsschale unter die Nase. Er tat so, als wolle er zugreifen.

„Hmm, mjammi. Macht sich gut als Beilage zu Spaghetti.“

„Bäh“, machte ein Mädchen neben ihm. „Du bist eklig, Magnus.“

Tanita schmunzelte und räumte ihr gesäubertes Präparierbesteck zusammen. Ein kurzer Blick auf die Uhr ließ sie ihr Tempo beim Einpacken beschleunigen. Sie hatten heute schon wieder zehn Minuten überzogen, verdammt. Was musste der Typ am Anfang auch immer so viel schwafeln, die Theorie hatten sie doch lang und breit in der Vorlesung gehabt.

Sie warf sich den Rucksack über die Schulter und verließ zügig den Raum.

„Hey.“

Der Blonde mit Appetit auf Wurmdarm. Magnus.

„Hey“, erwiderte sie und schenkte ihm ein flüchtiges Lächeln, ohne ihren Schritt zu verlangsamen. Er blieb an ihrer Seite.

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