Vor nunmehr achtzehn Jahren ist der erste Heftroman der postapokalyptischen Serie „Maddrax — Die dunkle Zukunft der Erde“ erschienen, die vorwiegend im Bahnhofsbuchhandel und inzwischen auf Ebook-Plattformen vertrieben wird. Der Inhalt der Serie liest sich wie ein wilder Genre-Cocktail aus Endzeit, Schwert und Magie-Fantasy (wobei es Zauberei in diesem Sinne nicht wirklich gibt), Sci-Fi und Horror-Elementen, die munterer Laune miteinander verschmolzen werden.
Ganz im Stile verschiedenster Vorbilder aus Film (Mad Max, Heavy Metal, Tank Girl, Planet der Affen usw.), TV (Xena, Time Tunnel usw.) Vorreiter-Literatur (Conan, John Carter of Mars, Storm usw.) und Videogames (Fallout, Borderlands usw), erblüht daraus ein vergnügliches Trash-Potpourri, welches (in den meisten Fällen) vorzüglich zu unterhalten weiß.
Da die Serie im zweiwöchentlichen Turnus herausgebracht wird (sowie noch einige ergänzende Taschenbuchausgaben und Subserien parallel publiziert wurden) beläuft sich die Handlung mittlerweile auf einen recht beachtlichen Zeitraum und ist deshalb in Zyklen unterteilt und strukturiert. Die vorliegende Story ist vom „Zeitsprung/Artefakt-Zyklus“ (Nr. 350-399) inspiriert und kann wohl am ehesten zwischen den Bänden 365 (genauer: 369) und 370 eingeordnet werden (sofern man auf derlei überhaupt möchte :-) ). Der Grund hierfür ist die besondere Figurenkonstellation des Handlungsabschnitts, samt emotionaler Reibungsflächen der Hauptprotagonisten, die ein ebenso durchtriebenes wie amüsantes Spiel ermöglichen.
Im Übrigen sollte erwähnt werden, dass diese Geschichte mit voller Absicht auf die Titelfigur Maddrax verzichtet und sich beinahe gänzlich dem zweiten Hauptcharakter der Serie widmet: Nämlich Aruula, der freien Kriegerin der Dreizehn Inseln, die meines Erachtens nach in vielen Phasen der Serie von den Autoren viel zu oft – und zu Unrecht – in den erzählerischen Schatten gestellt und geradezu stiefmütterlich konservativ behandelt wird, obwohl dies nicht zu der Charakteristika einer mutigen, klugen, selbstverantwortlich agierenden und leidenschaftlichen Frau passen will, die in ihren barbarischen Tugenden einem gewissen Cimmerier in nichts nachstehen sollte, insbesondere wenn man ihr überaus attraktives Äußere und ihre Wehrhaftigkeit bedenkt.
Da Aruula kühne, erotische Abenteuer in der Originalserie somit verwehrt sind (das steht wohl nur männlichen Helden zu und muss gleichsam auch der Fluch von etlichen Sidekick-Protas sein), mag sie ein solches zumindest nun hier einmal erleben. Hoffentlich genießt sie diese sinnliche, leicht verrückte, experimentelle Reise, genauso wie die Leserinnen und Leser, die einen Blick in diese dunkle, blutige, rostige, mutierte und heiße Zukunft wagen… (und die bitte nicht alles so bitterernst nehmen :-) )
(Außerdem bitte ich zu berücksichtigen, dass der Anfang der Story vorrangig der atmosphärischen Einführung in die Welt, der Figuren, sowie dem Storyaufbau dient und deshalb vorerst nur erotisch angehauchte Szenen beinhaltet. Sollten diesbezüglich bereits „größere Erwartungen“ an den Text gerichtet sein, bitte ich die eigene Enttäuschung nicht gleich in negativen Bewertungen zum Ausdruck zu bringen. Folgende Kapitel werden das Potenzial ausreizen. :-) )
Anmerkung: Die Inhalte dieser Geschichte sind ein reines Produkt der Fantasie. Das Copyright der Charaktere und einiger Handlungselemente liegen bei den entsprechenden Inhabern.
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Grober Handlungsumriss:
Am 8. Februar 2012 trifft der Komet „Christopher Floyd“ die Erde — in Wahrheit eine Arche Außerirdischer, der Daa’muren. Die Erdachse verschiebt sich und ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die Menschheit ist — bis auf die Bunkerbewohner — degeneriert. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, dessen Staffel beim Einschlag durch ein Zeitphänomen ins Jahr 2516 gerät. Nach dem Absturz wird er von einer Barbarin gerettet, die ihn „Maddrax“ nennt. Sie heißt Aruula und ist telepathisch begabt, zusammen mit ihr erkundet er diese – für ihn – so fremde Erde.
Was zuvor geschah:
Aus dem „zeitlosen Raum“, der Schnittstelle vieler Paralleluniversen, gelangt ein Archivar in unsere Zeit und Welt: Samugaar. Durch ein Gift-Serum macht er Aruula abhängig, die sich von Matt getrennt hatte. Sie treffen sich erst beim Endkampf gegen Samugaar im zeitlosen Raum wieder. Dort kommt es zur Katastrophe: Das Tor in unsere Welt kollabiert! Samugaar kann an der Flucht gehindert werden, doch etliche mächtige Artefakte, die er zusammengesucht hatte, werden über die ganze Erde verstreut.
Mit einem Scanner spüren Aruula und Matt die ersten davon auf und machen sie unschädlich. Doch die Gefahr ist längst nicht gebannt, viele weitere müssen noch lokalisiert und in Gewahrsam gebracht oder zerstört werden, da sie für Menschenhände nicht gemacht sind. Auch die Schwarzen Philosophen suchen die Artefakte, um mit ihrer Hilfe Agartha — eine der fortschrittlichsten Städte – unter ihre grausame Kontrolle zu bringen.
Das wollen Matt und seine Gefährten verhindern. Juefaan, der Sohn von Matts bestem Freund Rulfan und gewissermaßen eine Zeitlang ein Ziehsohn/Lehrling Aruulas, schließt sich ihnen vorübergehend an, um nach einem Heilmittel für seine Freundin zu suchen, die wegen den Extremisten der Schwarzen Philosophen mit dem Tode ringt.
Die Hinweise nach Artefakten mehren sich und so ist das kleine Team hin und wieder gezwungen sich aufteilen, um den Spuren nachzugehen…
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Aruula von den Dreizehn Inseln – Dunkle Zukunft der Erde
Die Tiefen von Ma’bellar – Teil 1
– 0 –
+++ Explorador Nueve überfliegt Sector H-11 +++
+++ Explorador Nueve scannt Sector H-11 +++
+++ Explorador Nueve registriert keine anormalen Signaturen +++
+++ Explorador Nueve wechselt zu Sector H-12 +++
+++ Explorador Nueve überfliegt Sector H-12 +++
+++ Explorador Nueve scannt H-12 +++
+++ Explorador Nueve registriert fünf Bioorganismen +++
+++ Explorador Nueve führt Detailscan durch +++
+++ Explorador Nueve identifiziert Bioorganismen als Mufflon, Datenbankeintrag 823656 +++
+++ Explorador Nueve stuft Mufflon als nicht gefährlich ein +++
+++ Explorador Nueve setzt Routine fort +++
+++ Explorador Nueve wechselt zu Sector H-13 +++
+++ Explorador Nueve überfliegt Sector H-13 +++
+++ Explorador Nueve scannt H-13 +++
+++ Explorador Nueve registriert keine anormalen Signaturen +++
+++ Explorador Nueve wechselt zu Sector G-13 +++
+++ Explorador Nueve überfliegt Sector G-13 +++
+++ Explorador Nueve scannt G-13 +++
+++ Explorador Nueve registriert zwei unbekannte Biopräsenzen +++
+++ Explorador Nueve führt Detailscan durch +++
+++ Explorador Nueve identifiziert Biopräsenzen als Mensch, Datenbankeintrag 1 — Top Priorität – +++
+++ Explorador Nueve sendet Ereignisprotokoll an HQ +++
+++ Explorador Nueve setzt Routineflug aus +++
+++ Explorador Nueve wechselt zu Modus Überwachung +++
+++ Explorador Nueve nähert sich Biopräsenzen Top-Priorität an +++
+++ Explorador Nueve hält Sicherheitsdistanz zu Biopräsenzen Top-Priorität +++
+++ Explorador Nueve verbleibt in Aktivreichweite +++
+++ Explorador Nueve wartet auf weitere Instruktionen +++
– 1 –
Die Sonne brannte heiß vom Himmel. Nur wenige weiße Wolkengebirge trieben durch das endlose Tiefblau. Das Land von Andah’luusa briet und trocknete unter der Macht des nachmittäglichen lodernden Tagesgestirns. Nicht einmal die unmittelbare Nähe zum Meer vermochte für kühle Winde zu sorgen.
„Was für eine Hitze! Es ist kaum auszuhalten… selbst die Snaakes verkriechen sich unter die Steine und das will schon was heißen!“, sagte Juefaan und wischte sich mit dem Handrücken über die schwitzige Stirn. Zerknirscht schaute er hinaus auf die sanft heranrollenden Wellen des türkisschimmernden Meeres, die knapp zwanzig Schritt entfernt an den Strand, der ehemals als Costa de Sol bekannten Küstenlinie, gespült wurden. Das Wasser wirkte unglaublich verlockend. Es versprach Abkühlung. Vielleicht konnte er seine Begleiterin davon überzeugen eine kleine Pause einzulegen. Sie waren schon seit Stunden rastlos unterwegs. Bislang war ihre Suche erfolglos verlaufen, dennoch forderten die körperlichen Strapazen allmählich ihren Tribut.
Juefaan wusste natürlich das ihre Mission absoluten Vorrang hatte und ihr Zeitfenster dürftig bemessen war, aber all der Eifer brachte schließlich nichts, wenn man sich zu Tode erschöpfte und dadurch erst recht nichts mehr zuwege kam. Matthew Drax, der Air Force Commander aus der Vergangenheit und prädestinierter Erdenretter, von den meisten Völkern der Erde des Jahres 2545 vereinfacht Maddrax genannt, hätte das vermutlich anders gesehen, aber zu seinem Glück, war der unfreiwillig in der Zukunft gelandete Pilot gegenwärtig nicht in der Nähe. Nicht einmal verfügbar. Drax befand sich mit ihrem Shuttle in Nord-Fraace, um dort der Spur eines Artefakts nachzujagen. Genau wie sie. Ihr Trio hatte sich teilen müssen, da es ihnen sonst möglich gewesen wäre, auf zwei Entdeckungen gleichzeitig zu reagieren. Matt war ihm ein guter Freund, war der Blutsbruder seines Vaters Rulfan von Coellen und hatte eine lange Liste an beeindruckenden Erlebnissen vorzuweisen, Juefaan hatte große Achtung vor ihm, aber manchmal war er in seiner Strebsamkeit sich in alles einmischen zu wollen, was den Lauf dieser postapokalyptischen Welt — wie er es bezeichnete — beeinträchtigte, ein wenig anstrengend.
Seine Gefährtin war ihm da erheblich lieber.
Nicht das sie sich nicht ebenfalls für etwas begeistern konnte — das konnte sie sehr gut – doch im Gegensatz zu Matt wägte sie Einsatz und Risiko wenigstens gegeneinander ab und überlegte vorher statt nachher, ob ein Eingreifen sinnvoller Art war oder eher Konsequenzen nach sich zog. Aber es war nicht nur ihr scharfer Verstand den er schätzte, sondern ihre gesamte Person. Sie war eine Kriegerin der Dreizehn Inseln, eine Frau aus dem Volk seiner leider verstorbenen Mutter. Er hatte diese starken Frauen immer schon bewundert. Und zu jener hier, durfte er ein ganz besonderes Verhältnis pflegen, hatte sie ihm doch in Kindheitstagen den Umgang mit dem Schwert beigebracht und auch sonst in manch schwieriger Lebenslage mit Rat beigestanden. Ja, sie war ganz anders wie Matthew. Er empfand auch ganz anders, wenn er sie ansah.
Juefaan hörte ein leises Schaben von einer Steinformation links von sich und im nächsten Augenblick fiel ein schlanker Schattenwurf auf ihn.
„Was ist mir dir? Dir ist heiß? Denkst du, mir etwa nicht? Ich bin eine Tochter des Nordens bei Wudan! Schnee und Eis würde ich dem hier um Einiges vorziehen!“, begegnete ihm eine weibliche Stimme mit festem und selbstbewusstem Klang. Keinen Zweifel, dass war sie; Aruula. Seine Gefährtin bei diesem Auftrag und Partnerin von Maddrax, obwohl deren Beziehung schon bessere Zeiten gehabt hatte, wie Juefaan anhand zahlreicher Sticheleien auf ihrer Reise meinte, festgestellt zu haben. Er blickte auf und beschirmte die Augen, um sie gegen das Sonnenlicht sehen zu können.
Der Anblick der Barbarin ließ seinen Mund noch trockner werden, als er es ohnehin schon war. Aruula war groß gewachsen und ihr Körper der einer Göttin. Einer Göttin des Krieges, aber auch der Liebe. Stolz und aufrecht stand sie da, sich ganz ihrer Selbst bewusst und ohne Scheu vor dem, was andere von ihr denken mochten. Unter ihrer wilden Mähne aus schwarzem Haar, blitzen zwei dunkelbraunen Augen, die vor Leben und Unternehmungslust nur so schwelten und die schon mehr Fantastisches und Schreckliches in ihren gut dreißig Jahren erblickt hatten, als manche Menschen während ihrer ganzen Daseinspanne. Sie lebte nach ihrem eigenen Ehrenkodex und scherte sich nicht sonderlich um die Zwänge und Regeln übrig gebliebener Zivilisationsgesellschaften. Nicht das sie absichtlich gegen diese verstieß, aber sie besaß wenig Feinsinn für diese Vorschriften, war sie doch ein Kind der Wandernden Völker, die eins mit der Natur waren und die kaum Verständnis für die sonderbaren Gesetze und Verhaltensweise der Techno-Enklaven hatten. Einschließlich deren Hang zur Prüderie.
Juefaan war sich ziemlich sicher, dass viele, sehr viele männliche Wesen — er eingeschlossen – äußerst dankbar für ihre Abneigung gegen zu viel Kleidung waren. Das hatte er auf Canduly Castle, seinem Heimatort und ihre Operationsbasis, oft genug beobachten können. Aruula verschmähte Bekleidung nicht grundsätzlich, wenn erforderlich staffierte sie sich je nach Wetterlage entsprechend aus, doch hinderte sie sie häufig beim kämpfen, da sie einen schnellen, auf Reflexe und Geschicklichkeit beruhenden Kampfstil bevorzugte. Außerdem betrachtete sie ihren Körper als Geschenk ihres Gottes Wudan, den sie preiste, indem sie ihre schönen, durchtrainierten Gliedmaße mit kunstvollen Linien aus Hennafarbe bemalte. Heilige Zeichnungen, die sie vor den Einflüssen des Dämons Orguudoo schützten. Juefaan war in einem „Hort des Wissens“ großgezogen worden, er konnte wissenschaftliche Erkenntnisse und Religion auseinanderhalten, aber er war schlau genug, sich nicht über fremde Glaubensvorstellungen lustig zu machen, er akzeptierte Aruulas Ansichten und ihren kulturellen Hintergrund.
Und warum auch nicht, wenn er sich derartig attraktiv präsentierte. Ihre langen Beine steckten in kniehohen Stiefeln aus Wildleder, um die schmale Hüften hatte sie einen Lendenschurz aus gegerbtem Ratzenfell geschlungen, der das Nötigste verbarg, ihr flacher Bauch war unbedeckt, ihre formvollendeten Brüsten wurden von einem Bustier aus Deerleder umspannt. Dazu trug sie einen Halbumhang aus grob gewebten Stoff mit Kapuze zum Schutz gegen die aggressiven Sonnenstrahlen. Der Griff ihres Bihänders ragte über ihre linke Schulter. Juefaan hatte ausgegeben zu verstehen, wie Aruula ihre Rückenkralle befestigte um ihre Schwerter zu transportieren.
„Juefaan? Alles okee? Hast du eine Fleege verschluckt oder hat dir ein böser Geist deine Stimme geklaut?“, fragte Aruula nach, als sie sein wortloses Starren bemerkte.
Oh nein, ein böser Geist hat damit absolut nichts zu tun!
„Ja, klar! Alles bestens! Entschuldige Aruula, ich stehe gerade wohl ein bisschen neben mir. Die Hitze macht mich ganz schön fertig. Sagte ich ja schon, ähm… was meinst du? Wäre es nicht mal an der Zeit für eine kleine Rast?“, schlug er vor und versuchte seine Gedanken in andere Bahnen zu lenken, fort von ihrer anmutigen, vom Sonnenlicht umschmeichelten Figur.
„An der Zeit wäre es, dem stimme ich zu, aber können wir uns das leisten?“, hob sie zweifelnd eine Hand in die Höhe und drehte sich der Ruinenstadt zu, die sich hinter ihr ausbreitete.
„Wir haben bisher lediglich den östlichen Teil dieser… Stadt erkundet und noch nicht einen Hinweis aufstöbern können, der uns verraten könnte, wo dieses Artefakt ist, das wir suchen! Ebensowenig haben wir Anzeichen von irgendwelchen Bewohnern gefunden!“, fasste sie die Nicht-Ergebnisse ihrer Reise bis dato zusammen.
„Ich weiß auch, dass es im Moment noch nicht allzu gut läuft, aber was nicht ist, ist nun mal nicht! Wir tun doch schon alles menschenmögliche, um die Gefahr die von diesen befremdlichen Artefakten aus der Domäne ausgeht, so gut wie wir es können, zu bannen, aber mehr ist einfach nicht drin! Ich weiß, dass dir die Sache sehr am Herzen liegt Aruula, doch wir müssen zwischendurch auch mal an uns denken, bevor wir einen Hitzeschlag kriegen oder dehydriert umkippen!“, appellierte Juefaan an den Vernunft der Kriegerin, die sich gerne über jegliche Belastungsgrenze hinweg, einer Herausforderung stellte.
Aruula schnaubte und sah anklagend in Richtung der Trümmerfelder und Hochhausgerippe, als könne sie der Unübersichtlichkeit der Ruinen, die Schuld für ihre Misere zuschieben.
„Du hast ja recht, Juefaan! Wir sind seid dem Morgengrauen auf den Beinen und haben uns nicht geschont. Eine kleine Rast wäre angebracht. Komm! Gehen wir noch ein Stück weiter landeinwärts, die Gebäude dort sind noch nicht vollends zerstört. Dort finden wir sicher Unterschlupf und Schatten!“, nickte sie schließlich und neigte ihren Oberkörper hinab, um ihm eine Hand zu reichen.
Juefaan lächelte sie an, froh über ihre Entscheidung und griff nach ihrer dargebotenen Hand. Ihr Zug war kräftig und während Aruula ihm behilflich war, die oberen Steine zu erklimmen, kam er ihr äußerst nah, wobei er nicht verhindert konnte einen Blick auf ihr ausladendes Dekolleté zu werfen, vor dem ihr Talisman pendelte und dass vor Schweiß entzückend glitzerte. Dann landete er auf den Füßen neben ihr und fühlte sich plötzlich schlecht. Was war nur los mit ihm? Hatte er Jaira vergessen?
Jaira McDuncan, seine beste Freundin, mit der er die Jugend durchlebt hatte und sämtliche Hochs und Tiefs ihres noch jungen Erwachsenenalters? Sie waren wie Pech und Schwefel gewesen, beinahe unzertrennlich. Sie waren nicht nur nebeneinander auf Canduly Castle aufgewachsen, nein, sie hatten auch gemeinsam die Geschichte der alten Welt gelernt, hatten Hobbys miteinander geteilt, technische Spielereien gebastelt und zusammen das Überleben in der feindlichen Umgebung trainiert. Bis zu jenem schicksalshaften Tag, als diese schwarzgewandeten, lautlosen Killer den Hort des Wissens angegriffen und den Tod über ihre friedliche Gemeinde gebracht hatten. Viele waren gestorben. Auch Myrial, seines Vaters Rulfan zweite Frau. Er und Jaira waren daraufhin auf Rache aus gewesen.
In ihrer jugendlichen Selbstüberschätzung nahmen sie es mit dem Roboter auf, der in Nachgestaltung von Aleister Crowleys einen Kult in Glesgo unterhielt. Er war einer von zahlreichen, überall auf der Welt installierten Robotern, die geheimen Herren dienten und bemüht waren, die Macht in unterschiedlichen Regionen an sich zu reißen. Er und Jaira hatten den Kult aus dem Untergrund heraus bekämpft, doch Jaira war von Crowley gefangen genommen, gefoltert und gebrochen worden. Mit Matt Drax und Aruulas Hilfe hatte Juefaan sie befreien können, aber Jaira war nicht mehr sie selbst gewesen. Crowley hatte ihr einen Hirnparasiten einsetzen lassen, der sie ihm hörig machte. Nur eine Gedankenlöschung, herbeigeführt durch ein Artefakt, dass er bei sich trug, konnte Jaira von der schädlichen Beeinflussung erlösen. Trotzdem war der Parasit noch in ihr.
Um ihretwillen befand er sich überhaupt auf dieser gewaltigen Odyssee, um ein Heilmittel für sie zu finden. Auch wenn es keinerlei Hoffnung gab, dass seine Freundin ihn am Ende wieder würde erkennen können. Also wieso die Vorwürfe? Er liebte Jaira, er würde sie immer lieben, aber die Aussichten waren denkbar schlecht, dass diese Liebe je würde erwidert werden. Musste er sich wirklich dafür maßregeln, dass er Aruulas optische Vorzüge bisweilen genoss?
„Juefaan! Träumst du? Beweg dich, ich dachte du wolltest aus der Hitze raus!“, rief die Kriegerin ihm fuchsig zu und riss ihn aus seinen schmerzenden Erinnerungen.
„Bin schon unterwegs!“, beeilte er sich zu antworten und bemerkte er jetzt, dass sie schon die andere Seite des Steinhaufens heruntergestiegen war. Rasch schloss er zu ihr auf.
„Geht’s dir wirklich gut? Du wirkst… abwesend!“, erkundigte sich Aruula, als er unten angelangt war.
„Sorry, ich hab… hab gerade nur an Jaira gedacht. Das überkommt mich manchmal einfach!“, erklärte er ihr wahrheitsgetreu.
„Verstehe“, sagte Aruula sanft und drückte ihm aufmunternd den Unterarm.
„Tut weh nicht wahr? Wenn Menschen leiden, die einem nahe stehen und man dazu verdammt ist, nichts tun zu können. Zumindest nicht so schnell, wie man es gerne möchte!“
Juefaan konnte nicht anders, als stumm zu nicken. Ihre ruhige Stimme war Balsam, ihre Berührung pure Linderung.
Aruula erkannte wohl, dass er darauf nichts zu sagen hatte, ihr Mitgefühl aber gut platziert und richtig gewesen war.
„Komm! Wir haben es nicht mehr weit. Schauen wir uns die Ruinen von Ma’bellar einmal an! Und mit einem Quäntchen Glück, stolpern wir auch über eine Spur, die uns weiterbringt!“, gab sie sich enthusiastisch und ging zielstrebig voran, ohne in ihrer natürlich angeborenen Wachsamkeit nachzulassen.