Das Boxspringbett war wirklich unheimlich bequem und kuschelig. Es lag aber auch an der feinen Bettwäsche, die sich ganz zart und glatt an Marions nackte Haut schmiegte. Und natürlich an Roxys Traumkörper, den sie ganz eng an sich gekuschelt fühlte.
Tiefenentspannt und überglücklich lag Marion auf dem Rücken, eine Hand unter dem Hinterkopf, die andere Hand in Roxys Lockenmähne, um sie liebevoll zu kraulen. Deren regelmäßiger Atem verriet, dass sie eingeschlafen war.
Marion dachte an die völlig ausgelassenen Stunden zurück, die sie beide hier in der Suite verbracht hatten. Ungläubig schüttelte sie leicht den Kopf darüber, wie unheimlich schön und befreiend es gewesen war, sich von ihrer verrückten Geliebten zu diesen Eskapaden verführen zu lassen.
Eskapaden. Was für ein merkwürdiges Wort. Im Englischen bedeutet es entkommen oder flüchten. War der hemmungslose Sex mit Roxy tatsächlich eine Flucht vor dem Alltag? Vor all den Konventionen und Erwartungen? Dem was die Gesellschaft als anständig bezeichnete? Machte es deshalb so viel Spaß, weil sie ganz bewusst gegen all diesen Anstand verstießen?
Aber bedeutete das Wort Eskapade wirklich Flucht? Das würde doch auch bedeuten, dass der Alltag mit all seinen Regeln unerträglich wäre, und sie ihn für immer hinter sich lassen wollte. Das war aber nicht der Fall. Sie kam immer wieder gern zurück in ihr „anständiges“ Leben, nachdem ihr Sexhunger durch diese befreienden Höhepunkte gestillt wurde. Und genoss einfach nur das Leben, das sie nun hatte. Nachdem sie sich in diese faszinierende junge Frau verliebt hatte.
Ja, es war nur ein vorübergehendes Entkommen. Sie und Roxy überschritten Hand in Hand die Grenzen des Anstands. Und all das, was sie dort taten, im Land ganz ohne begrenzende Tabus, das war ihr beider Geheimnis. Dort waren sie zusammen unanständig. Schweinchen Babe und Miss Piggy. Ihre Alter Egos ließen sie zurück, aber die gemeinsamen Erinnerungen an ihre hemmungslosen Eskapaden nahmen sie mit hierher in die anständige Welt. Hier bildeten sie das Band, das sie beide aneinanderfesselte und ihre Liebe zu so etwas Außergewöhnlichem machte.
Nein, sie flüchteten nicht vor dem wahren Leben. Denn dieses war wunderschön zu zweit. Es war vielmehr eine andere Dimension ihrer Liebe. Eine Dimension voller Leidenschaft und Sex. Faszinierend und schmutzig. Grenzenlos versaut und wundervoll befreiend.
Marion musste innerlich auflachen, als sie sich an ihre Pippilotta erinnerte. Pipi unter der Dusche. Was für eine verrückte, kleine Hexe! Pippi Langstrumpf für Erwachsene eben. Gegen alle Regeln und doch von allen heimlich bewundert.
Hier wie dort nahm sie kein Blatt vor den Mund. Redete und fluchte so herrlich schmutzig. Interessanterweise meist auf Englisch. Wieso eigentlich? Weil sich ihre Aussagen dann nicht ganz so schockierend anhörten? Für einen Moment verkrampften sich Marions Bauchmuskeln, als sie realisierte, dass sie Roxys Dirty Talk völlig ungeniert ins Deutsche übersetzt hatte…
Und wenn schon, Roxy schien es zu gefallen. Und Marion gefiel es auch. Es machte sie unheimlich scharf, so versaut zu reden. Sich ihre Geilheit einfach vom dem Leib zu schreien war so wundervoll befreiend. Und all die schmutzigen Dinge nicht nur zu sagen, sondern sie auch zu tun!
Es war kein Bisschen falsch, was sie beide da taten. Sie konnten alles tun, solange es beiden gefiel, und sich hinterher alles wieder in Ordnung bringen ließ. So wie sie den Parkettboden ganz einfach mit einem nassen Badetuch von den klebrigen Flecken befreiten. Ihre durchtränkten Klamotten hatten sie ausgewaschen und zum Trocknen auf Kleiderbügel gehängt. Marion würde die Sachen dann zuhause in die Maschine stecken.
Na ja, ob ihre Seidenbluse jemals wieder ganz sauber werden würde, da war sie sich nicht sicher. Aber wenn schon. Das Teil wäre doch ersetzbar. Den Spaß war die Bluse allemal wert. Die Strumpfhose wiederum war definitiv hinüber. Na und? Sie hatte doch genügend Bürooutfits in ihrem Schrank.
Jetzt schweiften ihre Gedanken hin zu ihrer unmittelbar bevorstehenden Karriere als Chefstrategin und Vorstandsmitglied. Roxy hatte sich wie verrückt für sie gefreut. Auch Roxy würde sie vorbehaltlos unterstützen. Mit Doro im Beruf und Roxy im Privaten hatte sie den vollkommensten Rückhalt für all die Herausforderungen, die da noch auf sie zukommen sollten. Sie war sich jetzt sicher. Sie nahm das Angebot an. Und würde es allen zeigen!
Innerlich gestärkt drückte sie ihrer Roxy dankbar einen dicken Kuss in ihre Löwenmähne. Die Süße wurde davon wach und räkelte sich.
„Hi, mein kleiner Schatz! Gut geschlafen?“
„Hmm… War ich lange weg?“
„Nö. Halbe Stunde vielleicht.“
Roxy schaute sich noch etwas benommen um. „Wie spät isses denn?“ kam es unter leichtem Gähnen von ihr.
„So um die sechs Uhr schätz ich mal.“ Es war seit circa einer Stunde schon dunkel.
„Na, dann wird’s wohl nichts mehr mit dem Einkaufsbummel…“
„Ja, schade. Aber dafür hatten wir ja was viel Schöneres erlebt, hm?“
Roxy grinste schelmisch. „Oh ja und wie, meine heiße Miss Piggy!“
„Ach, ich dachte ich wäre deine verklemmte Frau Doktor Spießburger?“ provozierte Marion die kleine Hexe.
„Schon. Aber dahinter versteckt sich die hemmungsloseste Zofe, von der ich bisher nicht mal zu träumen gewagt habe!“ sprach die Meisterin und packte Marion völlig ungeniert in den Schritt.
Marions Ohrläppchen wurden schlagartig ganz heiß vor Freude und Verlegenheit. Während Roxy sie freudig anstrahlte, wurde Marion ganz ernst.
„Roxy-Schatz, ich…“ suchte sie noch nach den richtigen Worten „… das ist so schön mit dir. Ich will nicht spießig sein. Ich will dir alles geben, was du willst. Bitte sag’s mir deutlich, wenn ich dir zu spießig bin…“
Roxy hatte ihr aufmerksam zugehört und nahm nun wieder die Hand aus Marions Schritt um stattdessen zärtlich ihr Gesicht zu streicheln.
„Mari-Schatz, du bist lieb. Und du bist kein Bisschen spießig. Ich will dich doch nur reizen. Auch das mit der Zofe meine ich nicht ernst. Im Gegenteil. Ich erfülle dir jederzeit jeden noch so unanständigen Wusch, okay?“
„Okay“ gab Marion unter einem verständigen Nicken zurück und fasste nach Roxys hübschen Gesicht, um ihre Lippen zu ihren zu führen. Ein langer, zärtlicher Kuss besiegelte ihre abermalige Absprache in Punkto vollendeter gegenseitiger sexueller Hingabe.
Schließlich war es Roxy, die den Kuss langsam löste, indem sie Marion subtil auf die Schulter tippte.
„So, und jetzt unternehmen wir noch was. Was meinst du?“
Marion war etwas überrumpelt. „Äh, du meinst… ausgehen?“
„Gern. Ich hab Hunger. Wie wär’s mit einem kleinen Happen in meinem Stamm-Bistro? Da können wir auch ein bisschen feiern. Mit guter Musik und netten Leuten. Man kann dort auch tanzen. Okay?“ munterte Roxy ihre noch etwas unentschlossene Geliebte auf.
„Hört sich schön an. Aber dann muss ich erstmal noch heim und was Passendes anziehen. Mit meinem Businessoutfit fühl ich mich da fehl am Platz. Und außerdem ist das ja noch ganz nass…“
„Schatzi, ich hab doch Sachen von dir da. Ich hatte mir doch schon zweimal Klamotten von dir ausgeliehen. Weißt du nicht mehr?“
„Ja klar, hab ich gerade nicht dran gedacht. Was hast’n da?“
„Jeans, das blaue Sweatshirt und das Baumfällerhemd.“
Marions Zahnrädchen ratterten, als sie die Sachen in Gedanken zusammenstellte.
„Ja, Jeans und das Flanellhemd passen zum Mantel und den Schuhen. Fehlt nur Unterwäsche und ne Strumpfhose.“
„Kannste von mir haben. Mit nem BH wird’s allerdings etwas schwierig“ grinste Roxy und glotzte demonstrativ auf Marions große Brüste, während sie ihre eigenen mit beiden Handflächen abdeckte und vergeblich versuchte, die kleinen, festen Halbkugeln zum Schwingen zu bringen.
Marion grinste mit. „Wird schon mal ohne gehen“ murmelte sie nachdenklich, bemüht sich zu erinnern, wann sie sich zuletzt ohne BH unter Leute gewagt hatte.
„Na dann los“ rief Roxy unternehmungslustig, sprang aus dem Bett und stand auch gleich vorm offenen Kleiderschrank.
Marion rollte sich auf die Seite, um den Wirbelwind zu beobachten, wie sie das sorgfältig über einen Bügel drapierte Baumfällerhemd außen am Schrank aufhängte, um dann nach Marions Jeans zu greifen. Nachdem sie diese ordentlich auf dem Bett abgelegt hatte, zog sie noch eine original verpackte, hautfarbene Nylonstrumpfhose aus einer Schrankschublade.
Schließlich öffnete sie noch eine weitere Schublade, wühlte etwas darin und zog einen Sportslip heraus. In grau mit breitem, elastischem Bund, fast so wie Marion sie auch trug.
„Ist die okay für dich?“ fragte sie während sie Marion das Textil mit beiden Daumen und Zeigefingern angefasst unter die Augen hielt.
„Ja, eigentlich schon…“ entgegnete die Businessfrau etwas enttäuscht. „…aber könnte ich vielleicht etwas Verführerischeres haben? Weißt du, ich hab da jemanden kennen gelernt…“ fügte sie grinsend hinzu.
Roxy grinste mit. „Logo. Dann such dir doch was aus.“ Mit beiden Händen griff die Kleine in die Schublade und beförderte all ihre sexy Slips auf das Hotelbett. Marion sprang begeistert auf die Knie und fing sogleich an, interessiert in dem anregenden Wäschehäufchen zu stöbern.
Da waren die schon bekannten, knappen Tangaslips, in verschiedenen Farben. Fasziniert hob sie einen hoch und schaute auf das knappe Dreieck, das sonst nur noch drei kleine Schnüre zu bieten hatte. Leicht kopfschüttelnd legte sie es weg. Sie hatte so etwas noch nie getragen und konnte sich vorstellen, dass das ungewohnte Gefühl zwischen den Pobacken sie etwas verunsichern könnte. Zumal sie auch ohne BH unterwegs sein würde.
Ihr Blick fiel dann auf ein Höschen, das die Pobacken wohl zur Hälfte bedecken würde. Es war weiß, hatte aber einen knallroten Rand und war mit Manga-Figuren bedruckt. Interessiert hob sie es hoch, um es zu betrachten. „Süß“ stellte sie fest, und grinste Roxy an, die lachend zurücknickte.
„Meinst du, das wäre was für mich?“ fragte Marion ihre junge Geliebte.
„Ist ziemlich verspielt. Aber probiere es halt man an“ gab diese aufmunternd zurück.
Leicht zitternd vor Aufregung ob der ungewohnten Modenschau stand Marion auf und schlüpfte in das süße Stück Stoff. Sie hatte etwas Mühe, das knappe Ding über ihren trainierten Hintern zu ziehen. Aber es saß recht gut. Dann stellte sie sich vor den großen Wandspiegel und drehte sich vor ihm, um sich von allen Seiten zu betrachten.
„Sitz gut“ stellte Marion fest. „Findest du es sexy an mir, Liebes?“
„Auf jeden Fall! Hey, Mari-Baby, du könntest auch einen Kartoffelsack tragen, und würdest sexy aussehen.“
„Ach komm Roxy, jetzt im Ernst. Soll ich bei dem bleiben? Oder vielleicht das neckische Rüschchenteil noch probier’n?“
„Mari-Schatz, ich meine es Ernst. Aber probier ruhig alle durch. Ich könnte dir stundenlang dabei zuseh’n.“
„Hey du Schlingel“ lachte Marion. „Du bist mir aber keine große Hilfe.“
„Ich weiß. Aber du brauchst auch keine Hilfe. Du musst dich damit wohl und sexy fühlen. Dann finden es auch alle anderen sexy“ entgegnete Roxy ziemlich ernst und bestimmt.
Jetzt wurde Marion ein wenig unsicher. Sie dachte eigentlich, dass Roxy als Erotikmodel die absolute Expertin in Sachen Reizwäsche sein müsste. War das denn ihr ganzes Geheimnis? Dass man sich einfach nur selbst sexy finden musste? Entsprechend verunsichert gab sie zurück:
„Ja… verstehe. Aber… woran erkenn ich denn, ob ich sexy bin…?“
„Ach Mensch Marion!“ rief Roxy jetzt ziemlich verärgert und hob beide Arme, um sie resigniert wieder fallen zu lassen. „Brauchst du jetzt etwa ne Checkliste oder ne Formel, oder was? Echt jetzt!“
Augenblicklich verkrampfte sich Marions Magen. So aufgebracht hatte sie Roxy bisher nur einmal erlebt. Mit großen Augen schaute sie ihre junge Geliebte an.
Roxy funkelte zurück wie die Grundschullehrerin, die ihre Schülerin beim Abschreiben erwischt hatte. Marion musste hart schlucken.
Offensichtlich erkannte die junge Frau, dass sie überreagiert hatte, denn ihr Blick wurde jetzt ganz weich.
„T’schuldige, Mari-Schatz…“ Sie nahm Marions Hände und fuhr sanft fort: „…das war jetzt scheiße von mir. Aber manchmal komm ich nicht klar mit deiner extrem verkopften Art, die Dinge anzugehen.“
„Wie…wie meinst du das denn jetzt?“ fragte sie mit Flüsterstimme.
„Schau, Liebes… es gibt nun mal auch Dinge im Leben, die nicht mit objektiven Kriterien zu fassen sind. Mensch, das ist doch deine ganz eigene, rein subjektive Einschätzung, wie sexy du dich gerade fühlst.“ Roxy schaute ihr ganz fest in die Augen, als ob sie darin lesen konnte, ob ihre Geliebte den Gedanken verstand.
„Ja klar, schon. Aber… ich meine… es muss doch eine Vorstellung davon geben, was man so im Allgemeinen als ‚sexy‘ bezeichnet. Oder nicht?“
Roxys Blick nahm einen etwas melancholischen Glanz an, bevor sie die Gegenfrage stellte:
„Okay, mal angenommen es wäre so. Wie würdest du den Begriff sexy dann definieren?“
Marion kam sich vor wie in der Biologie-Abschlussprüfung am Gymnasium.
„Ähm… keine Ahnung… dass man sich von jemandem… oder etwas…erotisiert fühlt…?“
„Erotisiert. Genau Frau Doktor Spießburger.“ Roxys Stimme triefte vor Ironie. „Geht’s vielleicht etwas weniger wissenschaftlich?“ Die starke junge Persönlichkeit schaute ihre reifere Freundin provozierend an.
Marion hatte eine trockene Kehle und musste schlucken. Es ließ ihr gleichzeitig Gelegenheit, sich die Worte zu recht zu legen: „Na ja… man bekommt davon Lust auf …Sex…?“
„Exaktement“ sprach Roxy in perfektem Französisch. „Und jetzt guck noch mal in den Spiegel“ forderte sie ihre Schülerin auf, ließ ihre Hände los und trat zwei Schritte zurück.
Marion versuchte ihre Gedanken zu ordnen, während sie sich langsam zum Spiegel hindrehte. Ihr Blick fiel konzentriert auf das knappe Höschen an ihrem sonst ganz nackten Körper. So sehr sie es jetzt auch noch mal von allen Seiten betrachtete, sie fühlte nichts. Also keine plötzlich aufkeimende Lust. Aber auch nichts Gegenteiliges. Da war einfach eine Wand. Achselzuckend schaute sie zu Roxy.
Diese schaute warmherzig zurück, kam wieder auf sie zu und nahm erneut ihre Hände. „Liebes, sag mal, was bedeutet dir eigentlich dein Körper?“
„Was mir mein Körper bedeutet? Weiß nicht, worauf willst du hinaus?“
„Das brauchst du nicht wissen. Versuche einfach, meine Frage zu beantworten. Was bedeutet dir dein Körper?“
Marion begann zu grübeln, sagte dann aber gleich das erste, das ihr einfiel.
„Na ja, ich muss auf ihn achten, damit ich gesund und leistungsfähig bleibe…“
„Ja, du bist wahnsinnig diszipliniert, was Sport und Ernährung angeht. Aber ganz ehrlich, würdest du das Ziel, gesund und leistungsfähig zu bleiben, nicht auch mit dem halben Aufwand genauso gut erreichen?“
„Wahrscheinlich schon, da hast du Recht. Hm, vielleicht ist es mir wichtig, auf andere besonders leistungsfähig und attraktiv zu wirken?“
„Genau, und deshalb schließt du dich in deiner Designerwohnung ein und lässt niemanden an dich ran“ kam es jetzt wieder ziemlich ironisch zurück.
Roxy hatte Recht. Vor ihr gab es niemanden, für den sie das hätte tun wollen.
„Aber jetzt gibt es ja dich“ grinste Marion ihre junge Geliebte an.
„Jetzt nicht ablenken“ gab sie nur ernst zurück. „Hm, sag. Warum achtest du so auf deinen Körper?
„Ähm. Der Sport macht mir Spaß. Es tut mir gut. Es tut mir gut zu wissen, dass ich alles für meinen Körper gebe.“
„Supi, Schatz. Du bist auf dem richtigen Weg. Aber warum tut dir das gut?“
Marion grübelte angestrengt. Tausend Gedanken schossen ihr durch den Kopf, aber keiner wollte so richtig passen. Roxy wartete geduldig. Doch Marion spürte, dass sie jetzt und hier nicht weiterkam. Resigniert zuckte sie mit den Schultern.
„Ist es vielleicht, weil du dich und deinen Körper liebst?“ schlug Roxy vor.
Marion war perplex. Man konnte andere Menschen lieben. Deren Körper attraktiv finden. Aber sich selbst lieben? Das taten doch nur Narzissten. Das war egoistisch, unsozial, falsch. Aber sie wollte immer alles richtig machen. Sie schaute Roxy mit gerunzelter Stirn an.
Diese machte nun einen Schritt hinter sie, legte eine Hand auf Marions Hüfte und schaute ihrer Geliebten durch den Spiegel in die Augen, während sie mit der nächsten Frage in die richtige Richtung führte:
„Wie oft und wie lange betrachtest du dich im Spiegel, hm?“ Ihre freie Hand strich sanft über Marions nackten Arm und hinterließ ein wohliges Gänsehautgefühl. Die Frage wiederum konnte sie schnell beantworten:
„Na beim Schminken und beim Anziehen halt…“
„Und wenn du nackt bist?“
Marion musste schlucken. Da hatte Roxy wohl einen wunden Punkt getroffen. Verunsichert gab sie zurück:
„Äh… nein. Normalerweise nicht. Ich meine, ich weiß ja, wie ich aussehe…“
„Wirklich? Woher weißt du, wie du aussiehst, wenn du dich nie nackt im Spiegel anschaust, hm?“
„Na… weil…“ Wieder kein passender Gedanke.
„Glaubst du, dein Körper ist es nicht wert, betrachtet zu werden? Mit Blicken bewundert und gestreichelt zu werden?“
Wieder ein Schlucken. Sie war zu keiner Antwort fähig. Roxys Fingerspitzen erzeugten immer noch wohlige Schauer an jeder Stelle ihres Körpers, denn sie berührte.
„Schau dich an. Deine wunderschönen Augen.“
Es fiel ihr schwer, aber sie tat, wie ihr geheißen wurde. Sie sah Verunsicherung in ihrem Blick.
„Schau auf deine hübsche Nase. Deine sinnlichen Lippen. Dein perfektes Gesicht.“ Roxy strich ihr über die Wange. „Sind sie es wert, bewundert zu werden? Gestreichelt zu werden? Geküsst zu werden?“
„Ja“ hauchte Marion noch unsicher.
Roxys Fingerkuppen strichen an Marions Hals hinab, zwischen den festen Brüsten hindurch zu ihrem flachen Waschbrettbauch. Marions Blicke folgten wie magisch angezogen.
„Deine Haut. Wie fühlt sie sich an? Berühr dich!“
Zitternd hob Marion die Hand und folgte der Spur, die Roxys Fingerkuppen vorgezeichnet hatten. Ihre Berührung elektrisierte sie förmlich.
„Wie fühlt sich deine Haut an?“ fragte Roxy noch einmal und schaute sie erwartungsvoll durch den Spiegel an.
„Sie fühlt sich zart an…“ flüsterte Marion.
„Ist sie es wert, gestreichelt zu werden? Zieht sie Liebkosungen an?“
„Ja, das tut sie“ flüsterte Marion zurück, ergriffen von der Situation, und der Gewissheit, dass sie langsam wieder Zugang fand. Zugang zu ihrem Aussehen. Ihrem Körper. Er war ihr all die Jahre fremd. Er war lange Zeit nicht gesund. Zu dick. Nicht begehrenswert. Auch nicht für ihren Ehemann. Er war abstoßend. Und sie hatte all die Jahre Angst er könnte es weiterhin sein. Nicht attraktiv genug. Es nicht wert, begehrt zu werden.
Doch Roxy zeigte ihr schon die ganze Zeit, dass er es wert war. Wie konnte sie nur so blind sein? Tränen der Freude und der Scham kamen in ihr auf. Sie drehte sich schnell zu Roxy um und fiel ihr in die Arme, um hemmungslos loszuheulen.
Ihre hochsensible Freundin wiegte sie sanft, strich ihr über das Haar und flüsterte beruhigende Worte. So bekam Marion langsam wieder ihre Gefühle unter Kontrolle. Sie nahm ihr verheultes Gesicht von Roxys Schulter, wischte sich mit dem Handrücken die Tränen ab und schniefte:
„Tschuldige Liebling. Ich war so blöd.“
„Quatsch. Alles ist in Ordnung. Ich weiß, wie du dich fühlst. Ich war als Mädchen eine ziemlich graue Maus. Und fragte mich immer, was Lara anziehend an mir finden sollte. Ich konnte ihre Zärtlichkeiten gar nicht richtig genießen, weil ich mir immer wieder einredete, sie mache das nur mir zuliebe. Und nicht, weil sie meinen Körper begehrte.“
Einmal mehr überkam Marion ein überwältigendes Gefühl von Bewunderung für Roxy. Sie beschrieb genau die Gedanken, die ihr auch immer wieder durch den Kopf schossen, ohne dass sie sie so richtig greifen konnte. Verständig nickte sie, bevor sie Roxy eine Frage stellte, deren Antwort sie eigentlich schon kannte.
„Und sie hat dir dann aber gezeigt, wie begehrenswert du wirklich bist?“
Roxy schaute nun ins Leere, als ob sie sich die Vergangenheit noch mal vor Augen führen würde.