Denysis strich mit ihren Händen über meine Brüste, formte die Wölbungen nach und wanderte zwischen meine Beine. Mein Stöhnen war ein Seufzer der Verzweiflung.
Ihre Zunge verwöhnte mich an meiner empfindlichsten Stelle, aber ich konnte es nicht genießen. Ich malte mir aus, dass eine Entscheidung, egal welcher Art, mein Ende bedeutete. Weder Tim noch Denysis würden eine Absage akzeptieren.
„Bitte lasse mich alleine, ich kann mich dir heute nicht hingeben“, flüsterte ich und wurde verstanden.
Diese Nacht verbrachte ich allein und überlegte wie es weitergehen sollte. Meine Gedanken drehten sich im Kreis. Ich fand keine Lösung.
Als ich erwachte, fühlte ich mich nicht besser. Verdrängung war der einzige Ausweg, der mir zumindest kurzzeitig sinnvoll erschien.
Als sich Tim anschlich und kuscheln wollte, begrüßte ich ihn mit einem Lächeln.
„Warum hast du mich heute Nacht alleine gelassen?“, fragte er gespielt vorwurfsvoll.
Ich beschloss, ihm nichts über den Magier und Denysis Pläne zu erzählen.
„Ich wollte ein bisschen alleine sein. Jetzt bin ich froh, dass du bei mir bist.“
Tim grinste, nahm mich und warf mich im hohen Bogen in die Mitte der Höhle. Reflexartig landete ich sanft auf dem Boden und sprang hinter einen Turm aus Holzkisten. Der Drache rannte in meine Richtung und versuchte mich zu fangen.
Da Tim das Spiel in seiner menschlichen Gestalt spielte, hatte er keine Chance. Dank der Bänder der Sempia war ich flink und schnell, selbst fliegende Teppiche oder Hexenbesen halfen ihm nicht. Das Spiel hätte den ganzen Tag gehen können, aber ich ließ mich nach einiger Zeit fangen. Lachend umklammerte er mich und riss mich zu Boden. Wie ein hungriger Tiger fiel er über mich her und knetete meine Brüste. Ich wandte mich geschickt aus seiner Umklammerung und versuchte seinen rasch anschwellenden Pfahl zu erreichen.
Durch einen Furcht erregenden Schrei erstarrten wir in unserem Spiel. Noch nie sah ich Angst in Tims Augen, aber nun stierte er erschrocken den Höhlenschacht empor. Seine Ergriffenheit ließ mich zweifeln. Welche Hoffnung gab es, wenn Tims Mut wankte?
Ein roter Drache segelte mit gespreizten Flügeln zu uns herab und im selben Moment huschte Denysis zu uns. Sie ging vor Tim auf die Knie.
„Bitte Tim lass mich Schalina mitnehmen, ich werde sie beschützen und zurückbringen, wenn du das überlebst.“
Aus Tims Augen sprühte der blanke Hass.
„Ich werde dich nicht mit Schalina ziehen lassen. Du wirst sie nie zurückbringen, alles was du dir nimmst, nimmst du für immer.“
Der Streit um mich war ihnen wichtiger als die unmittelbare Bedrohung durch den roten Drachen. Ich schaute nach oben und blickte in das gewaltige rote Maul. Eine purpurne Feuersäule schoss auf uns zu. Instinktiv klammerte ich mich an Tim und aktivierte den Schutzring, den er mir geschenkt hatte.
Ein gleißendes Licht umgab uns bevor wir in einem Flammenmeer untertauchten. Feuer um uns herum und Denysis war nicht bei mir. Dort wo sie zuletzt kniete, zerflossen Silbermünzen wie Wachs.
Ohne Unterlass schleuderte der rote Drache seine todbringende Magie gegen unsere Schutzhülle. Feuer und Blitze hüllten unsere Kugel ein.
Tim blickte mich fassungslos an.
„Warum hast du das getan? Ich bin in der Schutzhülle gefangen und kann nicht gegen Sethika kämpfen.“
Beschämt blickte ich zu Boden.
„Wir sind doch in Sicherheit, uns kann nichts passieren.“
Tim wurde wütend.
„Dieser Schutz hält nicht ewig und wenn die Kugel verschwindet, wirst du im Feuer verbrennen. Selbst wenn ich sofort zum Gegenangriff übergehe, kann ich nicht garantieren, dass wir dies überleben.«
»Wenn rotes Feuer lodert muss die Feder fliegen — folge ihr, aber sei wachsam«, schallte die Stimme des Magiers durch meinen Kopf. Tränen flossen durch meine geschlossenen Lider.
Ich warf mich um Tims Hals, die Tränen verschleierten meinen Blick.
„Ich wusste nicht was passiert, wenn ich den Ring benutze, ich weiß doch so wenig von deiner Welt und der Magie. Lass uns die verbleibende Zeit nicht im Streit verbringen.“
Obwohl Tim noch Zornesfalten auf der Stirn hatte, nahm er mich tröstend in die Arme und wiegte mich sanft zur Beruhigung.
„Wie viel Zeit wird uns noch bleiben?“, fragte ich schuldbewusst.
Tim schwieg und sah hilflos zu wie sein Hort vernichtet wurde.
Der rote Drache zerstörte mit Genuss. Was brennen konnte wurde zu Asche und Münzen schmolzen zu Strömen aus flüssigem Metall. Unsere magische Schutzhülle war eine Blase des Lebens in einem Meer aus Feuer. Schuldgefühle mischten sich unter meine Angst und gewannen die Oberhand. Alles was Tim in seinem langen Leben erworben und erbeutet hatte, wurde wegen meines unüberlegten Handelns vernichtet. Blind vor Tränen und Verzweiflung schmiegte ich mich an ihn, wollte ihn trösten und um Verzeihung bitten.
Ich streichelte seinen Rücken, fühlte die Muskeln unter dem glänzenden Schweißfilm und hoffte, seine Wut würde sich nicht auf mich entladen. Hingebungsvoll versuchte ich ihn zu besänftigen, wollte ihn spüren lassen, dass sein größter Schatz ganz nah bei ihm war.
Zu meiner Überraschung packte er mich sanft an der Hüfte und zog meinen Unterleib näher an seinen. Nach einem leidenschaftlichen Kuss, sprach er.
„Die größte Verzweiflung birgt den Keim der Leidenschaft. Jetzt wo alles verloren ist, will ich dich noch ein letztes Mal spüren.“
„Nicht zum letzten Mal, sag das nicht!“
„Dann gibt dich mir hin, auf dass ich die Kraft habe Sethika zu besiegen.“
Berauscht presste ich meine Lippen auf seinen Mund, als ein weiterer Feuersturm über unsere Schutzhülle tobte. Im Inneren der Kugel wurde es drückend heiß. Tim griff nach meiner Brust und mich durchströmte eine Hitzewelle die nicht von außen kam, mein Körper glühte von innen heraus.
Ich presste mich an ihn, umschlang seine Lenden mit meinen Beinen und forderte mehr. Routiniert drang Tims Pfahl in mich ein. Als ich dachte, mein Leib müsse zerreißen, hob er mich an und legte mich auf den Boden. Bestimmend drehte er mich auf den Bauch, hob meinen Po an und nahm mich von hinten. Ich gab mich Tims Liebeskraft hin, genoss die Urgewalt und bettelte nach seinen tiefen Stößen.
Tim rang mit der Beherrschung. Er trieb einer ungeahnten Ekstase entgegen. Atemlos formte er Worte mit seinen Lippen.
„Du wirst, … meinen Höhepunkt, … nicht bestehen.“
Vernebelt durch die zahlreichen Höhepunkte und der Gewissheit des sicheren Todes, gab ich mich dem Drachen hin.
„Lieber sterbe ich durch deine Leidenschaft, als durch den wilden Hass der roten Bestie.“
Tim packte mich mit beiden Händen an der Taille und nahm mich härter als je zuvor. Er erreichte die Grenzen des mir Erträglichen, aber ich klagte nicht.
Bald würde es vorbei sein. Weder Schmerz noch Leid ängstigten mich.
Sethika beobachtet uns. Sie raste vor Wut. Magische Entladungen verwandelten den Höhlenschacht in einen todbringenden Ort. Blitze in allen Farben des Regenbogens schlugen krachend auf unsere Schutzhülle, aber ich fürchtete mich nicht mehr. Trotz meines sinnesvernebelten Zustandes sah ich der Bestie direkt in die Augen, schenkte ihr einen mitleidigen Blick, denn sie konnte nur beobachten. Ich hingegen fühlte die unbändige Lebenskraft des Drachen.
Sie schleuderte mir ihren Hass entgegen und ich schloss meine Lider, konzentrierte mich auf Tim und all meine Erlebnisse mit ihm.
Es war ein kleines Leben und doch hatte ich Dinge erlebt und gesehen, die andere Menschen nicht einmal ahnen konnten. Ich dachte an meine Familie und hoffte, es würde ihr gut gehen. Denysis erschien in meinem Geist — stumm sah sie mich an und ich hoffte sie bald wieder zu sehen. Der Tod ist nur eine Reise.
Tim schrie seine Lust laut hinaus, der Schall schmerzte in meinen Ohren. Seine Lenden zuckten zum ersten Mal in meiner Gegenwart. Dann verkrampfte sich sein Körper und ich spürte die Glut des Drachens in mir. Als hätte er mir heiße Kohlen in den Leib gelegt, brannte es in meinem Bauch. Vor Schmerzen gekrümmt, rollte ich von ihm herunter und schloss die Augen. Die Erlösung näherte sich als gleißendes Licht. Mein Körper begann sich von außen aufzulösen, schmolz wie Schnee in der Frühlingssonne — Danke für alles, was mir widerfahren ist.
***
Dunkelheit. Ich fühlte mich schwerelos und frei von Leid. Es erinnerte mich an den kühlen Bergsee in dem ich als Kind tauchte. Mit Schwimmbewegungen versuchte ich vorwärts zu kommen, obwohl ich nicht wusste wo oben oder unten war. Nach einiger Zeit glaubte ich Licht zu sehen, winzig kleine Punkte in der Ferne. Wie ein Sternenhimmel in einer klaren Nacht. Unwissend wo oder was ich war, schwamm ich auf diese Lichtpunkte zu. Nach einer weiteren Ewigkeit wurde eines der Lichter größer, es erreichte die Größe der Sonne — es war die Sonne.
Unter mir sah ich Planeten. Sie umkreisten die Sonne. Einer davon schimmerte blau, so blau wie Tims Augen. Ich schwamm auf diese blaue Kugel zu und erblickte Landmassen. Ich musste nicht mehr schwimmen, der Planet zog mich zu sich hin. Als hätte er sein verlorenes Kind entdeckt, riss er mich an sich. Die Dunkelheit war aus meinem Blickfeld gewichen. Wie ein Falke schoss ich steil nach unten…
…und schlug hart mit der Schulter auf den Felsen. Auf allen Vieren kniend rang ich nach Atem. Unter mir sah ich den rauen Felsboden von Tims Höhle. Geschmolzene Münzen und geborstene Edelsteine lagen herum. Ich kauerte nicht weit von der Stelle, an der ich mit Tim in der Kugel gefangen war. Wenige Schritte neben mir schlug ein Blitz ein, die Hitze drang wie tausend Nadeln in meine Haut. Eine Druckwelle schleuderte mich zur Seite. Eine riesige rote Klaue ergriff mich.
Der rote Drachen hielt mich dicht vor sein Maul und schnaufte erschöpft. Ihr rechter Flügel hing schlaff auf dem Boden und in ihrer linken Gesichtshälfte klaffte eine tiefe Wunde. Sie starrte mich aus ihrem übrig gebliebenen Auge an.
Ich war zu keiner Empfindung fähig, warum war ich hier? Wie oft sollte ich noch sterben? Sethika brach das Schweigen, ihre Stimme klang müde und unerwartet sanft.
„Es war ein harter Kampf und Themaso Imasus Maxum hat gut gekämpft, wie du an meinem Zustand sehen kannst. Aber ich bin noch stark genug, um dir den Samen des Drachen aus dem Leib zu quetschen.“
Ihr Auge war zu einem schmalen Sehschlitz verengt und ihre Krallen schlossen sich fester um meinen Körper. Sie schnupperte an mir.
„Du riechst wie dieses Menschenpack in der Siedlung am Fuße des Berges. Sie haben gut geschmeckt.“
Sie meinte meine Familie! Meine Wurzeln und deren Früchte waren ausgelöscht. Unbändige Wut stieg in mir empor, ungekannter Zorn überwältigte mich. Ich stemmte mich mit aller Kraft gegen die mächtige Kralle, ohne Hoffnung auf Erfolg.
Zu meiner Überraschung — und der des roten Drachen — stemmte ich die Klaue auf und wand mich aus der Umklammerung. Der tiefe Fall wurde durch die Bänder der Sempia abgedämpft und ich turnte flink zwischen eine Ansammlung ehemals edler Möbelstücke. Trotz meiner Wut und dem Verlangen nach Rache besann ich mich und versuchte zu fliehen, solang ich die Gelegenheit hatte. Die meisten Schränke waren verkohlt oder zerschlagen. Ich überragte die Trümmer und war weithin sichtbar. Bebend vor Emotionen suchte ich Schutz und Deckung.
Ich fand eine Lücke, quetschte mich hindurch und rannte einen Felsspalt entlang. Über mir hörte ich Holz splittern, neben mir schlug das Schloss einer Truhe auf. Das Schloss war so groß wie ich, es hätte mich fast erschlagen!
Auf leisen Mäusepfötchen huschte ich davon und erschrak vor mir selbst. In einer polierten Silbermünze, sah ich mein Spiegelbild — ich war eine Maus. Die Bänder der Sempia lagen weit hinter mir, erschienen riesig und unerreichbar.
Der Lärm von zerberstendem Holz kam näher. Ich riskierte es, eine große Strecke über nackten Fels zu rennen und fand Deckung unter einer goldenen Krone. Sethika schickte eine Feuerwand durch die Höhle und neben mir tropfte flüssiges Gold zu Boden. Ihre Stimme durchdrang die Höhle.
„Du elendes Menschenvieh, du kannst mir nicht entkommen und wenn ich tausend Jahre nach dir suchen muss, ich werde dich finden und dann steht dir ein langsamer, qualvoller Tod bevor.“
Ich war kein Mensch mehr und ich war keine Maus!
Ich war etwas, das stark genug war, um dieses Drachenvieh aus der Höhle zu werfen. Und ich wollte mich rächen für alles Leid, das dieses Untier angerichtet hatte. Ich erhob mich aus dem Häufchen Gold und reckte meinen Kopf hoch empor. Der Schmuck, der mir eben noch als Versteck gedient hatte, lag auf meiner Schnauze. Wütend schnaubte ich durch die Nüstern und beförderte den Flitter zurück auf den Boden. Auf Augenhöhe mit dem roten Monster breitete ich meine Flügel drohend aus.
Sethika wich zurück und senkte ihren Kopf argwöhnisch.
Ohne Vorwarnung schlug ich mit der linken Vorderklaue nach dem Miststück und erwischte die unversehrte Seite des Kopfes. Mit einer weiteren klaffenden Wunde zog sich Sethika winselnd zurück. Ich folgte ihr und fauchte.
„Du hast dein Recht auf Mitleid verspielt.“
Mut und Zorn strömten durch meine Adern. Ein Schlag meines Herzens hatte mehr Kraft als das Leben eines Menschen. Ich stieß mich vom Boden ab um mich auf die rote Bestie zu stürzen. Ein greller Blitz schlug mir entgegen und traf meine rechte Klaue.
Ein Brennen und Kribbeln wie von tausend Ameisen tobte in meinem Körper. Ich schüttelte meine Klaue um die Qualen zu lindern und schleuderte eine unkontrollierte magische Entladung durch den Raum. Sethika lachte kraftlos aber spöttisch.
„Du siehst vielleicht aus, wie ein Drache, aber deine Fähigkeiten sind erbärmlich. Du bist eine Schande für unsere Art!“
Wutschnaubend kam ich ihr näher und sie beschwor eine mächtige Dunkelheit. Die Kugel aus dunkler Energie strahlte Kälte und Tod aus, verlangte von der Beschwörerin jedoch so viel Aufmerksamkeit, dass ich einen Angriff wagen konnte.
Mit einem schnellen und kraftvollen Biss in den Hals zerbrach ich ihre Wirbelsäule. Der Geschmack von Blut rann meinen Rachen hinab. Das Lebenslicht des roten Drachen erlosch und der Beschwörungszauber kollabierte bevor er sich manifestieren konnte.
Sethika sackte leblos zu Boden. Stille. Ich fühlte mich einsam wie noch nie, verstand nichts von alledem. Ich realisierte, dass ich ein Drache war und diesen Wahnsinn als Einzige überlebt hatte.
Der ehemals aufgeräumte und gut sortierte Hort war ein Schlachtfeld. Was brennen konnte, war verbrannt. Was zerbersten konnte, war in tausend Stücke zerschlagen. Tim war tot!
Ich stand vor seinem zerschmetterten Leib. Der riesige Drachenkörper lag reglos auf der Seite. Sein Rücken war verbrannt, die Flügel zerrissen und aus seiner Brust ergoss sich ein Sturzbach aus Blut.
Zu Tode betrübt und rasend vor Wut, entluden sich meine Gefühle in einem markerschütternden Schrei. Ich schrie so laut und lange, wie es mir möglich war – und Drachen können lange und laut schreien.
Der Schall löste Felsen aus der Decke und manche Trümmer trafen meinen Körper. Wütend über diese verdammten Steine verlor ich die Beherrschung. In einem großen Satz sprang ich zu dem toten roten Drachen, nahm ihn an den Hinterbeinen und schleuderte ihn quer durch die Höhle. Als ich die Knochen des Kadavers brechen hörte, empfand ich Genugtuung. Noch oft warf ich Sethikas Überreste durch die Höhle, bis kein heiler Knochen mehr in ihrem Fleisch steckte. Ein Gefühl der Macht erfüllte mich, als ich vor dem geschundenen Körper stand. Ich holte Luft und blies meinen feurigen Atem auf das Aas.
Erst kam schwarzer Rauch und tief rote Flammen. Beim zweiten Versuch schaffte ich eine beachtliche purpurne Flammensäule und von da an gelang mir jeder Feuerstoß. Die Schuppen der Leiche verbrannten und das darunter liegende Fleisch warf Blasen. Schließlich war genug Hitze vorhanden, dass Sethika von alleine brannte. Ich legte mich neben das lodernde Feuer und beobachtete wie die Flammen das Monster verzehrten. Alle die ich kannte und liebte waren tot. Ich kannte mich selbst nicht mehr, nicht einmal bei mir fand ich Trost.
Ich flog zu dem Sims, der mir lang Zeit als Gefängnis vorkam und landete darauf in meiner Menschengestalt. Erschöpft ließ ich mich auf die Wiese fallen und brach in Tränen aus. Bisher hatte ich immer jemanden an meiner Seite. Als Kind waren es meine Eltern, dann waren es Tim und Denysis. Jetzt war ich alleine. Eine leise Stimme in mir sagte, dass ich niemanden mehr benötigte, der mir beistand, es gab auf dieser Welt niemanden, der mich an die Hand nehmen konnte — zumindest glaubte ich das.
Ich weinte die Nacht durch und lag am nächsten Tag ohne Lebensmut auf der Wiese.
***
Als mein Leiden zu einem dumpfen Taubheitsgefühl abflachte, spürte ich Leben. Unbeholfen im Umgang mit den Sinnen eines Drachen, fühlte ich mich gestört, durch die Gewissheit „Leben“ zu spüren. Als Kind glaubte ich, dass sich Geister unter meinem Schlaflager versteckten um mich nachts zu holen. Nun beschlich mich eine ähnliche Angst. Ich fühlte mich gestört durch eine Präsenz. Wie ich es einst gelernt hatte, versuchte ich mich abzulenken, nicht daran zu denken, bis ich eingeschlafen war.
Ich schreckte aus einem unruhigen Schlaf. Wütend sprang ich auf, stürzte mich von dem Sims und segelte durch den verwüsteten Höhlenschacht. Meine Sinne leiteten mich zu einem Trümmerhaufen abseits des Hauptschachtes. Übelgelaunt wischte ich den Unrat mit einer Pranke zur Seite. Ich wollte sehen wer mir den Schlaf raubte, bevor ich ihn vernichtete.
Ein Stich fuhr durch mein Herz. Denysis lag vor mir. Reglos, blutüberströmt, blickten ihre Augen stumpf empor.
Sie war die Präsenz, ein schwaches Glimmen in der Dunkelheit. Ich sank auf die Knie und nahm meine menschliche Gestalt an. Ich hatte Angst, ihr Lebenslicht zu löschen, beim Versuch es zu erhellen. Behutsam legte ich meine Hand auf ihre Kopfwunde. Ihre Stirn war kalt, aber sie atmete.
Ich erinnerte mich an die Runenmagie, die mir Denysis beigebracht hatte.
»Öffne deinen Geist und lasse die Energie durch deine Hände strömen«, sprach ich in Gedanken und zeichnete die Rune der Lebenskraft auf ihre Stirn.
Denysis Leib zuckte ekstatisch, dann schrie sie wie unter quälenden Schmerzen. Stille! Die Vogelfrau lag wieder reglos vor mir. Ich machte mir Vorwürfe, strich über ihre Wange und fühlte Wärme. Sie flüsterte.
„… ist genug, nicht mehr. Nur Ruhe.“
Ich trug Denysis zum Sims, wusch sie und wachte an ihrer Seite. Sie erholte sich nur langsam. Ihre körperlichen Wunden heilten schnell, aber sie rang mehrere Tage mit dunkler Magie, die wie Gift durch ihre Adern floss. Ihr Verstand war tief in ihr gefangen, sie erkannte mich und ihre Umwelt nicht. Sie schlief die meiste Zeit und ich versuchte sie nicht zu stören.
***
Nach einigen Tagen, Denysis schlief gerade, streifte mein Blick zu Tims Leichnam. Ich fürchtete mich vor dem Anblick, aber er konnte nicht ewig würdelos in den Trümmern seiner Existenz liegenbleiben. Ich verwandelte mich in meine Drachengestalt und hob ihn behutsam auf. Eine Nische am Rande der Höhle war ausreichend groß, um den Drachen darin beizusetzen. Respektvoll legte ich den toten Körper hinein. Nach reiflicher Überlegung entschloss ich mich auf einen kleinen Teil des Goldes verzichten zu können. Zu seiner Ehre legte ich den Boden um ihn herum mit Goldmünzen aus und streute Edelsteine darüber.
Ich versuchte seine Überreste so würdevoll wie möglich aufzubahren, aber ohne den Glanz in seinen Augen war es nicht das Wesen, das ich liebte.
Meine Gefühle gingen tiefer, als dass sie durch Tränen zum Ausdruck gebrach werden konnten. Mit gesenktem Haupt verharrte ich lange vor seinem offenen Grab, dachte an die unzähligen Stunden, die wir verlebten und zerbrach fast an der Endgültigkeit.
Tim konnte massiven Fels formen, als wäre es nasser Ton. Ich versuchte dies um die Nische zu schließen. Stattdessen kratzte ich eine tiefe Furche in die Felswand und verursachtet erheblichen Lärm. Dann versuchte ich einen Felsbrocken herbei schweben zu lassen. Der Felsen hob nicht ab, sondern zerbrach vor meinen Augen.