Dies ist eine überarbeitete Fassung der Geschichte, die ich bereits 2015 veröffentlicht hatte.

Ich danke allen für ihre Rückmeldung, die mir helfen, dass meine Geschichten besser werden.

Copyright 2015, 2021 Tief im Westen

„Ein Vibrator nach eigener Vorlage“, das versprach die Beschreibung eines Bausatzes, den ich im Internet gefunden hatte.

Wie war ich hier her gekommen? Es begann vor rund einem Jahr. Ich stöberte durchs Netz und kam auf die Idee, zu schauen, ob es ein neues, reizvolles Sex-Spielzeug geben würde. Die Beziehung zwischen meiner Frau und mir hat sich in den sechszehn Jahren unserer Ehe, von einer anfänglichen ‚Sturm und Drang‘ Zeit, in der wir kaum von einander lassen konnten, in tiefes Vertrauen, Zuneigung und Wertschätzung zu einander gewandelt. Hatten wir früher geschaut, an welchen verrückten Orten wir uns näher kommen konnten, so zogen wir es heute vor, in unserem Bett unterschiedliche Spielzeuge in unser Liebesspiel einzubeziehen.

Wo war ich? Ach ja. Ich erzählte davon, dass ich im Netz unterwegs war, um nach einer Bereicherung für unseren Spaß im Bett zu suchen. Das Meiste reizte mich überhaupt nicht. Ich staunte über die riesige Auswahl an Dildos und Vibratoren. Ich wunderte mich, dass es überhaupt einen Markt für eine so große Auswahl gab.

Auf einmal sah ich, dass es Bausätze zum Erstellen von Dildos und Vibratoren nach Vorlage des eigenen Organs gab. ‚Das ist doch mal was Spannendes, etwas Ungewöhnliches‘, dachte ich mir. Ich suchte weiter und las mir die Bewertungen zu den angebotenen Produkten durch. Ein ausführlicher Kommentar schilderte, dass die Bausätze kaum zu gebrauchen wären, wenn die Natur einen mit einem über dem Durchschnitt in Bezug auf die Größe liegenden Penis versorgt hätte. Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass man sich die Komponenten besser einzeln im Maskenbilderbedarf besorgen sollte.

Weihnachten lag bald vor der Tür und bei nächster passender Gelegenheit fragte ich meine Frau: „Was würdest du davon halten, wenn ich Dir zu Weihnachten einen neuen Dildo schenken würde?“

Sie schaute mich verständnislos an und erwiderte: „Warum fragst du mich das? Wenn du etwas Nettes, Neues gefunden hast, warum schenkst du mir es nicht einfach? Warum die Vorrede?“

„Na weil es kein Gewöhnlicher wäre. Es wäre einer, den ich selbst hergestellt hätte.“

„Und worin würde es sich von denen unterscheiden, die wir schon haben?“

„Er hätte eine besondere Form.“

„Eine besondere Form sagst du. Würde er besonders lang oder dick sein? Oder hätte er die Form eines Gemüses?“

„Weder noch. Er hätte eine seeehr natürliche Form.“

Sie schaute mich an und lies ihren Blick kurz an mir herunter gleiten. Ich nickte kurz.

„Echt? Geht das denn?“

„Warte ab.“

Sie war sofort Feuer und Flamme, wollte mehr wissen und am Liebsten bei der Herstellung dabei sein. Ich vertröstete sie jedoch auf Weihnachten.

In den nächsten Wochen zog ich mich abends öfter in mein Zimmer im Keller zurück und arbeitete mich praktisch in die Grundlagen der Gusstechnik ein und machte mich mit Begriffen wie Shore-Härte vertraut. Kurioserweise gab mir gute Hinweise eine Sachgeschichte von der Sendung mit der Maus, an die ich mich von früher erinnert hatte, in der es um die Erstellung einer kleinen Eisbärenfigur ging.

Rechtzeitig zu Weihnachten war ich fertig. Wir scherzten, dass die Kinder und gut staunen würden, würde ich ihr das Geschenk unter den Baum legen. Ich tat es nicht und versteckte es stattdessen an Heiligabend unter ihrer Bettdecke. Während wir den Nachtisch unseres Weihnachtsschmaus vorbereiteten, konnte meine Frau ihre Neugierde, die sich über die letzten vier Wochen aufgebaut hatte, nicht mehr zügeln und ging in unser Schlafzimmer nachschauen.

Ein wenig später kam sie zurück und ihre einzigen Worte waren – ihre war in die Küche gekommen – „Beeindruckend!“

Ich musste schmunzeln.

Was wir für einen gemeinsamen Spaß mit dem neuen Dildo hatten, erzähle ich vielleicht ein anderes Mal. In meinem weiteren Bericht geht es um das, was danach passiert war und mit dem ich nicht im Entferntesten gerechnet hatte.

Ein Monate später fragte mich meine Frau: „Sag mal, kannst du eigentlich noch einen Dildo herstellen?“

„Warum? Ist der, den ich dir geschenkt habe, kaputt gegangen?“

„Nein, überhaupt nicht.“

„Ja warum möchtest du einen zweiten?“

„Nun, … er ist eigentlich nicht für mich. — Er soll für … für meine Caroline sein.“

„Warum willst du ihr diesen Dildo schenken?“

„Ich will ihr ja gar nicht meinen schenken. Sie soll einen Eigenen bekommen.“

„Und warum einen in dieser Form? Er hat ja schließlich eine sehr spezielle Form.“

„Nun, weißt du … als ich sie neulich besucht habe, haben wir über so vieles gesprochen und auch über sehr persönliche, intime Dinge. Dabei ist die Rede unter anderem auf Sex-Spielzeuge gekommen und da habe ich ihr berichtet, dass ich eines von dir zu Weihnachten geschenkt bekommen hätte.“

„Bitte? Das hast du ihr erzählt?“

„Keine Angst! Ich habe nicht gesagt, dass er von ‚dir‘ stammt. Ich habe nur erzählt, dass er eine sehr realistische Form hätte und dass ich damit viel Spaß hätte.“

„Und hast du erzählt, dass ich ihn selbst hergestellt hätte?“

„Nein, natürlich nicht. Dann hätte sie sofort angefangen, weitere Fragen zu stellen. Ich habe nur gesagt, dass du eine besondere Quelle hättest.“

„Und weil du so viel Spaß damit hättest, wollte sie den gleichen ebenso haben?“

„Genau. Ich kann ihr ja schlecht meinen für eine Woche einmal ausleihen.“

„Hmm. — Und es käme dir nicht komisch vor, wenn sie mit einem Dildo Spaß hätte, der die Form von meinem … von meinem Glied hätte?“

„Du denkst an eine Art gedankliches Fremdgehen?“

„Ja.“

„Überhaupt nicht, da sie ja nichts davon wissen würde. Ich fände es, glaube ich, nicht gut, wenn sie es wüsste. Da muss ich dir recht geben.“

„Also gut. Ich mache es. Ob ich euch Frauen jemals richtig verstehe? Ich würde bestimmt meinem besten Freund niemals ein Sex-Spielzeug schenken. — Bis wann soll es fertig sein?“

„Sie hat in zwei Wochen Geburtstag. Reicht dir das an Zeit?“

„Kein Problem. Das Besorgen aller Teile dauert länger, als der tatsächliche Guss.“

Ich bestellte neues Silikon, sowie schwarzen und roten Samt, aus denen ich einen schicken Beutel als Verpackung nähen wollte. Caroline bekam ihr neues Spielzeug von meiner Frau zum Geburtstag überreicht.

Ich erfuhr nicht direkt, wie das Geschenk angekommen war. Etwas später bekam ich über meine Frau jedoch mitgeteilt, dass eine Bekannte von Caroline ebenfalls ein solches Spielzeug haben wollte. Und nach einer Weile hatte sich herum gesprochen, dass ich eine Quelle guter Dildos hätte, und ich begann, sie in Kleinserie herzustellen. Der nicht unerhebliche Preis des lebensmittelechten Silikons machte es mir unmöglich, die Spielzeuge weiter zu verschenken. Die Mund zu Mund Propaganda lief gut und so bekam ich jede oder jede zweite Woche eine E-Mail mit einer neuen Bestellung.

Ein Monate geschah nichts Nennenswertes. Doch eines Tages erreichte mich die E-Mail mit einer Bestellung von einer Absenderin, die mir bekannt war. Es handelte sich um meine Arbeitskollegin Michaela. Über die letzten Jahre hatten wir uns angefreundet und in den Pausen oder freitagnachmittags setzten wir uns in unregelmäßigen Abständen zu einer Tasse Kaffee zusammen. Wir waren uns sofort sympathisch gewesen, als wir uns kennengelernt hatten. Wenn wir beide nicht in festen Händen gewesen wären, hätte ich mir gut vorstellen können, dass wir uns näher gekommen wären.

Ich schickte ihr den gewünschten Dildo und nutzte, wie immer, mein Postfach als Absenderadresse. Jedes Mal wenn ich sie danach traf, ging mir der Gedanke nicht aus dem Sinn, dass sie sich selbst beglücken würde, mit einem von mir hergestellten Dildo. Es fühlte sich merkwürdig an. Es fühlte sich beinahe falsch an, es ihr nicht zu sagen. Aber wie sollte ich mich zu erkennen geben?

Bald stand Weihnachten vor der Tür und ich machte mich an die Arbeit für Planung und Fertigung der zweiten Generation. Diese sollte zusätzlich die Möglichkeiten eines Vibrators beinhalten. Die zwei kleinen, aber kräftigen Motoren ließ ich über einen kleinen Mikrocontroller ansteuern, den ich für unterschiedliche Vibrationsmöglichkeiten programmierte.

Allen meinen bisherigen Kunden schickte ich eine Werbemail mit den Vorzügen des neuen Produkts. Nur Michaela schickte ich diese E-Mail nicht. Stattdessen druckte ich sie aus, steckte sie in einen anonymen Umschlag und legte ihn ihr in der Firma in einem unbemerkten Moment auf den Schreibtisch. Ich war mir bewusst, dass dies im gewissen Sinne ihr unfair gegenüber gewesen war. Wusste sie doch so, dass sie eine oder einen Kollegen hatte, welche ein intimes Detail ihrerseits kannten.

Wenig später erhielt ich von ihr per E-Mail die Bestellung eines Spielzeugs der zweiten Generation. Zusätzlich forderte sie mich auf, mich erkennen zu geben, mit der Begründung, dass es nicht gerecht sei, wenn ich sie kennen würde, sie mich aber nicht.

Wie es der Zufall wollte, stand die wichtigste Messe in Chicago für das Hauptprodukt unserer Firma vor der Tür. Michaela, eine Reihe Kollegen und Kolleginnen und ich waren dieses Jahr an der Reihe, unser Unternehmen dort zu vertreten. Ich entschloss mich, den für Michaela vorgesehenen Vibrator ihr nicht mit der Post zu schicken, sondern mit auf die Reise zu nehmen und ihn dort vor Ort zu übergeben.

Die Vorbereitungen der Reise und der Hinflug verliefen, wie üblich, ohne nennenswerte Vorkommnisse. Wir fuhren alle mit Taxis nach Downtown Chicago zu unserem Hotel und checkten ein, jeder hatte ein eigenes Zimmer. Nachdem alle mit ihren Koffern zu ihren Zimmern aufgebrochen waren, gab ich das Päckchen in die Hotelpost mit dem Hinweis, dass ich der Absender sei.

Der erste Tag unseres Aufenthalts war vom Aufbau des Messestands unserer Firma geprägt. Den Tag über bemerkte ich, dass Michaela mir immer wieder einen verstohlenen Blick zuwarf. Sie musste das Päckchen schon erhalten haben. Es war zur Tradition geworden, dass alle Kolleginnen und Kollegen, die nicht etwas anderes in der Stadt unternehmen wollten, gemeinsam zum Essen gingen.

Michaela und ich hatten den Tag über keine Möglichkeit gehabt, ungestört einen längeren Moment miteinander zu sprechen. Und so blieben wir, ohne dass wir uns extra verabredet hätten, alleine am Tisch sitzen, nachdem alle anderen gegangen waren. Meine Gegenüber, groß gewachsen und schlank trug ihre schulterlangen blonden Haare heute Abend offen. Dadurch wirkte sie auf mich an diesem Abend deutlich reifer. Der Pferdeschwanz, den sie sonst immer trug, ließ sie jünger wirken. Wie sie ihre Haare an diesem Abend trug, gefiel mir besser. Ich überlegte: ‚Soll ich es ihr das sagen? Es wäre aber eine merkwürdige Art, das Gespräch anzufangen, denn ihre Gedanken kreisen in diesem Moment vermutlich auch eher um das Sex-Spielzeug. — Aber vielleicht könnte ich so das Eis brechen …‘

Obwohl wir beide den ganzen Tag Zeit hatten, uns zu überlegen, was wir uns gegenseitig sagen wollten, wusste keiner so recht, wie das pikante Thema angesprochen werden sollten.

Sie fasste als erste den Mut und begann: „Du bist ja ein ganz schönes Schlitzohr! So etwas hätte ich von dir nicht erwartet.“

Ich entgegnete zögernd: „Schlimm?“, nach einer Weile fragte ich weiter, „oder kommt das Päckchen gerade ungelegen?“

„Hmm, nein, das nicht. Aber wie kommst du auf die Idee, es mir hierher zu bringen?“

„Du wolltest doch, dass ich mich zu erkennen gebe.“

„Schon, aber hier und jetzt …?“

Wieder sagte eine Weile keiner von uns ein Wort. Sie nippte an ihrem Wein und ich trank einen Schluck meines Mojitos. Ich schaute ihr in die Augen. Sie blickte zurück. Sie lächelte mich leicht an. Ich wandte verlegen meinen Blick ab.

Schließlich meinte ich: „Ich kann das Päckchen ja auch wieder mitnehmen.“

„Och, du, das muss jetzt nicht sein“, sagte sie schnell, auffallend schnell. Sie bemerkte, dass sie sich verraten hatte. Nach einem kurzen Moment ergänzte sie verlegen: „Ich habe das Geld überwiesen und ich beabsichtige, auch nicht von dem Kauf zurückzutreten! — Außerdem … die Messe hat erst angefangen. Sie dauert eine Woche und die Abende sind manchmal schon einsam, so ohne Johannes, meinen Mann.“

Sie schmunzelte, als sie Letzteres sagte, und ich konnte mir ein Lächeln ebenfalls nicht verkneifen.

Wiederum schauten wir uns eine Weile nur schweigend an. Wenn wir uns sonst getroffen hatten, waren wir nie so wortkarg gewesen. Wir konnten beide mit dieser Situation nicht gut umgehen.

Ich trank meinen Cocktail aus und fragte sie: „Möchtest du auch noch etwas zu trinken?“

Sie zögerte einen Moment, bis sie erwiderte: „Ein Glas nehme ich noch.“

Als sich der Kellner wieder unserem Tisch näherte, gab ich ihm ein Zeichen und bestellte uns zwei Gläser Wein. Sobald er sich von unserem Tisch entfernt hatte, fragte sie: „Wie kommt es eigentlich, dass du … dass du Dildos vertreibst?“

„Willst du die kurze Fassung oder die lange Fassung hören?“, fragte ich sie, bewusst das viel verwendete Filmzitat bemühend.

„Nun, du hast ja gerade einen Wein bestellt. Und so müde bin ich noch nicht, trotz des Jetlags. Fang mal mit der langen Fassung an. Wenn sie anfängt, mich zu langweilen, kann ich mir immer noch die Kurze wünschen.“

Während sie mir antwortete, überlegte ich schnell: ‚Wie weit soll ich auf die Details eingehen und wie weit soll ich um die Wahrheit herum erzählen? Sie ist mir immer sehr sympathisch gewesen und wir beide verstehen uns gut. — Ich schaue, glaube ich einmal, wie weit sie alles wissen möchte.‘

Ich antwortete: „Ich verkaufe sie schon mehr als ein halbes Jahr. Zu Beginn waren es nur ein oder zwei im Monat. Später wurden es dann bis zu zehn Stück.“

„Und wie kommt man auf die Idee Dildos zu verkaufen? Es ist ja jetzt nicht das Selbstverständlichste auf der Welt, oder?“

„Warum nicht? Bei uns in der Nähe gibt es jemanden, der Katzen- und Hundefutter verkauft.“

„Das ist doch genau das, was ich meine. Es ist nicht gerade Katzenfutter.“

„Nun ja, irgendwann hatte ich die Idee, ich wollte einen verschenken, an meine Frau. Und damit hat alles angefangen. Sie hat den Ersten bekommen und kurze Zeit später wollte ihre Cousine ebenfalls einen. Sie musste etwas ihrer Cousine erzählt haben. Kurze Zeit später bekam ich die Anfrage nach einer Dritten, von einer Bekannten ihrer Cousine.“

Ich machte eine kurze Pause und trank einen Schluck aus meinem Glas. Anschließend fuhr ich fort: „Und so wurden es mehr und mehr.“

„Warum hast du den Anderen nicht gesagt, wo du ihn her hattest? Ich hätte dich nicht so gewinnorientiert eingeschätzt.“

So kamen wir also der Wahrheit näher: „Nun, diese kann man in keinem Laden oder Onlineshop kaufen. Ich stelle sie selber her.“

„Wie? Moment! Wie kannst du sie selbst herstellen? So’was kann man doch nicht selbst machen!“

„Warum nicht?“, entgegnete ich, glücklich erst einmal nicht über das entscheidende Detail sprechen zu müssen.

„Es ist eigentlich ganz unkompliziert. Die Grundstoffe bekommt man übers Internet. Das Silikon gibt’s von kleinen Größen zu 500g bis zu 20 kg Kanistern. Auch die Farben sind so zu bekommen. Das Mischen des gewünschten Farbtons geht relativ einfach. Dann rührt man alle Komponenten zusammen, sorgt dafür, dass alle Luftblasen entweichen, und gießt es in die Form. Am Schluss ein paar Stunden warten, bis das Silikon sich benetzt hat, also fest geworden ist. Das Nähen des rot-schwarzen Beutels ist tatsächlich das, was am längsten dauert.“

„Wie? So simpel ist das? Das ist fast nicht zu glauben!“

„Und der Preis kommt zustande aus den Materialkosten für das Silikon. Das ist ziemlich teuer, da es u.a. für Lebensmittelformen zugelassen ist.“

Ich nahm den nächsten Schluck aus meinem Glas. ‚Ob sie wohl auf die Lücke in meiner Geschichte stößt?‘, fragte ich mich. Ich konnte nicht verhehlen, dass die Erzählung nicht erregungslos an mir vorbei gegangen war. Doch ich hatte mich zu früh gefreut. Mit ihrer nächsten Frage hatte sie mich.

„Warte mal, gießen? Zum Gießen braucht man doch eine Form, oder?“

„Hm, ja.“

„Woher hast du sie? Kann man sie auch im Internet bestellen?“

„Meine Form …, die habe ich nicht im Netz bestellt.“

„Ja … und?“, bohrte sie nach und erhob ihr Glas, als ob sie den nächsten Schluck nehmen wollte.

„Ich habe sie selbst erstellt.“

Schnell stellte sie ihr Glas ab und beugte sich auf ihrem Stuhl nach vorne. Sie blickte mich mit ihren schönen, blauen Augen scharf an: „Wie meinst du das?“

„So wie ich es gesagt habe. Die Form habe ich selbst erstellt.“

„Aber für eine Form braucht man doch eine Vorlage, ein Positiv. Und das Exemplar, was ich zu Hause habe, ist so detailreich. Man kann Adern, Poren und sämtliche Unregelmäßigkeiten erkennen. So etwas kann man nicht modellieren. Oder? Es sieht so echt aus, wenn man von der Auberginen-Farbe absieht.“

Ich antwortete ihr nicht. Es entstand eine Pause.

Sie schob das Glas zur Seite, so dass nichts zwischen uns stand, schaute mich direkt an und sprach weiter: „Du willst doch nicht sagen, dass es ein Abguss von deinem …“

Ich antwortete ihr weiterhin nicht. Stattdessen legte ich den Kopf ein wenig zur Seite und setze ein leichtes schelmisches Lächeln auf.

„Das gibt’s doch nicht!“

Sie ließ sich zurück in ihren Stuhl fallen, lachte und blickte an die Decke.

„Und?“, fragte ich sie, „Willst du, dass ich jetzt die Kurzfassung erzähle?“

„Wie? Was?“

Sie war offensichtlich mit ihren Gedanken im Moment woanders.

Ich konnte es ihr nicht verdenken. In ihrem Kopf liefen höchstwahrscheinlich Gedanken durcheinander, die mich in ähnlicher Weise beschäftigt hatten, nachdem ich ihr den ersten Dildo geliefert hatte. Da hatte sie in den letzten Wochen mit einem Stück Silikon Spaß gehabt, sich befriedigt und sich immer wieder zum Höhepunkt gebracht. Mit etwas, was eine Eins-zu-Eins Kopie des erigierten Penis‘ ihres Gegenübers war. Ich vermutete, dass das Spielzeug nicht so schlecht gewesen sein konnte, da sie sich sogar die nächste Generation bestellt hatte?

„Mir fehlen die Worte. Ich hatte ja mit einigem gerechnet, aber das?“, sagte sie.

„Und schockiert?“

Sie wartete einen Augenblick mit der Antwort: „Ja, schon ein wenig. Aber es hatte auch irgendwie seinen Reiz. Natürlich hatte ich mir in meiner Phantasie einen Mann vorgestellt, dessen Abguss ich in den Händen — nun ja — hielt. Aber es war anonym. Ich hätte nie im Leben geglaubt, dass er von jemandem stammen würde, den ich kenne. Und natürlich auch nicht von dir!“

„Und, bist du enttäuscht?“

„Enttäuscht? Wie kommst du da drauf? Als ich bei der Bestellung sagte, dass ich den Versender gerne kennen lernen würde, hatte ich damit gerechnet, dass einer meiner Kolleginnen oder Kollegen sich als eine Art Händler entpuppen würden. Dass du es dann warst, hat mich schon überrascht. OK, hatte ich mir gesagt. Hat er halt ein kurioses Hobby, lass uns mal ‚drüber reden. Aber dass ich die ganze Zeit eine Eins-zu-Eins Kopie …“, sie vollendete den Satz nicht.

Ich nickte, um ihr zu signalisieren, dass ich sie verstand.

Obwohl sie ihr Glas nicht geleert hatte, stand sie auf und verabschiedete sich mit den Worten: „Ich muss jetzt hoch auf mein Zimmer. Lass uns morgen weiter reden. Ich möchte jetzt nicht mehr.“

Ihren Ton konnte ich nicht deuten. War sie jetzt verärgert über mich? Oder war sie nur verwirrt? Ich blieb in Gedanken sitzen und leerte langsam mein Glas.

Am nächsten Morgen begegneten wir uns beim gemeinsamen Frühstück mit allen Kollegen am Buffet. Ich hatte ein wenig Angst vor der ersten Begegnung. Ich wünschte ihr fast schüchtern einen guten Morgen und sie lachte mich grinsend an: „Guten Morgen, du Schlawiner!“

Sie schien mir nicht nachtragend zu sein. Ein Stein fiel mir vom Herzen. Das hätte anderenfalls eine sehr anstrengende Messewoche werden können und vor allem hätte ich es schade gefunden, wenn unsere Freundschaft einen Knacks abbekommen hätte.

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