Es war Samstagabend, und Svenja war aufgeregt, als sie die Türklingel drückte. Sie trug einen weiten und kurzen Rock, der ihre Knie gerade so bedeckte: Lisa hatte ihr den Rock aufgetragen, was Svenja in ihrer Freizeit nur sehr, sehr selten trug. Sie wusste nicht, worauf sie sich da eingelassen hatte. Diese Idee, Lisa das Ruder zu überlassen und sie bestimmen zu lassen, kam ihr nun seltsam vor. Sie hatten abgemacht, dass Lisa die Dinge an diesem Abend in die Hand nehmen würde. Es erschien ihr zuerst eine nette Idee gewesen zu sein, aber je länger sie darüber nachgedacht hatte, desto weniger war sie sich sicher, was eigentlich passieren würde an diesem Abend. Sie konnte sich einiges vorstellen, aber wollte sie das auch alles? Svenja hatte immerhin die dominante Rolle eingenommen, weil sie da die Kontrolle hatte. Und nun sollte sich das drehen? Lisa hatte sie noch einmal gefragt, wie weit sie gehen dürfe, und Svenja hatte ihr einen Blankoscheck ausgestellt:
„Mach mal, ich werde mich schon melden, wenn mir irgendwas nicht passt.“
„Okay“, hatte sie gesagt. „Ich lasse mir was einfallen. Aber ich werde unsere Rollen nicht infrage stellen. Du wirst immer noch diejenige sein, die das Sagen hat.“
Wie das gehen sollte? Svenja war selbst gespannt.
Lisa erwartete Svenja bereits an der Wohnungstür.
„Komm doch bitte herein.“, meinte sie mit sanfter Stimme.
Svenja folgte ihr in das bereits bekannte Wohnzimmer. Es war wie bei ihren vorherigen Besuchen in gedämpftes Licht getaucht.
Svenjas Blick fiel auf den Wohnzimmertisch.
Sie sah Bekanntes wie die neunschwänzige Katze dort und die Augenmaske. Es war ein seltsamer und neuer Gedanke, dass sie die Medizin selbst spüren sollte, die sie zuvor Lisa selbst verabreicht hatte. Für einen kleinen Augenblick bekam sie sogar Angst, denn sie wollte mit Peitschen nichts zu tun haben, hatte sie nur widerstrebend eingesetzt und wollte sie definitiv nicht auf ihrem eigenen Leib spüren. Aber was all diese Sorge wegwischte, war die Überzeugung, dass sie Lisa vertraute. Und damit verschwand der Gedanke wieder.
Daneben lagen zwei Essstäbchen, fein säuberlich auf einer Serviette drapiert. Svenja fragte sich, was es damit auf sich haben mochte, und welche Spielchen man mit Essstäbchen veranstalten konnte. Auch wenn die beiden Stäbchen akkurat und symmetrisch da lagen, fast wie Operationsbesteck, bereiteten sie ihr keine Sorge.
Mehr irritierte sie der Bierhelm, der ziemlich groß und deplatziert daneben stand. Sie konnte sich nicht vorstellen, den tragen zu müssen. Dieser alberne Helm widerstrebte ihr mehr als die neunschwänzige Katze, die ihr viel mehr Unbehagen bereiten könnte.
Svenja warf einen Blick auf das Wacken-Poster an der Wand und fragte sich, ob sie irgendwelche Saufspiele würde mitmachen müssen. Es beruhigte sie ein wenig, dass auf dem Tisch eine Flasche Sekt mit zwei Gläsern stand. Es war ein Asti Spumante. Ziemlich süß, nicht so Svenjas Ding, trotzdem vielleicht für den Anlass geeignet.
Aber sie sagte zu all dem nichts. Sie vertraute Lisa immerhin und zweitens war sie ja nun in einer anderen Rolle an diesem Abend. Sie wollte sich überraschen lassen.
„Also, was wird heute Abend passieren?“, fragte sie betont locker, vielleicht etwas zu laut.
„Ich würde dich heute gerne in meine Welt mitnehmen.“
„Okay.“
„Und dir zeigen, wie das so auf meiner Seite aussieht. Wenn du nichts dagegen hast natürlich nur.“
„Natürlich nicht!“
„Okay. Schön. Dann würde ich dich bitten, dich in den Sessel zu setzen.“
Jetzt erst sah Svenja, dass allerlei Seile auf dem Boden lagen.
„Sind die für mich?“
„Setz dich doch erst. Du musst dir keine Sorgen machen.“ Lisas Stimme klang ein wenig zu klein für die geänderte Situation. Nicht sehr dominant, nicht sehr überzeugend. Aber das war nun einmal Lisas Stil.
„Kein Problem. Tue ich auch nicht! Ich habe kein Sorgen. Überhaupt nicht.“ Das war ein Satz zu viel gewesen.
„Vielleicht ein Schlückchen Sekt? Zur Entspannung?“
„Wenn du ein Schlückchen mittrinkst.“
„Gerne.“
Svenja setzte sich in den altbekannten Sessel und sah Lisa zu, wie die die Sektflasche öffnete und die beiden Gläser füllte.
„Auf einen spannenden Abend!“
Sie stießen an, sahen sich dabei in die Augen und tranken.
„Also, was hast du mit mir vor?“
„Ich würde dich gerne fesseln. Es ist mehr symbolisch. Du könntest dich locker selbst befreien, aber es soll dir das Gefühl geben, das ich habe, wenn du mich fesselst.“
„Na gut.“
„Leg die Hände einfach auf die Armlehnen.“
Lisa hob eines der Seile vom Boden auf, es hatte bereits eine Schlinge. Das andere Ende lief unter dem Armsessel entlang und kam auf der anderen Seite wieder hervor. Lisa steckte Svenjas Arm hindurch und zog die Schlinge zu. Mit dem anderen Seil machte sie es genauso.
„Wie fühlt sich das an? Ist es nicht zu eng?“
Svenjas Arme waren nun an die Armlehne gebunden. Vermutlich würde sie sich wirklich befreien können, aber es war ihr unmöglich, die Arme zusammen zu bringen.
„Ist okay. Schicke Knoten hast du da gemacht.“
„Ich habe mich ein wenig mit Fesseln und Knoten und so beschäftigt. Japaner sind darin ganz gut.“
„Okay. Du bist also eine kleine Expertin.“
„Jetzt noch die Beine. Ich würde gerne deine Knie fesseln.“
„Na dann bin ich gespannt.“
Ein weiteres Seil mit einer Schlinge lag vor ihren Füßen, das hinter dem Sessel verschwand und auf der anderen Seite wieder hervorkam mit einer weiteren Schlinge am Ende.
Lisa nahm Svenjas Schuhe ab. Sie hätte sich ein kleines Kompliment für die Ballerinas gewünscht, die sich extra für diesen Abend gekauft hatte, weil sie keine Schuhe hatte, die nicht zu formell waren, sondern für einen geschmackvollen, legeren, sexuellen Anlass geeignet waren. Sie waren auch nicht teuer gewesen. Aber Lisa hatte anderes im Sinne, und Svenja konnte ihr das nicht übel nehmen. Gerade war sie dabei, die Schlinge um Svenjas Füße zu legen und sie hochzuziehen bis zu ihren Knien. Dann machte sie das Gleiche mit dem anderen Bein. Svenja wollte schon einwenden, dass diese Fesselung unlogisch war, denn sie konnte ihre Beine ohne Probleme auseinander bewegen. Aber sie sagte nichts. Sie fand es nett, dass Lisa ebenso wie sie Planungsfehler machte. Es machte sie sympathisch.
„Was passiert jetzt, wo du mich gefesselt hast, und ich dir ausgeliefert bin?“
„Du solltest das nicht so sehen, dass du mir ausgeliefert bist. Es soll dir nur so ein bisschen vermitteln, wie es sich anfühlt, wenn man nicht alles unter Kontrolle hat.“
„Okay.“
„Du klingst, als wärst du nicht ganz entspannt.“
„Nein, alles in Ordnung.“
„Du brauchst keine Angst zu haben. Du vertraust mir doch, oder?“
„Natürlich.“
„Wenn du mit irgendwas nicht einverstanden bist, dann sag einfach irgendwas Abtörnendes. Irgendwas von der Arbeit. Steuerprüfung oder Inventur, und dann höre ich sofort auf. Einverstanden?
„Steuerprüfung? Das ist wirklich abtörnend. Okay. Aber alles ist in Ordnung.“
„Na gut. Steuerprüfung ist unser Wort.“
„Gut.“
„Trink noch ein Schlückchen zur Entspannung!“
Lisa nahm Svenjas Glas, setzte es ihr an den Mund, und bevor sie protestieren konnte, musste sie auch schon schlucken, damit der Sekt ihr nicht aus dem Mund lief. Svenja musste gehorchen. Wenn das eine Lektion für sie war, dann hatte sie die durchaus verstanden.
„Ich würde dir gerne noch die Augen verbinden. Weil ich dir die Sinne rauben will und dich ein bisschen überraschen will, und damit du dich auf deine Gefühle konzentrieren kannst und nicht so abgelenkt bist. Ist das in Ordnung?“
Svenja nickte, aber Lisa hatte die Augenbinde da schon über ihre Augen gelegt.
„Super.“
Und schon war Svenja von Dunkelheit umgeben.
„Letzte Sache noch. Du hast den Bierhelm schon gesehen. Der kommt von einem Festival. Ich habe ihn geschenkt bekommen, aber noch nie benutzt. Ich meine, was für ein albernes Teil! Aber man muss sowas ja mal benutzen, bevor man es wegwerfen kann. Also darfst du es jetzt einsetzen, dann kann ich das Ding wegwerfen. Du kannst deine Hände ja nicht bewegen, weil ich dich gefesselt habe, aber trotzdem möchtest du ja ein bisschen Sekt schlürfen.“
„So dringend ist es wirklich nicht.“
„Doch, doch. Du bist ja immer noch die Chefin hier, und da hast du dir den Sekt verdient.“
„Den ich wie so eine richtige Kennerin durch den Strohhalm sauge?“
„Jemand wie du macht das doch mit unglaublich viel Stil.“
„Ganz bestimmt.“
Sie setzte Svenja den Helm auf und steckte ihr den Strohhalm in den Mund.
„Ich sehe bestimmt wie ein totaler Idiot aus.“
„Wenn ich dich so ansehe, dann siehst du von den Füßen bis zum Hals total scharf aus. Fesseln stehen dir. Aber du hast Recht, der Hut ist keine so tolle Entscheidung. Still halten, ich schütte noch was Sekt nach.“
„Wäre nicht nötig.“
„Ich will mir ja nicht vorwerfen lassen, dich nicht genug zu bewirten. Nicht, dass du mich noch bestrafst oder so.“
„Dafür, dass du mich den albernen Helm tragen lässt, wirst du sicherlich noch büßen!“
„Es sieht dich ja keiner. Und nebenbei hat der auch eine Funktion, die vielleicht später ins Spiel kommt.“
„Wie die Essstäbchen auf dem Tisch?“
„Genau. Aber jetzt hast du genug gejammert.“
„Verzeihung.“
Svenja hörte in die Stille, aber es dauerte einen Moment, bis Lisa sich neben die gefesselte Svenja auf den Boden setzte. Sie lehnte sich an Svenjas Beine. Lisas Haare kitzelten an ihren Unterschenkeln.
„Wie fühlt sich das an? So gefesselt und mir ausgeliefert, so hilflos.“
„Ungewohnt.“
Svenja prüfte die Stärke der Fesseln.
„Ungewohnt gut?“
„Einfach ungewohnt. Ich kann mir vorstellen, dass das ganz nett sein kann. Hilflos und so. Aber ich glaube, für immer wäre das nichts für mich.“
„Wir werden sehen. Ich möchte dir gerne erzählen, wie ich dazu gekommen bin. Warum ich gerne unterwürfig bin.“
„Würde ich sehr gerne hören.“
„Na gut. Okay. Habe ich noch nie jemandem erzählt. Ich muss da also erst reinkommen. Als Kind hat das schon angefangen. Als ich ein kleines Mädchen war. Ich erinnere mich, dass wir mit den Jungs Cowboys und Indianer gespielt haben. Und ich wollte immer gefangen und gefesselt werden, so als gefangene Squaw. Es war ganz harmlos und hatte nichts Schweinisches oder so. Ich meine, wir waren Kinder. Aber irgendwie wollte ich das damals schon. Gefesselt sein. Ich habe mich auch erst viel später wieder daran erinnert. Ich wollte schon immer, dass die Jungs mich fesseln, und ich wollte mich in den Fesseln winden und hilflos sein. Haben sie leider nicht gemacht, denn es machte ihnen viel mehr Spaß, mit Pistolen hintereinander her zu laufen und sich gegenseitig zu erschießen. War also eher frustrierend für mich. Naja, so ist die Kindheit. Frustrierend. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass Jungs noch nie so richtig wussten, was ich will.“ Sie lachte. „Komisch nicht? Ich meine, wir waren damals noch Kinder. Das muss also irgendwie in einem stecken. Wie ist es bei dir? Hast du vorher schon einmal irgendwas Dominantes an dir entdeckt?“
Svenja dachte nach, aber sie konnte sich nicht erinnern, dass sie mal irgendwann zuvor eine dominante Ader gespürt hatte. Es war wirklich diese Sache mit Dustin in dem Club nach ihrer bestandenen Prüfung, mit der alles begonnen hatte. Und da waren noch Alkohol und andere Gefühle im Spiel gewesen. Svenja kam sich etwas seltsam vor, in die Dunkelheit zu sprechen und ihr Gegenüber nicht zu sehen.
„Nein, ich kann mich echt nicht erinnern. Ist total neu für mich.“
„Für mich auch. Komisch, nicht wahr. Ich habe mir damals auch nichts dabei gedacht, und es ist mir wie gesagt auch erst später wieder eingefallen.“
„Wie ging’s weiter?“
„Das nächste Mal ist noch nicht so lange her. Vor ein paar Jahren. Mein zweiter Freund. Irgendwie mochte ich es, wenn er mit mir machte, was er wollte. Ich wollte dominiert werden. Ich lag immer unten, wenn wir es machten. Ich wand mich unter ihm, und ich mochte es, wenn er meine Arme mit seinen Händen aufs Bett drückte. Aber er verstand nicht, was ich von ihm erwartete. Er verstand es einfach nicht, und ich konnte es ihm auch nicht sagen. Damals war es noch nicht so wichtig für mich. Es war keine große Sache. Es wäre nur schöner gewesen, wenn ich etwas hilfloser gewesen wäre, wenn er mir das Gefühl gegeben hätte, dass ich ihm ausgeliefert wäre. Ich wäre gerne seine kleine Dienerin gewesen, die ihm gehorcht. Natürlich nur im Bett. Komisch, so ein Gedanke, nicht? Ich habe mich auch gefragt, ob das so gesund ist. So von wegen, dass man sich als Frau dem Mann nicht unterordnen sollte. Ich meine, ich fühle mich ja Männern oder sonst wem nicht unterlegen. Aber im Bett dann doch? Das ist seltsam oder nicht?“
Svenja nickte.
„Dann habe ich die Seiten gewechselt. Hin zu Frauen. Es war jetzt keine bewusste Entscheidung. Ergab sich einfach. Aber ich gebe zu, ich war neugierig, und ich hatte das Gefühl, dass Frauen vielleicht besser verstehen oder so. Frauen sind sensibler. Sagt man zumindest. Ich weiß es nicht. So groß ist der Unterschied nicht, finde ich. Wir sind zusammen auf ein Festival gefahren, waren Teil einer Clique. Marie hieß sie. Wir kannten uns vorher nur so vom Sehen. Ich war mehr Teil dieser Clique als sie. Wir waren eine Gruppe von neun Leuten, und wir wollten zusammen nach Wacken. Sie und ich waren die einzigen Mädchen. Die Jungs wollten, dass wir uns alle ein großes Zelt teilen. Aber ich wollte nicht drei Tage lang immer um die rum sein. Ich wollte auch mal ein wenig Privatsphäre haben. Also entschieden Marie und ich uns, zusammen ein kleines Zelt zu nehmen. Die Jungs waren ein bisschen sauer, glaube ich, weil sie alle so offen und frei sein wollten und vielleicht hofften, dass wir was mit ihnen anfangen würden. Aber nee. Keine Chance. Ich wollte doch nicht ihre Lusttante werden.“
„Lusttante? Was ist das denn für ein Wort?“
„Na ja, eine Lusttante eben. Zu der man kommen kann, wenn man in dieser Stimmung ist und ein bisschen Entspannung braucht. Mir würden auch noch fiesere Wörter einfallen, aber lassen wir es bei Lusttante. So was wollte ich nicht sein. Außer natürlich für dich. Deine Lusttante bin ich ziemlich gerne!“
Lisa bewegte ihren Kopf und ihre Haare streichelten über Svenjas Beine.
Svenja wollte sie dafür loben und mit ihrer Hand über Lisas Kopf streicheln, aber ihre Hand wurde durch die Fesseln gestoppt. Sie stemmte sich einmal gegen die Fesselung, aber die war zu stark. Sie hatte ihre Hilflosigkeit vergessen und war wieder daran erinnert worden.
Lisa begann nun auch langsam, mit ihren Fingern über Svenjas Fuß zu streicheln. Spielerisch, aber ihre Absicht war eindeutig. Ihre Worte sollten durch Berührungen unterstrichen werden.
„Marie und ich also in einem Zelt. Ich wurde dann ihre Lusttante. In der ersten Nacht schon. Wir hatten ein bisschen was getrunken. Nicht so viel wie die Jungs. Wir waren was angeschickert. Als wir in unser Zelt krochen, fragte sie mich, ob wir uns einen Schlafsack teilen könnten. Wir hatten auf ihrem gesessen, und da hatte wohl jemand Bier drauf verschüttet. Meinte sie jedenfalls. Der wäre jedenfalls jetzt nass, und sie wollte nicht im nassen Bier liegen. Na gut. Wer will das schon? Also ließ ich sie in meinen Schlafsack. Ich war jetzt nicht so ganz naiv, und auf so ein bisschen Kuscheln hatte ich mich auch eingestellt. Gefreut sogar. ‚Kann ich was näher kommen? Mir ist echt so ein bisschen kalt‘, meinte sie. Ihr Atem roch nach Bier und Zigaretten. Nicht so ganz mein Ding. Ihr Körper war verschwitzt, und es war nicht dieser frische Schweiß, sondern schon dieser etwas penetrantere. Aber es machte mir nichts. Ich fand es trotzdem toll. Dass sie mir so nah war, dass ich sie riechen konnte. Wie sie wirklich war. Intim und so. Nicht so fake nach Parfum und Chemie. Sie schmiegte sich an mich. Löffelchen. Ihre Beine an meine. So kalt fühlte sie sich nicht an. Aber ihre Beine waren irgendwie weich. Meine, ich erinnere mich noch, nicht so. Ich hatte die länger nicht rasiert. Ich hatte jetzt nicht damit gerechnet, da irgendwas mit irgendwem anzufangen. Man kann sich ja auch nicht immer wie einen Bonsai behandeln und ständig an sich rumschneiden. Meine Beine waren also igelig. Nicht eklig, aber igelig. Übrigens, deine sind ganz glatt und weich.“
Sie strich über Svenjas Unterschenkel bis hoch zu ihren Knien und sogar ein wenig höher. Nicht viel höher, aber hoch genug, dass Svenja überrascht war. Aber schnell war Lisas Hand schon wieder verschwunden. Svenja hätte sie dort gerne noch länger gehabt. Aber sie hatte eben nichts zu sagen in dieser Situation, sondern war auf das angewiesen, was Lisa ihr schenkte. Svenja atmete einmal durch:
„Ich habe sie auch rasiert. Ich wollte nicht igelig sein.“
„Mit anderen Worten, du erwartest, das heute was passiert?“
„Ich glaube, das überrascht dich nicht.“
„Na gut.“
„Erzähl mir mehr von deiner Marie, die sich an dich schmiegt und dich in die Geheimnisse der sapphischen Liebe einführt.“
„Sapphische Liebe?“
„Lesbische Liebe. Anderes Wort.“
„Du bist die Kluge von uns beiden.“
Beide lachten.
„Wirklich? Was bist du dann von uns beiden?“
„Weiß ich noch nicht.“
„Die Lusttante.“
„Einverstanden. Die Kluge und die Lusttante. Elaine und Lisa.“
„Ich finde, du brauchst auch ein Pseudonym. So wie ich mit Elaine.“
„Elaine und die Lusttante.“
„Ich glaube, darüber müssen wir uns noch mal unterhalten.“
„Okay, meine kleine Sapphierin. Ich finde lesbisch klingt so hässlich. Lääsbisch! Bääh! Sapphisch. Besser. Aber auch irgendwie so ein wenig Hippie oder so. Das klingt nach Frauen, die sich nicht die Beine rasieren.“
„Jetzt wieder zurück zum Wortporno. Mach mich mit deiner Marie scharf. Das ist doch der Plan!“
„Marie, ja. Sie fühlte sich warm und weich an. Anders eben. Ich hatte bislang nur mit Männern gelöffelt. Sagt man das so? Die haben haarige Beine. Da erwartet man nicht viel. Aber ihre waren weich. Ich entschuldigte mich für die Stoppeln an meinen. Sie meinte, das mache ihr nichts. Zum Beweis streichelte sie über meine Unterschenkel, meine Schmirgelpapierunterschenkel. Dann sagte sie in dieser Schlafzimmerstimme: ‚Weißt du, meistens haben Frauen am Oberschenkel weniger Haare.‘ Und dann strich sie über meine Oberschenkel. Und sie hatte Recht. Das fühlte sich nicht so peinlich an. Sie berührte mich da. Nur so außen, aber so schnell hatte ich noch nie eine fremde Hand auf meinen Schenkeln gehabt. ‚Hier ist es viel weicher!‘, meinte sie mit ihrer Sexstimme. ‚Darf ich da bleiben?‘ Ich nickte. Und dann sagte sie diesen einen Satz, der mich total umwarf: ‚Bitte darum!‘ Es war einfach so daher gesagt, aber für mich klang das wie ein Befehl. Und das war alles, was ich wollte. Dass mir jemand befahl. Ich setzte also meine unterwürfigste Stimme auf und flüsterte: ‚Bitte lass deine Hand da und mach weiter. Bitte, bitte!‘ Ich fand, das war ein so richtig eindeutiges Signal, dass ich tat, was sie wollte und dass ich wollte, dass sie mit mir anstellte, was sie wollte. Ihre Hand streichelte meine Oberschenkel, dann wanderte sie hoch über meinen Slip, unter mein Shirt, über meinen Bauch. ‚Hier sind keine Haare.‘, sagte sie. ‚Besser?‘, fragte ich. ‚Besser. Und wie ist es da unten? Ziemlich schnell und nur ganz kurz streichelte sie über meinen Slip in meinen Schoß. Es war nur ganz kurz, aber ich zuckte zusammen. Vor Überraschung. Ich fühlte mich überrumpelt. Das ging alles verdammt schnell. Von stoppeligen Unterschenkeln bis in meinen Schoß in nur wenigen Sekunden. So machen Männer das auch. Aber sie machte es besser. Bei ihr fühlte sich das nicht so verzweifelt und hormongesteuert an. Bei ihr fühlte sich das so an, als wäre das selbstverständlich. Als hätte ich ihr mit meinem ‚Bitte Bitte‘ einen Blankoscheck gegeben. Als dürfe sie alles mit mir machen. Und das gefiel mir. ‚Ganz ruhig‘, säuselte sie mir ins Ohr. ‚Ganz ruhig. Ich werde nichts tun, was du nicht willst.‘ Aber ich wusste gar nicht, was ich wollte. Und ich wollte mir auch keine Gedanken darüber machen. Ich wollte einfach nur da liegen und sie machen lassen. Als hätte ich nicht zu bestimmen, was mit mir passiert. Als wäre das alles ihre Sache. Als könne sie das alles entscheiden, und ich hätte nichts zu bestellen.“